L 27 R 733/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 R 5106/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 R 733/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1965 geborene Klägerin arbeitete zuletzt als Produktionshelferin. Seitdem ist sie arbeitslos. Über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt sie nicht. 1998 stellte das Versorgungsamt bei ihr einen Grad der Behinderung von 20 fest.

Nach erfolglosem Antrag auf eine Erwerbsunfähigkeitsrente im Jahre 1996 beantragte sie bei der Beklagten im Mai 2005 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte holte daraufhin das Gutachten der Allgemeinmediziners Dr. M vom 4. August 2005 ein, der nach Untersuchung der Klägerin deren Leistungsvermögen dahingehend einschätzte, dass sie unter gewissen qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr einsatzfähig sei. Dem Gutachten folgend lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 11. August 2005 ab.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte nach Einholung des Gutachtens der Internisten Dr. R vom 12. Oktober 2005, der eine vollschichtige Einsetzbarkeit der Klägerin für körperlich leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bejahte, mit Widerspruchsbescheid vom 31. Oktober 2005 zurück.

Mit ihrer Klage bei dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin ab 12. Mai 2005 sinngemäß eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung – ggf. bei Berufsunfähigkeit – begehrt.

Das Sozialgericht hat neben Befundberichten der die Klägerin behandelnden Ärzte das Gutachten der Nervenärztin Dr. S vom 28. November 2006 eingeholt. Die Sachverständige hat folgende Gesundheitsstörungen auf ihrem Fachgebiet diagnostiziert:

1. Somatisierungsstörung vor dem Hintergrund einer histrionisch strukturierten Persönlichkeit, 2. Ausschluss einer gravierenden depressiven Symptomatik oder hirnorganischer Beeinträchtigung, 3. rezidivierendes Zervikalsyndrom, rezidivierendes Lumbalsyndrom ohne Zeichen einer manifesten Wurzelreiz- oder Wurzelkompressionssymptomatik, 4. blande sensible Polyneuropathie, 5. gelegentlicher Konsum von Alkohol ohne Anhalt für eine Suchtentwicklung, und fachfremd 6. bekannte Visusstörung mit Schiel-Amblyopie und Fehlsichtigkeit, 7. obstruktive Lungenventilationsstörung mit gering- bis mittelgradiger Lungenobstruktion und Nikotinabusus, 8. Neigung zu hypotoner Kreislaufdysregulation mit wiederkehrender Schwindelsensation, kein Anhalt für zentrale Genese der Schwindelsymptomatik, 9. geringe Varikosis linksseitig, 10. nachgewiesene schwere Epitheldysplasie der Portioschleimhaut ohne Anhalt für Malignität, 11. Zustand nach Spontanpneumothorax rechts 1998.

Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin unter bestimmten qualitativen Einschränkungen sowohl leichte als auch gelegentlich mittelschwere körperliche Tätigkeiten mindestens acht Stunden täglich ausüben könne.

Mit Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen:

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI. Nach dem überzeugenden Gutachten der Sachverständigen Dr. S, das mit den im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. M und Dr. R in Übereinstimmung stehe, könne die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen jedenfalls körperlich leichte Arbeiten mit bestimmen qualitativen Einschränkungen, die einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht entgegenstünden, noch im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausüben. Dies schließe eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI aus.

Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsunfähigkeit bei Berufsunfähigkeit nach § 240 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI), da sie nicht – wie § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI voraussetze – vor dem 2. Januar 1961 geboren sei.

Mit der Berufung gegen die Entscheidung des Sozialgerichts verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie hat diverse ärztliche Unterlagen und den Bescheid des Versorgungsamtes vom 1. Juni 2006 vorgelegt, das bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 festgestellt hat.

Der Senat das Gutachten des Allgemeinmediziners B vom 14. Juli 2008 eingeholt. Der Sachverständige hat folgende Gesundheitsstörungen diagnostiziert:

1. Somatisierungsstörung, 2. Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, 3. posttraumatische Funktionseinschränkung linkes Sprunggelenk, 4. venöse Insuffizienz, 5. obstruktives Lungenleiden, 6. Seheinschränkung, 7. Polyneuropathie.

Der Gesundheitszustand der Klägerin sei als im Wesentlichen altersentsprechend einzuschätzen. Die vorliegenden Gesundheitsstörungen rechtfertigten keine Annahme einer quantitativ eingeschränkten beruflichen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit. Es liege eine mäßige qualitative Einschränkung der beruflichen Belastbarkeit vor.

