L 9 SO 39/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 SO 10/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 39/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 6/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Mit Urteil des BSG Zurückverweisung an LSG
Neues Az: L 9 SO 182/13 ZVW = Erledigt durch Rücknahme
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.08.2008 abgeändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für das Empfängnisverhütungsmittel "Noristerat" (sog. "3-Monats-Spritze"), welches die Klägerin zwischen dem 08.03.2007 und dem 13.03.2008 fünfmal zu je 25,24 Euro erworben hat (insgesamt 126,20 Euro), zu übernehmen.

Bei der am 00.00.1966 geborenen Klägerin besteht eine geistige Behinderung mit Aphasie bei Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma. Im Hinblick darauf ist bereits seit längerer Zeit eine Betreuung eingerichtet, die sich auf dem Bereich der Gesundheitsfürsorge, der Aufenthaltsbestimmung, Vermögensangelegenheiten, die Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente und Sozialhilfe sowie von Beträgen aus der Pflegeversicherung erstreckt. Im Bereich der Vermögensangelegenheiten bedürfen Willenserklärungen der Klägerin der Einwilligung der Betreuerin. Die Klägerin ist Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung und erhält laufend Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII). Sie übt eine Tätigkeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen aus und wohnt gemeinsam mit ihrer Mutter und weiteren Familienangehörigen in einer Haushaltsgemeinschaft. Dazu gehört auch der inzwischen 15-jährige Sohn der Klägerin, der von ihrer Mutter erzogen wird. Ein Lebenspartner der Klägerin wohnt nicht im Haushalt.

Im Juni und September 2006 erwarb sie auf entsprechende privatärztliche Verordnungen ihres behandelnden Gynäkologen Herrn I vom 13.06.2006 und 12.09.2006 zur Empfängnisverhütung je eine Ampulle Noristerat (3-Monats-Spritze) zu einem Preis von jeweils 24,60 Euro. Anschließend beantragte die gesetzliche Vertreterin der Klägerin unter Vorlage der beiden Verordnungen und einer Notwendigkeitsbescheinigung des Herrn I mit Schreiben vom 20.09.2006 bei der Beklagten die Kostenübernahme für die 3-Monats-Spritze im Rahmen der Eingliederungshilfe. Unter dem 25.09.2006 bat die Beklagte die gesetzliche Vertreterin der Klägerin telefonisch, einen Antrag zunächst bei deren Krankenkasse zu stellen und den Bescheid dann hier vorzulegen. Den daraufhin bei der AOK Rheinland/Hamburg gestellten Kostenübernahmeantrag lehnte diese mit Bescheid vom 06.10.2006 ab, weil eine Kostenübernahme gemäß § 24 a Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) ausscheide, was die gesetzliche Vertreterin der Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 09.10.2006 mitteilte.

Mit Bescheid vom 20.10.2006 lehnte alsdann die Beklagte den Kostenübernahmeantrag der Klägerin vom 20.09.2006 ab. Zur Begründung führte sie aus, das neue Sozialhilferecht enthalte keine Regelung mehr, nach der die Übernahme der Kosten empfängnisverhütender Mittel möglich wäre. Auch nach dem SGB XII könnten inzwischen nur noch Leistungen entsprechend dem Umfang des Leistungskataloges des SGB V erbracht werden. Nach diesen Regelungen bestehe aber für die Klägerin kein Leistungsanspruch. Auch stellten empfängnisverhütende Mittel keine Leistungen der Eingliederungshilfe dar, so dass sie darauf verwiesen werden müsse, die Kosten aus der Regelleistung zu bestreiten.

Mit ihrem dagegen am 06.11.2006 eingelegten Widerspruch vertrat die Klägerin die Auffassung, nach § 49 SGB XII sei ein Leistungsanspruch allein vom Vorliegen einer ärztlichen Verordnung abhängig. Eine solche liege hier vor. Außerdem sei es auch in wirtschaftlicher Hinsicht absurd, dass zwar ein Schwangerschaftsabbruch oder die Versorgung möglicherweise von der Klägerin zur Welt gebrachter Kinder in Pflegefamilien finanziert werde, nicht aber die präventive Empfängnisverhütung.

