L 2 U 300/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 5045/07 L
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 300/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 300/09
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Weitergewährung von Rentenleistungen
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 29. Juni 2009 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rentenleistungen über den 30. April 2007 hinaus.

Der 1952 geborene Kläger erlitt am 27. April 2006 eine teilweise Amputation des linken Daumens. Der Durchgangsarzt Dr. M. stellte am gleichen Tag fest, dass 1/4 des Nagels und die palmaren Weichteile erhalten waren. Am 23. August 2006 war die Verletzung reizlos abgeheilt. Die Daumengrund- und endgliedbeweglichkeit war regelrecht. Der Kläger gab Pelzigkeit an der Daumenkuppe an.

Aus einem beigezogenen ärztlichen Bericht vom 20. Juli 1989 ergibt sich, dass aufgrund einer Verletzung im Kindesalter der vierte Finger links um einen Zentimeter verkürzt ist mit aktivem Streckdefizit.

Der Orthopäde und Chirurg Dr. H. führte im Gutachten vom 11. Mai 2007 aus, Grobgriff und Feingriff seien deutlich eingeschränkt, der Faustschluss unvollständig und in der Kraftentfaltung vermindert. Feine Gegenstände könnten nur mühsam gefasst und gehalten werden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde bis 31. August 2006 mit 20 v.H., bis 31. Dezember 2007 mit 10 v.H. bewertet, danach werde sie bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall voraussichtlich 0 bis 10 v.H. betragen.

In der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20. Juni 2007 erklärte der Orthopäde Dr. G., da nach allgemeiner medizinischer Lehrmeinung (vgl. Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010 S. 565) der Verlust des Daumenendgliedes mit 10 v.H. bewertet werde, sei die MdE im Falle des Klägers bis 31. Dezember 2006 mit 20 v.H., bis 30. April 2007 mit 10 v.H. und danach bis auf weiteres mit unter 10 v.H. zu bewerten.

Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 25. Juni 2007 den Unfall vom 27. April 2006 als Arbeitsunfall an mit den Folgen: endgradige Einschränkung des Grob- und Feingriffs der linken Hand nach Teilamputation des linken Daumenendgliedes. Die MdE betrage bis 31. Dezember 2006 20 v.H., bis 30. April 2007 10 v.H ... Die Teilrente von 10 v.H. werde gewährt, weil eine weitere MdE von mindestens 10 v.H. im Sinne einer Stützrente bestehe. Ab 1. Mai 2007 bestehe kein Anspruch auf Rente.

Im Widerspruchsverfahren erklärte der Handchirurg Dr. A. am 9. August 2007, aus den röntgenologischen und Funktionsbefunden könne auf ein gebrauchsfähiges Endgelenk und Endglied geschlossen werden. Angesichts der Amputationshöhe, des weitgehend erhaltenen Nagels und der guten Weichteilpolsterung sei die Beurteilung durch Dr. G. zutreffend. Auch im Zusammenwirken der Daumenteilamputation mit dem Zeigefingerschaden werde ein Grad der MdE um 10 v.H. nicht erreicht.

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2007 zurück.

Im hiergegen gerichteten Klageverfahren erklärte der vom Sozialgericht zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde Dr. L. im Gutachten vom 6. März 2008, es bestehe ein Teilverlust des Endgliedes. Der Daumennagel sei noch gut zur Hälfte erhalten und weise keine trophischen Störungen auf. Der Weichteilmantel über dem Amputationsstumpf sei erhalten. Der Daumenballen sei nicht sichtbar verschmächtigt. Die Beschwielung der Hohlhände sei seitengleich entwickelt. Der Faustschluss sei durch die Beugebehinderung des vierten Fingers beeinträchtigt, eine Einschränkung des Fingerspitzgriffes sei aber nicht festzustellen. Die funktionellen Auswirkungen der Amputation seien insgesamt nicht wesentlich. Auch bei Berücksichtigung des Vorschadens am vierten Finger wirke sich die Teilamputation nicht besonders negativ auf die verbliebene Gesamtfunktion der Hand aus. Die Einschätzung der MdE im Bescheid vom 25. Juni 2007 sei zutreffend.

Der vom Sozialgericht auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum ärztlichen Sachverständigen ernannte Orthopäde und Chirurg Dr. H. führte im Gutachten vom 24. September 2008 aus, Grob- und Feingriff der Hand seien eingeschränkt, der Faustschluss sei vollständig, jedoch in der Kraftentfaltung vermindert. Durch den Verlust des Fingernagels sei die Greiffunktion des Daumens eingeschränkt. Feine Gegenstände könnten nur mühsam gefasst und gehalten werden. Aufgrund dieser erheblichen Funktionseinschränkungen sei eine MdE um 10 v.H. berechtigt.

