L 15 VS 9/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 VS 3/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VS 9/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 VS 6/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird ein Soldat (hier: Reserveoffizier) durch Mörser-Feuer der eigenen Bundeswehrangehörigen schwer verletzt, sind gemäß § 81 Abs. 1 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) in Verbindung mit § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgetzes (BVG) sowohl die körperlichen als auch die psychischen Folgen des Wehrdienstunfalles zu entschädigen. Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bemisst sich gemäß § 30 Abs. 17 BVG nach den "Versorgungsmedizinischen Grundsätzen" (Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung), hier konkret ein GdS von 60. Eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs. 2 BVG führt (hier) zu einer Anhebung des GdS auf 70.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Augsburg vom 16. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1936 geborene Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG) in Verbindung mit den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

Am 03.10.1983 hat sich auf dem Truppenübungsplatz M. ein schwerer Unfall dergestalt ereignet, dass Mörser-Feuer auf das Spitzenfahrzeug einer Fahrzeugkolonne gerichtet worden ist. Der Kläger ist hierbei als Oberleutnant der Reserve erheblich verletzt worden. In Ausführung des mit Schreiben des Klägers vom 10.11.1986 angenommenen Vergleichsangebotes des Beklagten vom 22.09.1986 hat das Versorgungsamt A. mit Bescheid vom 05.11.1987 nachstehende Wehrdienstbeschädigungsfolgen (WDBF) festgestellt:
1. Durch Osteosynthesematerial überbrückter Defekt des Unterkiefers mit Verlust der Zähne 41 bis 43 und 31 bis 32; Narben am Kinn, eingeschränkte Mundöffnung;
2. Psychoreaktive Störung;
3. Reizlose Bauchnarben nach Granatsplitterverletzung und Bauchschnitt; Splitter im Unterbauch und in den Weichteilen des linken Oberschenkels;
4. 4 cm lange im Bereich des linken Handgelenkes um den Kleinfingerballen verlaufende Narbe mit endgradiger Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit;
5. Operativ versorgte traumatische Blasenruptur;
6. Splitter im Bereich des Rektums;
zu Nr.1 bis 6 hervorgerufen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) - nunmehr Grad der Schädigungsfolgen (GdS) - ist mit Wirkung ab Oktober 1983 mit 70 v.H. bewertet worden, ab April 1984 mit 60 v.H. Hierbei hat der Beklagte eine besondere berufliche Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG für die Tätigkeit als ehemaliger Exportleiter berücksichtigt. Nach Auskunft der Firma E. J. & Co KG - Lufttechnische Anlagen vom 24.02.1987 ist der Kläger auf Grund des Schießunglückes den an ihn gestellten Anforderungen (z.B. Reisetätigkeit, stundenlange Verhandlungen in Fremdsprachen) nicht mehr gerecht geworden.

Der Neufeststellungsantrag des Klägers vom 01.12.2003 ist am 03.12.2003 bei dem Amt für Versorgung und Familienförderung A. eingegangen. Der behandelnde Internist Dr. P. S. hat mit Arztbrief vom 02.01.2004 unabhängig von der Ursache folgende Diagnosen gestellt: Persönlichkeitsstörung; Zustand nach Polytrauma bei Granatsplitterverletzung; metabolisches Syndrom; benignes Prostataadenom.

Dr. S. hat mit psychiatrisch-versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 22.01.2004 ausgeführt, dass sich Hinweise auf das Vorliegen einer ernsthafteren Störung auf psychiatrischem Fachgebiet ergeben hätten. Nach einer stationären Behandlung am Klinikum K. im Herbst 2003 werde eine länger dauernde psychiatrische Vorgeschichte mit Verdacht auf manische Depression geschildert. Ein Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen bestünde eindeutig nicht. Dementsprechend ist der Neufeststellungsantrag des Klägers mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung A. vom 03.03.2004 abgelehnt worden. Die WDBF würden wie bisher eine MdE um 50 v.H. bedingen, die gemäß § 30 Abs.2 BVG wegen besonderer beruflicher Betroffenheit auf 60 v.H. erhöht worden sei.

Der Kläger hat in wiederholten, engzeilig beschriebenen Briefen sein "unverzügliches Recht als schwerverletzter Soldat der Reserve" gefordert. Die Schreiben des Klägers haben sich regelmäßig auch auf generelle Missstände bei der Bundeswehr bezogen.

Der Beklagte hat nach dem Schwerbehindertenrecht (nunmehr: SGB IX) mit Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung A. vom 17.02.2004 den Grad der Behinderung (GdB) von zuvor 50 auf nunmehr 80 angehoben. Neben den festgestellten WDBF sind schädigungsfremd eine "seelische Krankheit", eine "Zuckerkrankheit" sowie ein "Bluthochdruck" mit Einzel-GdB-Werten von 40, 20 und 10 berücksichtigt worden.

