L 7 AS 233/10 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 556/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 233/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Klage auf Kostenübernahme nach Ablehnung der Zusicherung nach § 22 Abs. 3 SGB II
Wenn trotz Ablehnung der Zusicherung nach § 22 Abs. 3 SGB II der Umzug erfolgt und Wohnungsbeschaffungskosten oder Umzugskosten entstanden, ist unmittelbar auf die Übernahme der Kosten zu klagen. Eine Klage auf eine Zusicherung wäre ein überflüssiger Zwischenschritt. Mit der Ablehnung einer beantragten Zusicherung verfügt die Behörde, dass sie den gewünschten Verwaltungsakt später nicht erlassen wird. Die Ablehnung der Zusicherung enthält damit zugleich eine Ablehnung der Leistungsgewährung. Gleichwohl muss die Zusicherung zuvor gemäß § 22 Abs. 3 SGB II rechtzeitig beantragt worden sein.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom März 2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Streitig ist, ob die Beschwerdegegnerin vorläufig verpflichtet ist, eine Mietkaution zu übernehmen bzw. deren Übernahme zuzusichern.

Die im Jahr 1976 geborene Antragstellerin zu 1 ist Ukrainerin. Sie zog zusammen mit ihren 1996 und 2006 geborenen Kindern (Antragsteller zu 2 und 3) im September 2009 von H. nach A-Stadt zu Herrn D in dessen 68 qm große Zweizimmerwohnung. Nach einem im September 2009 durchgeführter Hausbesuch gab es in der Wohnung trotz eines befristeten Untermietvertrags keine Trennung der Lebensbereiche. Die Antragsteller stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 24.03.2010 wurden Leistungen bis Ende September 2010 bewilligt.

Am 16.02.2010 sprach die Antragstellerin zu 1 bei der Antragsgegnerin vor. Sie wolle in eine Dreizimmerwohnung von ca. 68 qm umziehen mit einer Grundmiete von 641,33 Euro, Nebenkosten von 131,- Euro und Heizkosten von 73,- Euro. Die Kaution betrage 1923,99 Euro. Die Zustimmung zum Umzug und zur Übernahme der Kaution als Darlehen wurde wohl mündlich erteilt.

Ende Februar legte die Antragstellerin den Entwurf des Mietvertrags vor. Danach betrug die Grundmiete nunmehr 675,80 Euro. Bei einer Vorsprache am 05.03.2010 wurde der Anmietung der Wohnung widersprochen, weil die Mietobergrenze um 8,76 Euro überschritten sei. Die angemessene Grundmiete betrage bei drei Personen 667,04 Euro.

Am 05.03.2010 stellten die Antragsteller beim Sozialgericht München einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Mit Beschluss vom 18.03.2010 lehnte das Sozialgericht den Antrag ab. Die Mietobergrenze 667,04 Euro sei angemessen gemäß den Entscheidungen des Bundessozialgerichts und beruhe insbesondere auf einem schlüssigen Konzept. Es bestehe keine, auch keine teilweise Verpflichtung zu einer Zusicherung zum Umzug gemäß § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II. Außerdem fehle ein Anordnungsgrund, weil nicht glaubhaft sei, dass zum 30.04.2010 Wohnungslosigkeit eintrete.

Am 25.03.2010 haben die Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Aus § 22 Abs. 2 S. 2 SGB II folge, dass eine Kaution zumindest anteilig in Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft zu übernehmen sei, hier also in Höhe von 3 x 667,04 Euro = 2.001,12 Euro. Nach einer Meldeauskunft erfolgte der Umzug in die neue Wohnung Mitte Mai 2010. Mit dem Vermieter sei eine Ratenzahlung über sechs Monate vereinbart worden. Das Geld für die Raten stamme von einer dritten Person und müsse frühestens ab 01.01.2011 zurückgezahlt werden.

Mit Bescheid vom 23.06.2010 wurde die Übernahme der Kaution abgelehnt, weil die Mietkosten über der festgelegten Miethöchstgrenze liege. Der dem LSG übermittelte Bescheidabdruck enthält statt einer Rechtsmittelbelehrung einen Hinweis auf das laufende Beschwerdeverfahren.