Die Widerspruchsbehörde wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29.03.2007 zurück. Sie führte ergänzend aus, nach § 24 a Abs. 2 SGB V bestehe ein Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln als Kassenleistung grundsätzlich nur bis zur Vollendung des 20. Lebensjahres. Gemäß § 52 Abs. 1 SGB XII entsprächen die Leistungen nach den §§ 47-51 SGB XII dem Leistungskatalog des SGB V. Da die Klägerin Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sei, komme allenfalls ein Leistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse, nicht aber gegenüber dem Träger der Leistungen nach dem SGB XII in Betracht.

Mit ihrer hiergegen am 27.04.2007 erhobenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, selbst wenn die gesetzlichen Regelungen einen Anspruch nicht begründeten, liege eine Regelungslücke vor, die geschlossen werden müsse. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 24.01.1995 (Az.: 3 RK 18/88) bereits entschieden, dass hormonelle Kontrazeptiva auch bei über 20-jährigen Versicherten nicht generell als verschreibungsfähige Arzneimittel ausschieden, sofern deren Einnahme krankheitsbedingt erforderlich sei, wobei eine mittelbare Einwirkung auf die Krankheit ausreiche. Dies müsse im hier fraglichen Zusammenhang so verstanden werden, dass die Vermeidung anderweitiger Krankheitsfolgen durch die Medikation für eine Leistungspflicht der Beklagten ausreiche. Ein solcher Fall liege vor, weil die Klägerin behinderungsbedingt nicht in der Lage sein würde, für ein Kind zu sorgen. Auch würden die psychischen Belastung und die sonstigen Umstände, die mit einer Schwangerschaft einhergingen, ihr Krankheitsbild erheblich verschlechtern. Unter zusätzlicher Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Schutzes des ungeborenen Lebens müsse sich daher die Möglichkeit zur Gewährung von Mitteln der Empfängnisverhütung zu einem Anspruch verdichten.

In dem Zeitraum nach Antragstellung bei der Beklagten erwarb die Klägerin das vorstehend benannte Verhütungsmittel noch am 08.03.2007, am 05.06.2007, am 06.09.2007, am 13.12.2007 und am 13.03.2008, wofür sie jeweils einen Betrag von 25,24 Euro aufwendete. Im Hinblick darauf hat sie ihr Klagebegehren insoweit konkretisiert, als nunmehr die Erstattung dieser Kosten in einer Gesamthöhe von 126,20 Euro begehrt worden ist.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29.03.2007 zu verurteilen, ihr einen Betrag in Höhe von 126,20 Euro zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen und ergänzend geltend gemacht, wenn es um die krankheitsbedingte Verordnung von Kontrazeptiva ginge, könne der Vertragsarzt eine vertragsärztliche Verordnung ausstellen und damit die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung begründen.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 09.09.2008 unter Zulassung der Berufung antragsgemäß dazu verurteilt, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 126,20 Euro zu erstatten. Anspruchsgrundlage sei § 49 Satz 2 SGB XII, wonach die Kostenübernahme allein von einer hier vorliegenden ärztlichen Verordnung abhänge. § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII stehe dieser Verpflichtung nicht entgegen. Insbesondere führe die dort normierte Anbindung der Leistungen nach den §§ 47-51 SGB XII an den Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nicht dazu, dass wegen § 24 a Abs. 2 SGB V eine Kostenübernahme aufgrund des Alters der Klägerin ausscheide. Denn § 49 Satz 2 SGB XII trage weiterhin dem Individualitätsgrundsatz Rechnung, weil er Leistungen der Sozialhilfe für den Fall ermögliche, dass Empfängnisverhütung nach den Besonderheiten des Einzelfalles zwingend geboten und die Aufbringung der erforderlichen Mittel nicht möglich sei. Hätte der Gesetzgeber im Rahmen des § 49 Satz 2 SGB XII eine Beschränkung der Anspruchsberechtigten auf das 20. Lebensjahr gewollt, hätte er das an dieser Stelle ausdrücklich normiert. Anderes ergebe sich auch nicht aus der Subsidiarität der Leistungen nach dem SGB XII, weil ein Anspruch nach § 24 a SGB V gerade nicht bestehe. Bei der Verordnung stehe auch nicht die Erkrankung der Klägerin im Vordergrund, sondern der ursprüngliche Zweck des Mittels, nämlich die Empfängnisverhütung.