In der Versorgungsangelegenheit des Klägers ist sein Widerspruch vom 08.04.2004 gegen den Bescheid des Amtes für Versorgung und Familienförderung A. vom 03.03.2004 mit Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 06.08.2004 zurückgewiesen worden. Durch die seither aktenkundig gemachten ärztlichen Unterlagen, insbesondere den aktuellen Befundbericht des Dr.S. sowie den Arztbrief des Klinikums K. vom 01.10.2003 lasse sich keine wesentliche Verschlechterung der (schädigungsbedingten) depressiven Symptomatik nachweisen. Eine stationäre Weiterbehandlung habe der Kläger diesbezüglich abgelehnt. Eine medikamentöse Therapie werde derzeit hinsichtlich der psychoreaktiven Störung offensichtlich nicht durchgeführt. Die weiterhin geltend gemachten internistischen Gesundheitsstörungen, nämlich der Diabetes mellitus, die pulmonalen Beschwerden sowie die Bluthochdruck- und Herzerkrankung stünden in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem 1983 erlittenen Schießunfall und den daraus resultierenden WDBF. Die MdE betrage wie bisher unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit im Sinne von § 30 Abs.2 BVG 60 v.H.

Nachdem der Kläger bereits am 13.04.2004 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben hatte, ist der Widerspruchsbescheid des Bayerischen Landesamtes für Versorgung und Familienförderung vom 06.08.2004 gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens geworden. Auch dort hat er in wiederholten, engzeilig beschriebenen Schriftsätzen auf die bei ihm bestehenden "Versorgungslücken" hingewiesen und vor allem die bei ihm auf internistischem und urologischem Fachgebiet bestehenden Funktionsstörungen hervorgehoben. Beigefügt gewesen sind zahlreiche Presseberichte betreffend die unterschiedlichsten Ereignisse positiver und negativer Art bei der Bundeswehr.

Das Sozialgericht Augsburg hat die WDB-Akten des Wehrbereichsgebührnisamtes V sowie die Versorgungs- und Schwerbehinderten-Akten des Beklagten beigezogen. Mit Beweisanordnung vom 09.03.2005 ist Dr. N. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen bestellt worden. Dieser hat mit fachinternistischem Gutachten vom 11.08.2005 ausgeführt, dass die bei dem Kläger bestehenden Erkrankungen "Zuckerkrankheit mit peripherer Nervenschädigung", "Bluthochdruck mit beginnender hochdruckbedingter Herzerkrankung", "Übergewicht", "Prostataadenom" und "asymptomatische Gallenblasensteine" schädigungsfremder Natur seien und nicht auf das Trauma vom 03.10.1983 zurückgeführt werden könnten. Die bereits festgestellten WDBF würden unverändert eine MdE um 60 v.H. bedingen (§ 30 Abs. 1 und 2 BVG).

Der nach § 109 SGG benannte und bestellte Sachverständige Dr. R. W. ist mit psychiatrischem Gutachten vom 10.04.2006 zu dem Ergebnis gekommen, dass die MdE nunmehr allein aus medizinischer Sicht mit 60 v.H. zu bewerten sei. Für die Schädigungsfolgen auf körperlichem Gebiet sei die MdE von den Vertretern der verschiedenen Fachgebiete mit 30 v.H. veranschlagt worden. Hinweise auf eine stattgefundene Veränderung der Entscheidungsgrundlagen seien insoweit nicht zu sichern, so dass diese MdE nach wie vor als gerechtfertigt anzusehen sei. Auf psychiatrischem Gebiet sei eine MdE von 50 anzunehmen; es sei eine Verschlechterung im Sinne einer Chronifizierung bis hin zur Therapieresistenz eingetreten. Eine Gesamt-MdE von 60 v.H. (im Sinne von § 30 Abs.1 BVG) erscheine angemessen.

In der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2006 hat das Sozialgericht Augsburg darauf hingewiesen, dass Dr. R. W. eindrucksvoll eine Verschlechterung der schädigungsbedingten psychischen Problematik beschrieben habe. Auf ausdrückliches Anraten der Vorsitzenden haben die Parteien folgenden widerruflichen Vergleich geschlossen:
1. Der Beklagte verpflichtet sich, den Bescheid vom 03.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2004 abzuändern und ab Januar 2006 (Untersuchung bei Dr. R. W.) die bei dem Kläger vorliegende MdE nach § 30 Abs.1 BVG mit 60 v.H. zu bewerten.
2. Er erklärt sich bereit, 2/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Dieser Vergleich kann bis zum 31.01.2007 (Eingang bei Gericht) von beiden Beteiligten widerrufen werden.

