S 1 KA 168/07

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 1 KA 168/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nebentätigkeit neben hälftiger vertragsärztlicher Zulassung
Bemerkung
Sprungrevision B 6 KA 40/09 R
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen. Der Streitwert wird auf 39.849,00 EUR festgesetzt. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Umfang einer Beschäftigung in einem Dienstverhältnis als Beamter neben einer hälftigen Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung.

Der im Jahr 1963 geborene Kläger ist Diplom-Psychologe sowie psychologischer Psychotherapeut und im Arztregister der Beklagten eingetragen. Er ist als Psychologe und Psychotherapeut im Status eines Beamten auf Lebenszeit des Landes Sachsen-Anhalt vollzeitig in einer Strafvollzugseinrichtung, der Sozialtherapeutischen Anstalt in A., tätig. Dort arbeitet er als Leiter einer Abteilung und behandelt Strafgefangene, die wegen Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten in Haft einsitzen.

Im Januar 2007 beantragte der Kläger die Zulassung als ambulant tätiger psychologischer Psychotherapeut in A. im Umfang eines halben Versorgungsauftrages. Zur Begründung führte er an, es sei schwierig, für die entlassenen Straftäter einen Psychotherapeuten zu finden, der die im Vollzug begonnene Behandlung nach der Entlassung fortsetzen könne, um eine Rückfälligkeit zu vermeiden. Deshalb wolle er diesen Personenkreis in einer "kleinen" Praxis weitertherapieren.

Mit Beschluss vom 14. März 2007, dem Kläger zugestellt am 11. Mai 2007, ließ der Zulassungsausschuss den Kläger in dem beantragten Umfang als psychologischen Vertragspsychotherapeuten in A. unter den folgenden Voraussetzungen zu: Die Zulassung werde unter der auflösenden Bedingung erteilt, dass der Kläger sein Dienstverhältnis bei der Sozialtherapeutischen Anstalt bis spätestens zum Tage der Niederlassung auf höchstens 26 Stunden pro Woche reduziere. Dies habe er durch Vorlage des geänderten Arbeitsvertrags nachzuweisen. Der Kläger müsse die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit binnen fünf Monaten nach der Zustellung des Beschlusses aufnehmen.

Der Kläger legte am 18. Mai 2007 Widerspruch ein und trug zusammengefasst vor, die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lasse es zu, dass er neben der Teilzulassung mit hälftigem Versorgungsauftrag einer weiteren Beschäftigung vollzeitig nachgehen dürfe, denn die insoweit beschränkte vertragspsychotherapeutische Tätigkeit nehme wöchentlich nur eine Arbeitszeit von 10 bis 13 Stunden in Anspruch. Mit Beschluss vom 15. August 2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. In der schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses, die dem Kläger am 17. Oktober 2007 bekannt gegeben worden war, führte der Beklagte zur Begründung aus, die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung setze voraus, dass der Arzt/Psychotherapeut vollzeitig im Sinne von hauptberuflich tätig werde. Dies sei nach der Rechtsprechung nicht der Fall, wenn neben der Zulassung ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Arbeitszeit von mehr als 13 Stunden wöchentlich ausgeübt werde. Hieraus lasse sich ableiten, dass neben einer hälftigen Zulassung ein Beschäftigungsverhältnis mit lediglich 26 Wochenarbeitsstunden zulässig sei. Denn auch eine hälftige vertragsärztliche Tätigkeit dürfe nicht zu einer Nebenbeschäftigung degenerieren, sondern sei selbst in reduzierter Form kein Nebenberuf. Eine solche Ausgestaltung der Zulassung plane der Kläger aber, weil er seine Vollzeitbeschäftigung in der Sozialtherapeutischen Anstalt auf jeden Fall beibehalten wolle.

Dagegen hat der Kläger am 29. Oktober 2007 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben und die Beseitigung der Nebenbestimmung verlangt, die ihn zu einer Reduzierung seiner Wochenarbeitszeit bei der Sozialtherapeutischen Anstalt von höchstens 26 Stunden verpflichtet. Im Laufe des Klageverfahrens hat der Zulassungsausschuss mit Bescheid vom 12. März 2008 festgestellt, die Zulassung des Klägers ende mangels Niederlassung und Aufnahme der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit am 26. Februar 2008. Auf den dagegen vom Kläger eingelegten Widerspruch hat der Beklagte diesen Bescheid des Zulassungsausschusses aufgehoben.

