L 3 R 101/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 566/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 101/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 16. Dezember 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1952 geborene Kläger, der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (EM) bei Berufsunfähigkeit (Bescheid vom 11. März 2005) und daneben Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Landkreis O bezog und seit dem 01. September 2007 eine Rente wegen voller EM erhält, stellte bei der Beklagten unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 2005 (BSG, B 4 RA 32/02 einen Antrag auf "Anrechnung seiner Unfallrente auf die gesetzliche Rente mit dem Freibetrag West" (Schreiben vom 08. März 2007). Zur Begründung trug er unter Bezugnahme auf das Urteil des Kreisgerichts Dresden vom 21. August 1986 (36 S 224/86) vor, er habe bei einem unverschuldeten Frontalzusammenstoß mit einem anderen Pkw Verletzungen an Hand, Arm und Knie, ein Schädel-Hirn-Trauma und ein Halswirbelsäulen-Schleudertrauma erlitten und sei voll erwerbsgemindert.

Die Beklagte lehnte diesen als Antrag auf Überprüfung des Rentenbescheides vom 11. März 2005 gewerteten Antrag mit Bescheid vom 29. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2007 ab. Die Voraussetzungen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) lägen nicht vor. Der Kläger beziehe keine Unfallrente, so dass auch eine Anrechnung der Unfallrente nach § 93 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht in Betracht komme.

Im Rahmen seiner vor dem Sozialgericht Cottbus (SG) erhobenen Klage hat der Klä-ger sein - auch weitere Ansprüche umfassendes - Begehren im Erörterungstermin vom 10. Oktober 2008 ausdrücklich auf die "Berücksichtigung des Grundfreibetrages West bei der Anrechnung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf seine Rente wegen teilweiser EM" beschränkt.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2008 abgewiesen und ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Rentenbe-scheides vom 11. März 2007 (gemeint ist: Rentenbescheid vom 11. März 2005) nach § 44 SGB X und Neubescheidung unter Berücksichtung des Freibetrages West bei der Anrechnung einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf seine Rente wegen teilweiser EM, denn der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 29. März 2007 sei rechtmäßig. Zutreffenderweise berücksichtige der Bescheid keine Verletz-tenrente, da der Kläger weder eine Verletztenrente noch eine sonstige Leistung aus der Unfallversicherung (§ 93 Abs. 1 SGB VI) beziehe, so dass die Berücksichtigung eines eventuellen Freibetrages West schon von daher nicht in Betracht komme. Es könne auch dahingestellt bleiben, ob der Kläger der Auffassung sei, ihm gebühre eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung, denn dies sei nicht Gegenstand des Ver-fahrens. Auch bezüglich der Rentenhöhe ergebe sich keine Beschwer des Klägers. Die Rentenberechnung entspreche den gesetzlichen Vorgaben, alle nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Beitrags-, Ersatz- und Anrechnungszeiten seien gesetzes-konform berücksichtigt worden.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung hat der Kläger vorgetragen, es könne nicht angehen, dass ihm "Ärzte" und "Gutachter" nach dem Frontalzusammenstoß eine EM-Rente statt einer Unfallrente zukommen ließen. Er verweise auf das Urteil des BSG zur Überprüfung von befristeten Renten wegen EM und den Anspruch auf Ren-tennachzahlungen sowie auf Erhöhung der laufenden Rente. Durch die Überprüfung könne es nicht zur Rentenminderung kommen, da bei der Rentenneuberechnung Be-sitzschutzvorschriften greifen würden. Darüber hinaus verweise er auf ungesetzliche Kürzungen durch das Job-Center. Er sei bereits nach dem Frontalzusammenstoß Geschädigter und erst Recht nach seiner Krebs-Op im Dezember 2007.

Er mache folgende Ansprüche geltend:

1. Ansprüche aus dem Frontalzusammenstoß (fremdverschuldet), Az.: 36 S 224/86. Dieser Anspruch sei geregelt worden. Er verweise auf das Urteil des BGH, NZV 1996, 335 und seinen Anspruch auf Schmerzensgeld. 2. Er verweise auf § 249 Satz 2 BGB und die ihm danach zustehenden Leistungen. 3. Er verweise auf den Ratgeber Recht, Bild am Sonntag/Pfingsten 2007, wonach Harz IV-Leistungen in der Höhe nicht gekürzt werden dürften. 4. Er verweise auf seine Ansprüche aus den Entscheidungen des BSG (Urteile vom 10. April 2003, B 4 RA 32/02 R, und vom 20. Oktober 2005, B 4 RA 27/05 R).