Vorstehender Vergleich ist von beiden Beteiligten fristgerecht widerrufen worden. Der Kläger hat darauf hinweisen lassen, dass sich auch die internistischen Folgen des Schießunglückes verschlimmert hätten. Der Beklagte hat eine weitere Aufklärung in Hinblick auf eventuell vorliegende zerebrale Durchblutungsstörungen für erforderlich gehalten.

Das Sozialgericht Augsburg hat keine weitere Sachverhaltsermittlungen aufgenommen und der Klage mit Urteil vom 16.02.2007 - S 11 VS 3/04 - teilweise stattgegeben: Der Beklagte wird verurteilt, den Bescheid vom 03.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2004 abzuändern und ab Januar 2006 die MdE des Klägers nach § 30 Abs.1 BVG mit 60 v.H. zu bewerten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte erstattet 2/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Die hiergegen gerichtete Berufung vom 19.04.2007 ging am 20.04.2007 beim Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) ein. Von Seiten des BayLSG wurden die WDB-Akten des Wehrbereichsgebührnisamtes V sowie die Versorgungs- und Schwerbehinderten-Akten des Beklagten beigezogen. Die Bevollmächtigten des Klägers hoben hervor, dass ab 01.12.2003 eine MdE nach § 30 Abs.1 BVG um 100 v.H. begehrt werde.

Der Kläger selbst wies in wiederholten, engzeilig beschriebenen Schriftsätzen auf die bei ihm bestehenden physischen und psychischen Probleme hin und fügte diesmal überwiegend Presseberichte negativer Art über die Bundeswehr bei.

Das BayLSG bestellte mit Beweisanordnung vom 13.09.2007 Dr. D. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen. Dieser wurde von dem Kläger selbst mit Schreiben vom 19.09.2007 wegen möglicher Befangenheit abgelehnt. Außerdem sei er primär "unfallmedizinisch-internistisch" betroffen. Dementsprechend wurde Dr. D. mit Schreiben des BayLSG vom 25.09.2007 entbunden.

Das BayLSG ersuchte die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 10.10.2007 um Stellungnahme. Bedauerlicherweise sei der Kläger entsprechend dem Attest des Dr. B. vom 28.09.2007 auf absehbare Zeit nicht reisefähig. Es werde daher angeregt, das Ruhen des Verfahrens zu beantragen, bis der Kläger wieder reisefähig sei. Sollte dies nicht gewünscht werden, bestehe Gelegenheit zur Benennung eines Arztes eigener Wahl gemäß § 109 SGG ebenfalls bis zum 30.11.2007. Dem BayLSG sei leider kein weiterer qualifizierter Gutachter unmittelbar vor Ort bekannt als der von dem Kläger abgelehnte Dr. D ... Dessen Beauftragung sei dem BayLSG sachdienlich erschienen, da hier entsprechend den fast täglich eingehenden Schriftsätzen des Klägers eine "Fehlverarbeitungsstörung des erlittenen Traumas" vorzuliegen scheine.

Die Bevollmächtigten des Klägers benannten mit Schriftsatz vom 14.11.2007 Chefarzt Dr. B. gemäß § 109 SGG. Eine Untersuchung im Bezirkskrankenhaus K. kam jedoch nicht zu Stande, weil der Kläger selbst wiederholt ausdrücklich beantragt hatte, nicht Chefarzt Dr. B. gutachtlich zu hören, sondern den Internisten Dr. C. in C-Stadt. Für diesen führte die Oberärztin Dr. C. mit Gutachten vom 07.08.2008 aus, dass eine chronische psychoreaktive Störung mit Entwicklung einer anankastischen Persönlichkeitsstörung sowie reaktiven Depression vorliege. Hier sei die Einzel-MdE von 80 v.H. im Sinne einer schweren Störung mit schweren Anpassungsschwierigkeiten nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" angemessen. In der Zusammenschau, vor allem mit der relativen Harninkontinenz und der Afterschließmuskelschwäche (Splitter im Bereich des Rektums), betrage die MdE derzeit 90 v.H. Die von dem Kläger angeführten internistischen Erkrankungen seien nicht ausschließlich in Zusammenhang mit den anerkannten WDBF zu sehen.

Dr. S. führte mit internistisch-versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 05.09.2008 aus, dass eine Harninkontinenz nicht als weitere WDBF anzuerkennen sei. Vermehrtes Trinken und vermehrtes Wasserlassen seien typische Klagen bei beginnender Zuckerkrankheit. Auch dem Vorschlag der Gerichtsgutachterin, eine Afterschließmuskelschwäche mit chronischer Stuhlinkontinenz und dem Auftreten unwillkürlichen Stuhlabgangs als Schädigungsfolge anzuerkennen, könne nicht zugestimmt werden. Im Gerichtsgutachten würden jegliche Untersuchungsbefunde fehlen, die eine derartige Gesundheitsstörung überhaupt belegten. Vielmehr seien im November 2007 Darmdivertikel und eine entzündliche Darmerkrankung diagnostiziert worden.

