L 11 AS 863/09 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 1361/09 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 863/09 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Frage der anderweitigen Rechtshängigkeit des Streitgegenstandes.
Zur Frage der wiederholten Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Zur Frage der Antragsänderung im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 04.12.2009 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Der Antragsteller (ASt) begehrt die Feststellung, dass die Antragsgegnerin (Ag) verpflichtet sei, vorläufige Leistungsansprüche nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) monatlich endgültig festzusetzen. Zudem fordert er, dass die vorläufige Festsetzung von Einkommen im Zusammenhang mit seinem Bezug von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (Arbeitslosengeld II - Alg II) zu entfallen habe oder zumindest zu reduzieren sei.

Der ASt und seine mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ehefrau sowie deren gemeinsame Tochter beziehen sei 01.01.2005 laufend Alg II unter Anrechnung von Einkommen aus einer selbständigen Tätigkeit des ASt als Steinbildhauer.

Zuletzt bewilligte die Ag mit Bescheid vom 22.01.2009 vorläufig laufende Leistungen in Höhe von 233,81 EUR monatlich für den Bewilligungszeitraum vom 01.02.2009 bis 31.07.2009.

In der Folgezeit legte der ASt - wie bereits seit längerem praktiziert - zu Beginn eines Monats die Einnahmeüberschussrechnung für den jeweils vorangegangenen Monat bei der Ag vor, woraufhin diese die Leistungen monatsweise endgültig feststellte (Bescheide vom 23.02.2009, 12.03.2009 und 01.07.2009 für Januar 2009; Bescheide vom 08.04.2009 und 01.07.2009 für Februar 2009; Bescheide vom 28.04.2009 und 01.07.2009 für März 2009; Bescheid vom 03.06.2009 für April 2009; Bescheid vom 07.07.2009 für Mai 2009; Bescheid vom 27.07.2009 für Juni 2009; Bescheid vom 17.09.2009 für Juli 2009).
.
Im Anschluss an den Fortzahlungsantrag vom 25.06.2009 bewilligte die Ag für den Bewilligungszeitraum 01.08.2009 bis 31.01.2010 der Bedarfsgemeinschaft vorläufig laufende Leistungen in Höhe von 452,67 EUR (Bescheid vom 21.07.2009). Sie berücksichtigte hierbei Einkommen des ASt in Höhe von 500.- EUR monatlich. Eine monatliche Abrechnung werde nicht mehr erfolgen. Die endgültige Feststellung sei - nach Änderung des § 3 Arbeitslosengeld II - Verordnung (Alg II - V) - nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes vorzunehmen.

Am 29.07.2009 beantragte der ASt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Nürnberg (SG) u.a. die Feststellung, dass die Ag verpflichtet sei, endgültige Festsetzungen in Bezug auf Leistungsansprüche nach dem SGB II monatlich zu treffen. Der Antrag (Beschluss des SG vom 28.09.2009 - S 10 AS 1001/09 ER -) sowie die nachfolgende Beschwerde vor dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG, Beschluss vom 07.12.2009 - L 11 AS 690/09 B ER -) blieben erfolglos.

Bereits am 13.10.2009 hat der ASt - unter Vorlage des zwischenzeitlich ergangenen Widerspruchsbescheides vom 05.10.2009 - eine "sofortige Verfügung" beantragt, dass die Ag endgültige Entscheidungen monatlich zu treffen habe. Dies hat das SG als erneuten Antrag auf einstweiligen Rechtschutz gewertet (S 10 AS 1361/09 ER).

Das SG hat den Antrag auf einstweiligen Rechtschutz mit Beschluss vom 04.12.2009 als unzulässig abgelehnt, weil der Streitgegenstand des Verfahrens mit dem des vorangegangenen Eilverfahrens (S 10 AS 1001/09 ER) (weitgehend) identisch sei, über diesen Streitgegenstand im Beschwerdeverfahren (L 11 AS 690/09 B ER) noch keine Entscheidung vorliege und somit die anderweitige Rechtshängigkeit einer Sachentscheidung entgegenstehe.

