L 18 AL 154/10 NZB RG

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 154/10 NZB RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anhörungsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des Senats vom 5. Mai 2010 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind im Anhörungsrügeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Anhörungsrüge der Klägerin ist unzulässig und war entsprechend zu verwerfen (vgl. § 178a Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Nach § 178a Abs. 1 Satz 1 SGG ist auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr. 1) und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr. 2). Mithin ist es Zulässigkeitsvoraussetzung einer Anhörungsrüge, dass die Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen (auch) des § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG schlüssig darlegt (vgl. BSG, Beschluss vom 7. April 2005 – B 7a AL 38/05 B = SozR 4-1500 § 178a Nr 2; BSG SozR 4-1500 § 178a Nr 6). Letzteres ist vorliegend nicht der Fall. Die Klägerin hat mit ihrem Vorbringen die Möglichkeit einer Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz – GG -, § 62 SGG) nicht hinreichend dargetan.

Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet ebenso wie § 62 SGG die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben. Dieses Gebot verpflichtet allerdings die Gerichte nicht, der Rechtsansicht eines Beteiligten zu folgen. Die Gerichte sind auch nicht verpflichtet, jedes Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich zu bescheiden; es muss nur das wesentliche der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienende Vorbringen in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (stRspr des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), zB BVerfG (Kammer), Beschluss vom 20.2.2008 – 1 BvR 2722/06 - juris, dort RdNr 9 ff mwN; BVerfGK 7, 485, 488 Die für die Zulässigkeit des außerordentlichen Rechtsbehelfs einer Anhörungsrüge erforderliche Darlegung des Vorliegens der Voraussetzungen einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör muss diesen Gehalt des Gebots berücksichtigen; es bedarf mithin einer in sich schlüssigen Darstellung, dass trotz der genannten Grenzen des Prozessgrundrechts eine Verletzung des rechtlichen Gehörs in entscheidungserheblicher Weise vorliegt. Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Klägerin nicht gerecht.

Die Klägerin stützt ihre Anhörungsrüge zunächst darauf, der Senat habe nicht berücksichtigt, dass sie mit der Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) auch eine Divergenz des angefochtenen Urteils des Sozialgerichts (SG) zu der Entscheidung des 6. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 13. März 2009 in einem "Parallelverfahren" – L 6 B 291/07 AL NZB – gerügt habe. Hierauf war in der Entscheidung über die NZB aber schon deshalb nicht einzugehen, weil die Klägerin mit dieser Rüge eine Divergenz in entscheidungserheblichem Maße nicht dargelegt hatte. Das erkennende Gericht ist nicht verpflichtet, auf jeden vorgetragenen rechtlichen Gesichtspunkt eines Beteiligten ausdrücklich einzugehen, zumal wenn er – wie hier – nach Auffassung des Senats nicht entscheidungserheblich war. Die Klägerin hatte nämlich insoweit als Grundlage der – behaupteten – Abweichung lediglich einen Hinweis des 6. Senats in der in Bezug genommenen Entscheidung auf die "im Übrigen der absolut herrschenden Meinung in der Rechtsprechung und der Literatur im Falle einer fehlenden förmlichen Bevollmächtigung im Widerspruchsverfahren" entsprechende Rechtsansicht des – dortigen – erstinstanzlichen Gerichts aufgeführt. Abgesehen davon, dass dieses "obiter dictum" des 6. Senats ausdrücklich zu einem im dortigen Verfahren nicht entscheidungserheblichen rechtlichen Gesichtspunkt ergangen war, hat die Klägerin damit auch keinen abstrakten Rechtssatz des 6. Senats aufgezeigt, von dem das SG im hiesigen Verfahren durch einen zum selben Gegenstand gemachten abstrakten Rechtssatz abgewichen wäre. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des SG möglicherweise nicht den Kriterien entspricht, die das LSG oder ein anderes der in § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG genannten Gerichte aufgestellt hat. Ebenso wenig begründet eine etwaige Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall eine Divergenz iSv § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG (vgl. zum Ganzen etwa BSG, Beschluss vom 19. November 2009 – B 13 RS 61/09 B – juris – mwN, BSG, Beschluss vom 16. Juli 2009 – B 4 AS 37/09 B – juris - mwN). Dass die Vorsitzende des erkennenden Senats im Übrigen mit Schreiben vom 14. Januar 2010 zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits in der Sache einen – von der Beklagten nicht angenommenen - Vergleichsvorschlag gemacht hat, kann schon deshalb keinen Gehörsverstoß zur Folge haben, weil der Senat über den geltend gemachten Anspruch im Rahmen der NZB ohnehin nicht zu befinden hatte, sondern lediglich darüber, ob ein gesetzlicher Grund für die Zulassung der Berufung vorlag.