Dr. K. ergänzte mit nervenärztlich-versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 29.09.2008, dass bereits Dr. R. W. als Psychologe in seinem Gutachten vom 10.04.2006 eine Verschlechterung mit einer Chronifizierung bis hin zur Therapieresistenz begründet und hierfür einen GdS von 60 vorgeschlagen habe. Im Gutachten der Dr. C. seien jetzt keine wesentlichen Änderungen beschrieben. Der Kläger wohne seit 2002 bei seiner Lebensgefährtin; es bestehe ein gutes Verhältnis. Bei der Medikation und der Therapie sei keine spezifische Behandlung der psychischen Symptomatik berichtet worden. Im psychischen Befund finde sich eine depressive Verstimmung und Fixierung auf ein bestimmtes Thema, jedoch kein Anhalt für Denkfähigkeitsstörungen oder ein konzentriertes Verhalten. Im Vergleich zum Vorgutachten von Dr. R. W., auf das sich das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.02.2007 stütze, ergäbe sich deshalb keine wesentliche Änderung.

In der mündlichen Verhandlung vom 18.11.2008 hat der Vertreter des Klägers erklärt, er sei zu einem unwiderruflichen Vergleichsabschluss nicht ermächtigt. Der Vertreter des Beklagten hat erklärt, dass aufgrund der Gutachtenslage ein Vergleichsabschluss aus seiner Sicht nicht in Frage komme. Das zuletzt gemäß § 109 eingeholte Gutachten sei aus heutiger Sicht nicht von Dr. C., sondern von Frau Dr. C. erstellt worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat den Senat des Weiteren darüber in Kenntnis gesetzt, der Kläger habe ihm gegenüber erklärt, dass er zu keiner weiteren ambulanten Untersuchung mehr bereit sei.

Um Stellungnahme gebeten hat Dr. C. am 26.11.2008 mitgeteilt, dass das Gutachten vom 07.08.2008 von ihm in Zusammenarbeit mit Dr. C. gefertigt worden sei. Neben den erheblichen somatischen Störungen und Schädigungen des Patienten stehe die ausgeprägte chronische psychoreaktive Störung mit reaktiver Depression des Patienten im Vordergrund, die letztlich auch den höchsten Einzel-GdS bedinge. Leider habe sich der Kläger auch ihm gegenüber einer umfangreichen psychiatrischen Begutachtung verweigert.

Der Kläger selbst hat mit Schreiben vom 07.12.2008 als weitere Schädigungsfolge ein Angina-pectoris-Leiden geltend gemacht.

Dr. C., der aufgrund sich kreuzender Vorgänge erneut um Stellungnahme gebeten worden ist, hat mit weiterer Stellungnahme vom 12.01.2009 eingeräumt, dass den Ausführungen von Dr. S. in nahezu allen Bereichen zuzustimmen sei. Dessen Einschätzung decke sich weitestgehend mit den Einschätzungen des eigenen Gutachtens vom 07.08.2008. Weiterhin sei auch den Ausführungen von Dr. K. als Neurologen aus seiner Sicht ebenfalls weitgehend zuzustimmen. Auch wenn die erheblichen psychoreaktiven Störungen des Patienten mit schizoiden Zügen im Alltag vielleicht zu keinen schwerwiegenden Behinderungen führten, sei die Problematik der Grunderkrankung sicherlich auch aufgrund der aussagefähigen und umfangreichen Schreiben des Klägers selbst offensichtlich. Er denke, dass der Psychologe Dr. L. im April 1997 mit dem Begriff einer "querulatorisch-paranoiden Persönlichkeitsstörung" das Grundproblem sehr gut getroffen habe. Eine diesbezügliche Untersuchung sei jedoch von dem Kläger auch ihm gegenüber abgelehnt worden. Die angesprochenen urologischen Fragestellungen könnten von ihm nicht abschließend bewertet werden und würden in das urologische Fachgebiet fallen.

Der Senat hat die Bevollmächtigten des Klägers mit Nachricht vom 21.01.2009 darauf aufmerksam gemacht, dass entsprechend den Ausführungen des Dr.C. vom 12.01.2009 und der fehlenden Bereitschaft des Klägers, sich weiteren Untersuchungen vor allem auf nervenfachärztlichem Gebiet zu unterziehen, keine Aussicht auf Erfolg der Berufung mehr bestehe. Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Schriftsatz vom 04.02.2009 mitgeteilt, dass sie das Mandat niedergelegt hätten.