In der Klagebegründung vom 27. November 2008 führt der Kläger aus, eine Teilzulassung verpflichte ihn lediglich zu einer Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche, so dass er daneben noch mindestens 33 Stunden in der Woche für eine andere Beschäftigung aufbringen dürfe. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber nunmehr auch eine hälftige Zulassung geregelt habe, lasse sich ableiten, dass neben der reduzierten vertragsärztlichen Tätigkeit noch ein anderer Beruf ausgeübt werden dürfe. Aufgrund der halben Zulassung müsse nicht mehr die vertragsärztliche Tätigkeit, sondern dürfe auch ein anderes Beschäftigungsverhältnis den Charakter des Hauptberufes haben. Aus der Gesetzesbegründung lasse sich entnehmen, dass dieses neben einer hälftigen vertragsärztlichen Tätigkeit in einem Umfang von weit mehr als 13 Stunden wöchentlich ausgeübt werden dürfe. Er arbeite in seinem Dienstverhältnis bei der Sozialtherapeutischen Anstalt täglich von 7.00 Uhr bis 15.30 Uhr, so dass er von 16.30 Uhr bis 18.30 Uhr seinen ambulanten Patienten zur Verfügung stehen könne. Darüber hinaus sei seine Erreichbarkeit über Handy gewährleistet. Mehr verlange das Vertragsarztrecht nicht, weil ein mit einem hälftigen Versorgungsauftrag zugelassener Arzt/Psychotherapeut nach § 17 Abs. 1 a S. 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) nur 10 Sprechstunden in der Woche anbieten müsse. Die Ansicht des Beklagten, auch neben einer derart reduzierten Tätigkeit dürfe zusätzlich nur eine untergeordnete andere Tätigkeit ausgeübt werden, beschränke ihn in unzulässiger Weise. Er sei deshalb nicht bereit, seine Vollzeittätigkeit bei der Sozialtherapeutischen Anstalt, für die er auch eine Nebentätigkeitsgenehmigung seines Dienstherrn habe, zu reduzieren.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss vom 15. August 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die im Beschluss des Zulassungsausschusses vom 16. Dezember 2005 (richtig: 14. März 2007) geregelte Bedingung, sein Dienstverhältnis bei der Sozialtherapeutischen Anstalt auf eine Wochenarbeitszeit von 26 Stunden zu reduzieren, aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, die Tätigkeit des Klägers bei der Sozialtherapeutischen Anstalt schade seiner hälftigen Zulassung als vertragsärztlich tätiger psychologischer Psychotherapeut nur dann nicht, wenn sie – entsprechend der Arbeitszeitgrenze für eine Vollzeittätigkeit – auf 26 Stunden reduziert werde. Er betont, es sei weder eine volle noch eine halbe Zulassung als Vertragsarzt mit einer daneben vollzeitig ausgeübten weiteren Beschäftigung vereinbar. Der Ansicht des Klägers, als Basis der Berechnung die Arbeitszeit des Dienstverhältnisses heranzuziehen, sei nicht zu folgen. Grundlage der Beurteilung sei vielmehr, in welchem Umfang der hälftige Versorgungsauftrag als Vertragsarzt eine Nebenbeschäftigung zulasse.

Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 hat das Gericht die Beteiligten darauf hingewiesen, dass der Dienst des Klägers als Psychotherapeut in der Sozialtherapeutischen Anstalt möglicherweise bereits gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV) ihrem Wesen nach nicht mit der Tätigkeit als niedergelassener psychologischer Psychotherapeut in der ambulanten Versorgung vereinbar sein könnte, wenn sich eine Interessenkollision daraus ergebe, dass der Kläger weitgehend den identischen Personenkreis behandelt. Die Ärzte-ZV sehe durch die neu geschaffene Möglichkeit, einen Krankenhausarzt zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen, ausdrücklich nur eine Verzahnung im Bereich der stationären und ambulanten Versorgung vor.

Der Beklagte hat hierzu ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Entscheidung des Zulassungsausschusses aus diesem Grund wegen Unvereinbarkeit rechtswidrig sei, denn dies sei nicht Streitgegenstand, da der Kläger insoweit nicht beschwert und die Zulassung diesbezüglich auch nicht von Dritten angefochten worden sei.

