Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 4513/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3189/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Regelung in § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I ist auch in den Fällen Rechtsgrundlage für die Rückforderung einer Vorschussleistung, in
denen die Anrechnung des die endgültige Rentenhöhe nicht übersteigenden Vorschusses nach § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I versehentlich unterblieben ist. (Die Revision wurde vom Senat zugelassen)
denen die Anrechnung des die endgültige Rentenhöhe nicht übersteigenden Vorschusses nach § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I versehentlich unterblieben ist. (Die Revision wurde vom Senat zugelassen)
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Juni 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung von Rentenvorschüssen in Höhe von 2.852,78 EUR streitig.
Der am 04. März 1942 geborene Kläger beantragte am 09. August 2002 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach vorangegangener Ablehnung (Bescheid vom 17. Januar 2003) bot die Beklagte mit Schreiben vom 22. Juli 2003 an, dem Kläger werde Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01. September 2002 auf Dauer und Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. März 2003 zunächst zeitlich befristet bis 28. Februar 2006 bis zum Altersrentenbeginn gewährt (Bl 61 Widerspruchsakte I). Das Angebot nahm der Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 2004 an und beantragte zugleich, ihm einen Vorschuss auf die zu bewilligende Rente zu gewähren (Bl 85 der Widerspruchsakte I).
Mit Bescheid vom 02. Februar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin einen Rentenvorschuss in Höhe von 1.000,- EUR (Bl 41 V-Akte - Hauptband), mit Bescheid vom 02. März 2004 einen weiteren Vorschuss in Höhe von 500,- EUR (Bl 59 V-Akte - Hauptband) und schließlich mit Bescheid vom 09. März 2004 einen Vorschuss in Höhe von 750,- EUR für die Zeit vom 01. bis 31. März 2004 (Bl 68 V-Akte - Hauptband). Die Bescheide enthielten den Hinweis, dass nach endgültiger Festsetzung und Anweisung der Rente der angewiesene Rentenvorschuss wegfalle; er sei zur Rückzahlung überzahlter Beträge verpflichtet.
Mit Bescheid vom 19. März 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen für die Zeit vom 01. September 2002 bis 07. Februar 2003 in voller Höhe und ab dem 08. Februar 2003 nicht mehr gezahlt werde. Für die Zeit vom 01. September 2002 bis 30. April 2004 betrage die Nachzahlung 2.221,63 EUR. Diese Nachzahlung werde einstweilen einbehalten, weil Ansprüche anderer Stellen, die im Nachzahlungszeitraum Zahlungen geleistet hätten, zu prüfen seien. Die mit Bescheiden vom 02. Februar, 02. März, 09. März und 22. März 2004 gewährten Vorschusszahlungen würden bei der Bescheiderteilung der Altersrente verrechnet (Bl 1 Widerspruchsakte III).
Am 22. März 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen weiteren Vorschuss in Höhe von 750,- EUR für April 2004. Die bisherigen Vorschüsse seien für die Monate Januar bis März 2004 bestimmt gewesen (Bl 75 V-Akte - Hauptband). Mit Schreiben vom 23. März 2004 leistete sie ihm schließlich für den Monat Dezember 2003 noch einen letzten Vorschuss von 650,-EUR (Bl 84 V-Akte - Hauptband).
Mit Bescheid vom 25. März 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. März 2003 bis 28. Februar 2006. Der monatliche Auszahlbetrag ab 01. Mai 2004 betrage 841,70 EUR; die Nachzahlung für die Zeit vom 01. März 2003 bis 30. April 2004 belaufe sich auf 11.850,47 EUR. Die Nachzahlung werde vorläufig einbehalten (Bl 90 b V-Akte - Hauptband).
Am 29. April 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Agentur für Arbeit P. habe auf die einbehaltene Rentennachzahlung einen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.720,27 EUR erhoben, sodass ein Restbetrag von 4.130,20 EUR verbleibe, der dem Kläger nunmehr überwiesen werde (Bl 101 a f V-Akte - Hauptband). Nachdem die Überweisung wie angekündigt vorgenommen worden war, teilte die Beklagte dem Kläger mit weiterem Schreiben vom 12. Mai 2004 mit, es sei bei der Anweisung des Betrages von 4.130,20 EUR unterlassen worden, die bereits geleisteten Vorschusszahlungen von 3.650,- EUR in Abzug zu bringen. Dem Kläger stünden deshalb lediglich 480,20 EUR zu. Er solle den Differenzbetrag zurücküberweisen. Hierauf reagierte der Kläger zunächst nicht.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger anstelle der bisherigen Rente eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01. Juli 2003. Ab dem 01. August 2004 würden laufend monatlich 902,63 EUR gezahlt. Für die Zeit vom 01. Juli 2003 bis 31. Juli 2004 ergebe sich eine Überzahlung von 2.852,78 EUR, die sich aus den Vorschusszahlungen in Höhe von 3.650,- EUR (Bescheide vom 02.02., 02.02., 09.03. 22.03 und 23.03.2004) errechne. Diese Überzahlung habe der Kläger zu erstatten, darüber werde noch ein gesonderter Bescheid ergehen (Bl 1 ff Widerspruchsakte VII).
Mit Rentenbescheid vom 19. Juli 2004 stellte die Beklagte die dem Kläger bereits bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung nach einer Korrektur der zugrundegelegten Entgeltpunkte neu fest und teilte ihm mit, dass sich aufgrund dieser Neufeststellung eine Nachzahlung für die Zeit vom 01. März 2003 bis 30. Juni 2003 in Höhe von 22.36 EUR ergebe, die ebenfalls vorläufig einbehalten werde (Bl 120 a V-Akte - Hauptband).
Mit Bescheid vom 02. März 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die ihm mit Bescheid vom 16. Juni 2004 bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung sei in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen umgewandelt und eine Überzahlung in Höhe von 2.913,71 EUR festgestellt worden. Die gewährten Vorschusszahlungen in Höhe von 3.650,- EUR seien bislang nicht erstattet und auch nicht mit der laufenden Rente verrechnet worden. Unter Berücksichtigung der Restnachzahlung aus dem Bescheid vom 16. Juni 2004 in Höhe von 420,85 EUR und vom Bescheid vom 19. Juli 2004 in Höhe von 22.36 EUR verbleibe ein Erstattungsbetrag von 3.206,79 EUR (Bl 129 V-Akte - Hauptband).
