L 4 R 3101/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 5236/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3101/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger erhebt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1949 geborene Kläger stammt aus Bosnien-Herzegowina. Rentenrechtliche Zeiten hat er dort nicht zurückgelegt. Eine förmliche Berufsausbildung wurde nicht durchlaufen. Der Kläger war seit Mai 1971 im Inland versicherungspflichtig beschäftigt, nach eigenen Angaben als Landschaftsgärtner, 1979 bis 1982 als Maurer, dann bis 1993 als Arbeiter in einer Papierfabrik. Seit 01. Oktober 1993 stand er im Dienst der H. H. Baugeschäft GmbH in E ... Nach deren Angaben (Auskunft vom 16. März 2006) war er auf Anweisung im Mauern, Schalen, Betonieren und Armieren beschäftigt; er habe keine Pläne lesen können und die für die Qualität seiner Arbeit erforderliche Anlernzeit habe etwa 24 Monate betragen; bei zuletzt Lohngruppe 3 (Facharbeiter) sei er gegenüber Helfern weisungsbefugt gewesen.

Nach Eintritt von Arbeitsunfähigkeit im zuletzt ausgeübten Beruf bewilligte die Beklagte (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg) eine Heilmaßnahme in der Klinik P. W. in B. O., die der Kläger vom 14. Mai bis 04. Juni 2002 durchlief und aus der er arbeitsfähig entlassen wurde. Trotz mehrerer orthopädischer Diagnosen (Veränderungen und Beschwerden an Schulter, Hals- und Lendenwirbelsäule) wurden mittelschwere Tätigkeiten im Wechselrhythmus noch mehr als sechs Stunden möglich erachtet (Entlassungsbericht Oberarzt Dr. O. vom 03. Juli 2002). Der Kläger blieb weiter arbeitsunfähig geschrieben. Das Arbeitsverhältnis wurde zum 30. September 2002 beendet. Nach Erschöpfung des Anspruchs auf Krankengeld mit 08. November 2003 bezog er bis 01. Januar 2006 Arbeitslosengeld.

Nachdem ein Antrag auf eine vorzeitige neue Heilmaßnahme erfolglos geblieben war (ablehnender Bescheid vom 25. April 2005), beantragte der Kläger am 20. Mai 2005 Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog das Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. B. vom 13. April 2005 aus dem vorgenannten Antragsverfahren bei. Der Arzt nannte als Diagnosen Diabetes, polyarthritische Beschwerden, Verschleißerscheinungen beider Kniescheiben, Rückenleiden und Depressionen. Im Vordergrund stehe die depressive Grundhaltung. Eine Bandscheibenvorwölbung L4/5 sei derzeit funktional unauffällig. Der Kläger könne die Tätigkeit als Maurer und mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sechs Stunden und mehr verrichten. Mit Bescheid vom 25. Mai 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da aufgrund der genannten Diagnosen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich ausgeübt werden könnten.

Mit seinem Widerspruch hiergegen brachte der Kläger vorrangig vor, es habe keine neuerliche ärztliche Untersuchung stattgefunden. Die beratende Fachärztin für Chirurgie Dr. L. hielt in ihrer Stellungnahme vom 21. Juni 2005 den Kläger für fähig, leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden zu verrichten, schlug aber eine nervenärztliche Begutachtung vor. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. kam im Gutachten vom 27. September 2005 zum Ergebnis, unter Berücksichtigung einer leichten bis mittelgradigen depressiven Störung mit somatischen Symptomen, eines metabolischen Syndroms und der orthopädischen Diagnosen seien leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Stehen oder Sitzen, zeitweise im Gehen sechsstündig möglich. Eine Tätigkeit als Bauhelfer könne nicht mehr abverlangt werden. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 30. November 2005. Aufgrund der letzten Tätigkeit als "Bauhelfer" sei eine Verweisung auf alle ungelernten Tätigkeiten zulässig und möglich. Der Kläger könne noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein.