Der Kläger hat auf den Hinweis hin erklärt, er nehme nunmehr Abstand von seinem früheren Vorbringen. Er werde keine entlassenen Strafgefangenen behandeln, die er schon zuvor in der Anstalt therapiert habe. Dieser Personenkreis werde auch bereits von der Gesellschaft "X." aufgefangen und gut betreut. Vielmehr wolle er lediglich "normale" Patienten in A. psychotherapeutisch behandeln, so dass keine Überschneidung im Patientenstamm zu befürchten sei.

Die zu 1. beigeladene Kassenärztliche Vereinigung hält indes eine vertragspsychotherapeutische Tätigkeit mit dem Dienstverhältnis als Psychotherapeut in der Sozialtherapeutischen Anstalt für unvereinbar. Der Kläger könne die Interessenkollision auch nicht durch eine Selbstverpflichtung beseitigen. Die Unvereinbarkeit der beiden Tätigkeiten dem Wesen nach sei auch Streitgegenstand. Der Kläger habe die Nebenbestimmung nur zusammen mit der Zulassung anfechten können, weil diese untrennbar mit ihr verbunden sei. Da er die Zulassung insgesamt angefochten habe, sei sie insgesamt gerichtlich zu überprüfen.

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert; keiner der Beigeladenen hat einen Antrag gestellt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger erhobene isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 1. Alt Sozialgerichtsgesetz – SGG) gegen die Nebenbestimmung der Zulassungsentscheidung, mit der er verpflichtet worden ist, seine Tätigkeit in der Sozialtherapeutischen Anstalt auf höchstens 26 Wochenstunden zu reduzieren, ist zulässig. Dem steht nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch nicht entgegen, dass es sich um einen gebundenen Verwaltungsakt mit einer unselbständigen Nebenbestimmung in Form einer Bedingung entsprechend § 32 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) handelt (Urteil des BSG vom 30.1.2002. – B 6 KA 20/01 R (Rn 20 und 23), SozR 3-5520 § 20 Nr 3 und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl., § 77 Rn 5g m. w. N.). Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist nur diese ausdrücklich vom Kläger isoliert angefochtene Bedingung. Eine weitere Beschwer, welche gemäß § 123 SGG hätte Berücksichtigung finden müssen, hat er nicht vorgetragen.

Die Kammer folgt in diesem Zusammenhang nicht der abweichenden Auffassung der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung, das Gericht könne wegen der Unselbständigkeit der angefochtenen Bedingung die Zulassung insgesamt überprüfen. Der Kläger hat die ihn begünstigende Zulassung nachvollziehbar gerade nicht zur Disposition gestellt. In anderer Konstellation wäre dies nur dann der Fall, wenn die Beigeladene zu 1. oder andere Berechtigte als Drittbetroffene die Zulassung des Klägers insgesamt angefochten hätten, was nicht geschehen ist. Dadurch hat der Kläger aber im vorliegenden Verfahren (auch gegenüber der Beigeladene zu 1.) eine gemäß § 77 SGG bindende Rechtsposition erlangt, in die weder der Beklagte (vgl. § 49 SGB X) noch das Gericht eingreifen darf, ohne dass dies zu einer unzulässigen Verböserung führen würde. Die Kammer hat daher nur über die Frage des zulässigen Umfangs der Beschäftigung, nicht aber darüber zu befinden gehabt, ob der Dienst als Psychotherapeut im Strafvollzug und Abteilungsleiter der Sozialtherapeutischen Anstalt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Zulassungsverordnung-Ärzte (Ärzte-ZV i. d. F. d. Gesetzes vom 22.12.2006, BGBl. I 3439 - Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄndG) seinem Wesen nach mit der Tätigkeit als niedergelassener Vertragspsychotherapeut vereinbar ist.

Die zwischenzeitliche Entziehung der Zulassung wegen der nicht erfolgten Niederlassung ist nicht Gegenstand des Verfahrens geworden, weil der Beklagte den entsprechenden Beschluss des Zulassungsausschusses aufgehoben hat und der Kläger insoweit nicht beschwert ist, so dass diese Entscheidung nicht anhand §§ 19 Abs. 2 und 20 Abs. 3 Ärzte-ZV zu überprüfen war.

Die insoweit zulässige Klage war jedoch abzuweisen, weil sie nicht begründet ist.

