L 1 AS 11/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 29 AS 159/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 AS 11/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 139/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2007 geändert. Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 08.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2006
verurteilt, auch für die Zeit von September 2005 bis Januar 2006 Unterkunftskosten in Höhe von 242,50 EUR monatlich zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte trägt 1/8 der erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.

Der am 00.00.1953 geborene Kläger, der seit 1975 geschieden ist, bezog bis zum 18.07.2005 Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 27,62 EUR = 828,60 EUR monatlich. Er beantragte am 05.07.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Dabei gab er an, weder über Einkommen noch über zu berücksichtigendes Vermögen zu verfügen. Wohngeld bezog der Kläger nicht.

Der Kläger wohnt in einer gemeinsamen Wohnung mit Frau Q (geb. 00.00.1951, geschieden seit 1995). Nachdem sie bereits zuvor zweimal umgezogen waren, wohnten der Kläger und Frau Q bis September 2009 in einer Dachgeschosswohnung mit 4 Zimmern, Küche, Diele, Bad und einer Toilette. Die Wohnfläche betrug 78 qm. Eine Trauerfallvorsorge-Versicherung des Kläger sieht als Begünstigte im Todesfall Frau Q vor. Diese hat ein Konto bei der Sparkasse N, über das der Kläger verfügungsbefugt ist.

Frau Q hatte bereits im September 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beantragt. Sie hatte angegeben, dass es sich bei der Wohngemeinschaft mit dem Kläger um eine Zweckgemeinschaft handele und eine Bescheinigung des Vermieters vorgelegt, wonach die Wohnung "an die Wohn- bzw. Zweckgemeinschaft H/Q" vermietet worden sei, jede Mietpartei über ein eigenes Privatzimmer verfüge und der übrige Wohnraum von beiden Mietparteien gleichermaßen genutzt werde. Die Miet- und Nebenkosten würden beiden Parteien zu gleichen Teilen berechnet. Der Vermieter bescheinigte eine Grundmiete in Höhe von 343,50 EUR, Heizkosten in Höhe von 55,00 EUR, Nebenkosten in Höhe von 87,00 EUR und "Wohnkosten" (Kosten für einen Kabelanschluss) in Höhe von 9,50 EUR.
Der Beklagte hatte Frau Q Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.05.2005 ohne Berücksichtigung von Einkommen des Klägers bewilligt (Bescheid vom 22.11.2004). Im Rahmen des Antrages auf Fortzahlung der Leistungen hatte Frau Q den Mietvertrag vorgelegt. Dieser war vom Kläger und Frau Q gemeinsam abgeschlossen worden. Mietbeginn war der 01.00.1998. Die Kosten für das Kabelfernsehen sind Bestandteil des Mietvertrages.

Mit Schreiben vom 12.05.2005 hatte der Beklagte Frau Q darauf hingewiesen, dass die Unterkunftskosten unangemessen hoch seien. Für zwei Personen sei lediglich eine Wohnung mit einer Größe von 60 qm und einem Mietpreis von 4,35 EUR pro Quadratmeter angemessen. Daraus ergebe sich eine angemessene Kaltmiete von 261,00 EUR. Nebenkosten seien bei einem Zweipersonenhaushalt in Höhe von 85,00 EUR angemessen. Die aktuellen Unterkunftskosten übernehme sie noch längstens drei Monate, d. h. bis zum 31.08.2005. Ab dem 01.09.2005 erstatte sie die Unterkunftskosten nur noch in Höhe von insgesamt 346,00 EUR (261.- EUR Grundmiete zuzüglich 85.- EUR Nebenkosten). Mit Bescheiden vom 28.05.2005 und 28.06.2005 bewilligte der Beklagte auf dieser Grundlage Leistungen an Frau Q.