Mit Schriftsatz vom 23.02.2009 hat sich Dr. S. als neuer Bevollmächtigter bestellt. Ihm ist antragsgemäß Akteneinsicht bewilligt worden.

Dr. D. hat den Kläger am 16.04.2009 einmalig behandelt und bescheinigt, der Kläger schildere die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung mit einer sich anschließenden reaktiven Depression als Folge einer schweren Unfallverletzung vom 03.10.1983.

Der nunmehrige Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schreiben vom 09.07.2009 mitgeteilt, dass dieser aus gesundheitlichen Gründen nicht nach München fahren könne. Es werde beantragt Dr. D. als Gutachter zu hören. Als erfahrener Gerichtssachverständiger könne er seine Funktion als behandelnder Arzt und als Gutachter auseinander halten. Der Senat hat mit Beweisanordnung vom 21.07.2009 erneut Dr. D. gemäß § 106 Abs.3 Nr.5 SGG zum ärztlichen Sachverständigen bestellt, da ein anderer ortsnaher entsprechend qualifizierter Gutachter nicht zur Verfügung steht. Im Hinblick auf das Arzt-Patienten-Verhältnis hat Dr. D. mit Schreiben vom 24.07.2009 um Entbindung von dem Gutachtensauftrag gebeten.

Trotz Hinweises des Senats mit Nachricht vom 30.07.2009 ist der Kläger nicht bereit gewesen, sich bei Dr. S. in München auf Kosten der Staatskasse untersuchen zu lassen. Nachdem sich der Kläger gegen eine Untersuchung in München ausgesprochen hat, hat auch der nunmehrige Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 08.09.2009 mitgeteilt, dass er den Kläger nicht mehr vertrete.

In Auswertung des von dem Kläger vorgelegten Arztbriefes des Klinikums K. (Urologische Abteilung) vom 31.08.2009 hat Dr. S. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 08.09.2009 mitgeteilt, aus diesem Arztbrief gehe die Diagnose einer benignen Prostatahyperplasie hervor, die zu erheblichen Harnabflussstörungen geführt habe. Daher musste ein Dauerkatheter gelegt werden, um eine Harnverhaltung zu beseitigen. Erhöhte Restharnmengen seien seit Jahren bekannt, eine Katheteranlage und eine Prostataresektion seien bisher jedoch abgelehnt worden. Mit diesem aktuellen urologischen Arztbrief bestätige sich die bisherige Annahme, dass die Harninkontinenz als Folge einer Prostatahyperplasie mit Restharnbildung (Überlaufblase) zu werten sei und in keinem Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen stehe. Bereits bei der urologischen Begutachtungsuntersuchung vom 09.02.1994 sei ausgeführt worden, dass sich auf urologischem Fachgebiet nach operativ versorgter Harnblasenruptur keine bleibenden Schäden eingestellt hätten. Insbesondere seien keine Miktionsstörungen zurückgeblieben. Somit bleibe es bei der bisherigen Einschätzung, dass die zusätzliche Feststellung einer Schädigungsfolge auf urologischem Fachgebiet unbegründet und die jetzt beklagten Beschwerden auf urologischem Fachgebiet auf Nichtschädigungsfolgen zurückzuführen seien.

Der Kläger übermittelte den Bericht des Dr. G. vom 20.10.2009 betreffend seines stationären Aufenthaltes vom 15.10.2009 bis 21.10.2009 in der urologischen Abteilung des Klinikums K ... Nach durchgeführter Cystoskopie ist der Kläger letztlich in beschwerdefreiem Zustand mit gutem Strahl und einem Restharn von 70 ml entlassen worden.

Entsprechend den Hinweisen des Klägers holte das BayLSG einen aktuellen Befundbericht bei Dr.B. ein. Dieser hat auf den bei dem Kläger bestehenden Diabetes mellitus Typ II hingewiesen, ebenso auf die Hypertonie sowie einen zunehmenden Harnverhalt. Letzterer sei inzwischen durch eine Operation der Prostata beseitigt worden.

Dr. D. hat mit Nachricht vom 11.11.2009 mitgeteilt, dass sich der Kläger bei ihm zuletzt am 15.06.2009 vorgestellt habe. Der Kläger sei von ihm wegen einer Depression mit Mirtazapin behandelt worden. Die Symptomatik habe sich nicht geändert. Die Schmerzproblematik sei bei ihm zwar angesprochen worden. Die Behandlung erfolge jedoch durch den Hausarzt Dr. B ...

Der Senat hat den Beklagten nochmals um Auswertung der neu eingereichten ärztlichen Unterlagen gebeten. Gestützt auf die nervenärztliche Stellungnahme des Dr. K. vom 16.12.2009 und die versorgungsärztlich-internistische Stellungnahme des Dr. S. vom 22.12.2009 hat der Beklagte mitgeteilt, dass weder weitere Schädigungsfolgen noch ein höherer GdS anerkannt werden könne.