Der Beklagte hat zu Recht den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen, denn der Zulassungsausschuss war befugt, die Zulassung des Klägers als psychologischer Psychotherapeut mit der Bedingung zu verbinden, sein Dienstverhältnis bis zum Tag der Niederlassung auf höchstens 26 Stunden wöchentlich zu reduzieren.

Zwischen den Beteiligten ist nicht streitig, dass der Kläger die sonstigen Voraussetzungen für die hälftige Zulassung als psychologischer Psychotherapeut gemäß §§ 95 Abs. 2 Satz 1, 95c SGB V und § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV erfüllt. Streitig ist, w. o. dargestellt, ob der Beklagte berechtigt war, die Zulassung des Klägers an die Bedingung zu knüpfen, sein Dienstverhältnis auf höchstens 26 Stunden wöchentlich zu reduzieren. Gemäß § 32 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit einer Nebenbestimmung versehen werden, wenn eine Rechtsvorschrift dies zulässt. Gemäß § 95 Abs. 2 Satz 4 SGB V in Verbindung mit § 20 Abs. 3 Ärzte-ZV kann ein Arzt unter der Bedingung zugelassen werden, dass der seiner Eignung entgegen stehende Grund spätestens drei Monate nach dem Zeitpunkt beseitigt wird, in dem die Entscheidung über die Zulassung unanfechtbar geworden ist. Für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit ist gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV ein Arzt dann nicht geeignet, wenn er wegen eines Beschäftigungsverhältnisses oder wegen anderer nicht ehrenamtlicher Tätigkeit für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht. Diese Vorschrift gilt gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ärzte-ZV auch für Psychotherapeuten entsprechend.

Der Schwerpunkt der Prüfung, welches Maß die Versorgung der Versicherten erfordert, knüpft an den zeitlichen Umfang an, der dem Vertragsarzt hierfür zur Verfügung steht. Die mit dem VÄndG eingeführte Regelung in § 20 Abs. 2 Satz 2 Ärzte-ZV, wonach die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus bzw. einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung mit der Tätigkeit des Vertragsarztes vereinbar ist, gibt indes in diesem Zusammenhang keinen Aufschluss. Denn diese Vorschrift beantwortet wegen ihrer systematischen Stellung lediglich die sich aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV ergebende Frage, welche Tätigkeit jedenfalls dem Wesen nach mit der vertragsärztlichen Tätigkeit vereinbar ist. Dies zeigt auch die Gesetzesbegründung, die als Motiv für die Regelung die mögliche Verzahnung von ambulantem und stationärem Bereich in der Versorgung der Versicherten zugunsten eines flexibleren Einsatz von (krankenhaus-)ärztlichem Personal anführt (BT-Drs. 16/2474 S. 29), aber zum Umfang der nebeneinander ausgeübten Tätigkeiten keine Hinweise gibt. Davon abgesehen, dass der Kläger nicht in einer der genannten Einrichtungen arbeitet, bedeutet die Neuregelung nach Ansicht der Kammer nicht, dass der Gesetzgeber mit Einführung dieser Lockerung eine Aufweichung des Geeignetheitskriteriums aus § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV im Sinn hatte und neben einer Zulassung als Vertragsarzt eine vollzeitige Tätigkeit in einem Krankenhaus erlauben wollte.

