L 3 U 196/09 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 25 U 1116/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 196/09 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2009, mit welchem das Sozialgericht die Klage auf Erstattung weiterer Kosten in Höhe von 166,60 Euro für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens durch die Prozessbevollmächtigte abgewiesen hat.

Die Beklagte gewährte dem Kläger wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls am 02. April 2004 ab dem 21. März 2005 eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v. H. unter Zugrundelegung eines Mindestjahresarbeitsverdienstes von 17.388,- Euro. Die monatliche Teilrente betrug 289,80 Euro (Bescheid vom 26. Januar 2006). Dagegen legte der Kläger durch seine Bevollmächtigte wegen der Höhe der MdE und des Jahresarbeitsverdienstes Widerspruch ein, der auf ihre Anregung hin wegen der beabsichtigten weiteren Begutachtung zunächst nicht beschieden wurde. Nach Eingang mehrerer medizinischer Gutachten gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 01. März 2007 anstelle der vorläufigen Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit in gleicher Höhe wie zuvor. Dagegen legte der Kläger ebenfalls wegen der Höhe des Jahresarbeitsverdienstes Widerspruch ein, die Einschätzung der MdE mit 30 v. H. wurde nunmehr akzeptiert. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2007 wies die Beklagte zunächst den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Januar 2006 zurück. Mit Schreiben vom 26. September 2007 hörte die Beklagte den Kläger zu der fehlerhaft zu hoch festgesetzten MdE für die Rente auf unbestimmte Zeit an. Außerdem bat sie um Auskünfte und Vorlage von Unterlagen, um den Jahresarbeitsverdienst neu feststellen zu können. Nach Erledigung half die Beklagte dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 01. März 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 04. Juli 2008 insoweit ab, als sie sich verpflichtete, nach dem Ende der Ausbildung des Klägers die erforderlichen Ermittlungen hinsichtlich einer Neufestsetzung des Jahresarbeitsverdienstes nachzuholen und einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Sie sagte dem Kläger die Erstattung der Hälfte der Kosten des Widerspruchsverfahrens zu. Daraufhin beantragte der Kläger die Erstattung der Kosten seiner Bevollmächtigten in Höhe von 321,30 Euro, ausgehend von der Hälfte der Höchstgebühr von 520,- Euro nach Nr. 2400 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (- RVG – im Folgenden: Vergütungsverzeichnis – VV -). Mit Bescheid vom 12. August 2008 setzte die Beklagte die Kosten nach Nr. 2500 VV in Höhe von 154,70 Euro fest. Dabei ging sie von einer sog. Schwellengebühr von 240,- Euro aus. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Kriterien für die Gebührenhöhe nach § 14 RVG erschöpften sich nicht in der Prüfung der Schwierigkeit des Widerspruchsverfahrens und des Umfangs der Schriftsätze. Das Widerspruchsverfahren habe ein und ein viertel Jahr gedauert, obwohl das Gesetz davon ausgehe, dass der Widerspruch innerhalb von drei Monaten zu entscheiden sei. Die Verlängerung des Widerspruchsverfahrens um das Mehrfache beinhalte automatisch auch einen weit überdurchschnittlichen Umfang der Angelegenheit. Es werde auf den Schriftverkehr und das Telefonat mit der Beklagten verwiesen. Es habe zwischen ihm, dem Kläger, und der Bevollmächtigten am 13. April 2007 eine ausführliche Besprechung stattgefunden. Zudem habe sowohl die Frage der Bemessung des Jahresarbeitsverdienstes als auch der medizinische Sachverhalt einen Schwierigkeitsgrad, der nicht alltäglich sei. Maßstab für die Frage, was schwierig sei, sei nicht der Fachanwalt für Sozialrecht, sondern der Allgemeinanwalt. Auch die Bedeutung der Sache sei weit überdurchschnittlich. Es gehe um erhebliche Verletzungen, die sein gesamtes Leben bestimmen würden. Dies rechtfertige die geltend gemachte Höchstgebühr. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2008 zurück. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit der Angelegenheit sowie die Vermögensverhältnisse des Klägers überdurchschnittlich seien. Zur Begründung seiner dagegen bei dem Sozialgericht Berlin erhoben Klage hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Im Weiteren hat der Kläger auf den Aufsatz von Otto, Die angemessene Rahmengebühr nach dem RVG, in NJW 2006, S. 1472 ff., und ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 05. Mai 2008 – L 3 R 84/08 – (veröffentlicht in juris) Bezug genommen.