Am 20.07.2005 führten Mitarbeiter des Beklagten eine Wohnungsbesichtigung durch. Hierbei wurde festgestellt, dass der Kläger und Frau Q in zwei verschiedenen Räumen schliefen und Handtücher, Hygieneartikel und Lebensmittel (in zwei verschiedenen Kühlschränken) separat untergebracht waren. Ein weiterer Raum (Wohnzimmer mit angrenzender Essecke) werde nach den Angaben von Frau Q und des Klägers nur von Frau Q genutzt. Auf die Frage, warum sie über so viele Jahre zusammen umgezogen seien, gaben beide an, sich alleine keine Wohnung leisten zu können und sich gut zu verstehen. Der Kläger erklärte bei einer persönlichen Vorsprache nach Vorhalt der Voraussetzungen einer eheähnlichen Gemeinschaft, dass eine solche Gemeinschaft nicht bestehe. Er legte Kontoauszüge vor, aus denen ersichtlich ist, dass er den auf ihn entfallenden Mietanteil in Höhe von 247,50 EUR an den Vermieter überwies.

Mit Bescheid vom 08.08.2005 bewilligte der Beklagte in einem an den Kläger und Frau Q adressierten Bescheid Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II von Juni 2005 bis Januar 2006 in Höhe von jeweils 512,50 EUR (Gesamt 1025,00 EUR). Hierbei legte er jeweils eine Regelleistung in Höhe von 311,00 EUR und Unterkunftskosten für Juli 2005 und August 2005 in Höhe von jeweils 242,50 EUR und ab September 2005 in Höhe von 201,50 EUR zu Grunde. Die Bewilligung eines Zuschlags nach Bezug von Arbeitslosengeld lehnte er ab. Der Kläger habe zuletzt Arbeitslosengeld in Höhe von 708,60 EUR bezogen, dieser Betrag liege unterhalb der Gesamtleistungen nach dem SGB II.

Mit seinem hiergegen eingereichten Widerspruch machte der Kläger geltend, zwischen ihm und Frau Q bestehe eine reine Zweckgemeinschaft und keine eheähnliche Lebensgemeinschaft. Außerdem liege der Berechnung des Zuschlags nach § 24 SGB II nur der Auszahlungsbetrag des Arbeitslosengeldes zu Grunde, die Beklagte habe diesem den Pfändungsbetrag hinzurechnen müssen.

Mit Bescheid vom 03.03.2006 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Aufgrund des langjährigen Zusammenlebens, mehrmaliger gemeinsamer Umzüge, des gemeinsamen Abschlusses des Mietvertrages, der Kontovollmachten und der Tatsache, dass Frau Q Begünstigte der Trauerfallversicherung sei, sei von einer eheähnlichen Gemeinschaft auszugehen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 03.04.2006 erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, es sei zwar zutreffend, dass er seit über 13 Jahren mit Frau Q in einer Wohnung lebe. Hierbei handele es sich jedoch lediglich um eine Wohngemeinschaft. Zunächst habe man mit 4 Personen in einer Wohngemeinschaft gelebt, nach deren Auflösung sei er mit Frau Q in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Die gemeinsame Lebensführung beruhe auch darauf, dass Frau Q nach Ermordung ihrer Tochter vor ca. 13 Jahren eine private Lebenskrise hatte, und der Kläger ihr geholfen habe. Die Trauerfall-Versicherung existiere nicht mehr. Da er keinen Kontakt zu seinen Familienmitgliedern mehr habe, habe er Frau Q als Begünstigte eingesetzt. Die Feststellungen des Hausbesuches sprächen gegen die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Die Kontovollmacht habe Frau Q allein deshalb eingeräumt, weil sein Konto bei der Postbank seitens der Bank gekündigt worden sei. Daneben habe er seit Januar 2005 ein eigenes Girokonto.