Den zeitlichen Umfang, den eine Tätigkeit oder ein Beschäftigungsverhältnis neben einer vollen vertragsärztlichen bzw. -psychotherapeutischen Zulassung haben darf, hat das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung auf 13 Stunden Arbeitszeit wöchentlich eingeschätzt (für Psychotherapeuten vgl. unter Aufgabe älterer Rechtsprechung Urteile vom 30.1.2002 – B 6 KA 20/01 R, BSGE 89, 134 ff. und vom 11.9.2002 – B 6 KA 23/01 R, SozR 3-5520 § 20 Nr 4 sowie Beschluss vom 11.12.2002 – B 6 KA 61/02 B, zitiert nach www.juris.de; zuletzt vor der Änderung des § 95 Abs. 3 Satz 1 SGB V und Einführung des § 19a Ärzte-ZV zum 1. Januar 2007 durch das VÄndG (Halbierung des Versorgungsauftrages): Beschluss vom 29.11.2006 – B 6 KA 23/06 B, SozR 4-1500 § 153 Nr. 3). Denn neben einer vollen Zulassung sei eine weitere Erwerbstätigkeit nur dann unschädlich, wenn deren Arbeitzeit den Arzt deutlich weniger als die Hälfte, nämlich maximal ein Drittel der üblichen wöchentlichen Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Dieser Auffassung schließt sich die Kammer an und ist überdies der Ansicht, dass sich hieraus – wie vom Beklagten geregelt – ableiten lässt, dass auch bei einer Halbierung des Versorgungsauftrags die weitere Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit den Vertragsarzt bzw. –psychotherapeut nicht mehr als zwei Drittel der üblichen wöchentlichen Arbeitszeit, mithin 26 Stunden in der Woche, in Anspruch nehmen darf. Jedenfalls ist ausgeschlossen, dass neben einer vertragspsychotherapeutischen Zulassung noch – wie vom Kläger beabsichtigt – ein vollzeitiges Beschäftigungsverhältnis bestehen bleibt. Beides ist nach Ansicht der Kammer nicht miteinander vereinbar, ohne dass beide Tätigkeiten, hier aber insbesondere die vertragspsychotherapeutische Versorgung, qualitative Einbußen erleiden. Die Kammer teilt die vom Bundessozialgericht (B 6 KA 20/01 R, a. a. O.) vertretene Auffassung, dass der menschlichen Arbeitskraft physische (und psychische) Grenzen gesetzt sind, deren Außerachtlassung eine vollwertige persönliche Leistungserbringung in der vertragspsychotherapeutischen Versorgung gefährdet (§ 32 Abs. 1 Satz 1 Ärzte-ZV, § 15 Abs. 1 Bundesmantelvertrag–Ärzte). Aus einer Vollzeittätigkeit sind eine umfangreiche zeitliche Beanspruchung sowie die Einbindung in das Zeitregime des Arbeitgebers/Dienstherrn zu erwarten. Der sich daraus ergebende Mangel an Flexibilität gestattet nicht den Zeitaufwand, der einem halben Versorgungsauftrag in der erforderlichen Qualität genügen würde. Vielmehr ginge eine solche Gestaltung zu Lasten der gesetzlich Versicherten, obwohl deren vertragspsychotherapeutische Versorgung (Sprechstunden, geplante Therapien und Notversorgung) durch die Zulassung sichergestellt werden soll.

Denn neben dem Zeitfaktor ist auch zu berücksichtigen, in welcher Art die vertragspsychotherapeutische Versorgung von dem Psychotherapeuten angeboten werden muss. Der "übliche Umfang" (vgl. BSG, B 6 KA 23/01 a. a. O.) definiert sich nicht – wie der Kläger offenbar meint – danach, in welcher Größenordnung der Arzt/Psychotherapeut Sprechstunden anzubieten hat. Zwar ist gemäß § 17 Abs. 1a Sätze 1 und 2 BMV-Ä vorgeschrieben, dass der Vertragsarzt/-psychotherapeut seinen Versorgungsauftrag auch dadurch zu erfüllen hat, dass er an seinem Vertragsarztsitz persönlich mindestens zwanzig und bei hälftigem Versorgungsauftrag mindestens zehn Sprechstunden wöchentlich zur Verfügung steht. Zusätzlich ist aber der Verpflichtung aus § 17 Abs. 1 BMV-Ä Rechnung zu tragen, wonach das Angebot an Sprechstunden das Bedürfnis nach einer ausreichenden und zweckmäßigen vertragsärztlichen Versorgung zu berücksichtigen hat, also auch Sprechstunden zu den üblichen Zeiten angeboten werden können. Bereits dies ist angesichts des vom Kläger beschriebenen Zeitfensters durch die Beschäftigung in der Sozialtherapeutischen Anstalt fraglich, weil er nur in der Lage ist, Sprechstunden und Therapien in den späteren Nachmittags- und Abendstunden anzubieten.

