S 7 KR 238/10 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Magdeburg (SAN)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 7 KR 238/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Angehörige von Versicherten haben keinen Anspruch auf Übernahme ihrer Fahrkosten für Besuchsfahrten nach § 60 SGB V, wenn der Versicherte stationär außerhalb seines Wohnortes behandelt wird.
Aber in dem Fall einer medizinischen Rehabilitation sind Fahr- und Reisekosten der Angehörigen nach § 60 Abs. 5 SGB V i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 SGB IX von der Krankenkasse zu tragen.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 27. August 2010 wird zurück gewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sind nicht von der Antragsgegnerin zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Antragstellerin Anspruch auf die Erstattung der Fahrtkosten ihrer Mutter durch die Antragsgegnerin hat.

Die am ... 1997 geborene Antragstellerin erlitt am 2. April 2010 einen Schlaganfall und wurde zunächst ins Krankenhaus M. eingeliefert. Noch am selben Tage erfolgte die Überstellung in die Charité B. mittels Rettungshubschrauber. Bis zum 18. April 2010 ist sie dort behandelt worden und nach zwischenzeitlicher Entlassung zum 1. Juli 2010 dort wieder stationär aufgenommen worden. Seitdem befindet sie sich dort zur Vorbereitung einer geplanten Herztransplantation. Die behandelnden Ärzte erachten es als unabdingbar, dass einmal in der Woche ein Elterngespräch und zweimal die Woche ein Besuchstermin durch die nahen Angehörigen der Antragstellerin wahrgenommen werden. Die Mutter der Antragstellerin ist mit dem eigenen PKW von M. nach B. am 6. April, 14. April. 18. April, 17. Juli, 30. Juli und 14. August 2010 gefahren, um die Antragstellerin besuchen zu können. Die einfache Strecke zur Charité in B. beträgt ca. 165 Kilometer. Mit Antrag vom 18. August 2010 hat die Mutter der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Erstattung geltend gemacht. Für den 18. April 2010 hat die Antragsgegnerin Fahrtkosten von insgesamt 25,00 Euro erstattet, eine darüber hinaus gehende Erstattung jedoch abgelehnt. Den hiergegen erhobenen Widerspruch hat die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2010 abgelehnt, hiergegen hat die Antragstellerin Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 7 KR 242/10 geführt wird.

Am 27. August 2010 hat die Antragstellerin den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Magdeburg gestellt. Ergänzend hat sie vorgetragen, die Mutter der Antragstellerin sei derzeit arbeitslos und beziehe Leistungen nach dem SGB II (Alg-II). Die Leistungen der Alg-II -Bezüge reichten nicht aus, um die für zwingend erforderlich gehaltenen Termine in der B. Charité wahrnehmen zu können. Sowohl das Jobcenter ARGE M. als auch das Sozialamt der Stadt M. hätten eine Übernahme der Kosten für diese Fahrten mit dem Hinweis auf die Leistungspflicht der der Antragsgegnerin abgelehnt.

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die bisherigen und zukünftig anfallenden Fahrtkosten der Mutter der Antragstellerin zu erstatten, soweit diese sich wegen der stationären Behandlung der Antragstellerin in die B. Charité begeben muss.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Mit Bescheid vom 27. August 2010 habe die Antragsgegnerin im Wege einer Einzelfallentscheidung Fahrtkosten zweimal wöchentlich für den Zeitraum vom 27. August 2010 bis zu 30. September 2010 zugebilligt. Damit sei dem Begehren der Antragstellerin, soweit es sich auf Fahrtkosten für die Zukunft beziehe, bereits Rechnung getragen.

Soweit für zurück liegende Zeiträume Fahrtkosten geltend gemacht werden, die bisher von der Antragsgegnerin nicht erstattet worden seien, bestehe hierfür keine Anspruchsgrundlage. Nach § 60 SGB V seien Fahrtkosten für die stationäre oder ambulante Behandlung zu übernehmen. Um solche Fahrtkosten handele es sich bei den beantragten Fahrten nicht. Eine gesetzliche Grundlage für die Übernahme dieser Fahrtkosten liege nicht vor. Hierbei bezog sich die Antragsgegnerin auf einen Beschluss der 7. Kammer des Sozialgerichts Magdeburg vom 15. Dezember 2008, Aktenzeichen S 7 KR 212/08 ER. Ob gegenüber dem Jobcenter ARGE M. oder dem Sozialamt der Stadt M. ein Anspruch auf Fahrtkostenübernahme bestehe, könne die Antragsgegnerin nicht entscheiden. Nach dem Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 13. Oktober 2007 zum Aktenzeichen S 7 AS 1370/07 ER sei der Landkreis Harz verpflichtet worden, bis zur Entscheidung in der Hauptsache einen Zuschuss zu den Fahrtkosten für Besuchsfahrten zu übernehmen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze Bezug genommen. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin haben vorgelegen und sind Gegenstand dieser Entscheidung gewesen. Auch auf ihren Inhalt wird verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Hierfür muss die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund haben. Anordnungsanspruch ist der materiell-rechtliche Anspruch auf die begehrte Leistung, dessen Bestehen von der Gegenseite bestritten oder nicht erfüllt wird. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn ohne eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz der Antragstellerin schwere und unzumutbare, anders nicht anwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Beschluss des Bundesverfassungsgericht vom 19.10.1977 –2 BvR 42/76-, zuletzt Beschluss vom 12.05.2005 –1 BvR 569/05-).

Die Antragstellerin hat ihren geltend gemachten Anspruch nicht glaubhaft gemacht. Eine Tatsache ist glaubhaft gemacht, wenn ihr Vorliegen überwiegend wahrscheinlich ist. Überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordert, dass mehr für als dagegen spricht (Keller in Mayer-Ladewig u. a., Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 86 b Rd. Nr. 16 b).

Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten für die Besuche ihrer Mutter in der B. Charité. Als Anspruchsgrundlage käme allein § 60 SGB V in Betracht. Hiernach sind die Fahrtkosten eines Versicherten für seine eigene stationäre oder ambulante Behandlung zu übernehmen. Die Übernahme von Fahrtkosten zum Besuch eines erkrankten Versicherten sieht § 60 SGB V nicht vor. Eine andere Rechtsgrundlage für die Übernahme von Kosten für Besuchsfahrten besteht im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Insofern ist die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27. August 2010 übernommene Verpflichtung weiter gehend, als dies nach den gesetzlichen Grundlagen des SGB V möglich ist.

Der Mutter der Antragstellerin steht es frei, einen besonderen Bedarf auf Leistungen nach dem SGB II gegenüber dem Jobcenter der ARGE M. geltend zu machen. Den entsprechenden Weg hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin bereits aufgezeigt.

Nach alledem konnte dem Antrag nicht stattgegeben werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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