Zudem stehe ihm der befristete Zuschlag nach § 24 SGB II zu. Bei Berechnung dieses Zuschlages sei das Arbeitslosengeld fehlerhaft zu niedrig angesetzt worden, denn täglich würden 4 EUR an andere Berechtigte abgeführt.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 10.08.2005 und 28.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2006 zu verurteilen, ihm Regelleistungen in Höhe von 345,00 EUR monatlich zuzüglich der Hälfte der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung B 00 in N sowie einen Zuschlag gemäß § 24 SGB II zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat an der Bejahung der eheähnlichen Lebensgemeinschaft festgehalten. Auf dieser Grundlage seien die dem Kläger zustehenden Leistungen richtig berechnet worden.

Mit Urteil vom 23.04.2007 hat das Sozialgericht nach Vernehmung der Frau Q als Zeugin (Terminsprotokoll vom 23.04.2007) die Klage abgewiesen. Es hat die Voraussetzungen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft bejaht und hiervon ausgehend die Berechnung der dem Kläger zustehenden Leistungen für zutreffend gehalten.

Gegen diese am 24.05.2007 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 20.06.2007 eingelegte Berufung des Klägers. Er meint, der Umstand, dass die Zeugin und er sehr kurz nach dem Kennenlernen zusammengezogen seien, belege, dass zwischen ihnen keine intensive emotionale Beziehung bestanden habe, sondern es sich um eine reine Zweckgemeinschaft handele. Hierfür spreche auch, dass zunächst eine Wohngemeinschaft mit weiteren Personen vorgelegen habe, getrennte Schlafräume bestanden hätten, getrennt gekocht worden sei und die jeweiligen Privaträume getrennt gereinigt worden seien. Gemeinsam umgezogen sei man, weil für den Umzug der gesamten Wohngemeinschaft kein ausreichend großer Wohnraum habe gefunden werden können. Aufgrund ihrer Erkrankung habe die Zeugin ein Interesse daran gehabt, nicht allein zu leben. Die Kontovollmacht sei erteilt worden, da er und die Zeugin diejenigen Personen seien, die im Notfall füreinander am schnellsten zu erreichen seien. Die Zeugin sei Begünstigte der Trauerfall-Versicherung, weil er keine näheren Verwandten oder Freunde habe. Auch wenn die Zeugin eine seiner engsten Bezugspersonen sei, bedeute dies nicht, dass die Beziehung die Qualität eheähnlichen Lebensgemeinschaft habe. Das Sozialgericht bejahe eine eheähnliche Lebensgemeinschaft allein aufgrund von Umständen, die im Falle eines Zusammenlebens in einer gemeinsamen Wohngemeinschaft nahezu zwangsläufig vorlägen. Das Bundesverfassungsgericht habe jedoch strengere Anforderungen an die Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gestellt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 23.04.2007 aufzuheben und den Beklagten/Berufungsgegner unter Abänderung der Bescheide vom 10.8.2005 und 28.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2006 zu verurteilen, dem Kläger/Berufungsführer Regelleistungen in Höhe von 345 EUR monatlich zuzüglich der Hälfte der tatsächlich anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung für die Wohnung B 00 in N sowie einen Zuschlag gem. § 24 SGB II zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat in einem Erörterungstermin den Kläger angehört. Zum Ergebnis wird auf das Terminsprotokoll vom 30.03.2010 verwiesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft. Mit 1920 EUR liegt der Wert des Beschwerdegegenstandes über der Grenze des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG (750 EUR). Denn zur gerichtlichen Überprüfung steht der Leistungsanspruch des Klägers von Juni 2005 bis Januar 2006. Dieser Anspruch wird im Bescheid vom 8.8.2005 geregelt. Die Folgebescheide ändern die Leistungshöhe nicht und enthalten insoweit keine eigenständige Regelung. Bescheide, die den Leistungsanspruch für Folgezeiträume regeln, sind nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 35/06 R; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R).

