L 13 R 1930/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1136/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1930/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18. März 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1958 geborene Klägerin, die über eine abgeschlossene Berufsausbildung nicht verfügt, war nach verschiedenen Tätigkeiten als Arbeiterin und als Bedienung in der Gastronomie von 1979 bis 2001 als Arbeiterin in einem Kristallverarbeitungsbetrieb versicherungspflichtig beschäftigt. Nach anschließender sechsmonatiger Arbeitslosigkeit machte sie sich als Gastwirtin selbständig und betrieb bis April 2004 eine Vereinsgaststätte. In der Folge arbeitete sie versicherungspflichtig für die Dauer von circa 9 Monaten bei einer Zeitarbeitsfirma und - nach einer weiteren Zeit der Arbeitslosigkeit - von Dezember 2005 bis Juni 2006 als Montiererin in einer Fabrik für Plastikteile.

Am 11. Juni 2007 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Bei Antragstellung gab sie an, sie halte sich seit 1980 für erwerbsgemindert. Zur Ermittlung des medizinischen Sachverhalts ließ die Beklagte die Klägerin, nachdem zuvor Befundunterlagen der die Klägerin behandelnden Ärzte beigezogen bzw. vorgelegt worden waren (69 bis 75 und 93 bis 97 der Verwaltungsakte), von dem Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Ma. begutachten. Dieser diagnostizierte in seinem Gutachten vom 31. Oktober 2007 eine Dystymia, Spannungskopfschmerzen und eine leicht ausgeprägte ängstliche Symptomatik mit im Vordergrund stehender Agoraphobie. Trotz dieser Erkrankungen sei die Klägerin allerdings noch in der Lage, sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, als auch in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf mindestens sechs Stunden arbeitstäglich zu arbeiten. Mit Bescheid vom 8. November 2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen ihrer behandelnden Fachärzte (Bl. 259 bis 267 der Verwaltungsakte) am 7. Dezember 2007 Widerspruch. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Schw. vom 3. Januar 2008 (Bl. 269 der Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2008 zurück.

Mit ihrer am 9. April 2008 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt. Das SG hat zunächst schriftliche sachverständige Zeugenaussagen von dem Facharzt für Orthopädie Dr. Vo. und von dem Diplom-Psychologen Dr. Pl. eingeholt. Letzterer hat die Klägerin in seiner Aussage vom 29. Mai 2008 nicht mehr für fähig gehalten, wenigstens drei Stunden täglich zu arbeiten. Dr. Pl. hat allerdings darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht zum Kompetenzbereich des nichtärztlichen Psychotherapeuten gehöre. In seiner Aussage vom 12. Juni 2008 hat Dr. Vo. mitgeteilt, er habe die Klägerin zuletzt im Jahre 1999 behandelt. Unter Zugrundelegung der damals erhobenen Befunde sei dieser noch ein wenigstens sechsstündiges Leistungsvermögen zu attestieren; über den aktuellen Verlauf könne er keine Angaben machen. In der Folge hat das SG den Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens über die Klägerin beauftragt. Dr. Sch. hat in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2008 ausgeführt, die Klägerin leide unter einer dystymen Störung, unter einer rezidivierenden depressiven Störung (gegenwärtig remittiert), unter einer Somatisierungs- und unter einer Panikstörung. Die festgestellten Gesundheitsstörungen bedingten allerdings nur qualitative Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens; leichte und vorübergehend auch mittelschwere Arbeiten könne die Klägerin noch sechs Stunden und länger verrichten. Mit Gerichtsbescheid vom 18. März 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne zur Überzeugung der Kammer auch eine Tätigkeit als Montiererin weiterhin vollschichtig ausüben. Damit sei sie weder teilweise noch voll erwerbsgemindert.