Mit seinem dagegen am 17. März 2005 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe die Vorschusszahlung zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verbraucht. Eine rechtliche Begründung, nach welcher Vorschrift er die geleisteten Vorschüsse nun zurückzahlen solle, sei nicht erfolgt. Die Beklagte solle diese Begründung nachholen.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 teilte die Beklagte "ergänzend zum Bescheid vom 02. März 2005" mit, nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage ergebe sich eine Änderung hinsichtlich der Höhe der Überzahlung, wobei der Nachzahlungsbetrag aus dem Bescheid vom 16. Juni 2004 richtigerweise mit 797,22 EUR anzusetzen sei. Weiterhin sei der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 3,66 EUR aus dem Bescheid vom 16. November 2005 in die Berechnung einzustellen. Der Kläger müsse deswegen lediglich 3.142,20 EUR erstatten (Bl 14 Widerspruchsakte - VII). Mit weiterem Schreiben vom 22. März 2006 führte die Beklagte ergänzend aus, Rechtsgrundlage für den Rückforderungsbetrag vom 02. März 2005 und den neuerlichen Ergänzungsbescheid vom 21. Dezember 2005 sei § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sowie § 50 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Bewilligungsbescheide über die Vorschusszahlung seien mit den entsprechenden Zusätzen und Vorbehalten versehen gewesen, wie beispielsweise "vorerst ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und in jederzeit widerruflicher Weise gegen spätere Verrechnung", "auch die rückständigen Rentenbeträge aufgerechnet" und "zur Rückerzahlung überzahlter Beträge sind Sie verpflichtet". Der Einwand des Klägers, die Vorschüsse verbraucht zu haben, sei unbeachtlich, weil §§ 812 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht anwendbar seien (Bl 18 Widerspruchsakte VII).
Nach weiterem Schriftwechsel teilte die Beklagte dem Kläger mit "Ergänzungsbescheid" vom 28. Juli 2006 im Anschluss an den Rückforderungsbescheid vom 02. März 2005 mit, die Rückforderung der im Zeitraum Februar 2004 bis März 2004 tatsächlich ausgezahlten, in der Folgezeit jedoch nicht aufgerechneten Vorschussleistungen erfolge auf der Grundlage von § 50 Abs 2 SGB X. Nachdem mit Verwaltungsakt vom 09. April 2004 eine Restnachzahlung in Höhe von 4.130,20 EUR zur Auszahlung gebracht worden sei, seien die Vorschusszahlungen als unrechtmäßige Doppelzahlungen im Rentennachzahlzeitraum zu bewerten. Eine subjektive Schutzwürdigkeit des Empfängers sei insbesondere im Hinblick auf das Mitteilungsschreiben vom 12. Mai 2004 nicht gegeben. Das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Rückführung der unrechtmäßig erfolgten Doppelzahlung überwiege das Interesse des Versicherten an dem Behaltendürfen der fraglichen Gelder. Der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Rückforderungsbescheid vom 02. März 2005.
Nach weiterem Schriftwechsel gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. August 2007 dem Widerspruch insoweit statt, als die Rückforderung auf 2.852,78 EUR begrenzt wurde. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe die Leistungen nach § 50 Abs 1 SGB X zu erstatten. Die in dem Bescheid vom 16. Juni 2004 festgestellte Überzahlung sei für alle Beteiligten bindend. Lediglich hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages, der mit Bescheid vom 02. März 2004 erstattet verlangt worden sei, sei der Widerspruch begründet. Die "rückwirkende Erhöhung der geschuldeten Überzahlung von 2.852,78 EUR scheitere an der hierzu erforderlichen Bösgläubigkeit gemäß § 45 SGB X". Der Kläger habe mit der Erteilung des Bescheides vom 16. Juni 2004 nicht mehr mit einer zu seinen Lasten gehenden Korrektur der festgestellten Überzahlung rechnen müssen (Bl 64 ff Widerspruchsakte VII).
Gegen den am 10. August 2007 zur Post aufgegebenen Widerspruchsbescheid (so der Kläger) hat der Kläger am 13. September 2007 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, zu deren Begründung er darauf verwies, dass auch die Beklagte ursprünglich davon ausgegangen sei, dass kein durchsetzbarer Rückforderungsanspruch gegen ihn bestehe. Die Verrechnung stoße auf erhebliche Bedenken, weil die erbrachten Vorschussleistungen auf bestandskräftigen Bescheiden beruhten und die Vorschüsse auch nicht überzahlt seien. § 50 Abs 1 SGB V scheide als Rechtsgrundlage schon deswegen aus, weil der Rentenbescheid vom 16. Juli 2004 die Vorschussbescheide nicht aufgehoben habe.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins vom 15. Juli 2008 hat der Kläger einen Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides vom 16. Juni 2004 nach § 44 SGB X gestellt.
Nach vorangegangener Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2009, der Beklagten zugestellt am 22. Juni 2009, der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 02. März 2005 in der Gestalt der Bescheide vom 21. Dezember 2005 und 28. Juli 2005 (gemeint 2006) und des Widerspruchsbescheides vom 09. August 2007 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, für die teilweise Erstattung der dem Kläger 2004 geleisteten Vorschüsse fehle es an einer Rechtsgrundlage. § 42 Abs 2 SGB I scheide deswegen aus, da die dem Kläger für die Zeit von Dezember 2003 bis April 2004 gezahlten Vorschüsse sowohl auf den Monat als auch auf den Gesamtzeitraum bezogen niedriger als der Zahlungsbetrag der ihm zustehenden Rente gewesen seien. Bereits nach seinem Wortlaut biete daher die Vorschrift keinen Raum für einen Erstattungsanspruch des Leistungsträgers, dies auch dann nicht, wenn die Beklagte entgegen der sie treffenden Verpflichtung es unterlassen habe, die gezahlten Vorschüsse mit den endgültig zustehenden Rechnungen zu verrechnen und diese Leistungen stattdessen in voller Höhe auszuzahlen. Auch auf § 50 Abs 1 SGB X könne die Rückforderung nicht gestützt werden. Es sei bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift überhaupt anwendbar sei, wenn der Versicherungsträger die Möglichkeit habe, nach § 42 Abs 2 SGB I vorzugehen. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen nicht erfüllt, denn die Beklagte habe die Vorschüsse auf der Grundlage von Verwaltungsakten erbracht. Mit der Entscheidung über die Erbringung eines Vorschusses werde nämlich die erforderliche Regelung im Einzelfall getroffen. Diese Vorschussbescheide habe die Beklagte nie aufgehoben. Zwar werde überwiegend die Auffassung vertreten, dass sich die Vorschussbescheide auch ohne besondere Aufhebung durch Erlass eines endgültigen Bescheides erledigten. Das sei aber nur dann der Fall, wenn der Vorschuss in dem Bescheid, mit dem Leistungen endgültig bewilligt würden, auf die zustehenden Leistungen angerechnet werde. Dies habe die Beklagte aber unterlassen. Auch § 50 Abs 2 SGB X scheide als Rechtsgrundlage aus. Ob die Vorschrift überhaupt anwendbar sei, sei bereits deswegen zweifelhaft, weil die Vorschüsse aufgrund von Verwaltungsakten und damals auch zu Recht erbracht worden seien. Die Vorschrift könne auch nicht analog angewendet werden, denn es fehle an einer Regelungslücke. Überdies erfordere die Vorschrift die Ausübung von