Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
23
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 23 AS 799/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 556/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Übersteigt ein gewährter Vorschuss gem. § 42 SGB I die zustehende Leistung ist die Überzahlung vom Empfänger zu erstatten.
2. Die durch einen überhöhten Vorschuss entstandene Überzahlung kann nach § 51 SGB I nur gegen Ansprüche aufgerechnet werden, die nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind.
3. Gegen Ansprüche auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II kann nicht aufgerechnet werden, solange diese unter den Pfändungsgrenzen nach § 54 Abs. 4 SGB I i.V.m. §§ 850 ff. ZPO liegen.
2. Die durch einen überhöhten Vorschuss entstandene Überzahlung kann nach § 51 SGB I nur gegen Ansprüche aufgerechnet werden, die nach § 54 Abs. 2 und 4 SGB I pfändbar sind.
3. Gegen Ansprüche auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II kann nicht aufgerechnet werden, solange diese unter den Pfändungsgrenzen nach § 54 Abs. 4 SGB I i.V.m. §§ 850 ff. ZPO liegen.
Bemerkung
mit Berichtigungsbeschluss
1. Der Bescheid vom 11.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2008 wird insoweit aufgehoben, als er die Verrechnung einer überzahlten Mehraufwandsentschädigung mit zukünftigen Grundsicherungsleistungen bzw. die Einbehaltung von 30 Euro monatlich bestimmt.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit der Aufrechnung einer überzahlten Mehraufwandsentschädigung mit SGB II Leistungen.
Der 1964 geborene Kläger bezieht seit 2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Für den Zeitraum vom 07.05.2007 bis 06.06.2007 gewährte die Beklagte ihm eine Mehraufwandsentschädigung für die Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit im Sinne von § 16 Abs. 3 SGB II als Vorschuss gem. § 42 SGB I in Höhe von 107,47 EUR. Mit Bescheid vom 11.07.2007 setzte sie die endgültige Leistung für den Zeitraum vom 07.05.2007 bis 06.06.2007 auf 36,00 EUR fest. Aufgrund von Fehlzeiten sei es zu einer Überzahlung in Höhe von 71,47 EUR gekommen. Die Überzahlung werde mit der dem Kläger zukünftig zustehenden Leistung verrechnet. Es erfolge somit ab dem Monat 10/07 bis zur Tilgung des Betrages eine Einbehaltung in Höhe von 30,00 EUR monatlich von der dem Kläger zustehenden Leistung.
Mit Schreiben vom 01.08.2007 widersprach der Kläger der Einbehaltung von 30,00 EUR monatlich. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 zurück. Die bezahlte Vorschussleistung stehe unter dem Vorbehalt, dass die Arbeitsgelegenheit angetreten und die angefallenen Arbeitsstunden geleistet würden. Nach § 42 abs. 2 Sozialgesetzbuch Teil 1 (SGB I) seien Vorschüsse mit zustehenden Leistungen zu verrechnen und soweit sie diese übersteigen entsprechend zu erstatten. Es entstehe Kraft Gesetzes ein Erstattungsanspruch, der mit der Festsetzung des endgültigen Leistungsanspruches fällig werde.
Der Kläger hat am 03.10.2008 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, es lägen bereits die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 SGB I bei einer Mehraufwandsentschädigung nicht vor, weil zur Feststellung ihrer Höhe nicht voraussichtlich längere Zeit erforderlich sei, sondern sie mit der Bestimmung der Arbeitsstelle und der zu erbringenden Stundenleistung so feststehe. Darüber hinaus könnten Vorschüsse nur auf zustehende Arbeitseingliederungsleistungen angerechnet werden. Für eine Verrechnung übersteigender Erstattungsarbeitseingliederungsleistungen auf SGB II Existenzminimusunterhaltsleistungen fehle eine Rechtsgrundlage.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2007 und des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2008 im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einbehalt wegen Mehraufwandsentschädigungsrückforderungen gegenüber SGB II Unterhaltsleistungen vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Hessische Landessozialgericht habe mit Beschluss vom 04.03.2008, L 9 AS 429/07 ER im vorangegangenen Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz ausdrücklich festgestellt, dass § 42 Abs. 2 SGB I auf eine vorschussweise geleistete Mehraufwandsentschädigung anwendbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die von der Beklagten mit Bescheid vom 11.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2008 vorgenommene "Verrechnung" von gewährten Vorschüssen für eine Mehraufwandsentschädigung mit SGB II Leistungen ist rechtswidrig.