Gegen dieses ihr am 13.10.2008 zugestellte Urteil richtet sich die von der Beklagten am 05.11.2008 eingelegte Berufung. Sie trägt vor, der Gesetzgeber habe es gerade nicht gewollt, den Sozialhilfeträger über § 49 Satz 2 SGB XII zur Übernahme der Kosten empfängnisverhütender Mittel für über 20-jährige Frauen immer dann zu verpflichten, wenn diese Mittel ärztlich verordnet worden seien. Vielmehr sei § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII eine enge Anbindung an das Leistungsrecht der GKV zu entnehmen. Dies werde auch durch die von der Beklagten im einzelnen angeführte Kommentarliteratur und eine Stellungnahme des Deutschen Vereins gestützt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 09.09.2008 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, die Kosten ärztlich verordneter empfängnisverhütender Mittel für sozialhilfebedürftige Frauen ab dem 21. Lebensjahr nicht mehr zu übernehmen, sei verfassungsrechtlich unhaltbar. Hierin liege eine Ungleichbehandlung mit nach dem SGB XII berechtigten Leistungsempfängerinnen, die solche Kosten nicht aufbringen müssten. Eine Nichtübernahme würde zu einer faktischen Kürzung des Regelsatzes führen, den die Betroffenen zur Führung eines menschenwürdigen Lebens aber gerade benötigten. In § 49 Satz 2 SGB XII sei vielmehr eine ergänzende Sonderregelung zu sehen, die dem Individualitätsgrundsatz Rechnung trage, weil sie Leistungen der Sozialhilfe für den Fall ermögliche, dass die Empfängnisverhütung nach den Besonderheiten des Einzelfalles zwingend geboten und die Aufbringung der dafür nötigen Mittel nicht möglich sei. Die in § 24 a Abs. 2 SGB V normierte Altersgrenze von 20 Jahren bringe ferner zum Ausdruck, dass Menschen bis zu diesem Alter hinsichtlich der Familienplanung besonderer Fürsorge bedürften. Hintergrund dieser Altersgrenze sei die geistige Reife dieses Personenkreises. Eine ebensolche Fürsorgepflicht treffe den Staat aber nicht nur gegenüber Jugendlichen und Heranwachsenden, sondern gegenüber allen Menschen, die aufgrund ihrer geistigen Entwicklung auf Hilfestellung angewiesen seien. Im Hinblick auf das in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) enthaltene Diskriminierungsverbot sei § 49 Satz 2 SGB XII daher verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die streitige Kostenübernahme auch der zwar über 20-jährigen, geistig aber behinderten Klägerin gewährt werden müsse.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die aufgrund ihrer Zulassung im Urteil des Sozialgerichts statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, weil die Klägerin gerade keinen Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme hat.

Zunächst ist festzustellen, dass die Beklagte für die Entscheidung über die von der Klägerin begehrte Leistung zuständig geblieben ist. Die Klägerin hat die streitigen Leistungen zunächst bei der Beklagten beantragt. Ihre gesetzliche Krankenkasse, die AOK Rheinland/Hamburg, ist auch nicht dadurch zuständig geworden, dass sie anschließend einen auf Anraten der Beklagten von der Klägerin bei ihr gestellten Antrag mit Bescheid vom 06.10.2006 abgelehnt hat. Insbesondere ist ein Zuständigkeitswechsel auf die AOK Rheinland/Hamburg nicht gemäß § 14 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) eingetreten.