Für diesen Zeitraum beansprucht der Kläger die volle, nicht gemäß § 20 Abs. 3 SGB II auf 90 % abgesenkte Regelleistung. An Unterkunftskosten stehen für die Zeit von September 2005 bis Januar 2006 205 EUR im Streit. Der Beklagte hat ab September 2005 diese Kosten lediglich in Höhe von 201,50 EUR berücksichtigt. Die monatliche Differenz zu den tatsächlichen Unterkunftskosten liegt bei 41 EUR. Der Berufungsstreitwert wird erreicht, weil der Kläger auch einen Zuschlag gemäß § 24 SGB II begehrt. Dieser liegt gemäß § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II bei höchstens 320 EUR monatlich. Damit erhöht sich der Streitwert um 6 x 320 EUR = 1920 EUR.

Die Berufung ist nur teilweise begründet. Zutreffend hat das Sozialgericht den Anspruch auf eine höhere Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes verneint.

Der Beklagte hat den dem Kläger insoweit zustehenden Betrag mit Bescheid vom 08.08.2005 - der Bescheid vom 28.09.2005 enthält insoweit keine eigenständige Regelung - zu Recht nach Maßgabe des § 20 Abs. 3 SGB II auf 311.- EUR monatlich festgesetzt. Gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II betrug die monatliche Regelleistung für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, im streitbefangenen Zeitraum 345.- EUR. 90% dieses Betrages ergeben (gerundet, § 41 Abs. 2 SGB II) 311 EUR.

Der Kläger und Frau Q leben in einer Bedarfsgemeinschaft. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört gem. § 7 Abs. 3 Nr. 3 b SGB II in der im streitbefangenen Zeitraum gültigen Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954) die Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Nach der Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87) handelt es sich bei einer eheähnlichen Gemeinschaft um eine auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft zwischen einer Frau und einem Mann, die daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen (Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft; vgl. grundsätzlich auch BSG, Urteil vom 17.10.2002 - B 7 AL 96/00 R). An das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft sind strenge Anforderungen zu stellen. Kriterien für deren Annahme sind u.a. das Wirtschaften "aus einem Topf", die Befugnis, über Einkommen- und Vermögensgegenstände des Partners zu verfügen sowie eine nicht unerhebliche Dauer des Zusammenlebens, wobei eine Mindestgrenze insoweit nicht erforderlich ist. Die durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I 1706 ff.) am 01.08.2006 in Kraft getretene Regelung des § 7 Abs. 3a SGB II, wonach unter den dort genannten Voraussetzungen eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vermutet wird, ist zwar als Vermutungsregelung für den vorliegenden Fall noch nicht einschlägig, indes greifen die Kriterien, die in dieser Vorschrift für die Annahme einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft genannt sind, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und daran anschließend des Bundessozialgerichts zur Annahme einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft auf (BT-Drucks. 16/1410 S. 19), so dass sie für die Beurteilung auch hier schon herangezogen werden können. Danach spricht für einen wechselseitigen Willen, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen u.a., dass Partner länger als ein Jahr zusammenleben und befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

In der Gesamtschau ist der Senat vom Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft überzeugt. Der Kläger lebt mit der Zeugin Q seit vielen Jahren zusammen. Es mag offen bleiben, ob zunächst eine Wohngemeinschaft mit zwei weiteren Personen bestand - so der Kläger - oder ob - wie die Zeugin ausgeführt hat - der Kläger bei Frau Q eingezogen ist, nach dem sie sich von ihrem Mann getrennt hatte. Denn spätestens seit 1998 leben lediglich der Kläger und die Zeugin zusammen. Die häufigen gemeinsamen Umzüge - zuletzt Ende 2009 - sind ebenfalls ein Indiz für eine eheähnliche Lebensgemeinschaft, denn ein regelmäßiges gemeinsames Umziehen ist für eine reine Wohn- und Zweckgemeinschaft nicht typisch.