Der Kläger hat Anspruch auf Auszahlung ungekürzter Leistungen ohne Berücksichtigung eines monatlichen Einbehalts in Höhe von 30,00 EUR. Die bewilligten Beträge sind nicht in Höhe von monatlich 30,00 EUR durch eine Aufrechnung erloschen, sodass der Kläger Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der ihm bewilligten Leistungen hat.
Nach § 42 Abs. 2 SGB II sind Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit sie diese übersteigen, sind sie vom Empfänger zu erstatten. Nach dem klaren Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift erfolgt die Anrechnung des Vorschusses auf die zustehenden Leistungen wenn der Vorschuss geringer ist als die zustehende Leistung. Ist der Vorschuss höher als die zustehende Leistung entsteht ein Erstattungsanspruch (vgl. auch Urteile des BSG v. 26.06.2007 B 2 U 5/06 R; v. 29.04.1997 4 RA 46/96; v. 31.08.1983, 2 RU 80/82; LSG Berlin v. 27.05.2003, L 14 AL 45/0; Hessisches LSG v. 27.03.2002, L 3 U 965/99;). Die zustehende Leistung ist die endgültig festgestellte Leistung, d.h. die Leistung für die zunächst der Vorschuss gewährt worden ist und die nun, nachdem die Höhe der zustehenden Leistung feststeht, endgültig festgestellt ist (BSG v. 26.06.2007 B 2 U 5/06 R Rn. 20 und v. 29.04.1997 4 RA 46/96 Rn. 52; Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, Std. Dez. 09, § 42 Rn. 40; Lilge, SGB I, Std. 04/2007, § 42 Nr. 9b;) Zustehende Leistung ist demnach vorliegend die für den Zeitraum vom 07.05.2007 bis 06.06.2007 gewährte Mehraufwandsentschädigung die mit dem angefochtenen Bescheid endgültig auf 36,00 Euro festgesetzt wurde. Die zustehende Leistung kann nicht in zukünftig entstehenden Ansprüchen auf SGB II Leistungen bestehen, wie das Hessische Landessozialgericht es in seinem Beschluss vom 04.03.2008, L 9 AS 429/07 ER angenommen hat. Dies folgt bereits sowohl aus dem Wortlaut als auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach, wenn der Vorschuss die zustehende Leistung übersteigt, die Leistungen in dieser Höhe vom Empfänger zu erstatten sind. Es erfolgt in diesem Fall keine Anrechnung nach § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I sondern es entsteht nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I kraft Gesetz ein Erstattungsanspruch (Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I. Std. Dez. 09 Rn. 43; KasslerKom/Seewald, § 42 SGB I, Rn. 25; Lilge a.a.O. § 42 Nr. 9 a aa) mit der Folge, dass der Leistungsempfänger verpflichtet ist, das Überzahlte zu erstatten. Die Vorschriften § 44 ff. SGB X sind nicht anwendbar und dem Leistungsempfänger steht kein Vertrauensschutz zu. Die Erstattung kann durch Zahlung erfolgen oder durch Aufrechnung seitens des Leistungsempfängers gegen zukünftige Ansprüche des Verpflichteten gem. § 51 SGB I (Rolfs in Hauck/Noftz, a.a.O. § 42 Rn. 43; Lige a.a.O. § 42 Nr. 9d). Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen des Berechtigten nur aufrechnen, soweit die Ansprüche des Leistungsempfängers nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind (BSG, Urteil v. 05.02.2009, B 13 R 31/08 R; HessLSG, Beschluss v. 16.01.2008, L 9 SO 121/07 ER). Es kann dahinstehen, ob die von der Beklagten vorgenommene "Verrechnung" eine Aufrechnung nach § 51 SGB I darstellt. Eine Verrechnung nach § 42 SGB I scheidet jedenfalls aus, da diese Ansprüche eines anderen Leistungsträgers betrifft. Die SGB II-Leistungen gegen die die Beklagte ab dem 01.10.2007 aufgerechnet haben könnte, liegen mit 677,77 Euro unterhalb der Pfändungsgrenzen nach § 54 Abs. 4 i.V.m. §§ 850 ff. ZPO. Eine Aufrechnung ist demnach nicht möglich. Die von der Beklagten vorgenommene "Verrechnung" dürfte rechtswidrig sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung war im Hinblick auf den widersprechenden Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 04.03.2008, L 9 AS 429/07 ER und der Vielzahl der beim Sozialgericht Wiesbaden anhängigen Klagen zu dieser Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
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Berichtigungsbeschluss:
Das Rubrum in dem Urteil S 23 AS 799/08 wird dahingehend berichtigt, dass das Urteil am 07.06.2010 ohne mündliche Verhandlung durch die Richterin am Sozialgericht Dr. Bolten als Vorsitzende und die beiden ehrenamtlichen Richter Herr Wöll und Frau Hardt ergangen ist.