Eine solche nach § 14 SGB IX endgültig begründete Zuständigkeit (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az.: B 8 SO 19/08 R, Rn. 12 m.w.N.) ist deshalb zu prüfen, weil es sich insoweit um eine Leistung zur Teilhabe im Sinne des § 14 SGB IX, d.h. eine solchen nach den §§ 4, 5 SGB IX handeln kann. Insoweit kommen als Anspruchsgrundlage auch die Vorschriften zur Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX in Betracht, weil die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Teilhabe am Leben in Familie und Ehe als Teil der Gemeinschaft/Gesellschaft mit einschließt. Teilhabe in diesem Sinne beinhaltet aber auch, dem Behinderten ein selbstbestimmtes Sexualleben zu ermöglichen, wozu auch gehören kann, die Kosten einer angepassten Verhütungsmethode zu übernehmen (vgl. Sozialgericht Köln, Urteil vom 31.03.2010, Az.: S 21 SO 199/09).

Allerdings setzt ein Zuständigwerden der AOK Rheinland/Hamburg gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX die Prüfung und Feststellung der Beklagten voraus, dass sie für die Leistung nicht zuständig ist. Danach ist Voraussetzung die unverzügliche Weiterleitung des von der Klägerin bei der Beklagten mit Schreiben vom 20.09.2006 gestellten Kostenübernahmeantrags an die AOK Rheinland/Hamburg (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Diese Voraussetzungen liegen jedoch nicht vor. Weder hat die Beklagte ihre Unzuständigkeit festgestellt, noch hat sie den bei ihr gestellten Antrag unverzüglich an die AOK Rheinland Hamburg weitergeleitet. Vielmehr hat sie lediglich die gesetzliche Vertreterin der Klägerin gebeten, einen Antrag zunächst bei der Krankenkasse zu stellen und den Bescheid dann ihr vorzulegen. Das aber reicht für die Begründung einer Zuständigkeit der AOK Rheinland Hamburg gemäß § 14 SGB IX nicht aus.

Entgegen der vom Sozialgericht vertretenen Auffassung ergibt sich ein Anspruch auf die begehrte Kostenübernahme nicht aus §§ 49 Satz 2 SGB XII. Hiernach werden die Kosten für empfängnisverhütende Mittel übernommen, wenn sie ärztlich verordnet sind. Zwar ist dies hier der Fall. Allerdings bestimmt § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, dass die Hilfen nach den §§ 47-51 SGB XII den Leistungen der GKV entsprechen. Im Recht der GKV wiederum bestimmt § 24 a SGB V, dass Frauen (nur) bis zum vollendeten 20. Lebensjahr Anspruch auf die Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln haben. Wegen der Anbindung des Leistungsrechts des SGB XII an dasjenige des SGB V können deshalb Mittel für Personen nach Vollendung des 20. Lebensjahres nicht übernommen werden (Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage 2010, Rn. 8 zu §§ 49 SGB XII). Eine systematische Auslegung des § 49 Satz 2 SGB XII i.V.m. § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII ergibt nämlich, dass § 49 Satz 2 SGB XII nur so ausgelegt werden kann, dass die Kostenübernahme auf Personen bis zum 20. Lebensjahr beschränkt ist. Es besteht eine unbedingte Deckungsgleich der Leistungen des § 49 SGB XII mit denen der GKV gemäß § 24 a SGB V (Bieritz-Harder/Birk in LPK-SGB XII, 8. Aufl., Rn. 1, 4 zu §§ 49 SGB XII).