Durch Urteil vom 18. Mai 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Für das Widerspruchsverfahren (VV Nr. 2400) betrage der Rahmen 40,- bis 520,- Euro, die Mittelgebühr 280,- Euro (Schwellengebühr 240,- Euro). In durchschnittlichen Fällen sei die Mittelgebühr wegen der Zusätze zu Nr. 2400 nur dann anzusetzen, wenn Umfang oder Schwierigkeit über dem Durchschnitt lägen. Sei dies nicht der Fall, sei die Schwellengebühr als billig zu bestimmen. Die Beklagte sei in dem angefochtenen Bescheid zutreffend von der Schwellengebühr gemäß Nr. 2400 VV ausgegangen, die von dem Kläger geforderte hälftige Höchstgebühr sei ganz offensichtlich unbillig. Das Verfahren sei in jeder Hinsicht allenfalls als durchschnittlich zu bewerten gewesen. Die Dauer des Widerspruchsverfahrens sei kein Indiz für die Schwierigkeit und den Umfang des Verfahrens, denn der Zeitverzug sei dem Umstand geschuldet gewesen, dass sich der Kläger wegen seines Studiums in Kanada aufgehalten habe. Streitig seien außerdem nicht die medizinischen Feststellungen gewesen, denn zwischen den Beteiligten habe Einigkeit darüber bestanden, dass die MdE 30 v. H. betrage. Im Widerspruchsverfahren sei es allein um die Höhe des Jahresarbeitsverdienstes gegangen, dabei handele es sich um einen Bereich von nahezu alltäglicher Relevanz. Es gebe auch keinen Erfahrungs- oder Rechtssatz, dass einem Rechtsanwalt ein Stundensatz von 170,- Euro zustehe bzw. ein solcher im Rahmen einer Kostenfestsetzung zugrunde zu legen wäre. Die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit relativiere sich für den Kläger ganz deutlich vor dem Hintergrund, dass es nicht darum gegangen sei, ob er überhaupt einen Anspruch auf eine Verletztenrente habe. Anhaltspunkte dafür, dass die Vermögensverhältnisse des Klägers überdurchschnittlich wären, lägen nicht vor. Die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 05. Mai 2008 werde durch die individuellen Umstände des dortigen Einzelfalls bestimmt, die sich nicht auf den vorliegenden Fall übertragen ließen. Das Sozialgericht hat die Berufung, die nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht zulässig sei, nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zugelassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung habe noch von einer obergerichtlichen Entscheidung abgewichen werde.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung richtet sich die Beschwerde des Klägers, die nach seiner Auffassung zuzulassen sei, weil der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukomme. Die vom Sozialgericht genannten Kriterien für die Durchschnittlichkeit eines Verfahrens seien untauglich, um einen durchschnittlichen Fall zu bestimmen. Die Beschränkung des Widerspruchs nur auf den Jahresarbeitsverdienst wäre eine Pflichtverletzung der Bevollmächtigten gewesen. Die Höhe der Rente werde sowohl durch den GdB (gemeint wohl: MdE) als auch den Jahresarbeitsverdienst bestimmt. Von grundsätzlicher Bedeutung sei auch, ob hinsichtlich der Bemessung des durchschnittlichen zeitlichen Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit auch das Stundenhonorar von Anwälten von Bedeutung sei. Folge man der Auffassung, dass der durchschnittliche zeitliche Umfang nicht frei schwebend zu bestimmen sei, sondern sehr wohl Bezug dazu habe, dass Anwälte betriebswirtschaftlich arbeiten müssten, könne der erstinstanzlichen Auffassung nicht gefolgt werden. Anwälte im Sozialrecht müssten in durchschnittlichen Fällen einen durchschnittlichen Stundenlohn – am Marktwert orientiert – verdienen können. Letztlich sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob die dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde liegende Rechtsauffassung, der zeitliche Aufwand sei nur ein ganz schwaches Indiz für die objektive Schwierigkeit und den objektiven Umfang einer Sache, zutreffend sei. Der Kläger bezieht sich im Weiteren auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 01. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 R - (zitiert nach juris).