Gründe:
Das Rubrum des Urteils war gem. § 138 SGG wegen einer offenbaren Unrichtigkeit von Amts wegen zu berichtigen. An dem am 07.06.2010 ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil haben auch die beiden ehrenamtlichen Richter Herr Wöll und Frau Hardt mitgewirkt. Dies ergibt sich aus den Unterschriften unter dem Urteil.
2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Zulässigkeit der Aufrechnung einer überzahlten Mehraufwandsentschädigung mit SGB II Leistungen.
Der 1964 geborene Kläger bezieht seit 2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Für den Zeitraum vom 07.05.2007 bis 06.06.2007 gewährte die Beklagte ihm eine Mehraufwandsentschädigung für die Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit im Sinne von § 16 Abs. 3 SGB II als Vorschuss gem. § 42 SGB I in Höhe von 107,47 EUR. Mit Bescheid vom 11.07.2007 setzte sie die endgültige Leistung für den Zeitraum vom 07.05.2007 bis 06.06.2007 auf 36,00 EUR fest. Aufgrund von Fehlzeiten sei es zu einer Überzahlung in Höhe von 71,47 EUR gekommen. Die Überzahlung werde mit der dem Kläger zukünftig zustehenden Leistung verrechnet. Es erfolge somit ab dem Monat 10/07 bis zur Tilgung des Betrages eine Einbehaltung in Höhe von 30,00 EUR monatlich von der dem Kläger zustehenden Leistung.
Mit Schreiben vom 01.08.2007 widersprach der Kläger der Einbehaltung von 30,00 EUR monatlich. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2008 zurück. Die bezahlte Vorschussleistung stehe unter dem Vorbehalt, dass die Arbeitsgelegenheit angetreten und die angefallenen Arbeitsstunden geleistet würden. Nach § 42 abs. 2 Sozialgesetzbuch Teil 1 (SGB I) seien Vorschüsse mit zustehenden Leistungen zu verrechnen und soweit sie diese übersteigen entsprechend zu erstatten. Es entstehe Kraft Gesetzes ein Erstattungsanspruch, der mit der Festsetzung des endgültigen Leistungsanspruches fällig werde.
Der Kläger hat am 03.10.2008 Klage erhoben. Er ist der Auffassung, es lägen bereits die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 SGB I bei einer Mehraufwandsentschädigung nicht vor, weil zur Feststellung ihrer Höhe nicht voraussichtlich längere Zeit erforderlich sei, sondern sie mit der Bestimmung der Arbeitsstelle und der zu erbringenden Stundenleistung so feststehe. Darüber hinaus könnten Vorschüsse nur auf zustehende Arbeitseingliederungsleistungen angerechnet werden. Für eine Verrechnung übersteigender Erstattungsarbeitseingliederungsleistungen auf SGB II Existenzminimusunterhaltsleistungen fehle eine Rechtsgrundlage.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten unter Aufhebung des Bescheides vom 11.07.2007 und des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2008 im streitgegenständlichen Zeitraum kein Einbehalt wegen Mehraufwandsentschädigungsrückforderungen gegenüber SGB II Unterhaltsleistungen vorzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Hessische Landessozialgericht habe mit Beschluss vom 04.03.2008, L 9 AS 429/07 ER im vorangegangenen Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz ausdrücklich festgestellt, dass § 42 Abs. 2 SGB I auf eine vorschussweise geleistete Mehraufwandsentschädigung anwendbar sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Die von der Beklagten mit Bescheid vom 11.07.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.09.2008 vorgenommene "Verrechnung" von gewährten Vorschüssen für eine Mehraufwandsentschädigung mit SGB II Leistungen ist rechtswidrig.
Der Kläger hat Anspruch auf Auszahlung ungekürzter Leistungen ohne Berücksichtigung eines monatlichen Einbehalts in Höhe von 30,00 EUR. Die bewilligten Beträge sind nicht in Höhe von monatlich 30,00 EUR durch eine Aufrechnung erloschen, sodass der Kläger Anspruch auf ungekürzte Auszahlung der ihm bewilligten Leistungen hat.