Ermessen sowie die Berücksichtigung eines etwaigen Vertrauens des Empfängers. Daran fehle es, da die Beklagte ausweislich ihres Schreibens vom 24. November 2006 (Bl 52 Widerspruchsakte VII) ausdrücklich davon ausgegangen sei, keine Ermessenserwägungen anstellen zu müssen und dementsprechend in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid auch kein Ermessen ausgeübt habe. Dass in dem Ergänzungsbescheid vom 28. Juli 2006 noch Ausführungen enthalten wären, vermöge diesen Mangel nicht zu heilen, denn für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit komme es auf die Gestalt der angefochtenen Verwaltungsakte an, die sich schließlich durch den Widerspruchsbescheid gefunden hätten. Schließlich könne die Rückforderung auch nicht auf dem Bescheid vom 16. Juni 2004 gestützt werden. Zwar habe die Beklagte in dem Bescheid verfügt, dass eine Überzahlung in Höhe von 2.852,78 EUR für die Zeit vom 01. Juli 2003 bis 31. Juli 2004 entstanden sei, aber mit späterem Bescheid vom 02. März 2005 nochmals die Berechnungsgrundlagen mitgeteilt, die Berechnung in mehreren Faktoren geändert und das neue Berechnungsergebnis dargelegt. Damit sei keine wiederholende Verfügung ergangen, sondern eine erneute Regelung zu dem geforderten Gesamtbetrag. Durch diesen Zweitbescheid sei dem Kläger erneut der Rechtsweg für die Überprüfung der Regelung eröffnet worden. Hiervon habe er auch Gebrauch gemacht. Damit sei die ursprüngliche Regelung nicht mehr bindend gewesen. Die Beklagte könne sich daher nicht auf den Bescheid vom 16. Juni 2004 stützen. Schließlich ergebe sich der Erstattungsanspruch auch nicht aus den Vorschussbescheiden selbst. Diese seien lediglich mit dem Hinweis versehen gewesen, dass der Kläger zur Rückzahlung überzahlter Beträge verpflichtet sei. Hierdurch werde aber keine Regelung getroffen, zumal kein konkreter Erstattungsbetrag genannt werde und die Regelung auch als zu unbestimmt anzusehen sei. Die Beklagte habe sich selbst bereits im April 2006 deswegen nicht auf die Vorbehalte aus den Vorschussbescheiden gestützt. Da somit eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Vorschüsse fehle, folge ein Erstattungsanspruch auch nicht daraus, dass die die endgültige Leistung bewilligenden Bescheide aufgehoben worden seien. Die Beklagte habe weder die Bescheide aufgehoben noch Ermessen ausgeübt.
Mit ihrer dagegen am 15. Juli 2009 erhobenen Berufung macht die Beklagte geltend, der Kläger sei mittlerweile über fünf volle Kalenderjahren im Besitz von zu Unrecht erhaltenen Rentenleistungen in Höhe von 3.650,- EUR zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Dieser Tatbestand werde auch vom Kläger nicht bestritten. Die Tatsache, dass er vom SG in seiner Verweigerungshaltung gestärkt werde, offenbare auch einen Wandel in der Sozialgerichtsbarkeit. Der Richter ergehe sich - fast in einer Doktorarbeit - in seitenlangen theoretischen Ausführungen und sehe vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Er erörtere alle möglichen Rechtsgrundlagen in seinem durchaus bemühten Suchen nach einer Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Beklagten, den zu erfüllen für jeden sozialdenkenden Menschen eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Das Urteil sei deshalb falsch und rechtswidrig, weil dem Gesetzgeber ein ähnlich verqueres Denken unterstellt werde, wie es in dem Urteil zum Ausdruck käme. Natürlich habe das SG, welches das Landessozialgericht (LSG) Berlin mit seinem Urteil vom 27. Mai 2003 (L 14 AL 45/01) auf seiner Seite wisse, insoweit recht, als das § 42 SGB I nach seinem Wortlaut nicht zur Rückforderung der versehentlich nicht einbehaltenen Zuschüsse bemüht werden könne. Es sei indessen barer Unsinn, unter den Wortlaut der zitierten Vorschrift den Willen des Gesetzgebers zu subsumieren, dass vom Versicherungsträger versehentlich (aufgrund menschlichen Versagens) nicht einbehaltene Vorschüsse nun bei dem unrechtmäßigen Empfänger verbleiben dürften oder gar sollten. Es bestehe kein Zweifel, dass man dem unberechtigten Empfänger einer Rentenleistung keinesfalls ein Recht auf Verweigerung der Rückgabe hätte einräumen wollen. Genau diese wirre Regelungsabsicht unterstellten indessen das LSG Berlin sowie das SG dem Gesetzgeber. Im Lichte der äußerst angespannten finanziellen Lage des Sozialstaats Bundesrepublik Deutschland möge es nicht einmal verfehlt erscheinen, die Verweigerungshaltung der Bevollmächtigten als sittenwidrig anzusehen. Diese Haltung verstoße indessen gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden". Das SG habe sich keine Gedanken über die herrschende Sozialmoral in der Bundesrepublik Deutschland gemacht.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass die Beklagte, obwohl sie im angefochtenen Widerspruchsbescheid bereits die Forderung auf 2.852,78 EUR ermäßigt habe, wieder eine Überzahlung in Höhe von 3.650,- EUR bzw 3.950,- EUR genannt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG, da die Rückforderung der Rentenvorschüsse die erforderliche Berufungssumme von 750 EUR übersteigt.
Die damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Streitgegenstand sind die Bescheide der Beklagten vom 2. März 2005, 21. Dezember 2005 und 28. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2007 bzw (nur) der Bescheid vom 28. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2007, mit denen die Beklagte vom Kläger die Zahlung (Erstattung) von 2.852,78 EUR verlangt. Diese Bescheide sind, soweit darin der Kläger verpflichtet wird, den Betrag von 2.852,78 EUR an die Beklagte zu zahlen, rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Rechtsauffassung des SG verstößt allerdings weder gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" noch kommt darin ein "verqueres Denken" zum Ausdruck. Das Urteil des SG ist im Gegenteil sachlich und ausführlich begründet. Der Senat vertritt lediglich eine andere Rechtsauffassung als das SG und hält es zudem für erforderlich, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte kann die Rückforderung der Vorschussleistung auf § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I stützen, der hier zumindest analog anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift sind die gezahlten Vorschüsse auf Geldleistungen vom Empfänger zu erstatten, soweit sie die zustehende Leistung übersteigen. Zunächst und vorrangig sind sie auf die zustehende Leistung anzurechnen (Satz 1). Nach § 42 Abs 1 Satz 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Auf Antrag des Berechtigten ist er gemäß § 42 Abs 1 Satz 2 Hs 1 SGB I sogar verpflichtet, einen Vorschuss zu zahlen. Er muss allerdings hinreichend deutlich machen, dass er wegen eines seiner Ansicht nach dem Grunde nach bestehenden Anspruchs auf Geldleistungen, dessen genaue Höhe noch nicht zeitnah festgestellt werden kann, ein Recht auf Zahlungen bewilligt, das noch kein dauerhafter Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Gezahlten und dessen Ausübung daher wirtschaftlich mit dem Risiko einer möglichen Rückzahlungspflicht behaftet ist (BSG Urteil vom 26. Juni 2007, B 2 U 5/06 R, SozR 4-1200 § 42 Nr 1).