Der Kläger und Frau Q wirtschaften "aus einem Topf". Dies wird insbesondere durch die Einlassung des Klägers im Erörterungstermin am 30.03.2010 deutlich. Hier hat der Kläger darauf hingewiesen, dass man erneut zusammen umgezogen sei, weil man sich in der Vergangenheit Haushaltsgegenstände gemeinsam angeschafft habe oder Gegenstände in Ergänzung zu den Gegenständen des anderen (z. B. Waschmaschine und Trockner) angeschafft habe. Auch die Tatsache, dass die Zeugin hinsichtlich der Trauerfall-Versicherung des Klägers Begünstigte ist, unterstreicht das gemeinsame Wirtschaften, daneben aber auch zumindest aus Sicht des Klägers den Willen, für Frau Q einzustehen. Frau Q und der Kläger sind befugt, jeweils über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen. Dies folgt aus der Kontovollmacht, die der Kläger über das Girokonto der Zeugin hat.
Die Ergebnisse des Hausbesuches vom 20.07.2005 sprechen entgegen der Auffassung des Klägers nicht nur nicht gegen eine eheähnliche Lebensgemeinschaft, sondern für eine solche. Der Umstand, dass evtl. in getrennten Räumen geschlafen wird, ist auch bei Eheleuten nicht ungewöhnlich. Es bestehen zudem erhebliche Zweifel, ob die getroffenen Feststellungen den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen. Zwar fand die Wohnungsbesichtigung unangemeldet statt. Der Umstand, dass einer der beiden Kühlschränke mit dem Namen des Klägers versehen war, spricht jedoch dafür, dass es sich jedenfalls insoweit um arrangierte Verhältnisse handelte. Denn der Senat hält es für lebensfremd, dass bei einem Zusammenleben von zwei Personen über mehr als 13 Jahre die Beschriftung eines Kühlschrankes erforderlich ist. Dies mag in größeren Wohngemeinschaften mit häufigen Wechsel der Bewohner sinnvoll sein, unter Zugrundelegung der Lebensverhältnisse des Klägers dürfte es sich eher um eine Maßnahme handeln, die im Hinblick auf erwartete Hausbesuche durch die SGB II-Leistungsträger getroffen wurde.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf einen höheren befristeten Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld. Soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige Arbeitslosengeld II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld bezieht, erhält er gem. § 24 Abs. 1 SGB II in der Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I, S. 2954) einen monatlichen Zuschlag. Der Zuschlag beträgt im ersten Jahr gem. § 24 Abs. 2 SGB II 2/3 des Unterschiedsbetrages zwischen dem von dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen zuletzt bezogenen Arbeitslosengeld und dem nach dem Wohngeldgesetz erhaltenen Wohngeld und dem an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen zu zahlenden Arbeitslosengeld II nach § 19 Satz 1 Nr. 1 sowie Satz 2 oder Sozialgeld nach § 28. Der Zuschlag ist im ersten Jahr gem. § 24 Abs. 3 SGB II bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auf höchstens 160 EUR und bei Partnern auf insgesamt höchstens 320 EUR begrenzt. Bei der Ermittlung des Anspruchs auf den Zuschlag nach § 24 SGB II ist das von jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bezogene Arbeitslosengeld dem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft gegenüberzustellen (BSG, Urteil vom 19.03.2008 - B 11b AS 23/06 R im Anschluss an BSG, Urteil vom 31.10.2007 - B 14/7b AS 42/06 R). Der Beklagte hat diese Gegenüberstellung zutreffend vorgenommen, da - wie ausgeführt - zwischen dem Kläger und Frau Q eine Bedarfsgemeinschaft besteht. Allerdings beträgt der maßgebliche tägliche Leistungsbetrag - worauf der Kläger zutreffend hinweist - nicht 23,62 EUR, sondern 27,62 EUR, da der abgezweigte Betrag in Höhe von 4 EUR täglich dem tatsächlichen Zahlbetrag hinzuzurechnen ist. Der monatliche Leistungsbetrag des Arbeitslosengeldes - Wohngeld hat der Kläger nicht bezogen - liegt dann nicht bei 708,60 EUR, sondern bei 826,60 EUR. Auch dieser Betrag liegt unter dem von den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft zu beanspruchenden Arbeitslosengeld II.