Soweit demgegenüber die Auffassung vertreten wird, § 49 Satz 2 SGB XII ermögliche die Kostenerstattung auch für die hier streitige "3-Monats-Spritze" und es bestehe gerade keine vollständige Kongruenz zwischen § 24 a SGB V und § 49 SGB XII (so Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, Rn. 7 zu § 49 SGB XII; Jahn/Ottersbach, Sozialgesetzbuch für die Praxis, Rn. 8 zu § 49 SGB XII), vermag dies nicht zu überzeugen. § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII stellt gerade diese unbedingte Kongruenz her. Dies ergibt sich schon daraus, dass § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII im Unterschied zur Vorgängerregelung des § 38 Abs. 1 Satz 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in seiner bis zum 31.12.2003 geltenden Fassung gerade nicht mehr den Zusatz enthält, "soweit in diesem Gesetz keine andere Regelung getroffen ist". Konnte man hieraus nämlich noch den Schluss ziehen, die Vorgängerregelung des § 49 Satz 2 SGB XII, nämlich § 36 Satz 2 BSHG, sei eine solche andere gesetzliche Regelung (so etwa Wenzel in Fichtner, BSHG, 2. Aufl., 2003, Rn. 5 zu § 36 BSHG), ist dieser Weg nunmehr wegen der Streichung des zitierten Zusatzes nicht mehr gangbar.

Soweit hiergegen vorgebracht wird, zwar habe der Gesetzgeber diesen Zusatz gestrichen, hätte er aber eine Einschränkung der bisherigen Leistungen gewollt, hätte er dies durch eine entsprechende Änderung des Wortlauts deutlich gemacht (Jahn, a.a.O.; im Ergebnis auch VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 16.03.2004, Az: 2 L 575/04, info also 2004, S. 229), ist dem entgegen zu halten, dass bereits § 38 Abs. 1 BSHG in der letzten geltenden Fassung durch das Gesetz vom 14.11.2003, BGBl. I, 2190 mit Wirkung vom 01.01.2004 bis 31.12.2004 den Zusatz "soweit in diesem Gesetz keine andere Regelung getroffen ist2 nicht mehr enthielt. Der Gesetzgeber musste also den Wortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gegenüber dem des § 38 Abs. 1 Satz 1 BSHG in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung gerade durch Streichung des genannten Zusatzes nicht mehr ändern. Dementsprechend bedurfte es wegen der Bezugnahme in § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII auch auf § 49 Satz 2 SGB XII einer Änderung auch noch des Wortlauts der letztgenannten Vorschrift nicht, um deutlich zu machen, dass keine der in den §§ 47-51 SGB XII enthaltenen Vorschriften eine andere gesetzliche Regelung im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 1 SGB XII mehr darstellen kann. Vielmehr blieb klargestellt, dass die Leistungen der Sozialhilfe mit denen der GKV identisch und abweichende Regelungen nicht mehr zulässig sind (im Ergebnis so Spindler, Anm. zu VG Gelsenkirchen, a.a.O., in info also 2004, S. 229 unter Hinweis auf das Gutachten 9/04 des Deutschen Vereins vom 01.03.2004 in NDV 2004, S. 286). Es kann deshalb gerade nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei § 49 Satz 2 SGB XII um eine ergänzende Sonderregelung der Sozialhilfe handelt (so aber Lippert in Mergler-Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Rn. 20 zu § 49 SGB XII), die die Übernahme der Kosten empfängnisverhütender Mittel für über 20-jährige Frauen ermöglicht.

Eine andere Auslegung des § 49 Satz 2 SGB XII ist auch nicht verfassungsrechtlich geboten. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG der Gruppe der Frauen, die Kosten für empfängnisverhütende Mittel aus dem Regelsatz aufbringen müssen, weil sie diese benötigen, gegenüber der Gruppe der Frauen, die dies nicht müssen, weil sie solche Mittel nicht benötigen, liegt schon deshalb nicht vor, weil es sich um wesentlich ungleiche Vergleichsgruppen handelt, die dann auch ihrem Wesen nach verschieden behandelt werden dürfen. Ferner ist die Klägerin nicht im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG wegen ihrer Behinderung benachteiligt, weil der Leistungsausschluss auch nicht Behinderte über 20-jährige bedürftige Frauen in gleicher Weise trifft, so dass auch nicht aus diesem Gesichtspunkt eine verfassungskonforme Auslegung des § 49 Satz 2 SGB XII im Sinne des klägerischen Begehrens geboten ist.