Die Beklagte hat dem Kläger mit Bescheiden vom 02. Februar, 02. März, 09. März, 22. März und 23. März 2004, welche Verwaltungsakte iSv § 31 Satz 1 SGB X darstellen, einen Vorschuss auf die ihm dem Grunde nach zustehende Rente iHv insgesamt 3.650 EUR gewährt. Von dieser Vorschussleistung fordert sie noch den hier im Streit stehenden Betrag von 2.852,78 EUR zurück. In den genannten Bescheiden wird ausdrücklich ausgeführt, dass "nach endgültiger Festsetzung und Anweisung der Rente der angewiesene Rentenvorschuss wegfalle"; oder es wird darauf hingewiesen, dass Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen sind und - soweit sie diese übersteigen - vom Empfänger zu erstatten sind.
Nach § 42 Abs 2 dieser Vorschrift sind Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen (Satz 1) und, soweit sie diese übersteigen, vom Empfänger zu erstatten (Satz 2). Zwar hat das BSG im Urteil vom 30. Mai 1984 (5a RKn 3/84, SozR 1200 § 42 Nr 3) entschieden, dass für Vorschüsse, die - wie hier - die zustehende Leistung nicht übersteigen, in § 42 Abs 2 Satz 1 SGB I nur die Anrechnung, die sich aus dem Charakter des Vorschusses ergebe, vorgesehen sei. Eine Erstattungspflicht habe der Gesetzgeber insoweit nicht geschaffen. Sie sei auch nicht notwendig, weil nach dem gesetzgeberischen Auftrag die Vorschüsse anzurechnen seien. Dieser Auffassung, die die Rechtsansicht des SG stützt, schließt sich der Senat nicht an. Das BSG trägt in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1984 nicht hinreichend dem Umstand Rechnung, dass die Bindungswirkung eines Vorschussbescheides als eines einstweiligen Verwaltungsaktes zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum, nämlich bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens schafft. Dies folgt aus dem bekannt gegebenen Inhalt der in dem Vorschussbescheid getroffenen Regelung (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, B 2 U 5/06 R, SozR 4-1200 § 42 Nr 1). Zum bekannt zu gebenden Inhalt einstweiliger Verwaltungsakte gehört notwendig, dass sie nur für eine Übergangszeit Rechtswirkungen haben sollen. Deswegen können einstweilige Regelungen schutzwürdiges Vertrauen des Bescheidadressaten grundsätzlich (vgl zur Zeitgrenze der Einstweiligkeit schon BSGE 7, 226, 229 = NJW 1958, 1416) nur für die Dauer des Verwaltungsverfahrens bis zum Erlass des abschließenden Verwaltungsaktes begründen, durch den sie sich erledigen (§ 39 Abs 2 SGB X; s zu alledem BSG, Urteil vom 28. Juni 1990, 4 RA 57/89, SozR 3-1300 § 32 Nr 2).
Der Vorschussbescheid erledigt sich deshalb mit der endgültigen Entscheidung über die Ablehnung oder Bewilligung der Leistung gemäß § 39 Abs 2 SGB X auf sonstige Weise, und zwar unabhängig davon, ob der Vorschuss auf die endgültige Leistung angerechnet wird oder nicht. Denn der Umfang einer durch Verwaltungsakt geregelten (begrenzten) Bindungswirkung kann nicht davon abhängen, ob die Behörde später eine gesetzlich vorgeschriebene Anrechnung vornimmt oder nicht. Eine unterbliebene Anrechnung kann die ursprünglich getroffene (begrenzte) Regelung nicht nachträglich abändern. Mit dem das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid verlieren daher Vorschussbescheide - ebenso wie Ausführungsbescheide mit dem das Verfahren abschließenden Urteil (vgl hierzu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 20/06 R, SozR 4-3500 § 90 Nr 1) - ihre Wirkung und können nicht mehr Rechtsgrund für die gezahlte Leistung sein.
Ist - wie im vorliegenden Fall - eine Anrechnung des die endgültige Leistung nicht übersteigenden Vorschusses auf die zustehende Rentenleistung unterblieben, stellt sich die Frage, ob der Versicherte den zu viel erhaltenen Vorschuss behalten darf, ob er ihn zurückzahlen muss oder ob der Leistungsträger den die endgültige Leistung bewilligenden Bescheid abändern und nicht den Vorschuss, sondern die Rente zurückfordern muss. Nach Auffassung des Senats hat der Versicherte den Vorschuss zurückzuzahlen. Denn er hat die Leistung in Höhe des nicht angerechneten Vorschusses doppelt erhalten. Auch in diesem Fall übersteigt der Vorschuss die zustehende Leistung und ist daher nach § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I zu erstatten. Auf Vertrauensschutz kann sich der Empfänger einer nur vorläufig (bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens) gezahlten Leistung nicht berufen.
Nach Ansicht des Senats ist der hier zu beurteilende Fall einer im Zusammenhang mit endgültigen Leistungsbewilligung zwar möglich gewesenen, aber - bewusst oder versehentlich - unterbliebenen Anrechnung nach den gleichen Grundsätzen zu lösen wie der Fall, in dem ein Vorschuss deshalb zu viel gezahlt wurde, weil sich nachträglich herausgestellt hat, dass der Anspruch auf die endgültige Leistungen nicht besteht (hierzu BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, B 2 U 5/06 R, SozR 4-1200 § 42 Nr 1). In diesem Fall wurde der Vorschuss rechtswidrig bewilligt, weil zu Unrecht davon ausgegangen wurde, dass ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht. Eine Rückforderung des rechtswidrig gezahlten Vorschusses wäre bei einem am Wortlaut haftenden Verständnis des § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I nicht möglich, weil der Vorschuss die "zustehende" Leistung schon deshalb nicht übersteigen kann, weil es eine "zustehende" Leistung gar nicht gibt. Gleichwohl geht das BSG davon aus, dass eine "zustehende Leistung" auch bei Null liegen, der Vorschuss diese dann in vollem Umfang übersteigen kann und vollständig zu erstatten ist. Gleiches muss für die vorliegende Konstellation gelten. Bei der unterbliebenen Anrechnung übersteigt der Vorschuss ebenfalls die "zustehende Leistung", weil die Leistung in Höhe des nicht angerechneten Vorschusses dem Versicherten materiell-rechtlich nicht zusteht. Zudem soll die Regelung in § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I die Abrechnung des Vorschusses erleichtern und nicht erschweren.
Bei der Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch die Vielzahl der erlassenen Bescheide, in denen sie zwar immer wieder auf die erfolgte Vorschusszahlung hingewiesen, diese aber dennoch nicht auf die bewilligte Leistung angerechnet hat, Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Die Revision wird zugelassen. Die hier zu beurteilende Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung. Geht man davon, dass das Urteil des BSG vom 30. Mai 1984 auch auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden ist, weicht der Senat außerdem von diesem Urteil ab.
Die außergerichtlichen Kosten des Klägers beider Instanzen trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung von Rentenvorschüssen in Höhe von 2.852,78 EUR streitig.