Die Klägerin hat eine entscheidungserhebliche Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Senat auch nicht dadurch dargetan, dass sie vorträgt, der Senat habe im Hinblick auf die von ihr gerügte "Überraschungsentscheidung" des SG den Schriftsatz der Klägerin an das SG vom 14. Juni 2007 übersehen. Darin habe sie drei Tage nach Zustellung der Sitzungsniederschrift des SG vom 31. Mai 2007 gerügt, dass das SG eine Überraschungsentscheidung getroffen habe, indem es das im Einzelnen dargelegte Vorbringen der Klägerin zur Beauftragung ihres Prozessbevollmächtigten als nicht vorgetragen behandelt habe. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Senat den Inhalt des in Bezug genommenen Schriftsatzes der Klägerin vom 14. Juni 2007 schon deshalb nicht "übersehen" haben kann, weil sich dieser – was auch die Klägerin selbst betont – "wortgleich" auch in der späteren NZB findet und in dem Beschluss vom 5. Mai 2010 als Vortrag der Klägerin auch ausdrücklich benannt ist. Der Senat hat im Übrigen in seinem Beschluss vom 5. Mai 2010 einen Gehörsverstoß des SG schon im Hinblick darauf verneint, dass ausweislich der Sitzungsniederschrift des SG vom 31. Mai 2007 das SG die aus seiner Sicht maßgeblichen rechtlichen Vorgaben mitgeteilt und diese seiner dann getroffenen Entscheidung auch zugrunde gelegt habe. Die von der Klägerin behauptete Beantragung einer Erklärungsnachlassfrist sei aus der Sitzungsniederschrift des SG nicht zu ersehen und die Klägerin habe auch einen entsprechenden Protokollberichtigungsantrag zu keiner Zeit gestellt. Die Klägerin trägt insoweit mit ihrer Anhörungsrüge keine Tatsachen vor, die nicht schon Gegenstand der Entscheidung über die NZB gewesen wären. Insbesondere hat sie auch nicht vorgebracht, dass ein Protokollberichtigungsantrag bei dem SG tatsächlich gestellt worden sei. Es sei im Übrigen darauf hingewiesen, dass eine Überraschungsentscheidung in dem Sinne, dass ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter mit ihr nicht zu rechnen brauchte, grundsätzlich dann nicht vorliegt, wenn sich das SG im Urteil dem Standpunkt eines Beteiligten – hier der Beklagten – angeschlossen hat (vgl. BSG, Beschluss vom 8. Dezember 2008 – B 12 R 37/07 B – juris).

Letztlich wendet sich die Klägerin mit ihrer Anhörungsrüge im Kern gegen die inhaltliche Richtigkeit des Senatsbeschlusses vom 5. Mai 2010 und hält in der Sache eine von der Begründung des Beschlusses abweichende rechtliche Würdigung für richtig. Das Anhörungsrügeverfahren ist aber nicht dazu vorgesehen, die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 31. Mai 2007 zur erneuten Überprüfung durch das Beschwerdegericht zu stellen, wenn – wie hier – neue und bislang unberücksichtigt gebliebene entscheidungserhebliche Tatsachen, die das Gericht möglicherweise zu einer anderen Entscheidung hätten kommen lassen, nicht ersichtlich sind (vgl. BSG, Beschluss vom 29. November 2005 – B 1 KR 94/05 – juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 178a Abs. 4 Satz 3 SGG).
Rechtskraft
Aus
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