Mit der am 23. Dezember 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage trug der Kläger vor, seine Beschwerden, insbesondere ein chronisches Schmerzsyndrom verschlimmerten sich weiter (Verweis auf vorgelegte Arztbriefe der Radiologin Dr. Br. vom 11. Mai 2005, des Neurologen Dr. Gr. vom 24. Oktober 2005 und des Oberarztes Dr. M. vom Rheumazentrum B.-B. vom 29. November 2005). Täglich sechsstündige Arbeit sei nicht mehr vorstellbar. Es müsse ein neues Gutachten erhoben werden. Der Kläger legte weitere Arztbriefe und Befundberichte vor.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und legte im weiteren Verfahren die Stellungnahmen der Ärztin für Psychiatrie Dr. Ho. und des Orthopäden Dr. K. vom 28. Juli 2006 vor. Der Kläger sei nach der inzwischen vorliegenden Auskunft des letzten Arbeitgebers (H. GmbH vom 16. März 2006) nicht als Facharbeiter, sondern als Angelernter des oberen Bereichs einzustufen und könne zumutbar jedenfalls auf die Tätigkeit eines Pförtners an der Nebenpforte verwiesen werden.

Das SG erhob beim letzten Arbeitgeber des Klägers die Auskunft vom 16. März 2006 und befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Neurologe und Psychiater Dr. Gr. nannte unter dem 14. März 2006 neben einer leichten diabetischen Polyneuropathie ein chronisches Schmerzsyndrom ohne wesentliche neurologische Ausfälle; eine Berufstätigkeit als Maurer sei nicht mehr vorstellbar, jedoch eine leichte Tätigkeit von vier bis sechs Stunden täglich. Orthopäde Dr. Sp. führte in seiner Aussage vom 27. März 2006 aus, aufgrund der orthopädischen Verschleißerscheinungen könne auch eine leichte Tätigkeit keine sechs Stunden mehr ausgeübt werden. Arzt für Allgemeinmedizin Wagener legte (Eingang beim SG 18. April 2006) dar, aufgrund Wirbelsäulenbeschwerden, eines Wurzelreizsyndroms, Gelenkbeschwerden, reaktiv depressiver Verstimmungen, des Diabetes und eines Bluthochdrucks seien leichte Arbeiten allenfalls drei Stunden möglich. Er fügte mehrere Arztbriefe bei.

Das SG beauftragte zunächst Chefarzt der Klinik für Orthopädie - Rheumatologie Dr. Ro. von den S. R. Kliniken B. S. mit einem Gutachten. Dieser legte unter dem 13. März 2007 dar, es bestünden weiterhin Lumbalgien mit pseudoradikulärer Ausstrahlung bei mäßigen Verschleißerscheinungen der Lendenwirbelsäule, Baastrup-Syndrom, Spinalkanalstenose und Bandscheibenvorfall L4/5, wobei die objektivierbaren Funktionseinschränkungen gering seien ebenso wie die schmerzhaften Muskelverspannungen. Letzteres gelte auch für die Schulter-Halsbeschwerden bei geringen Verschleißerscheinungen. Geringe Arthrosen der Hüftegelenke, des linken Kniegelenks, der Großzehengrundgelenke, der Daumen- und Fingergelenke seien ohne nachweisbare Funktionseinschränkungen. Es bestehe der Verdacht auf erhebliche Aggravation und reduzierte Mitarbeit. Chefarzt Dr. Rö. von der Klinik für Neurologie derselben Kliniken führte im Gutachten vom 18. April 2007 aus, es finde sich eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung leichteren Ausprägungsgrades. Es bestehe eine Diskrepanz zwischen den geklagten Beschwerden und den organisch nachweisbaren Befunden. Dies erkläre sich teilweise durch das Krankheitsbild der somatoformen Schmerzstörung. Es handle sich nicht um einen mittleren oder gar schweren Ausprägungsgrad. Es sei zu einer Einschränkung der freien Kraftentfaltung der Muskulatur, einer leichten Reduzierung der allgemeinen körperlichen Belastbarkeit und zu einer leichtgradig verminderten psychischen Leistungsfähigkeit gekommen. Hinzu trete eine freilich kaum relevante leichte Polyneuropathie. Der psychische Befund und die Alltagsaktivität seien nahezu unbeeinträchtigt. Tätigkeiten als Kassierer, als Pförtner an der Nebenpforte, als Postabfertiger sowie leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sollten - in Übereinstimmung mit der Auffassung des Sachverständigen Dr. Ro. - weiterhin sechsstündig möglich sein. Besondere Arbeitsbedingungen oder eine Einschränkung der Wegstrecke seien nicht zu fordern.