Der am 04. März 1942 geborene Kläger beantragte am 09. August 2002 bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach vorangegangener Ablehnung (Bescheid vom 17. Januar 2003) bot die Beklagte mit Schreiben vom 22. Juli 2003 an, dem Kläger werde Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01. September 2002 auf Dauer und Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01. März 2003 zunächst zeitlich befristet bis 28. Februar 2006 bis zum Altersrentenbeginn gewährt (Bl 61 Widerspruchsakte I). Das Angebot nahm der Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 2004 an und beantragte zugleich, ihm einen Vorschuss auf die zu bewilligende Rente zu gewähren (Bl 85 der Widerspruchsakte I).
Mit Bescheid vom 02. Februar 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin einen Rentenvorschuss in Höhe von 1.000,- EUR (Bl 41 V-Akte - Hauptband), mit Bescheid vom 02. März 2004 einen weiteren Vorschuss in Höhe von 500,- EUR (Bl 59 V-Akte - Hauptband) und schließlich mit Bescheid vom 09. März 2004 einen Vorschuss in Höhe von 750,- EUR für die Zeit vom 01. bis 31. März 2004 (Bl 68 V-Akte - Hauptband). Die Bescheide enthielten den Hinweis, dass nach endgültiger Festsetzung und Anweisung der Rente der angewiesene Rentenvorschuss wegfalle; er sei zur Rückzahlung überzahlter Beträge verpflichtet.
Mit Bescheid vom 19. März 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, die unter Berücksichtigung der individuellen Hinzuverdienstgrenzen für die Zeit vom 01. September 2002 bis 07. Februar 2003 in voller Höhe und ab dem 08. Februar 2003 nicht mehr gezahlt werde. Für die Zeit vom 01. September 2002 bis 30. April 2004 betrage die Nachzahlung 2.221,63 EUR. Diese Nachzahlung werde einstweilen einbehalten, weil Ansprüche anderer Stellen, die im Nachzahlungszeitraum Zahlungen geleistet hätten, zu prüfen seien. Die mit Bescheiden vom 02. Februar, 02. März, 09. März und 22. März 2004 gewährten Vorschusszahlungen würden bei der Bescheiderteilung der Altersrente verrechnet (Bl 1 Widerspruchsakte III).
Am 22. März 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger einen weiteren Vorschuss in Höhe von 750,- EUR für April 2004. Die bisherigen Vorschüsse seien für die Monate Januar bis März 2004 bestimmt gewesen (Bl 75 V-Akte - Hauptband). Mit Schreiben vom 23. März 2004 leistete sie ihm schließlich für den Monat Dezember 2003 noch einen letzten Vorschuss von 650,-EUR (Bl 84 V-Akte - Hauptband).
Mit Bescheid vom 25. März 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01. März 2003 bis 28. Februar 2006. Der monatliche Auszahlbetrag ab 01. Mai 2004 betrage 841,70 EUR; die Nachzahlung für die Zeit vom 01. März 2003 bis 30. April 2004 belaufe sich auf 11.850,47 EUR. Die Nachzahlung werde vorläufig einbehalten (Bl 90 b V-Akte - Hauptband).
Am 29. April 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Agentur für Arbeit P. habe auf die einbehaltene Rentennachzahlung einen Erstattungsanspruch in Höhe von 7.720,27 EUR erhoben, sodass ein Restbetrag von 4.130,20 EUR verbleibe, der dem Kläger nunmehr überwiesen werde (Bl 101 a f V-Akte - Hauptband). Nachdem die Überweisung wie angekündigt vorgenommen worden war, teilte die Beklagte dem Kläger mit weiterem Schreiben vom 12. Mai 2004 mit, es sei bei der Anweisung des Betrages von 4.130,20 EUR unterlassen worden, die bereits geleisteten Vorschusszahlungen von 3.650,- EUR in Abzug zu bringen. Dem Kläger stünden deshalb lediglich 480,20 EUR zu. Er solle den Differenzbetrag zurücküberweisen. Hierauf reagierte der Kläger zunächst nicht.
Mit Bescheid vom 16. Juni 2004 bewilligte die Beklagte dem Kläger anstelle der bisherigen Rente eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 01. Juli 2003. Ab dem 01. August 2004 würden laufend monatlich 902,63 EUR gezahlt. Für die Zeit vom 01. Juli 2003 bis 31. Juli 2004 ergebe sich eine Überzahlung von 2.852,78 EUR, die sich aus den Vorschusszahlungen in Höhe von 3.650,- EUR (Bescheide vom 02.02., 02.02., 09.03. 22.03 und 23.03.2004) errechne. Diese Überzahlung habe der Kläger zu erstatten, darüber werde noch ein gesonderter Bescheid ergehen (Bl 1 ff Widerspruchsakte VII).
Mit Rentenbescheid vom 19. Juli 2004 stellte die Beklagte die dem Kläger bereits bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung nach einer Korrektur der zugrundegelegten Entgeltpunkte neu fest und teilte ihm mit, dass sich aufgrund dieser Neufeststellung eine Nachzahlung für die Zeit vom 01. März 2003 bis 30. Juni 2003 in Höhe von 22.36 EUR ergebe, die ebenfalls vorläufig einbehalten werde (Bl 120 a V-Akte - Hauptband).
Mit Bescheid vom 02. März 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die ihm mit Bescheid vom 16. Juni 2004 bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung sei in eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen umgewandelt und eine Überzahlung in Höhe von 2.913,71 EUR festgestellt worden. Die gewährten Vorschusszahlungen in Höhe von 3.650,- EUR seien bislang nicht erstattet und auch nicht mit der laufenden Rente verrechnet worden. Unter Berücksichtigung der Restnachzahlung aus dem Bescheid vom 16. Juni 2004 in Höhe von 420,85 EUR und vom Bescheid vom 19. Juli 2004 in Höhe von 22.36 EUR verbleibe ein Erstattungsbetrag von 3.206,79 EUR (Bl 129 V-Akte - Hauptband).
Mit seinem dagegen am 17. März 2005 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe die Vorschusszahlung zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes verbraucht. Eine rechtliche Begründung, nach welcher Vorschrift er die geleisteten Vorschüsse nun zurückzahlen solle, sei nicht erfolgt. Die Beklagte solle diese Begründung nachholen.
Mit Bescheid vom 21. Dezember 2005 teilte die Beklagte "ergänzend zum Bescheid vom 02. März 2005" mit, nach erneuter Prüfung der Sach- und Rechtslage ergebe sich eine Änderung hinsichtlich der Höhe der Überzahlung, wobei der Nachzahlungsbetrag aus dem Bescheid vom 16. Juni 2004 richtigerweise mit 797,22 EUR anzusetzen sei. Weiterhin sei der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 3,66 EUR aus dem Bescheid vom 16. November 2005 in die Berechnung einzustellen. Der Kläger müsse deswegen lediglich 3.142,20 EUR erstatten (Bl 14 Widerspruchsakte - VII). Mit weiterem Schreiben vom 22. März 2006 führte die Beklagte ergänzend aus, Rechtsgrundlage für den Rückforderungsbetrag vom 02. März 2005 und den neuerlichen Ergänzungsbescheid vom 21. Dezember 2005 sei § 42 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sowie § 50 Abs 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Die Bewilligungsbescheide über die Vorschusszahlung seien mit den entsprechenden Zusätzen und Vorbehalten versehen gewesen, wie beispielsweise "vorerst ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und in jederzeit widerruflicher Weise gegen spätere Verrechnung", "auch die rückständigen Rentenbeträge aufgerechnet" und "zur Rückerzahlung überzahlter Beträge sind Sie verpflichtet". Der Einwand des Klägers, die Vorschüsse verbraucht zu haben, sei unbeachtlich, weil §§ 812 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht anwendbar seien (Bl 18 Widerspruchsakte VII).