Der Kläger hat ein aktuelles Attest von Dr. B. vom 06.05.2010 eingereicht. Danach befinde er sich regelmäßig in der urologischen Abteilung des Krankenhauses K. in Behandlung. Der psychisch angeschlagene Patient sei nur gering belastbar. Er sei schwerwiegend chronisch krank (Wehrdienstbeschädigung, Diabetes mellitus, Hypertonie).

Mit Schreiben vom 21.05.2010 machte der Kläger eine Leidensverschlimmerung geltend und übermittelte mit Schreiben vom 22.05.2010 eine Überweisung des Dr. B. zur kurativen Mitbehandlung der bei ihm bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung. Ergänzend hat er mit Schreiben vom 31.05.2010 darauf hingewiesen, dass sein Rechtsanspruch auf Kriegsopferfürsorgeleistungen im Sinne von §§ 25 ff. BVG unverzüglich zu realisieren sei. Der Beklagte hat mit Nachricht vom 01.06.2010 mitgeteilt, dass der Antrag auf Wohnungshilfe zuständigkeitshalber an das Landratsamt Oberallgäu (Kriegsopferfürsorgestelle) weitergeleitet worden sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2010 ist für den Kläger niemand erschienen.

Er beantragt sinngemäß:
unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 16.02.2007 wird der Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 03.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2004 verurteilt, bei dem Kläger weitere Schädigungsfolgen auf internistischem Fachgebiet (Angina pectoris, Herzerkrankung, Herzinsuffizienz) und auf urologischem Fachgebiet (Hyperplasie der Prostata mit Miktionsstörungen) festzustellen und den Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ab 01.12.2003 nach § 30 Abs.1 BVG mit 100 zu bewerten und entsprechende Rentenleistungen zu bewilligen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.02.2007 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird gemäß § 202 SGG in Verbindung mit § 540 der Zivilprozessordnung (ZPO) sowie entsprechend § 136 Abs.2 SGG auf die Unterlagen des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 und 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig, jedoch unbegründet. Das Sozialgericht Augsburg hat der Klage des Klägers mit Urteil vom 16.02.2007 zutreffend soweit stattgegeben, als es den Beklagten verurteilt hat, den Bescheid vom 03.03.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2004 abzuändern und ab Januar 2006 den GdS des Klägers nach § 30 Abs.1 BVG mit 60 zu bewerten. Im Übrigen hat es, soweit der Kläger die Anerkennung weiterer Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen und die Erhöhung des GdS auf 100 nach § 30 Abs. 1 BVG begehrt, die Klage zu Recht abgewiesen.

Nach § 81 Abs.1 des Soldatenversorgungsgesetzes (SVG) ist eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist. Hinsichtlich der Beweislage ist dabei davon auszugehen, dass die dienstlichen Einflüsse, die im Wesentlichen die Schädigungsfolgen herbeigeführt haben, nachzuweisen sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 24.09.1992 - 9a RV 31/90 in SozR 3-3200 § 81 Nr.6). Nach ständiger Rechtsprechung in allen Zweigen der sozialen Entschädigung müssen die Schädigung und die Schädigungsfolge nachgewiesen werden. Nur für die Kausalität zwischen diesen beiden Tatbestandsmerkmalen genügt die Wahrscheinlichkeit, d.h. es müssen wesentlich mehr Gründe dafür als dagegen sprechen. Darüber hinaus ist es erforderlich, dass die Dienstverrichtung oder der Unfall oder die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse für den Eintritt der gesundheitlichen Schädigung neben anderen Umständen versorgungsfremden Ursprungs von zumindest annähernd gleichwertiger Bedeutung - also von wesentlicher Bedingung - gewesen ist/sind (BSG, Urteil vom 18.05.2006 - B 9 a V 2/05 R).

Die Beurteilung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) erfolgt gemäß § 30 Abs.17 BVG nach Maßgabe der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" (Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung). Die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" haben die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht", die für die Zeit vor dem 01.01.2009 als antizipierte Sachverständigengutachten zu beachten gewesen sind (Bundessozialgericht, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 10/06 R und Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.03.1995 - BvR 60/95) abgelöst. Die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" und nunmehr die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" sind ein auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhendes Regelwerk, das die möglichst gleichmäßige Anwendung der Bewertungsmaßstäbe im Bundesgebiet bezweckt und dem Ziel des einheitlichen Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung dient.