Nach § 42 Abs. 2 SGB II sind Vorschüsse auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit sie diese übersteigen, sind sie vom Empfänger zu erstatten. Nach dem klaren Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift erfolgt die Anrechnung des Vorschusses auf die zustehenden Leistungen wenn der Vorschuss geringer ist als die zustehende Leistung. Ist der Vorschuss höher als die zustehende Leistung entsteht ein Erstattungsanspruch (vgl. auch Urteile des BSG v. 26.06.2007 B 2 U 5/06 R; v. 29.04.1997 4 RA 46/96; v. 31.08.1983, 2 RU 80/82; LSG Berlin v. 27.05.2003, L 14 AL 45/0; Hessisches LSG v. 27.03.2002, L 3 U 965/99;). Die zustehende Leistung ist die endgültig festgestellte Leistung, d.h. die Leistung für die zunächst der Vorschuss gewährt worden ist und die nun, nachdem die Höhe der zustehenden Leistung feststeht, endgültig festgestellt ist (BSG v. 26.06.2007 B 2 U 5/06 R Rn. 20 und v. 29.04.1997 4 RA 46/96 Rn. 52; Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, Std. Dez. 09, § 42 Rn. 40; Lilge, SGB I, Std. 04/2007, § 42 Nr. 9b;) Zustehende Leistung ist demnach vorliegend die für den Zeitraum vom 07.05.2007 bis 06.06.2007 gewährte Mehraufwandsentschädigung die mit dem angefochtenen Bescheid endgültig auf 36,00 Euro festgesetzt wurde. Die zustehende Leistung kann nicht in zukünftig entstehenden Ansprüchen auf SGB II Leistungen bestehen, wie das Hessische Landessozialgericht es in seinem Beschluss vom 04.03.2008, L 9 AS 429/07 ER angenommen hat. Dies folgt bereits sowohl aus dem Wortlaut als auch aus Sinn und Zweck der Vorschrift, wonach, wenn der Vorschuss die zustehende Leistung übersteigt, die Leistungen in dieser Höhe vom Empfänger zu erstatten sind. Es erfolgt in diesem Fall keine Anrechnung nach § 42 Abs. 2 Satz 1 SGB I sondern es entsteht nach § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I kraft Gesetz ein Erstattungsanspruch (Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I. Std. Dez. 09 Rn. 43; KasslerKom/Seewald, § 42 SGB I, Rn. 25; Lilge a.a.O. § 42 Nr. 9 a aa) mit der Folge, dass der Leistungsempfänger verpflichtet ist, das Überzahlte zu erstatten. Die Vorschriften § 44 ff. SGB X sind nicht anwendbar und dem Leistungsempfänger steht kein Vertrauensschutz zu. Die Erstattung kann durch Zahlung erfolgen oder durch Aufrechnung seitens des Leistungsempfängers gegen zukünftige Ansprüche des Verpflichteten gem. § 51 SGB I (Rolfs in Hauck/Noftz, a.a.O. § 42 Rn. 43; Lige a.a.O. § 42 Nr. 9d). Gegen Ansprüche auf Geldleistungen kann der zuständige Leistungsträger mit Ansprüchen des Berechtigten nur aufrechnen, soweit die Ansprüche des Leistungsempfängers nach § 54 Abs. 2 und 4 pfändbar sind (BSG, Urteil v. 05.02.2009, B 13 R 31/08 R; HessLSG, Beschluss v. 16.01.2008, L 9 SO 121/07 ER). Es kann dahinstehen, ob die von der Beklagten vorgenommene "Verrechnung" eine Aufrechnung nach § 51 SGB I darstellt. Eine Verrechnung nach § 42 SGB I scheidet jedenfalls aus, da diese Ansprüche eines anderen Leistungsträgers betrifft. Die SGB II-Leistungen gegen die die Beklagte ab dem 01.10.2007 aufgerechnet haben könnte, liegen mit 677,77 Euro unterhalb der Pfändungsgrenzen nach § 54 Abs. 4 i.V.m. §§ 850 ff. ZPO. Eine Aufrechnung ist demnach nicht möglich. Die von der Beklagten vorgenommene "Verrechnung" dürfte rechtswidrig sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Berufung war im Hinblick auf den widersprechenden Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 04.03.2008, L 9 AS 429/07 ER und der Vielzahl der beim Sozialgericht Wiesbaden anhängigen Klagen zu dieser Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
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Berichtigungsbeschluss:
Das Rubrum in dem Urteil S 23 AS 799/08 wird dahingehend berichtigt, dass das Urteil am 07.06.2010 ohne mündliche Verhandlung durch die Richterin am Sozialgericht Dr. Bolten als Vorsitzende und die beiden ehrenamtlichen Richter Herr Wöll und Frau Hardt ergangen ist.
Gründe:
Das Rubrum des Urteils war gem. § 138 SGG wegen einer offenbaren Unrichtigkeit von Amts wegen zu berichtigen. An dem am 07.06.2010 ohne mündliche Verhandlung ergangenen Urteil haben auch die beiden ehrenamtlichen Richter Herr Wöll und Frau Hardt mitgewirkt. Dies ergibt sich aus den Unterschriften unter dem Urteil.
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