Im Termin ist für den Kläger niemand erschienen. Der Kläger hat bei Gericht angeru-fen (11. 15 Uhr) und erklärt, er habe wegen Verspätung seines Zuges den An-schlusszug nicht geschafft. Er sei gegen eine Entscheidung in seiner Abwesenheit und bitte um Verlegung des Termins.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verweist zur Begründung auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren und auf den Gerichtsbescheid des SG Cottbus.

Der Senat hat Einsicht in die Akten L 12 R 543/06, L 2 RA 239/99, S 23 AS 722/05 des SG Cottbus genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsak-ten (3 Bände) sowie auf die Kopien aus den Klageakten der Beklagten, soweit für den streitbefangenen Sachverhalt relevant, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger zum Termin niemand erschienen ist. Der Kläger ist mit ordnungsgemäß erfolgter Ladung auf diese Möglichkeit hinge-wiesen worden.

Soweit der Kläger am anberaumten Verhandlungstag gegen 11. 15 Uhr auf der Ge-schäftsstelle des Gerichts angerufen und erklärt hat, er habe wegen Verspätung sei-nes Zuges den Anschlusszug nicht geschafft, möchte aber im Termin persönlich an-wesend sein, hat dieser Vortrag keine Terminsverlegung erforderlich gemacht.

Nach § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. m. § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt sowie eine Verhandlung vertagt werden. Nach § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO stellen das Aus-bleiben einer Partei oder die Ankündung, nicht zu erscheinen, keine erheblichen Grün-de dar, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Diese Bestimmungen schränken das subjektive Interesse der Rechtssuchenden an einem möglichst uneingeschränkten Rechtsschutz durch Gewährung rechtlichen Gehörs in der mündlichen Verhandlung ein.

Der Kläger, dessen persönliches Erscheinen zum Termin nicht angeordnet gewesen ist, hat keine Umstände vorgetragen, die darauf schließen lassen könnten, dass es ihm ohne sein Verschulden unmöglich gewesen wäre, rechtzeitig zu dem - unter Be-rücksichtigung der Entfernung bewusst erst auf 13. 30 Uhr anberaumten - Termin zu erscheinen. Die vom Kläger telefonisch vorgetragene Zugverspätung mit der Folge des Verpassens des Anschlusszuges ist nicht näher verifiziert (welcher Zug, welcher Umsteigebahnhof?), so dass das Gericht nicht feststellen kann, ob der Kläger seine Anreise sorgfältig genug geplant hat, um rechtzeitig zum Verhandlungstermin zu er-scheinen. Dies gilt gerade unter Berücksichtigung der auch in der Öffentlichkeit be-kannt gewordenen zahlreichen Zugverspätungen. Auf der Strecke Cottbus –- Berlin, auf der Schwarzheide liegt, verkehren, wie dem Senat auch von anderen Klägern aus der dortigen Gegend bekannt ist, täglich mehrere Züge unterschiedlicher Betreiber auf mehreren Strecken, so dass eine Anreise zu einem Verhandlungstermin um 13. 30 Uhr ohne weiteres gewährleistet ist. Der Kläger hat auch nicht vorgetragen, dass er am selben Tag – wenn auch verspätet - noch erscheinen werde, was sicher unter Be-rücksichtigung der Anrufzeit (11. 15 Uhr) noch möglich gewesen wäre, zumal der Se-nat seine Sache erst gegen 14 Uhr aufgerufen hatte und sicher noch zugewartet hät-te, wäre mit dem Erscheinen des Klägers noch zu rechnen gewesen. Nicht auszu-schließen unter Berücksichtigung des Ganges des Verfahrens ist auch, dass der Klä-ger, dessen Prozesskostenhilfeantrag zurückgewiesen wurde, eine Verzögerung der Entscheidung angestrebt hat.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbe-gründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme des Rentenbescheides vom 11. März 2005 unter Berücksichtigung eines "Freibetrages West bei der Anrechnung seiner Verletztenrente aus der Unfallversicherung auf seine Rente wegen teilweiser EM". Wie das SG in seinem Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2008 zutreffend ausgeführt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2007 als rechtmäßig.