Die wesentliche Schädigung verursacht durch den Unfall vom 03.10.1983 ist die bei dem Kläger bestehende "psychoreaktive Störung". Der erstinstanzlich bestellte Sachverständige Dr. W. hat mit Gutachten vom 10.04.2006 schlüssig und überzeugend eine Verschlechterung der schädigungsbedingten psychischen Problematik beschrieben und auf seinem Fachgebiet einen Einzel-GdS von 50 festgestellt. Ab Januar 2006 (Untersuchung bei Dr. W.) ist somit nachgewiesen, dass bei dem Kläger eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten im Sinne der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz Rz.26.3" bzw. im Sinne der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze Teil B Rz.3.7" vorliegt. Entgegen den Ausführungen von Dr. C. und Dr. C. mit Gutachten vom 07.08.2008 ist diesbezüglich ein höherer Einzel-GdS als 50 jedoch nicht festzustellen. Denn Dr. K. hat mit nervenärztlicher Stellungnahme vom 29.09.2008 schlüssig und überzeugend darauf hingewiesen, dass Dr. W. mit Gutachten vom 10.04.2006 eine Verschlechterung mit einer bereits eingetretenen Chronifizierung bis hin zur Therapieresistenz beschrieben hat. Der Kläger ist auf den schweren Unfall vom 03.10.1983 sowie auf das Thema "generelle Missstände bei der Bundeswehr" fixiert, wie sich unter anderem auch aus seinen zahlreichen Schreiben an das Sozialgericht Augsburg und das BayLSG ergibt. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass der Kläger in einer geordneten Beziehung zu seiner Lebensgefährtin steht und seit 2002 bei ihr wohnt. Über Änderungen bei der Medikation und der Therapie wurde nicht berichtet und eine spezifische Behandlung der psychischen Symptomatik findet nicht statt (Gutachten der Dr. C. und des Dr. C. vom 07.08.2008 S.16). Dr. D. hat mit Arztbrief vom 11.11.2009 auch nur eine kurzfristige Behandlung wegen einer Depression mit Mirtazapin beschrieben.

Von ganz entscheidender Bedeutung ist für den erkennenden Senat, dass sich Dr. C. mit Stellungnahme vom 12.01.2009 von seien früheren gemeinschaftlichen gutachterlichen fachfremden Ausführungen mit Dr. C. im Gutachten vom 07.08.2008 distanziert hat und den Ausführungen des Neurologen Dr. K. weitgehend zugestimmt hat: Die erheblichen psychoreaktiven Störungen des Klägers mit schizoiden Zügen führen im Alltag vielleicht zu keiner schwerwiegenden Behinderung, die Problematik der Grunderkrankung ist aber z.B. aufgrund der umfangreichen für sich selbst sprechenden Schreiben des Klägers offensichtlich. Der Psychologe Dr. L. hat im April 1997 mit dem Begriff einer "querulatorisch-paranoiden Persönlichkeitsstörung" das Grundproblem sehr gut getroffen. Zu einer diesbezüglichen Untersuchung hat sich jedoch der Kläger sowohl gegenüber Dr. C. als auch seinen früheren Bevollmächtigten und gegenüber dem Senat ablehnend geäußert.

Im Hinblick auf den Bewertungsrahmen, den die "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" in Teil B Rz.3.7 vorgeben, liegt bei dem Kläger eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vor, die jedoch mit einem Einzel-GdS von 50 ab Januar 2006 zutreffend bewertet ist.

Ob sich hier Änderungen ergeben haben, kann nicht weiter aufgeklärt werden, da die erforderliche Begutachtung mit Untersuchung vom Kläger abgelehnt wird.
Andere Möglichkeiten der Aufklärung sieht der Senat nicht.

Für die in den Ziffern 1 sowie 3 bis 6 anerkannten Schädigungsfolgen (insbesondere im Bereich des Unterkiefers) haben die Vertreter der verschiedenen Fachgebiete auch unter Berücksichtigung der bestehenden Schmerzsymptomatik einen GdS von 30 veranschlagt. Hinweise auf eine stattgefundene Veränderung der Entscheidungsgrundlagen haben sich nicht ergeben (vgl. zusammenfassend Dr. W. mit Gutachten vom 10.04.2006).

In Berücksichtigung von Rz.19 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" bzw. nun mehr Teil A Rz.3 der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" ist daher ab Januar 2006 ein GdS von 60 im Sinne von § 30 Abs.1 BVG angemessen. Denn bei der Beurteilung des Gesamt-GdS ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdS bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdS 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdS von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdS von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Bei Einzel-GdS-Werten von 50 und 30 ist somit ein Gesamt-GdS von 60 nach § 30 Abs. 1 BVG nicht zu beanstanden. Hierbei ist auch die von dem Kläger mit Schreiben vom 30.06.2009 nochmals hervorgehobene Schmerzproblematik bzw. die durchgeführte schmerzklinische Behandlung umfasst (Rz.18 der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" bzw. nunmehr Teil A Rz.2. j der "Versorgungsmedizinischen Grundsätze").