Die Berufung ist jedoch insoweit begründet, als dem Kläger für die Monate September 2005 bis Januar 2006 weiterhin die Unterkunftskosten in Höhe von 242,50 EUR, d.h. weitere 41 EUR pro Monat zustehen.

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Leistungsempfänger nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 S. 3 SGB II). Es kann dahingestellt bleiben, ob die vom Beklagten anerkannten Unterkunftskosten angemessen sind und auf einem schlüssigen Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R) beruhen. Denn der Leistungsbezug des Klägers beginnt erst im Juli 2005, so dass der gem. § 22 Abs. 1 S. 3 SGB II maßgebliche Sechsmonatszeitraum erst im Dezember 2005 endet, mithin bis zu diesem Zeitpunkt die tatsächlichen Aufwendungen erstattet werden müssen. Voraussetzung für eine für die Zeit danach auf das angemessene Niveau abgesenkte Leistungsgewährung ist eine Kostensenkungsaufforderung durch den Leistungsträger, mit der der Leistungsempfänger auf die Unangemessenheit der Aufwendungen für die Kaltmiete hingewiesen wird und die angemessene Höhe der Mietaufwendungen mitgeteilt wird (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09 R; zur Notwendigkeit eines zutreffenden Hinweises zur Angemessenheit der Wohnkosten in der Kostensenkungsaufforderung s. a. BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R). Ohne Kenntnis davon, dass und in welcher Höhe eine Obliegenheit zur Senkung der Kosten der Unterkunft besteht, können Kostensenkungsmaßnahmen von Hilfebedürftigen nicht erwartet werden (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 30/08 R).

An einer derartigen Kostensenkungsaufforderung fehlt es hier. Der Beklagte hat lediglich die Zeugin Q, die zum damaligen Zeitpunkt allein im Leistungsbezug stand, auf die nach ihrer Ansicht bestehende Unangemessenheit der Unterkunftskosten hingewiesen. Gegenüber dem Kläger, der erst später in den Leistungsbezug getreten ist, entfaltet diese Kostensenkungsaufforderung keine Rechtswirkung.

Die Berechnung der Unterkunftskosten mit 242,50 EUR durch die Beklagte ist nicht zu beanstanden. Die Kosten der Warmwasserbereitung sind seit dem 01.01.2005 mit einem Anteil von 6,22 in der Regelleistung (345 EUR) enthalten und daher maximal in dieser Höhe von den Kosten für Heizung in Abzug zu bringen (BSG, Urteil vom 25.06.2008 - B 11b AS 45/06 R). Der Anteil an der auf 90 % abgesenkten Regelleistung liegt damit bei 5,58 EUR. Der Beklagte hat eine Heizkostenpauschale gewährt, die insgesamt 10.- EUR unterhalb des Betrages liegt, der vom Vermieter bescheinigt worden ist. Jedenfalls im Ergebnis hat der Beklagte damit die dem Kläger zustehenden Leistungen für Heizung bis August 2009 zutreffend festgestellt. Auch die Kosten für den Breitbandkabelanschluss stehen dem Kläger im Rahmen der zu erstattenden tatsächlichen Aufwendungen zu. Diese umfassen alle Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag für die Unterkunft ergeben. Hierzu können auch die Kosten für einen Breitbandkabelanschluss gehören (ausdrücklich zu den monatlichen Grundgebühren für die Nutzung eines Breitbandkabelanschlusses BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 4 AS 48/08 R; vergl. auch BSG, Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 14/08 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf 193 SGG und berücksichtigt das Maß des Obsiegens des Klägers.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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