Nach weiterem Schriftwechsel teilte die Beklagte dem Kläger mit "Ergänzungsbescheid" vom 28. Juli 2006 im Anschluss an den Rückforderungsbescheid vom 02. März 2005 mit, die Rückforderung der im Zeitraum Februar 2004 bis März 2004 tatsächlich ausgezahlten, in der Folgezeit jedoch nicht aufgerechneten Vorschussleistungen erfolge auf der Grundlage von § 50 Abs 2 SGB X. Nachdem mit Verwaltungsakt vom 09. April 2004 eine Restnachzahlung in Höhe von 4.130,20 EUR zur Auszahlung gebracht worden sei, seien die Vorschusszahlungen als unrechtmäßige Doppelzahlungen im Rentennachzahlzeitraum zu bewerten. Eine subjektive Schutzwürdigkeit des Empfängers sei insbesondere im Hinblick auf das Mitteilungsschreiben vom 12. Mai 2004 nicht gegeben. Das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Rückführung der unrechtmäßig erfolgten Doppelzahlung überwiege das Interesse des Versicherten an dem Behaltendürfen der fraglichen Gelder. Der Bescheid werde Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens gegen den Rückforderungsbescheid vom 02. März 2005.
Nach weiterem Schriftwechsel gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. August 2007 dem Widerspruch insoweit statt, als die Rückforderung auf 2.852,78 EUR begrenzt wurde. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Kläger habe die Leistungen nach § 50 Abs 1 SGB X zu erstatten. Die in dem Bescheid vom 16. Juni 2004 festgestellte Überzahlung sei für alle Beteiligten bindend. Lediglich hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages, der mit Bescheid vom 02. März 2004 erstattet verlangt worden sei, sei der Widerspruch begründet. Die "rückwirkende Erhöhung der geschuldeten Überzahlung von 2.852,78 EUR scheitere an der hierzu erforderlichen Bösgläubigkeit gemäß § 45 SGB X". Der Kläger habe mit der Erteilung des Bescheides vom 16. Juni 2004 nicht mehr mit einer zu seinen Lasten gehenden Korrektur der festgestellten Überzahlung rechnen müssen (Bl 64 ff Widerspruchsakte VII).
Gegen den am 10. August 2007 zur Post aufgegebenen Widerspruchsbescheid (so der Kläger) hat der Kläger am 13. September 2007 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, zu deren Begründung er darauf verwies, dass auch die Beklagte ursprünglich davon ausgegangen sei, dass kein durchsetzbarer Rückforderungsanspruch gegen ihn bestehe. Die Verrechnung stoße auf erhebliche Bedenken, weil die erbrachten Vorschussleistungen auf bestandskräftigen Bescheiden beruhten und die Vorschüsse auch nicht überzahlt seien. § 50 Abs 1 SGB V scheide als Rechtsgrundlage schon deswegen aus, weil der Rentenbescheid vom 16. Juli 2004 die Vorschussbescheide nicht aufgehoben habe.
Nach Durchführung eines Erörterungstermins vom 15. Juli 2008 hat der Kläger einen Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides vom 16. Juni 2004 nach § 44 SGB X gestellt.
Nach vorangegangener Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 15. Juni 2009, der Beklagten zugestellt am 22. Juni 2009, der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 02. März 2005 in der Gestalt der Bescheide vom 21. Dezember 2005 und 28. Juli 2005 (gemeint 2006) und des Widerspruchsbescheides vom 09. August 2007 aufgehoben. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, für die teilweise Erstattung der dem Kläger 2004 geleisteten Vorschüsse fehle es an einer Rechtsgrundlage. § 42 Abs 2 SGB I scheide deswegen aus, da die dem Kläger für die Zeit von Dezember 2003 bis April 2004 gezahlten Vorschüsse sowohl auf den Monat als auch auf den Gesamtzeitraum bezogen niedriger als der Zahlungsbetrag der ihm zustehenden Rente gewesen seien. Bereits nach seinem Wortlaut biete daher die Vorschrift keinen Raum für einen Erstattungsanspruch des Leistungsträgers, dies auch dann nicht, wenn die Beklagte entgegen der sie treffenden Verpflichtung es unterlassen habe, die gezahlten Vorschüsse mit den endgültig zustehenden Rechnungen zu verrechnen und diese Leistungen stattdessen in voller Höhe auszuzahlen. Auch auf § 50 Abs 1 SGB X könne die Rückforderung nicht gestützt werden. Es sei bereits zweifelhaft, ob diese Vorschrift überhaupt anwendbar sei, wenn der Versicherungsträger die Möglichkeit habe, nach § 42 Abs 2 SGB I vorzugehen. Ungeachtet dessen seien die Voraussetzungen nicht erfüllt, denn die Beklagte habe die Vorschüsse auf der Grundlage von Verwaltungsakten erbracht. Mit der Entscheidung über die Erbringung eines Vorschusses werde nämlich die erforderliche Regelung im Einzelfall getroffen. Diese Vorschussbescheide habe die Beklagte nie aufgehoben. Zwar werde überwiegend die Auffassung vertreten, dass sich die Vorschussbescheide auch ohne besondere Aufhebung durch Erlass eines endgültigen Bescheides erledigten. Das sei aber nur dann der Fall, wenn der Vorschuss in dem Bescheid, mit dem Leistungen endgültig bewilligt würden, auf die zustehenden Leistungen angerechnet werde. Dies habe die Beklagte aber unterlassen. Auch § 50 Abs 2 SGB X scheide als Rechtsgrundlage aus. Ob die Vorschrift überhaupt anwendbar sei, sei bereits deswegen zweifelhaft, weil die Vorschüsse aufgrund von Verwaltungsakten und damals auch zu Recht erbracht worden seien. Die Vorschrift könne auch nicht analog angewendet werden, denn es fehle an einer Regelungslücke. Überdies erfordere die Vorschrift die Ausübung von Ermessen sowie die Berücksichtigung eines etwaigen Vertrauens des Empfängers. Daran fehle es, da die Beklagte ausweislich ihres Schreibens vom 24. November 2006 (Bl 52 Widerspruchsakte VII) ausdrücklich davon ausgegangen sei, keine Ermessenserwägungen anstellen zu müssen und dementsprechend in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid auch kein Ermessen ausgeübt habe. Dass in dem Ergänzungsbescheid vom 28. Juli 2006 noch Ausführungen enthalten wären, vermöge diesen Mangel nicht zu heilen, denn für die Beurteilung der Rechtsmäßigkeit komme es auf die Gestalt der angefochtenen Verwaltungsakte an, die sich schließlich durch den Widerspruchsbescheid gefunden hätten. Schließlich könne die Rückforderung auch nicht auf dem Bescheid vom 16. Juni 2004 gestützt werden. Zwar habe die Beklagte in dem Bescheid verfügt, dass eine Überzahlung in Höhe von 2.852,78 EUR für die Zeit vom 01. Juli 2003 bis 31. Juli 2004 entstanden sei, aber mit späterem Bescheid vom 02. März 2005 nochmals die Berechnungsgrundlagen mitgeteilt, die Berechnung in mehreren Faktoren geändert und das neue Berechnungsergebnis dargelegt. Damit sei keine wiederholende Verfügung ergangen, sondern eine erneute Regelung zu dem geforderten Gesamtbetrag. Durch diesen Zweitbescheid sei dem Kläger erneut der Rechtsweg für die Überprüfung der Regelung eröffnet worden. Hiervon habe er auch Gebrauch gemacht. Damit sei die ursprüngliche Regelung nicht mehr bindend gewesen. Die Beklagte könne sich daher nicht auf den Bescheid vom 16. Juni 2004 stützen. Schließlich ergebe sich der Erstattungsanspruch auch nicht aus den Vorschussbescheiden selbst. Diese seien lediglich mit dem Hinweis versehen gewesen, dass der Kläger zur Rückzahlung überzahlter Beträge verpflichtet sei. Hierdurch werde aber keine Regelung getroffen, zumal kein konkreter Erstattungsbetrag genannt werde und die Regelung auch als zu unbestimmt anzusehen sei. Die Beklagte habe sich selbst bereits im April 2006 deswegen nicht auf die Vorbehalte aus den Vorschussbescheiden gestützt. Da somit eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Vorschüsse fehle, folge ein Erstattungsanspruch auch nicht daraus, dass die die endgültige Leistung bewilligenden Bescheide aufgehoben worden seien. Die Beklagte habe weder die Bescheide aufgehoben noch Ermessen ausgeübt.