Der Kläger legte das privat eingeholte nervenfachärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Dr. B. vom 03. Juni 2007 vor, er sei als Bauhelfer nur noch unter drei Stunden, in den anderen zitierten Tätigkeiten allenfalls drei bis unter sechs Stunden leistungsfähig.

Durch Urteil vom 05. Juni 2007 wies das SG die Klage ab. Es bezog sich zur Begründung auf die von Amts wegen eingeholten Gutachten. Insbesondere könne bei einem geregelten Tagesablauf, erhaltenen sozialen Kontakten und nicht schmerzdominiertem Alltagsleben eine zeitliche Reduzierung nicht nachvollzogen werden. Der Kläger sei aufgrund der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als angelernter Mauer als angelernter Arbeiter des oberen Bereichs anzusehen und sozial zumutbar verweisbar u.a. auf Tätigkeiten als angelernter Kassierer in Selbstbedienungstankstellen sowie als Pförtner an der Nebenpforte. Das Gutachten des Dr. Dr. B. vom 03. Juni 2007 sei bezüglich der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung weder schlüssig noch nachvollziehbar. Auf die Entscheidungsgründe wird im Übrigen Bezug genommen.

Gegen das am 27. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger bereits am 21. Juni 2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er zunächst die "Kritische Stellungnahme" des Facharztes Dr. Dr. B. vom 09. Juli 2007 vorgelegt, der Sachverständige Dr. Rö. habe sich unkritisch und unpräzis den Ergebnissen des Vorgutachters Dr. G. angeschlossen. Weiter verweist er darauf, dass inzwischen im Verfahren über Schwerbehinderung (S 6 SB 1975/07) ein Vergleich geschlossen worden sei, wonach ein Grad der Behinderung GdB (Gesamt-GdB) von 50 ab 01. Juli 2007 ohne Merkzeichen zuerkannt worden sei (Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und des Stütz- und Bewegungsapparates Teil-GdB 30, Diabetes, Polyneuropathie und Übergewicht sowie Kniegelenke Teil-GdB jeweils 20, depressive Verstimmung mit chronischem Reizsyndrom Teil-GdB 10 und Gebrauchseinschränkung der Hände Teil-GdB 10). Inzwischen werde er - der Kläger - regelmäßig von Arzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. behandelt. Außerdem befinde er sich in Behandlung bei Oberärztin Dr. W. von der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin des Städtischen Klinikums K ... Sodann habe er sich in Behandlung des Facharztes für Orthopädie Dr. C. begeben (vgl. dessen Attest vom 01. April 2009).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 25. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. November 2005 zu verurteilen, ihm ab 01. Mai 2005 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.

Allgemeinarzt Wagener hat die ihm zugegangenen Arztbriefe des Arztes für Psychiatrie und Neurologie Dr. vom 06. März, 10. April, 03. Juli, 22. November 2007, 22. Januar und 18. April 2008 übersandt. Oberärztin Dr. W. hat in der Zeugenaussage vom 21. Januar 2009 (ergänzende Äußerung vom 28. April 2009) über die Behandlung seit 03. März 2008 berichtet. Es bestünden ein enger Spinalkanal, der Bandscheibenvorfall L4/5 links, die Polyneuropathie, ferner ein Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung (Chronifizierungsgrad III nach Gerbershagen). Bei anhaltenden Schmerzen in mehreren Körperregionen könne der körperlich anstrengende Beruf des Bauarbeiters nicht weiter ausgeübt werden. Eine Indikation zur Operation auf neurochirurgischem Gebiet bestehe nicht.