Die Beklagte macht geltend, das Urteil habe keine grundsätzliche Bedeutung, sondern sei ersichtlich eine Einzelfallentscheidung. Eine Divergenz liege ebenfalls nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtakte und der beigezogenen Verwaltungsakten (Band III und IV) der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig aber unbegründet.

Die Berufung bedarf der Zulassung, da die Klage den in § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG vorausgesetzten Wert der Beschwer von 750,- Euro nicht überschreitet und die Klageforderung keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Kläger begehrt allein die Erstattung weiterer Kosten des Widerspruchsverfahrens in Höhe von 166,60 Euro.

Das Sozialgericht hat die Berufung in seinem Urteil ausdrücklich ausgeschlossen. Die Berufung ist auch nicht vom erkennenden Senat zuzulassen, weil ein gesetzlicher Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.

Das Sozialgericht weicht mit seiner Entscheidung nicht von anders lautenden obergerichtlichen Entscheidungen ab, was der Kläger auch nicht behauptet. Der Kläger hat auch keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend gemacht, auf dem die Entscheidung des Sozialgerichts beruhen könnte. Hierbei sind nur etwaige Verfahrensmängel beachtlich, die der Beschwerdeführer gerügt hat, und zwar auch dann, wenn es sich ansonsten um von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel handelt (vgl. BSG in SozR 1500 § 150 Nr. 11).

Die Rechtssache hat schließlich auch keine über den Einzelfall hinaus gehende und damit keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Ein Individualinteresse genügt hierfür nicht. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinausgehend – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Berufungsgericht bedürftig und fähig ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. A. 2008, § 144 RdNr. 28).

Der Kläger hat eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage nicht nachvollziehbar aufgeworfen. Soweit erkennbar, fragt er,

welcher Maßstab zur Klärung der Frage, was ein durchschnittlicher Fall im Sinne von § 14 Abs. 1 RVG ist, anzulegen ist.

Er verlangt dazu eine genaue Definition der Merkmale "Umfang", "Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit", "Bedeutung der Angelegenheit" sowie "Einkommens- und Vermögensverhältnisse". Warum diese Frage über den Einzelfall hinausgehend klärungsbedürftig sein soll, hat der Kläger nicht dargetan. Dazu hätte aber Veranlassung bestanden, denn es besteht zur Anwendung der Mittelgebühr eine vielfältige höchstrichterliche Rechtsprechung, auch zu der bis zum 30. Juni 2004 geltenden und nahezu wortgleichen Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO). Der Kläger selbst bezieht sich auf ein Urteil des BSG vom 01. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 R -, in dem das BSG unter Bezugnahme auf Rechtsprechung und Literatur die einzelnen Tatbestandsmerkmale aufführt, erläutert und subsumiert. Damit ist die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage bereits entschieden und nicht mehr klärungsbedürftig. Dass trotz der vorhandenen Rechtsprechung noch oder wieder Klärungsbedarf besteht, hat der Kläger nicht vorgetragen. Allein seine Auffassung, das angefochtene Urteil des Sozialgerichts sei gemessen an den Grundsätzen des zitierten Urteils des BSG falsch, rechtfertigt nicht die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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