Mit ihrer dagegen am 15. Juli 2009 erhobenen Berufung macht die Beklagte geltend, der Kläger sei mittlerweile über fünf volle Kalenderjahren im Besitz von zu Unrecht erhaltenen Rentenleistungen in Höhe von 3.650,- EUR zu Lasten der Versichertengemeinschaft. Dieser Tatbestand werde auch vom Kläger nicht bestritten. Die Tatsache, dass er vom SG in seiner Verweigerungshaltung gestärkt werde, offenbare auch einen Wandel in der Sozialgerichtsbarkeit. Der Richter ergehe sich - fast in einer Doktorarbeit - in seitenlangen theoretischen Ausführungen und sehe vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Er erörtere alle möglichen Rechtsgrundlagen in seinem durchaus bemühten Suchen nach einer Rechtsgrundlage für einen Anspruch der Beklagten, den zu erfüllen für jeden sozialdenkenden Menschen eine Selbstverständlichkeit sein müsste. Das Urteil sei deshalb falsch und rechtswidrig, weil dem Gesetzgeber ein ähnlich verqueres Denken unterstellt werde, wie es in dem Urteil zum Ausdruck käme. Natürlich habe das SG, welches das Landessozialgericht (LSG) Berlin mit seinem Urteil vom 27. Mai 2003 (L 14 AL 45/01) auf seiner Seite wisse, insoweit recht, als das § 42 SGB I nach seinem Wortlaut nicht zur Rückforderung der versehentlich nicht einbehaltenen Zuschüsse bemüht werden könne. Es sei indessen barer Unsinn, unter den Wortlaut der zitierten Vorschrift den Willen des Gesetzgebers zu subsumieren, dass vom Versicherungsträger versehentlich (aufgrund menschlichen Versagens) nicht einbehaltene Vorschüsse nun bei dem unrechtmäßigen Empfänger verbleiben dürften oder gar sollten. Es bestehe kein Zweifel, dass man dem unberechtigten Empfänger einer Rentenleistung keinesfalls ein Recht auf Verweigerung der Rückgabe hätte einräumen wollen. Genau diese wirre Regelungsabsicht unterstellten indessen das LSG Berlin sowie das SG dem Gesetzgeber. Im Lichte der äußerst angespannten finanziellen Lage des Sozialstaats Bundesrepublik Deutschland möge es nicht einmal verfehlt erscheinen, die Verweigerungshaltung der Bevollmächtigten als sittenwidrig anzusehen. Diese Haltung verstoße indessen gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden". Das SG habe sich keine Gedanken über die herrschende Sozialmoral in der Bundesrepublik Deutschland gemacht.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15. Juni 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass die Beklagte, obwohl sie im angefochtenen Widerspruchsbescheid bereits die Forderung auf 2.852,78 EUR ermäßigt habe, wieder eine Überzahlung in Höhe von 3.650,- EUR bzw 3.950,- EUR genannt habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft im Sinne des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG, da die Rückforderung der Rentenvorschüsse die erforderliche Berufungssumme von 750 EUR übersteigt.
Die damit insgesamt zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet. Streitgegenstand sind die Bescheide der Beklagten vom 2. März 2005, 21. Dezember 2005 und 28. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2007 bzw (nur) der Bescheid vom 28. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2007, mit denen die Beklagte vom Kläger die Zahlung (Erstattung) von 2.852,78 EUR verlangt. Diese Bescheide sind, soweit darin der Kläger verpflichtet wird, den Betrag von 2.852,78 EUR an die Beklagte zu zahlen, rechtmäßig und verletzen ihn nicht in seinen Rechten. Das Urteil des SG war daher aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Rechtsauffassung des SG verstößt allerdings weder gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" noch kommt darin ein "verqueres Denken" zum Ausdruck. Das Urteil des SG ist im Gegenteil sachlich und ausführlich begründet. Der Senat vertritt lediglich eine andere Rechtsauffassung als das SG und hält es zudem für erforderlich, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte kann die Rückforderung der Vorschussleistung auf § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I stützen, der hier zumindest analog anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift sind die gezahlten Vorschüsse auf Geldleistungen vom Empfänger zu erstatten, soweit sie die zustehende Leistung übersteigen. Zunächst und vorrangig sind sie auf die zustehende Leistung anzurechnen (Satz 1). Nach § 42 Abs 1 Satz 1 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. Auf Antrag des Berechtigten ist er gemäß § 42 Abs 1 Satz 2 Hs 1 SGB I sogar verpflichtet, einen Vorschuss zu zahlen. Er muss allerdings hinreichend deutlich machen, dass er wegen eines seiner Ansicht nach dem Grunde nach bestehenden Anspruchs auf Geldleistungen, dessen genaue Höhe noch nicht zeitnah festgestellt werden kann, ein Recht auf Zahlungen bewilligt, das noch kein dauerhafter Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Gezahlten und dessen Ausübung daher wirtschaftlich mit dem Risiko einer möglichen Rückzahlungspflicht behaftet ist (BSG Urteil vom 26. Juni 2007, B 2 U 5/06 R, SozR 4-1200 § 42 Nr 1).