Der Senat hat zunächst das Gutachten des Orthopäden Dr. Cl. vom 15. August 2009 eingeholt. Es bestünden end- bis mittelgradige Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule ohne neurologische Störungen bei regionalen Muskelverspannungen; ein Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit endgradiger Funktionseinschränkung der Schultergelenke; leichte frontale und sagittale Fehlstatik der Brust- und Lendenwirbelsäule mit mittel- bzw. endgradiger Funktionseinschränkung; ein klinischer stummer Bandscheibenvorfall ohne neurologische Störungen; beginnende Verschleißerscheinungen an beiden Kniegelenken ohne Funktionseinschränkung; ein Senk-Spreizfuß beidseits; Varikosis ohne Stauungszeichen und ohne Geschwüre. Schwere und ständig mittelschwere körperliche Arbeiten mit Lasten über fünf kg, in einseitiger Körperhaltung, mit häufigem Bücken, in gebeugter Rumpfhaltung, im Knien, in der Hocke, auf Leitern und Gerüsten, Akkord- und Fließbandarbeit, Nachtschicht sowie Einwirkung von Kälte, Nässe oder Zugluft seien zu meiden. Maßgeblich seien im Wesentlichen die Gesundheitsstörungen der Schulter- und Kniegelenke. Sechsstündige Arbeit ohne betriebsunübliche Pausen oder sonstige besondere Arbeitsbedingungen sei noch möglich. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Der Kläger hat bei der Untersuchung durch Dr. Cl. die gutachtliche Äußerung des Facharztes Dr. Dr. B. vom 29. Juli 2009 vorgelegt, es sei zu einer Akzentuierung der neurologischen und psychiatrischen Symptomatik gekommen und es bestehe Leistungsfähigkeit nur unter sechs Stunden pro Tag.

Zuletzt hat der Senat das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Di. vom 14. Dezember 2009 erhoben. Die Diagnosen lauten auf mittelschwere depressive Verstimmung, anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie diabetische Polyneuropathie. Der Kläger erlebe sich als körperlich krank und beschreibe eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik. Die sozialen Kontakte seien inzwischen reduziert. Die Depression sei nicht ausreichend behandelt, könne jedoch jedenfalls durch eine stationäre Therapie innerhalb von drei bis sechs Wochen stabilisiert werden. Danach sollte der Kläger mit qualitativen Einschränkungen wieder vollschichtig beruflich leistungsfähig sein. Der Kläger sei gegenwärtig arbeitsunfähig

Hierzu hat die Beklagte die Stellungnahme der Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. Ho. vom 19. Februar 2010 vorgelegt, die vorrangig subjektiven Angaben des Klägers eigneten sich nicht dazu, mit der erforderlichen Sicherheit eine rentengünstige Leistungsbeurteilung abzugeben. Wenn der behandelnde Nervenarzt seine Bemühungen bisher nicht intensiviert habe, spreche dies gegen die Annahme des Sachverständigen, die beschriebenen Leiden bestünden im jetzigen Ausmaß bereits seit einem Jahr. Der Kläger hat die weitere Stellungnahme des Dr. Dr. B. vom 20. März 2010 eingereicht, die neurologischen Befunde ließen eine leichte Tätigkeit allenfalls noch vier Stunden pro Tag zu.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist in der Sache unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG vom 05. Juni 2007 ist auch nach dem Ergebnis des Berufungsverfahrens nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat im streitgegenständlichen Bescheid vom 25. Mai 2005 (Widerspruchsbescheid vom 30. November 2005) die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt.

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Ausgehend hiervon ist der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.

Der Kläger leidet unter Beschwerden und Funktionseinschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparats. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Orthopäden Dr. Cl. vom 15. August 2009, in welchem diese erschöpfend geklärt worden sind. Danach bestehen end- bis mittelgradige Funktionseinschränkungen der Halswirbelsäule ohne neurologische Störungen bei regionalen Muskelverspannungen, ein Schulter-Arm-Syndrom beidseits mit endgradiger Funktionseinschränkung der Schultergelenke, eine leichte frontale und sagittale Fehlstatik der Brust- und Lendenwirbelsäule mit mittel- bzw. endgradiger Funktionseinschränkung, ein klinisch stummer Bandscheibenvorfall ohne neurologische Störungen, beginnende Verschleißerscheinungen an beiden Kniegelenken ohne Funktionseinschränkung, ein Senk-Spreizfuß beidseits sowie eine Varikosis (Krampfadern) noch ohne Stauungszeichen und ohne Geschwüre. Hieraus leitet der orthopädische Sachverständige überzeugend ab, dass wegen des Vorrangs der Einschränkungen der Schulter- und Kniegelenke schwere und ständig mittelschwere Arbeiten mit Lasten über fünf kg in einseitiger Körperhaltung, mit häufigem Bücken, gebückter Rumpfhaltung, Knien, Hocke, auf Leitern und Gerüsten, Akkord- und Fließbandarbeit, Nachtschicht sowie Einwirkung von Kälte, Nässe oder Zugluft nicht gefordert werden dürfen. Körperlich leichte Arbeiten mit diesen qualitativen Einschränkungen bleiben jedoch sechsstündig ohne betriebsunübliche Pausen oder sonstige besondere Arbeitsbedingungen möglich. Die Wegefähigkeit ist nicht im Sinne einer Begrenzung des Arbeitsweges auf eine in üblicher Zeit zurückgelegte Gehstrecke von höchstens 500 Meter eingeschränkt. Dasselbe ergibt sich auch aus dem vom SG erhobenen Gutachten des Orthopäden Dr. Ro. vom 13. März 2007. Er hat im Wesentlichen dieselben Diagnosen genannt und ebenso überzeugend dargelegt, dass der Kläger unter Berücksichtigung bestimmter qualitativer Einschränkungen Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann.