Überdies erschöpft sich der erforderliche Zeitaufwand für die Übernahme eines hälftigen Versorgungsauftrages nicht – wie der Kläger annimmt – in dem Angebot von zwei Sprechstunden an den Abenden der Werktage. Zu berücksichtigen ist, dass die gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 BMV-Ä auf dem Praxisschild festzulegenden zehn Sprechstunden in der Woche das zeitliche Minimum darstellen, welches der Vertragsarzt/-psychotherapeut den gesetzlich Versicherten zur Kontaktaufnahme anbieten muss. Das bedeutet, dass er in dieser Zeit auch ansprechbar sein muss und sie nicht durch zeitgebundene psychotherapeutische Behandlungsmaßnahmen, die den Kern seiner Tätigkeit bilden, ausschöpft. Dies ist dem Zeitaufwand ebenso hinzuzurechnen wie die Zeit, die er für den Weg zur und von der Praxis sowie die Vor- und Nachbereitung benötigt. Die hälftige Zulassung bedeutet demnach nicht, dass der Arzt/Psychotherapeut sein Versorgungsangebot in die Zeit von zehn Sprechstunden pressen könnte. Vielmehr trägt er trotz der auf die Hälfte beschränkten Zulassung die Verantwortung dafür mit, dass die vertragspsychotherapeutische Versorgung der Versicherten sichergestellt ist.

Die Kammer ist zudem der Ansicht, dass eine vertragsärztliche bzw. – psychotherapeutische Zulassung auch nach Schaffung eines hälftigen Versorgungsauftrags nicht den Charakter eines (untergeordneten) "Nebenjobs" haben darf. Die Neuregelung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie eröffnen (BT-Drs. 16/2474 vom 30.8.2006 S. 21). Auch mag die neue Regelung eine bessere Verzahnung von stationärer und ambulanter Versorgung der gesetzlichen Versicherten ermöglichen, sie ist jedoch nicht mit der Intention eingeführt worden, die Kumulierung von Erwerbstätigkeiten zu verbessern. Nach wie vor bewirkt der besondere Charakter der Zulassung zum vertragsärztlichen bzw. -psychotherapeutischen System, dass der Vertragsarzt/-psychotherapeut sich zuallererst der Sicherstellung der Versorgung der Versicherten zu widmen hat. Denn an der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages haben die Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten aufgrund ihrer Zulassung mitzuwirken (§ 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Andere Tätigkeiten haben sich daneben als zweitrangig unterzuordnen und dürfen nur in dem Umfang ausgeübt werden, mit dem sie der vertragsärztlichen bzw. vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit nicht schaden (zur Gefahr einer der geordneten Sicherstellung gegenläufigen Entwicklung bei der Zulassung von Psychotherapeuten vgl. BSG, B 6 KA 20/01 R, a. a. O., Rn. 30 und 31).

Vor diesem Hintergrund ist die Festlegung der angefochtenen Bedingung rechtmäßig gewesen. Damit hat der Beklagte dem Umstand, dass der Kläger bereit ist, insgesamt mehr als 40 Stunden in der Woche für die Erwerbstätigkeit aufzubringen, hinreichend Rechnung getragen. Auch wenn die Beurteilung der Vereinbarkeit einer vertragsärztlichen bzw. -psychotherapeutischen Tätigkeit mit einer weiteren Erwerbstätigkeit keine schematische Rechenoperation ist, genügt die vom Beklagten festgelegte Grenze von 26 Wochenstunden jedenfalls in der Situation des Klägers als Annäherungswert für die Bestimmung des Umfangs der Nebentätigkeit. Denn bei ihm verschärfen mehrere Umstände die Beurteilung der zeitlichen Inanspruchnahme durch die beiden Tätigkeiten. Einerseits ist zu erwarten, dass die Doppelfunktion als Abteilungsleiter und behandelnder Psychotherapeut in der Sozialtherapeutischen Anstalt die dortige Pflichtarbeitszeit mindestens voll ausschöpft, andererseits hängt die Leistungserbringung als Vertragspsychotherapeut wenn nicht ausschließlich, so doch im Wesentlichen am Kontakt des Patienten mit dem Therapeuten. Mit den von ihm geplanten 10 Stunden wöchentlich wird er dem hälftigen Versorgungsauftrag nicht annähernd gerecht, da dies keine praktikable und den Bedürfnissen der gesetzlich Versicherten angepasste Gestaltung darstellt. Reduziert er indes – wie verlangt – seine Tätigkeit bei der Sozialtherapeutischen Anstalt auf 26 Stunden, kann erwartet werden, dass ihm ein ausreichender Zeitrahmen und genügend Arbeitskraft verbleiben, um die Anforderungen an die halbe Zulassung zu erfüllen.