Gegen den ihren Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 26. März 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am Montag, dem 27. April 2009 schriftlich beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Entgegen den Ausführungen des SG erfülle sie die Anspruchsvoraussetzungen der begehrten Erwerbsminderungsrente. Das SG habe die bei ihr vorliegenden Erkrankungen unzutreffend festgestellt und in ihrer Bedeutung für das berufliche Leistungsvermögen verkannt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 18. März 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 8. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2008 zu verurteilen, ihr ab 1. Juni 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig und den Gerichtsbescheid des SG für zutreffend.

Der Senat hat den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. He. zum Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens über die Klägerin beauftragt. In seinem Gutachten vom 2. September 2009 hat Dr. He. dargelegt, er stimme weitgehend mit der Einschätzung des vom SG beauftragten Sachverständigen Dr. Sch. überein und halte die Klägerin ebenfalls für fähig, zumindest leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich und länger ausführen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gutachtens von Dr. He. wird auf Bl. 34 bis 54 der Berufungsakte verwiesen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (24 090258 K 502), die Klageakten des SG (S 2 R 1136/08) und die Berufungsakten des Senats (L 13 R 1930/09) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist jedoch unbegründet; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl. Bundessozialgericht [BSG] SozR 3-2600 § 44 Nr. 7) ist der den Rentenantrag der Klägerin vom 11. Juni 2007 ablehnende Bescheid vom 8. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2008. Dieser erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung.

Durch das am 1. Januar 2001 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827 ff.) hat der Gesetzgeber das Recht der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit grundlegend neu geordnet. Kernstück der Neuregelung ist die Abschaffung der bisherigen Berufsunfähigkeitsrente für nach dem 1. Januar 1961 geborene Versicherte und die Einführung einer zweistufigen Erwerbsminderungsrente mit einer vollen Erwerbsminderungsrente bei einem Restleistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden und einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei einem Restleistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden. Berufsunfähige Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, können nun gemäß § 240 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beanspruchen.

Gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind (Satz 1 Nr. 1), in den letzen fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Satz 1 Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Satz 1 Nr. 3). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (Satz 2). Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben - bei im Übrigen identischen Tatbestandsvoraussetzungen - Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 240 Abs. 2 Sätze 2 und 4 SGB VI).

Die Klägerin ist auch zur vollen Überzeugung des Senats noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Sie ist damit weder erwerbsgemindert, noch berufsunfähig und hat deshalb keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.

Das Schwergewicht der das berufliche Restleistungsvermögen beeinträchtigenden Erkrankungen der Klägerin liegt auf nervenärztlichem Fachgebiet. Aus den im Verlauf des Verwaltungs-, Widerspruchs-, Klage und Berufungsverfahren beigezogenen bzw. vorgelegten Befundunterlagen ergibt sich, dass auf anderen medizinischen Fachgebieten Erkrankungen, die eine Leistungseinschränkung in rentenberechtigendem Umfang bedingen könnten, nicht vorliegen. Soweit die Klägerin zur Begründung der Berufung ausgeführt hat, auf orthopädischem Fachgebiet sei allein deshalb ein Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen, weil der vom SG vernommene sachverständige Zeuge Dr. Vo. sie zuletzt 1999 behandelt habe, vermag sich der Senat dieser Einschätzung nicht anzuschließen. Gerade der Umstand, dass die Klägerin offenbar zuletzt 1999 fachorthopädisch behandelt wurde - andere Orthopäden als Dr. Vo. hat die Klägerin weder gegenüber dem SG noch gegenüber dem Senat angegeben -, bestätigt, dass eine rentenversicherungsrechtlich relevante Verschlechterung der von Dr. Vo. beschriebenen Befunde nicht eingetreten ist. Abweichendes wurde von der Klägerin jedenfalls mit einer zur Durchführung weiterer Ermittlungen veranlassenden Substantiierung auch nicht vorgetragen. Letztlich beschreibt der Sachverständige Dr. He. in seinem Gutachten vom 2. September 2009 einen guten Allgemeinzustand bei weitgehend unauffälligem körperlichen Befund. Bei dieser Sachlage besteht keine Veranlassung, den Sachverhalt auf anderen medizinischen Fachgebieten als dem nervenärztlichen weiter aufzuklären.