Ferner leidet der Kläger auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet an einer mittelschweren depressiven Verstimmung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer diabetischen Polyneuropathie. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Facharztes Dr. Di. vom 14. Dezember 2009. Der Kläger "erlebt" sich als körperlich krank und "beschreibt" eine ausgeprägte Schmerzsymptomatik. Die sozialen Kontakte sind nach langer Zeit der Erwerbslosigkeit im Wesentlichen auf den Umgang mit den engeren Angehörigen reduziert. Die Depression ist "nicht ausreichend behandelt". Nach den von Dr. Di. erhobenen Befunden mag der Schluss möglich sein, dass gegenüber dem vom SG erhobenen Gutachten des Neurologen Dr. Rö. vom 18. April 2007 eine Veränderung hinsichtlich der auf psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen eingetreten ist, die Dr. Di. auf etwa ein Jahr vor seiner Untersuchung am 11. Dezember 2009, mithin auf Dezember 2008, datierte.

Indem der Sachverständige Dr. Di. aufgrund des von ihm aktuell erhobenen Befundes von einer gegenwärtig bestehenden Arbeitsunfähigkeit ausgeht, mag dies zutreffen. Eine aufgehobene Leistungsfähigkeit vermag der Senat aber nicht festzustellen. Wie die beratende Ärztin Dr. Ho. in der Stellungnahme vom 19. Februar 2010 dargelegt hat, können die vorrangig subjektiven Angaben des Klägers über den Grad seiner depressiven Verstimmung und einer anhaltenden Schmerzstörung sich noch nicht eignen, ein aufgehobenes Leistungsvermögen feststellen zu lassen. Da trotz behaupteter Verschlimmerung auf psychiatrischem Gebiet die therapeutischen Bemühungen tatsächlich nicht intensiviert worden sind, spricht dies nach der schlüssigen Darlegung der Ärztin Dr. Ho. gegen die Annahme, die beschriebenen Leiden bestünden bereits seit einem Jahr, also einem längeren Zeitraum. Immerhin hat Oberärztin Dr. W. von der Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin des Städtischen Klinikums K. in der Zeugenaussage vom 21. Januar 2009 (mit ergänzender Äußerung vom 26. April 2009) unter dem Eindruck anhaltender Schmerzen in mehreren Körperregionen lediglich formuliert, der körperlich anstrengende Beruf des Bauarbeiters könne nicht weiter ausgeübt werden. Dies legt die Auffassung nahe, dass leichtere Tätigkeiten nicht auszuschließen sind.

Den vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Dr. Dr. B. vom 03. Juni 2007, 09. Juli 2007, 29. Juli 2009 und 20. März 2010, der darin zuletzt die Auffassung vertreten hat, die neurologischen Befunde ließen eine leichte Tätigkeit allenfalls noch vier (oder unter sechs) Stunden pro Tag zu, vermag der Senat in Kenntnis der von Amts wegen eingeholten Gutachten nicht zu folgen. Dr. Dr. B. begründet nicht, weshalb zwar eine Leistungsfähigkeit für vier Stunden (mehr als halbschichtig) bestehe, jedoch nicht mehr von (nicht rentenberechtigenden) sechs Stunden. Wenn grundsätzlich die Aufnahme einer Arbeit über mehrere Stunden möglich ist, ist nicht einsichtig, welche der bekannten Störungen zum vorzeitigen Abbruch eines sechsstündigen Arbeitstages aus Gründen von Ermüdung, Überforderung oder drohender Schäden führen soll. Werden die qualitativen Einschränkungen eingehalten, ist die Forderung nach einer quantitativen Begrenzung nicht verständlich.