Im Rahmen der Prüfung des § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV ist nicht entscheidungserheblich, dass der Kläger offenbar keine Nebentätigkeitsgenehmigung seines Dienstherrn besitzt, die einen hälftigen Versorgungsauftrag im eben beschriebenen Maße zeitlich hinreichend abdecken könnte (vgl. BSG, B 6 KA 61/02 B, a. a. O, Rn 10). Ob eine solche Nebentätigkeitsgenehmigung angesichts des einschlägigen, in dieser Hinsicht eher restriktiven Beamtenrechts des Landes Sachsen-Anhalt (vgl. §§ 65 Abs. 3, 72a Abs. 2 Beamtengesetz LSA) in Betracht kommt, kann offen bleiben. Unerheblich sind auch rein tatsächliche Umstände, die es erlauben, die Arbeitszeit des weiteren Beschäftigungsverhältnisses frei zu gestalten. Dies rechtfertigt keine Lockerung der zeitlichen Begrenzung (BSG, B 6 KA 61/02 B, a. a. O., Rn. 10 und B 6 KA 23/01, R a. a. O. (Hochschullehrer), a. A. offenbar LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.8.2007 – L 5 KA 3245/07 ER-B, zitiert nach www.juris.de).

Letztlich ist die vom Beklagten vorgenommene Ausgestaltung der Anforderungen des § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV bei hälftiger Zulassung auch verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Im Ergebnis liegt kein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz vor, weil die Vorschriften der Ärzte-ZV ähnlich wie andere (weit restriktivere) Nebentätigkeitsregelungen eine zulässige Schranke darstellen (vgl. BSG, B 6 KA 20/01 R, a. a. O., Rn. 40). Die Anhebung der Arbeitzeitgrenze für eine Erwerbstätigkeit neben der halben Zulassung auf 26 Stunden wöchentlich trägt dem Interesse des Psychotherapeuten, seine restliche Arbeitskraft gewinnbringend einzusetzen, hinreichend Rechnung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG in Verbindung mit der entsprechenden Anwendung der § 154 ff Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger ist im Rechtsstreit unterlegen, so dass er gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Eine Erstattung von Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, da sie keinen Antrag gestellt haben (§ 162 Abs. 3 VwGO, vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 9. Aufl., § 197a Rn 28 ff. m. w. N.).

Der Streitwert bezüglich der Anfechtung einer Bedingung der Zulassung wird wegen der Sperrwirkung der Nebenbestimmung wie der Wert des eigentlichen Zulassungsbegehrens beurteilt (Abschnitt C Ziff. IX. Nr. 16. 4 und 16.7 des Streitwertkataloges der Sozialgerichtsbarkeit; einsehbar unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Für den Wert einer Zulassung ist der durchschnittliche Umsatz der Arztgruppe abzüglich des Praxiskostenanteils für einen Zeitraum von drei Jahren zugrunde zu legen. Bei einer hälftigen Zulassung ist dieser Betrag zu teilen. Das durchschnittliche Honorar der vertragspsychotherapeutisch tätigen Psychologen und Ärzte in den neuen Bundesländern im Jahr 2007 betrug 67.200,00 EUR im Jahr (Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Grunddaten zur vertragsärztlichen Versorgung in Deutschland 2008 Abschnitt II. 3 (S. 41), einsehbar unter www.kbv.de/publikationen). Als Kostenanteil einer psychotherapeutisch ausgerichteten Praxis ist in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ein Betrag von 40.634,00 EUR heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 28.5.2008 – B 6 KA 9/07 R, www.bsg.bund.de und Beschluss des Bewertungsausschuss vom 18.2.2005, DÄ 2005, A-457, Teil A Nr. 2. 2. 1. 5). Der genannte Rechenweg führt im Ergebnis zu einem Streitwert von 39.849,00 EUR.

Die Sprungrevision wird gemäß §§ 161 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit 160 Abs 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zwar hat das BSG noch im Beschluss vom 29. November 2006 (B 6 KA 23/06 B, a. a. O.) betont, der zulässige Umfang einer Nebentätigkeit in abhängiger Beschäftigung neben einer Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung sei nicht erneut klärungsbedürftig, im Anschluss an die Einführung der hälftigen Zulassung mit Wirkung vom 1. Januar 2007 ist jedoch ein neuer Rechtszustand eingetreten. Die auch in diesem Rechtsstreit erhebliche Rechtsfrage, in welchem Umfang eine weitere Erwerbstätigkeit neben einer hälftigen Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen/-ärztlichen Versorgung zulässig ist, ist bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt.
Rechtskraft
Aus
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