Nachdem die Klägerin verschiedene medizinische Unterlagen vorgelegt hatte, hat der Senat Befundberichte der orthopädischen Praxis Dres. R und R vom 22. Dezember 2008, der Strahlenklinik der C vom 6. Januar 2009 und des Herzzentrums B vom 3. Dezember 2008 eingeholt. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. März 2009 ist der Sachverständige B bei seiner Einschätzung geblieben, dass die Klägerin mit qualitativen Einschränkungen vollschichtig erwerbstätig sei.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 18. Mai 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 11. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Oktober 2005 zu verpflichten, ihr ab dem 12. Mai 2005 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn die Voraussetzungen des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI betreffend einen Anspruch auf Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung sind nicht erfüllt. Dies hat das Sozialgericht im Gerichtsbescheid vom 18. Mai 2007 ausführlich dargelegt. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht gemäß § 152 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Auch das weitere Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren und die im Berufungsverfahren durchgeführte weitere Beweiserhebung vermögen nicht zu einer anderen Entscheidung zu führen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf das vom Senat eingeholte Gutachten des Allgemeinmediziners B, der in Übereinstimmung mit der erstinstanzlichen Gutachterin Dr. S schlüssig und widerspruchsfrei ausgeführt hat, dass die Klägerin vollschichtig erwerbstätig sein kann.

Die bei ihr diagnostiziere seelische Störung äußert sich in einer Neigung zu intensivierter Beschwerdewahrnehmung und Krankheitsbetonung. Die Klägerin ist nach der Einschätzung der Nervenärztin Dr. S in der Lage, diese Fehlhaltung bei zumutbarer Willensanstrengung zu überwinden (vgl. hierzu Bundessozialgericht, Urteil vom 6. September 2001, B 5 RJ 42/00 R, bei Juris, mit weiteren Nachweisen).

Nach der überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen B bedingen die somatischen Leiden der Klägerin nur geringe Auswirkungen auf die berufliche Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit: Die Wirbelsäule weist altersgemäße Verschleißerscheinungen auf, ist aber in allen Abschnitten frei beweglich ist. Hinweise auf eine Wurzelreizsymptomatik oder auf neurologische Ausfallerscheinungen bestehen nicht. Die Bewegungseinschränkung im linken unteren Sprunggelenk ist nur mäßiggradig. Auch das Krampfaderleiden ist lediglich geringgradig ausgeprägt. Stauungszeichen oder trophische Störungen liegen nicht vor. Die lungenärztlichen Befunde der Jahre 2003 und 2005 beschreiben eine leichte bis mittelgradige obstruktive Lungenfunktionseinschränkung, die durch bronchospasmolytische Medikamente gut zu bessern war. Der Gutachter hat darauf hingewiesen, dass die bei der Klägerin dokumentierte Seheinschränkung mit einem Visus von 0,7 links und 0,3 rechts – auch unter Berücksichtigung der unterstellten Gesichtsfeldeinschränkung – sogar für das Führen von Kraftfahrzeugen ausreicht. Ferner sind die Funktionseinschränkungen seitens der Polyneuropathie nur gering. Motorische Lähmungserscheinungen bestehen nicht. Gelegentlich nimmt die Klägerin Taubheitsgefühle in Armen und Beinen wahr. Neurologische Ausfallerscheinungen hat der Gutachter jedoch nicht feststellen können. Die Muskeleigenreflexe sind seitengleich auslösbar gewesen. Es bestand bei der Untersuchung lediglich eine diskrete Gangunsicherheit.

Die Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule vom 25. September 2008 dokumentiert einen kleinen flachen dorsomedialen Bandscheibenvorfall in der Etage L5/S1, jedoch ohne relevante Affektion der Nervenwurzel oder des Duralsacks. In seiner Stellungnahme vom 25. März 2009 hat der Gutachter B darauf hingewiesen, dass derartige Befunde häufig – wie bei der Klägerin – ohne wesentliche klinische Beschwerden einhergehen. Der Befund der von der Klägerin eingereichten Lungenfunktionsprüfung vom 9. Oktober 2008 zeigt eine nur geringe Funktionseinschränkung der Lungen. Die im Bericht des Deutschen Herzzentrums Berlin vom 3. Dezember 2008 mitgeteilten kardialen Daten sind völlig unauffällig. Im Befundbericht der orthopädischen Praxis Dres R und R vom 22. Dezember 2008 wird über die im Gutachten dokumentierten Leiden hinaus eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks mitgeteilt. Mit dem Sachverständigen B ist von einem passageren, einem vorübergehenden Reizzustand ohne gravierende Gelenkveränderungen auszugehen. Hiermit korreliert auch die Diagnose eines Impingementsyndroms seitens der behandelnden Orthopäden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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