Soweit der Kläger ein Angina-pectoris-Leiden geltend gemacht hat und mit Schreiben vom 27.10.2009 eine arterielle Hypertonie und eine Herzerkrankung als weitere anzuerkennende Schädigungsfolgen nennt, hat Dr.S. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 22.12.2009 schlüssig und überzeugend darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht um die Folgen des schweren Unfalles vom 03.10.1983 handelt. Auch Dr. C. bzw. Dr. C. haben mit Gerichtsgutachten der Klinik C-Stadt vom 07.08.2008 dargelegt, dass die Entstehung des Bluthochdrucks nicht als Schädigungsfolge, sondern im Rahmen eines natürlichen von der Schädigung unabhängigen Prozesses zu sehen sei. Gleiches gilt für die bei dem Kläger bestehende Erkrankung eines Diabetes mellitus Typ II. Auch insoweit handelt es sich um eine schicksalshafte Erkrankung. Dies ergibt sich auch aus den Unterlagen, die Dr. B. mit seinem Befundbericht vom 26.11.2009 eingereicht hat. Insoweit hat auch der behandelnde Hausarzt keinen Ursachenzusammenhang mit dem Unfall vom 03.10.1983 angenommen.

Wenn der Kläger in seinen zahlreichen Schreiben vor allem die bei ihm bestehende urologische Problematik hervorhebt, ist darauf hinzuweisen, dass ausweislich des Befundberichtes des Dr. B. vom 26.11.2009 zwischenzeitlich eine Operation der Prostata stattgefunden hat, die entsprechend dem Arztbrief des Dr. G. (Chefarzt der urologischen Abteilung des Klinikums K.) weitgehend erfolgreich gewesen ist: Entlassung letztlich in beschwerdefreiem Zustand mit gutem Strahl und einem Restharn von 70 ml. Auch diesbezüglich hat Dr. S. mit versorgungsärztlicher Stellungnahme vom 22.12.2009 überzeugend ausgeführt, dass aus den aktenkundigen urologischen Arztberichten, in denen über die Prostatavergrößerung und die Harnstauung der linken Niere berichtet wird, nicht hervorgeht, dass die 1983 stattgehabte Verletzung der Harnblase mit der jetzigen Beschwerdesymptomatik in ursächlichem Zusammenhang steht.

Dr. C. hat mit Gutachten vom 07.08.2008 weiterhin ausgeführt, möglicherweise habe sich als Folge des Splitters im Rektumbereich eine Neigung zur Stuhlinkontinenz gebildet, die im Laufe der Jahre zugenommen habe. Wenn die gemäß § 109 SGG bestellte gerichtliche Sachverständige selbst nur von einer "Möglichkeit" spricht, fehlt es in diesem Zusammenhang an der erforderlichen "Wahrscheinlichkeit" des ursächlichen Zusammenhangs - vor allem fehlen aber im Gerichtsgutachten diesbezüglich jegliche Untersuchungsbefunde, die eine derartige Gesundheitsstörung überhaupt nachweisen. Wenn der Kläger zuletzt mit Schriftsatz vom 17.10.2008 nochmals das parallele Auftreten von sowohl Harn- als auch Stuhlinkontinenz als Wehrdienstbeschädigungsfolge ansieht, spiegelt sich dies nicht in den älteren Unterlagen seiner behandelnden Ärzte wieder. Vielmehr ist der Entlassungsbericht des Klinikums K. vom 01.10.2003 insoweit ebenso dürftig wie der Befundbericht von Dr. S. vom 02.01.2004. Dieser hat vielmehr folgende Diagnosen gestellt: Persönlichkeitsstörung; Zustand nach Polytrauma bei Granatsplitterverletzung; metabolisches Syndrom; benignes Prostataadenom. Auch in dem wesentlich späteren Befundbericht des Dr. B. vom 26.11.2009 und den beigefügten Unterlagen des Klinikums K. finden sich keinerlei Hinweise auf eine entsprechende Stuhlinkontinenz.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Bewilligung von Kriegsopferfürsorgeleistungen (hier: Wohnungshilfe im Sinne von § 27c BVG) von Seiten der Kriegsopferfürsorgestelle des Landratsamtes Oberallgäu zu prüfen und zu entscheiden ist, nicht jedoch von dem BayLSG im Rahmen des hier anhängigen Rechtsstreits (§ 99 Abs.1 SGG).

Nach alle dem ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16.02.2007 zurückzuweisen. Die Anwesenheit des Klägers oder eines Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2010 ist hierbei nicht erforderlich gewesen (§ 110 Abs.1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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