Dass im Verfahren über die Schwerbehinderung S 6 SB 1975/07 ein Vergleich dahingehend geschlossen worden ist, dass ein GdB (Gesamt-GdB von 50 ab 01. Juli 2007 ohne Merkzeichen) festgestellt worden ist, stützt das hier gefundene Ergebnis. Der Teil-GdB lautet für Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und des Stütz- und Bewegungsapparates auf 30, Diabetes, Polyneuropathie und Übergewicht sowie Kniegelenke jeweils 20, depressive Verstimmung mit chronischem Reizsyndrom 10 und Gebrauchseinschränkung der Hände 10. Diese Einstufungen sind offenkundig auf der Grundlage der erstinstanzlichen Gutachten (Orthopäde Dr. Ro. vom 13. März 2007 und Neurologe Dr. Rö. vom 18. April 2007) gefunden worden. Ein Gesamt-GdB von 50, also der Mindestgrad der Schwerbehinderteneigenschaft hindert in aller Regel eine leichte Berufstätigkeit noch nicht. Ein Teil-GdB, der eine leichte Tätigkeit hindern würde, lässt sich nicht finden.

Aus den im Folgenden dazulegenden Gründen ist für den Kläger, wie vom SG richtig gesehen, die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit - auch zum Ausschluss einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit - gefordert.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Erreichung der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 61 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, wenn sie die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten gewesen ist (vgl. eingehend Bundessozialgericht - BSG - SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Bisheriger Beruf des Klägers war danach die Beschäftigung als Maurer. Eine förmliche Berufsausbildung hat der Kläger nicht zurückgelegt. Nach der Auskunft der Heinz Baugeschäft GmbH vom 16. März 2006 war er auf Anweisung im Mauern, Schalen, Betonieren und Armieren beschäftigt. Die fehlende Ausbildung hatte jedoch zur Folge, dass er keine Pläne lesen konnte. Die für die Qualität der Arbeit erforderliche Anlernzeit hat hiernach bei etwa 24 Monaten gelegen.

Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Hierzu hat die Rechtsprechung (vgl. nochmals BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; SozR 3-2600 § 43 Nr. 26) die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt, die vorrangig ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden sind. Entsprechend diesem "Mehrstufenschema" werden die Arbeiterberufe durch die Gruppen mit den Leitberufen des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion oder des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert. Die Einordnung eines Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt freilich nicht ausschließlich nach der Dauer der förmlichen Berufsausbildung, ausschlaggebend ist vielmehr die Qualität der verrichteten Arbeit, also der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Eine Verweisung kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren erfolgen (BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 - B 4 RA 5/04 R -).

Die Qualität der Arbeit des Klägers hat sich nach der zitierten Auskunft der H. Baugeschäft GmbH vom 16. März 2006 von derjenigen eines gelernten Arbeiters mit einer Ausbildungszeit von drei Jahren dadurch unterschieden, dass er keine Pläne lesen konnte und lediglich gegenüber Helfern weisungsbefugt war. Indem die Anlernzeit auf etwa 24 Monate geschätzt wird, gehörte der Kläger zu den Angelernten des oberen Bereichs (vgl. hierzu grundlegend wiederum BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45), für welche eine herausgehobene ungelernte Tätigkeit genannt werden muss. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die Tätigkeiten als Pförtner an einer Nebenpforte oder als Kassierer - etwa an Selbstbedienungstankstellen - noch im Rahmen der qualitativen und quantitativen für den Kläger zu beachtenden Einschränkungen liegen. Dem schließt sich der Senat an und nimmt insoweit Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils (S. 10/11). Der Kläger kann solche Tätigkeiten noch sechs Stunden täglich ausüben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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