Ebenso wenig kommt eine Kostenübernahme gemäß § 48 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 27 Abs. 1 SGB V in Betracht. Danach sind Kosten für empfängnisverhütende Mittel auch für über 20-jährige Frauen dann zu übernehmen, wenn diese nicht primär der Empfängnisverhütung dienen, sondern wegen des Vorliegens einer Krankheit die Verhütung einer Schwangerschaft angezeigt ist (Schellhorn in Schellhorn a.a.O. 17. Aufl. Rrn. 8 zu § 49 SGB XII). Denn dass das verschriebene empfängnisverhütende Mittel jedenfalls primär seinem ursprünglichen Zweck dient, nämlich der Empfängnisverhütung, ergibt sich bereits aus dem Attest des behandelnden Gynäkologen I vom 13.09.2006 sowie seiner weiteren Bescheinigung vom 24.08.2007.

Die Kosten können auch nicht als Hilfen in besonderen Lebenslagen übernommen werden, weil es sich hierbei um eine Hilfesituation handeln muss, die sich keinem Tatbestand der in § 8 SGB XII aufgeführten Hilfen zuordnen lässt (Wahrendorf, a.a.O., Rn. 3 zu § 73 SGB XII). Denn die begehrte Leistung lässt sich gerade den Leistungen nach § 8 Nr. 3 SGB XII zuordnen.

Ebenso wenig ist die begehrte Kostenübernahme nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 1 SGB IX gerechtfertigt. Wie bereits dargelegt umfasst die Teilhabe im Sinne dieser Anspruchsgrundlage es zwar auch, dem Behinderten ein selbstbestimmtes Sexualleben zu ermöglichen bzw. zu erleichtern, wovon auch die Übernahme der Kosten der Verhütung einer ungewollten Schwangerschaft mit einem der Behinderung angepassten Verhütungsmittel umfasst sein kann (SG Köln, a.a.O.). Allerdings ist erforderlich, dass es sich bei der Verhütungsmethode, für die eine Kostenübernahme begehrt wird, um einen behinderungsbedingten Bedarf handeln muss (BSG, Urteil vom 29.09.2009, a.a.O., Rn. 18). Als solcher behinderungsspezifischer Bedarf sind aber nur solche Kosten (soweit in der Höhe angemessen) zu übernehmen, die zusätzlich durch die Behinderung der Betroffenen entstehen (SG Köln, a.a.O. m.w.N.). Dies können nur solche Kosten sein, die ein bestimmtes zumutbares Maß überschreiten, weil auch Aufwendungen für übliche Verhütungsmittel wie Kondome oder die Antibabypille unter dem Gesichtspunkt der Nichtüberschreitung dieses zumutbaren Maßes als durch den pauschalen Regelsatz abgegolten angesehen werden können (SG Köln, a.a.O.; vgl. auch Schellhorn a.a.O., Rn. 6 zu § 52 SGB XII). Dieses zumutbare Maß wird jedoch durch die von der Klägerin zu tragenden Kosten für die 3-Monats-Spritze nicht überschritten, so dass auch insoweit eine Kostenübernahme nicht in Betracht kommt. Die Kosten für die 3-Monats-Spritze betragen nämlich dreimonatlich 25,24 Euro, was einen Monatsbetrag von 8,41 Euro ergibt, der das zumutbare Maß gerade nicht überschreitet und deshalb als durch den pauschalen Regelsatz abgegolten angesehen werden kann.

Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht, so dass auf die Berufung der Beklagten die Klage abzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Senat hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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