Gegen diesen Beschluss hat der ASt Beschwerde beim BayLSG eingelegt und erneut die Feststellung beantragt, die Ag sei in seinem Fall verpflichtet, monatlich endgültige Entscheidungen (Abrechnungen) zu treffen. Zudem sei festzustellen, dass der Widerspruchsbescheidsbescheid vom 05.10.2009 wirksam mit einem geeigneten Rechtsmittel angegriffen worden sei. Auch seien die offenen Leistungsansprüche für den Zeitraum von August bis November 2009 in Höhe von 463,92 EUR auszukehren. Zuletzt seien die vorläufigen Festsetzungen in den Bescheiden vom 21.07.2009 und 25.01.2010 zu verwerfen.

Am 25.01.2010 hat die Ag dem ASt und seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Familie vorläufig Alg II für den Zeitraum 01.02.2010 bis 31.07.2010 bewilligt, wobei erneut ein Betrag von 500.- EUR als Einkommen aus selbständiger Tätigkeit berücksichtigt worden ist.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 SGG, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das SG hat den Eilantrag vom 13.10.2009 zu Recht als unzulässig abgelehnt, denn im Zeitpunkt der Zustellung der streitgegenständlichen Entscheidung vom 04.12.2009, dem 10.12.2009, war der Beschluss vom 07.12.2009 im vorhergehenden Eilverfahren
L 11 AS 690/09 B ER, zwar schon ausgefertigt, jedoch noch nicht zugestellt, so dass die einer Sachentscheidung entgegenstehende Rechtshängigkeit noch nicht weggefallen war (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9.Aufl., § 94 Rn.4). Im Weiteren ist der Eilantrag des ASt auch nicht mit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens L 11 AS 690/09 B ER (vorhergehend S 10 AS 1001/09 ER) zulässig geworden, denn der ASt verfolgt mit neuen und nunmehr streitgegenständlichen Verfahren
L 11 AS 863/09 B ER (vorhergehend S 10 AS 1361/09 ER) das identische Begehren mit sinngleicher Begründung. In beiden Verfahren sollte festgestellt werden, dass die Ag verpflichtet sei, die vorläufigen Leistungen monatlich und nicht erst nach Ablauf des Bewilligungsabschnittes endgültig festzustellen. Dieses Begehren war mit Beschluss vom 07.12.2009 (L 11 AS 690/09 B ER) jedoch rechtskräftig abgelehnt worden. Gegen den Beschluss des Senates war ein Rechtsmittel nicht gegeben. Ablehnende Beschlüsse - auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren - erwachsen, wenn kein Rechtsmittel mehr möglich ist, in Rechtskraft, und ein erneuter Antrag ist unzulässig, wenn - wie vorliegend - der abgelehnte Antrag - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - lediglich wiederholt wird (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 45a).

Im übrigen ist der Antrag auch in der Sache unbegründet, denn das geltend gemachte Begehren, die Feststellung, dass die Ag zur monatlichen Abrechnung verpflichtet sei, ist an der Regelung des § 86b Abs 2 Satz 2 SGG zu messen, d.h. der ASt hätte u.a. einen Anordnungsanspruch, d.h. die materielle Berechtigung seines Anliegens, glaubhaft zu machen. Unter Berücksichtigung der geltenden Rechtslage ist jedoch nicht einmal ansatzweise eine Rechtsgrundlage für das Begehren des ASt zu erkennen (vgl. Beschluss des Senates vom 07.12.2009 - L 11 AS 690/09 B ER - veröffentlicht in juris), so dass der Antrag auch in der Sache erfolglos bleiben musste.

Soweit der ASt mit im Rahmen der Beschwerde mit Schriftsatz vom 28.01.2010 erstmals vorträgt, ihm seien die offen Leistungsansprüche für den Zeitraum von August bis November 2009 in Höhe von 463,92 EUR auszukehren (1) und die vorläufigen Festsetzungen in den Bescheiden vom 21.07.2009 und 25.01.2010 zu verwerfen (2), hat der Senat hierüber nicht in der Sache zu entscheiden.