Nach § 93 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI wird, wenn für denselben Zeitraum ein Anspruch auf eine Rente aus eigener Versicherung und auf eine Verletztenrente aus der Unfallver-sicherung besteht, die Rente insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammen-treffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Voraussetzung für die begehrte Anrechnung eines "Grundfreibetrags West" ist nach dieser Vorschrift also zunächst, dass überhaupt eine Verletztenrente nach den Vorschriften des Unfallversicherungsrechts bezogen wird. Hieran fehlt es, denn der Kläger bezieht keine Verletztenrente aus der Unfallversicherung und trägt dies auch nicht vor. Er ist vielmehr der Auffassung, ihm stehe eine Verletztenrente aus der Unfallversicherung zu. Dieses Begehren ist jedoch nicht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens auf Überprüfung eines Rentenbescheides wegen teilweiser EM zu prüfen, denn die Beklagte ist für die Gewährung einer Verletztenrente aus der Unfallversiche-rung nicht zuständig. Davon abgesehen trägt weder der Kläger vor noch ergibt sich aus den Akten, dass sich der Autounfall anlässlich einer nach dem Recht der Unfall-versicherung versicherten Tätigkeit ereignet haben könnte. Mangels Vorliegens einer anzurechnenden Unfallrente kommt auch eine Berücksichtigung eines eventuellen Freibetrages West nicht in Betracht.

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die vom Kläger in Bezug genommenen Urteile des 4. Senats des BSG vom 10. April 2003 und vom 20. Oktober 2003 den Gesetzgeber veranlasst haben, die Anrechnungsvorschrift des § 93 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI rückwirkend zum 01. Januar 1992 in dem Sinne zu ändern, dass bei der An-rechnung einer – tatsächlich bezogenen - Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfall-versicherung auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in den neuen Ländern weiterhin ein niedrigerer Freibetrag als in den alten Ländern gilt. Das BSG hat daraufhin seine Rechtsprechung aufgegeben und ausdrücklich betont, an der Auf-fassung des 4. Senats in den vorbezeichneten Urteilen nicht mehr festzuhalten (vgl. Beschluss des 5a-Senats des BSG vom 30. Juli 2008, B 5a R 6/08 S, und Urteil des 13. Senats des BSG vom 13. November 2008, B 13 R 129/08 R).

Der Kläger kann auch seine weiteren Begehren - wie bereits im Erörterungstermin vor dem SG vom 10. Oktober 2008 dargelegt - im Verfahren auf Überprüfung des be-standskräftigen Bescheides auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser EM vom 11. März 2005 nicht mit Erfolg geltend machen. Das SG hat in seinem Gerichtsbe-scheid vom 16. Dezember 2008 zutreffend über diese weiteren Anträge nicht ent-schieden, da Gegenstand des Verfahrens allein der die Änderung des Bescheides vom 11. März 2005 ablehnende Bescheid vom 29. März 2007 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 14. Juni 2007 ist und auch der Kläger sein Begehren im Er-örterungstermin vom 10. Oktober 2008 ausdrücklich auf die "Berücksichtigung des Grundfreibetrages West bei der Anrechnung einer Verletztenrente aus der Unfallver-sicherung auf seine Rente wegen teilweiser EM" im Bescheid vom 11. März 2005 beschränkt hat. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ausschließlich der zu die-sem Klagebegehren ergangene Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2008. Der An-trag auf Gewährung einer Rente wegen voller EM war ohnehin Gegenstand eines anderen, mit Teilanerkenntnisurteil abgeschlossenen Rechtsstreites (LSG Berlin-Brandenburg, L 12 R 543/06). Weitere konkrete Einwendungen gegen den Bescheid vom 11. März 2005 hat der Kläger nicht erhoben. Dass die einzelnen Rentenzeiten und Entgelte unrichtig seien, behauptet der Kläger nicht. Fehler in der Rentenberech-nung der Beklagten sind auch nicht ersichtlich.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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