Die Beklagte hat dem Kläger mit Bescheiden vom 02. Februar, 02. März, 09. März, 22. März und 23. März 2004, welche Verwaltungsakte iSv § 31 Satz 1 SGB X darstellen, einen Vorschuss auf die ihm dem Grunde nach zustehende Rente iHv insgesamt 3.650 EUR gewährt. Von dieser Vorschussleistung fordert sie noch den hier im Streit stehenden Betrag von 2.852,78 EUR zurück. In den genannten Bescheiden wird ausdrücklich ausgeführt, dass "nach endgültiger Festsetzung und Anweisung der Rente der angewiesene Rentenvorschuss wegfalle"; oder es wird darauf hingewiesen, dass Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen sind und - soweit sie diese übersteigen - vom Empfänger zu erstatten sind.
Nach § 42 Abs 2 dieser Vorschrift sind Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen (Satz 1) und, soweit sie diese übersteigen, vom Empfänger zu erstatten (Satz 2). Zwar hat das BSG im Urteil vom 30. Mai 1984 (5a RKn 3/84, SozR 1200 § 42 Nr 3) entschieden, dass für Vorschüsse, die - wie hier - die zustehende Leistung nicht übersteigen, in § 42 Abs 2 Satz 1 SGB I nur die Anrechnung, die sich aus dem Charakter des Vorschusses ergebe, vorgesehen sei. Eine Erstattungspflicht habe der Gesetzgeber insoweit nicht geschaffen. Sie sei auch nicht notwendig, weil nach dem gesetzgeberischen Auftrag die Vorschüsse anzurechnen seien. Dieser Auffassung, die die Rechtsansicht des SG stützt, schließt sich der Senat nicht an. Das BSG trägt in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1984 nicht hinreichend dem Umstand Rechnung, dass die Bindungswirkung eines Vorschussbescheides als eines einstweiligen Verwaltungsaktes zwischen den Beteiligten Rechtssicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum, nämlich bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens schafft. Dies folgt aus dem bekannt gegebenen Inhalt der in dem Vorschussbescheid getroffenen Regelung (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, B 2 U 5/06 R, SozR 4-1200 § 42 Nr 1). Zum bekannt zu gebenden Inhalt einstweiliger Verwaltungsakte gehört notwendig, dass sie nur für eine Übergangszeit Rechtswirkungen haben sollen. Deswegen können einstweilige Regelungen schutzwürdiges Vertrauen des Bescheidadressaten grundsätzlich (vgl zur Zeitgrenze der Einstweiligkeit schon BSGE 7, 226, 229 = NJW 1958, 1416) nur für die Dauer des Verwaltungsverfahrens bis zum Erlass des abschließenden Verwaltungsaktes begründen, durch den sie sich erledigen (§ 39 Abs 2 SGB X; s zu alledem BSG, Urteil vom 28. Juni 1990, 4 RA 57/89, SozR 3-1300 § 32 Nr 2).
Der Vorschussbescheid erledigt sich deshalb mit der endgültigen Entscheidung über die Ablehnung oder Bewilligung der Leistung gemäß § 39 Abs 2 SGB X auf sonstige Weise, und zwar unabhängig davon, ob der Vorschuss auf die endgültige Leistung angerechnet wird oder nicht. Denn der Umfang einer durch Verwaltungsakt geregelten (begrenzten) Bindungswirkung kann nicht davon abhängen, ob die Behörde später eine gesetzlich vorgeschriebene Anrechnung vornimmt oder nicht. Eine unterbliebene Anrechnung kann die ursprünglich getroffene (begrenzte) Regelung nicht nachträglich abändern. Mit dem das Verwaltungsverfahren abschließenden Bescheid verlieren daher Vorschussbescheide - ebenso wie Ausführungsbescheide mit dem das Verfahren abschließenden Urteil (vgl hierzu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 20/06 R, SozR 4-3500 § 90 Nr 1) - ihre Wirkung und können nicht mehr Rechtsgrund für die gezahlte Leistung sein.
Ist - wie im vorliegenden Fall - eine Anrechnung des die endgültige Leistung nicht übersteigenden Vorschusses auf die zustehende Rentenleistung unterblieben, stellt sich die Frage, ob der Versicherte den zu viel erhaltenen Vorschuss behalten darf, ob er ihn zurückzahlen muss oder ob der Leistungsträger den die endgültige Leistung bewilligenden Bescheid abändern und nicht den Vorschuss, sondern die Rente zurückfordern muss. Nach Auffassung des Senats hat der Versicherte den Vorschuss zurückzuzahlen. Denn er hat die Leistung in Höhe des nicht angerechneten Vorschusses doppelt erhalten. Auch in diesem Fall übersteigt der Vorschuss die zustehende Leistung und ist daher nach § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I zu erstatten. Auf Vertrauensschutz kann sich der Empfänger einer nur vorläufig (bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens) gezahlten Leistung nicht berufen.
Nach Ansicht des Senats ist der hier zu beurteilende Fall einer im Zusammenhang mit endgültigen Leistungsbewilligung zwar möglich gewesenen, aber - bewusst oder versehentlich - unterbliebenen Anrechnung nach den gleichen Grundsätzen zu lösen wie der Fall, in dem ein Vorschuss deshalb zu viel gezahlt wurde, weil sich nachträglich herausgestellt hat, dass der Anspruch auf die endgültige Leistungen nicht besteht (hierzu BSG, Urteil vom 26. Juni 2007, B 2 U 5/06 R, SozR 4-1200 § 42 Nr 1). In diesem Fall wurde der Vorschuss rechtswidrig bewilligt, weil zu Unrecht davon ausgegangen wurde, dass ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht. Eine Rückforderung des rechtswidrig gezahlten Vorschusses wäre bei einem am Wortlaut haftenden Verständnis des § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I nicht möglich, weil der Vorschuss die "zustehende" Leistung schon deshalb nicht übersteigen kann, weil es eine "zustehende" Leistung gar nicht gibt. Gleichwohl geht das BSG davon aus, dass eine "zustehende Leistung" auch bei Null liegen, der Vorschuss diese dann in vollem Umfang übersteigen kann und vollständig zu erstatten ist. Gleiches muss für die vorliegende Konstellation gelten. Bei der unterbliebenen Anrechnung übersteigt der Vorschuss ebenfalls die "zustehende Leistung", weil die Leistung in Höhe des nicht angerechneten Vorschusses dem Versicherten materiell-rechtlich nicht zusteht. Zudem soll die Regelung in § 42 Abs 2 Satz 2 SGB I die Abrechnung des Vorschusses erleichtern und nicht erschweren.
Bei der Kostenentscheidung ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch die Vielzahl der erlassenen Bescheide, in denen sie zwar immer wieder auf die erfolgte Vorschusszahlung hingewiesen, diese aber dennoch nicht auf die bewilligte Leistung angerechnet hat, Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.
Die Revision wird zugelassen. Die hier zu beurteilende Rechtsfrage hat grundsätzliche Bedeutung. Geht man davon, dass das Urteil des BSG vom 30. Mai 1984 auch auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden ist, weicht der Senat außerdem von diesem Urteil ab.
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