S 26 AS 463/10 ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Neuruppin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 26 AS 463/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 31. März 2010 wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die Beteiligten streiten im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens um die Gewährung von Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II), wobei im Wesentlichen streitig ist, ob der anlässlich eines vorhergehenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren in einem gerichtlichen Vergleich vereinbarte Zahlbetrag neben den Kosten der Unterkunft auch die Kosten der Heizung umfasst und dementsprechend zusätzlich bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen ist.

Der bei dem Sozialgericht Neuruppin am 31. März 2010 eingegangene Antrag, mit dem die Antragsteller (sinngemäß) beantragen,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern ab dem 01. Februar 2010 vorläufig höhere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 98,00 EUR zu gewähren,

hat keinen Erfolg.

Der gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf den Erlass einer Regelungsanordnung gerichtete Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Nach der genannten Vorschrift des § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Anordnungsanspruch, d. h. die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist, sowie der Anordnungsgrund, d. h. die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung, sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Diese Voraussetzungen sind indes nicht erfüllt. Die Antragsteller haben bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft gemacht, so dass offen bleiben kann, in welchem Umfang ihnen überhaupt ein Anordnungsanspruch zur Seite stünde. Die Antragsteller haben nämlich insbesondere nicht dargetan, dass bei Nichtgewährung der erstrebten Leistungen eine schier unerträgliche existenzielle Notlage eintritt oder fortwirkt, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu rechtfertigen vermag (sog. Anordnungsgrund). Die Antragsteller haben in dem von ihnen nunmehr angestrengten einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht ausreichend dargelegt und hinreichend glaubhaft gemacht, dass ihnen bei Nichtzahlung der Kosten der Unterkunft und Heizung Wohnungslosigkeit droht oder unmittelbar bevorsteht; dafür ist im Übrigen auch sonst nichts ersichtlich. Vielmehr werden die Kosten der Unterkunft und Heizung auch nach ihrem eigenen Vortrag im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren weiterhin vollständig beglichen. Daher besteht schon unter diesem Gesichtspunkt kein Raum für den Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Im Übrigen ist bei dem von den Antragstellern gemeinsam begehrten Betrag in Höhe von 98,00 EUR, der etwa einem Anteil von 15 Prozent der für die Antragsteller addierten Regelleistung von 646,00 EUR entspricht (vgl. § 20 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 SGB II) ohnehin davon auszugehen, dass (noch) kein besonderes Eilbedürfnis angenommen werden muss. Dieser Betrag liegt noch unterhalb der Höhe des in der Regelleistung enthaltenen Ansparbetrages für einmalige Bedarfe in Höhe von etwa 20 Prozent (vgl. die ausführliche Darstellung der Gesetzesentstehung bei Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 09. Februar 2010, - 1 BvL 1/09, - 1 BvL 3/09 und - 1 BvL 4/09, jeweils zitiert nach juris). Dementsprechend genügen grundsätzlich 80 Prozent der Regelleistung, um den gegenwärtigen Bedarf zu befriedigen und eine Notlage abzuwenden (für einen Abschlag von bis zu sogar 30 Prozent: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02. Februar 2006, – L 14 B 1157/05 AS ER; für einen Abschlag von 20 Prozent: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007, - L 7 SO 5672/06 ER-B, jeweils zitiert nach juris).

Schließlich verkennen die Antragsteller, dass eine einstweilige Anordnung nicht dazu dient, zu Lasten anderer Beteiligter der Hauptsacheverfahren eine schnellere Entscheidung zu erlangen. Sie ist vielmehr nur dann zu treffen, wenn ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren Beseitigung eine spätere Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005, Breithaupt 2005, S. 803 ff.). Dies ist - wie ausgeführt - hier jedoch nicht der Fall. Die Beantwortung der von den Beteiligten im Einzelnen aufgeworfenen Fragen zur Höhe der zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung nach den Bestimmungen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) muss daher den zahlreichen zwischen den Beteiligten dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bereits bei dem Sozialgericht Neuruppin anhängigen Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, dessen Abwarten den Antragstellern zuzumuten ist.

Für den begehrten Leistungszeitraum vor dem 31. März 2010 (Eingang des Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht) liegt schließlich schon deshalb kein Anordnungsgrund vor, weil erst durch den Eingang des Antrages auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die existenzielle Notlage dokumentiert wird; vorläufige Leistungen können indes regelmäßig - und mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch hier - jedoch nicht für die Vergangenheit gewährt werden. Insoweit fehlt es regelmäßig - und auch hier - an einer spezifischen, dem vorliegenden Verfahren innewohnenden Dringlichkeit, deretwegen es zur Vermeidung schwerer und unzumutbarer Nachteile, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre, einer einstweiligen Regelung bedarf. Dass den Antragstellern hier ausnahmsweise schwere und unzumutbare Nachteile drohten, insbesondere dass sie von Obdachlosigkeit bedroht wären, wenn ihrem Begehren nicht sofort entsprochen wird, ist ihrem Vorbringen - wie bereits dargelegt - nicht zu entnehmen.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG; sie entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache, in der die Antragsteller vollumfänglich unterlagen.

Gerichtskosten werden in Verfahren der vorliegenden Art nicht erhoben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde gegeben, wenn in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre.

Die Beschwerde ist binnen eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses bei dem

Sozialgericht Neuruppin Fehrbelliner Straße 4 a 16816 Neuruppin

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (§ 173 des Sozialgerichtsgesetzes).

Die Beschwerde muss innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht eingehen.

Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem

Landessozialgericht Berlin - Brandenburg Försterweg 2 - 6 14482 Potsdam

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

A.
Richter am Sozialgericht
Rechtskraft
Aus
Saved