Die Beschwerdeführer beantragen,
die Beschwerdegegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts München vom 18.03.2010 vorläufig zu verpflichten, den Antragstellern die Zusage für die Übernahme der Kaution in Höhe von 2027,40 Euro, hilfsweise in Höhe von 2.001,12 Euro zu erteilen.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt hat.

Nach dem mittlerweile erfolgten Umzug in die neue Wohnung ist der Beschwerdeantrag dahingehend auszulegen, dass unmittelbar die Übernahme der Mietkaution begehrt wird. Wenn der Umzug erfolgt und die Zahlung der Mietkaution fällig ist, wäre eine Zusicherung ein überflüssiger Zwischenschritt. Die Ablehnung einer beantragten Zusicherung ist eine Festlegung der Behörde, dass sie den gewünschten Verwaltungsakt später nicht erlassen wird. Die Ablehnung der Zusicherung enthält damit zugleich eine Ablehnung der Leistungsgewährung. Gleichwohl muss die Zusicherung zuvor gemäß § 22 Abs. 3 SGB II rechtzeitig beantragt worden sein.

Für die begehrte Begründung einer Rechtsposition im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag auf eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Der Antrag muss zulässig sein und die Anordnung muss zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheinen. Es muss glaubhaft sein, dass ein materielles Recht besteht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird (Anordnungsanspruch), und es muss glaubhaft sein, dass eine vorläufige Regelung notwendig ist, weil ein Abwarten auf die Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar ist (Anordnungsgrund).

Hier fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund. Der Umzug ist bereits erfolgt und die Mietkaution wird von einem Dritten vorfinanziert. Eine Rückzahlung an den Dritten wird frühestens ab 01.01.2011 notwendig.

In Hinblick auf die Zusicherung bzw. nach dem erfolgten Umzug auf den Leistungsanspruch sind folgende Hinweise angezeigt, zumal eine Bestandskraft des Ablehnungsbescheids vom 23.06.2010 nicht ersichtlich ist:

Bei einer Zusicherung zur Übernahme von Wohnungsbeschaffungskosten, Umzugskosten und Mietkaution nach § 22 Abs. 3 SGB II ist zu unterscheiden:

Nach Satz 2 dieser Vorschrift "soll" die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug von der Behörde veranlasst wurde oder aus anderen Gründen notwendig ist. Regelmäßig ist ein Umzug nicht notwendig, wenn die Miete der neuen Unterkunft unangemessen ist, d.h. über der Mietobergrenze liegt (Berlit in LPK SGB II, 3. Auflage 2009, § 22 Rn. 107). Wenn man unterstellt, dass die Beschwerdegegnerin auf der Grundlage eines qualifizierten Mietspiegels eine zutreffende Mietobergrenze ermittelt hat (wobei dafür die Herleitung der Mietobergrenze aus dem Mietspiegel relevant wäre), ist eine Verpflichtung zur Zusicherung nach Satz 2 ausgeschlossen. Sofern Mitte Februar 2010 eine mündliche Zusage in Hinblick auf die geringere Grundmiete erteilt wurde, war diese nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X schon mangels Schriftform unwirksam.

Zu prüfen ist in diesem Fall aber eine Zusicherung nach § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II bzw. nach erfolgtem Umzug eine Leistungsübernahme. Diese Zusicherung bzw. Leistungsübernahme steht im Ermessen der Behörde (vgl. BSG, Urteil vom 06.05.2010, B 14 AS 7/09 R, derzeit nur Terminbericht). Der Ablehnungsbescheid lässt keinerlei Ermessen erkennen. Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung ist neben anderen Gesichtspunkten zu berücksichtigen, dass die Mietobergrenze nur geringfügig überschritten wird und die vorherige Wohnsituation mit vier Personen in einer Zweizimmerwohnung unzumutbar war. Es liegt auch im Ermessen der Antragsgegnerin, die Leistung teilweise zu erbringen, wobei keine Verpflichtung besteht, diese Teilleistung entsprechend der Mietobergrenze zu erbringen. Es kann z.B. auch in das Ermessen einfließen, dass die Antragstellerin zu 1 erwerbstätig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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