Diese Anliegen sind dahingehend zu verstehen, dass zum einen eine endgültige Festsetzung für die Monate August bis November 2009 zu erfolgen habe (1) sowie eine Erhöhung der vorläufigen Leistungen für die von den Bescheiden vom 21.07.2009 und 25.01.2010 erfassten Bewilligungszeiträume (01.08.2009 bis 31.07.2009) unter Berücksichtigung eines geringeren Einkommens als 500.- EUR/ monatlich (2).

Diese so verstandenen Anträge waren jedoch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens, so dass es sich um eine Änderung des Antrages i.S.d des § 99 Abs 1 SGG handelt (zu den Voraussetzungen vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 99 Rn.12).

Der ASt hat zwar im Rahmen seiner Antragsbegründung vor dem SG geltend gemacht, er habe zu keinem Zeitpunkt ein monatliches Einkommen von 500.- EUR bezogen. Jedoch ist dem gesamten erstinstanzlichen Schriftverkehr des ASt weder ein diesbezüglich sprachlich nachvollziehbarer Antrag zu entnehmen, noch ist zu erkennen, dass eine Erhöhung der vorläufigen Leistungen (insbesondere hinsichtlich des zu diesem Zeitpunkt noch laufenden Bewilligungsabschnittes 01.08.2009 bis 31.01.2010) begehrt war, denn der ASt hat sich im wesentlichen darauf versteift, die Ag habe die vorläufige Bewilligung monatlich konkret und endgültig abzurechnen.

Eine Antragsänderung - wie vorliegend - ist nach § 99 Abs 1 SGG jedoch nur zulässig, wenn die Ag zustimmt oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

Beides ist nicht der Fall, denn die Ag hat sich auf den Schriftsatz vom 28.01.2010 und damit auch nicht auf den geänderten Antrag eingelassen, § 99 Abs 2 SGG.

Zum anderen hat der Senat - nach Abwägung der Umstände - keine Veranlassung die weitergehenden Anträge als sachdienlich anzusehen, denn der Rechtsstreit ist in Bezug auf das geltend gemachte Feststellungsbegehren entscheidungsreif, und die Ag hatte bislang weder bezüglich der endgültigen Feststellung (für August bis November 2009) noch hinsichtlich einer Korrektur der Einkommensprognose (für die Zeit ab 01.02.2010) Gelegenheit zu einer verwaltungsinternen Prüfung. Zudem ist nicht ersichtlich, dass die Einbeziehung dieser Streitgegenstände in das laufende Verfahren zu einer endgültigen Beilegung des Rechtsstreites führen könnte. In Bezug auf die vorläufigen Leistungen für den Zeitraum 01.08.2009 bis 31.01.2010 (Bescheid vom 21.07.2009) ist die Sachdienlichkeit einer Einbeziehung bereits deshalb zu verneinen, weil mit dem zwischenzeitlichen Ablauf des Bewilligungsabschnittes die Ag - gegebenenfalls auf Antrag des ASt - die Leistungen endgültig festzustellen hat (§ 40 Abs 1 Satz 2 Nr. 1a) SGB II i.V.m. § 328 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III), und sich auf diese Weise die Frage der vorläufigen Feststellung erledigt.

Zuletzt hat der ASt auch keinen Anspruch auf die Feststellung, er habe mit seinem Schriftsatz vom 08.10.2009 das richtige Rechtsmittel, d.h. Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 05.10.2009 erhoben. Den Bedeutungsgehalt der prozessualen Erklärung vom 08.10.2009 (Eingang beim SG am 13.10.2009) hat das SG - spätestens im Rahmen einer ausdrücklichen Klageerhebung verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag - in eigener Zuständigkeit zu überprüfen und einer entsprechenden Entscheidung zugrunde zu legen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und ergibt sich aus dem Unterliegen des ASt.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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