Die Beklagte übersandte eine Stellungnahme des Dr. A. vom 13. Oktober 2008: Das Gutachten des Dr. H. sei nicht überzeugend.

Mit Urteil vom 29. Juni 2009 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage ab und stützte sich dabei im Wesentlichen auf die Ausführungen von Dr. L ... Die funktionellen Beeinträchtigungen durch die Amputationsverletzung seien nur geringfügig. Es fänden sich keine trophischen Störungen, die Beweglichkeit des Daumens sei uneingeschränkt, der Daumennagel bis zur Hälfte noch erhalten. Die grobe Kraft der Hand sei regelrecht. Entgegen den Ausführungen des Dr. H. sei der Grobgriff durch die Amputation nicht beeinträchtigt. Darauf wiesen die seitengleiche Hohlhandbeschwielung und die unverminderte Muskulatur hin. Die geringfügigen Sensibilitätsstörungen beeinträchtigten die Handfunktion nicht. Auch unter Berücksichtigung der Vorschädigung werde keine MdE um 10 v.H. erreicht.

Zur Begründung der Berufung wandte der Kläger ein, die von der Beklagten anerkannte endgradige Einschränkung des Grob- und Feingriffs habe sich nicht gebessert. Er leide an Hyperalgesien und Hypaesthesien vom Daumenendgelenk bis zum Amputationsstumpf. Der Faustschluss sei in der Kraftentfaltung vermindert. Auch die Beugekraft des Daumens sei erheblich eingeschränkt. Es bestehe ein übermäßiges Schmerzgefühl am Daumen mit Überempfindlichkeit. Auch das Tastvermögen sei vermindert. Dr. H. habe die Unfallfolgen zutreffend beurteilt.

Der Kläger wiederholt

die Anträge aus dem Schriftsatz vom 14. August 2009.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Klage- und Berufungsakten sowie der Akte des Sozialgerichts Augsburg zum Aktenzeichen S 3 R 373/07 Bezug genommen

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Augsburg die Klage abgewiesen. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass auch das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen konnte. Dr. G. und Dr. A., deren im Verwaltungsverfahren eingeholte Stellungnahmen im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden, sowie Dr. L. im Gutachten vom 6. März 2008 haben überzeugend erläutert, dass wesentliche Folgen der Teilamputation des linken Daumens vom 27. April 2006 nicht mehr vorliegen. Gegen eine Einschränkung der Funktionsfähigkeit der linken Hand spricht zunächst die seitengleiche Beschwielung beider Hohlhände mit deutlichen Schwielenballen über den Grundgelenken des dritten und vierten Fingers. Es zeigt sich auch keine Verminderung der kleinen Fingermuskulatur bzw. des Daumenballens. Die Armmuskulatur ist gleichfalls nicht vermindert. Eine leichte Minderbemuskelung des linken Arms bei Rechtshändigkeit wurde bereits von dem Chirurgen und Orthopäden Dr. J. im Gutachten vom 19. Mai 1998, von dem Orthopäden Dr. G. im Gutachten vom 2. Februar 1999 und von Dr. H. im Gutachten vom 10. Januar 2000 festgestellt und ist also nicht auf Folgen des Unfalles vom 27. April 2006 zurückzuführen. Denn eine wesentliche Änderung dieser Differenz war weder von Dr. L. noch von Dr. H. festzustellen.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin Dr. N. im Gutachten vom 8. April 2008 ausgeführt hat, alle Fingergelenke, bis auf das vorgeschädigte Mittelgelenk des vierten Fingers der linken Hand, seien aktiv und passiv und frei beweglich. Der Daumen-Klein-Fingerkuppen- abstand war normal, der Pinzettengriff und Flaschengriff unauffällig, die Beschwielung normal, der Faustschluss kräftig, die Kraftprüfung unauffällig. Festzustellen war dagegen eine Hypaesthesie. Auch der Orthopäde und Chirurg Dr. P. stellte im Gutachten gemäß § 109 SGG vom 1. Oktober 2008 keine Auffälligkeiten beim Faustschluss links fest und erwähnte lediglich eine geringgradige Gebrauchseinschränkung. Dr. N. und Dr. P. waren vom Sozialgericht Augsburg im Rentenrechtsstreit des Klägers (Az.: S 3 R 373/07) zu Sachverständigen bestellt worden.

Da die Funktionalität der linken Hand also nur unwesentlich eingeschränkt ist, ist auch kein Anlass für eine höhere Bewertung der MdE wegen des Vorschadens am 4. Finger gegeben.

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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