Letztlich liegen aber auch auf nervenärztlichem Fachgebiet keine Leiden vor, die eine Einschränkung des beruflichen Restleistungsvermögens in rentenberechtigendem Umfang bedingen. Dies hat bereits das SG in nicht zu beanstandender Würdigung der umfassend erhobenen Beweise zutreffend insbesondere aus dem Sachverständigengutachten von Dr. Sch. sowie dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten von Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Ma., das im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden kann, geschlussfolgert. Der Senat schließt sich deshalb zunächst den Entscheidungsgründen des mit der Berufung angefochtenen Urteils vom 21. September 2006, insbesondere der dort vorgenommene Beweiswürdigung an, macht sich diese aufgrund eigener Überzeugungsbildung vollinhaltlich zu eigen und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Durch das vom Senat in Auftrag gegebene Sachverständigengutachten von Dr. He. ist die Richtigkeit der vom SG vorgenommenen Beweiswürdigung bestätigt worden. Dr. He. hat bei der Klägerin keine neurologische Erkrankung nachweisen können und der Klägerin einen unauffälligen körperlich-neurologischen Befund attestiert. Auf psychiatrischem Fachgebiet steht eine depressive Entwicklung im Vordergrund. Dies hat der Sachverständige nachvollziehbar mit einer im Rahmen der Untersuchung festzustellenden leicht gedrückten Stimmungslage und einer leichten Verminderung der affektiven Stimmungsfähigkeit begründet. Dr. He. berichtet insoweit aber auch über Auflockerungen. Die Psychomotorik sei teils etwas starr, dann aber auch lebendiger gewesen. Der Antrieb habe sich als leicht reduziert dargestellt. Vor dem Hintergrund dieser Befunde überzeugt die Folgerung des Sachverständigen, dass die Kriterien einer mittelgradigen oder gar schweren depressiven Episode im Fall der Klägerin nicht erfüllt sind. Darüber hinaus hat Dr. He. - auch insoweit überzeugend - eine Somatisierungsstörung, und eine Panikstörung mit Agoraphobie diagnostiziert. Die von ihm erhobenen Befunde hat Dr. He. schlüssig dahingehend gewertet, dass die festzustellenden Gesundheitsstörungen zwar qualitative Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens bedingen, der Ausübung leichter körperlicher Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich aber nicht entgegenstehen. Die seitens der Klägerin gegen das Gutachten von Dr. He. erhobenen Einwände vermögen dessen Überzeugungskraft nicht zu erschüttern; insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass Dr. He. sich zur Vorbereitung der Begutachtung (auch) mit dem (Vor-) Gutachten von Dr. Sch. auseinandergesetzt hat. Die Auseinandersetzung mit dem Akteninhalt und damit auch mit den Vorgutachten ist eine wesentliche Erkenntnisquelle für den Sachverständigen. Sie ist vor allem auch deshalb unerlässlich, weil der Sachverständige nach Gründen für mögliche Abweichungen zu Vorgutachten ausdrücklich gefragt worden ist. Letztlich spricht die sowohl in diagnostischer als auch in sozialmedizinsicher Hinsicht bestehende Übereinstimmung zwischen den Gutachten von Dr. Sch. und Dr. He. nicht gegen sondern für die Schlüssigkeit der getroffenen Feststellungen. Dies gilt umso mehr, als sich deren sozialmedizinische Beurteilung mit derjenigen von Nervenarzt Ma. deckt.

Auch der Ausnahmefall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (vgl. hierzu etwa BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117; auch Großer Senat BSGE 80, 24, 33 ff.) ist nicht gegeben. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 110). Einschränkungen, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, liegen bei der Klägerin nicht vor. In qualitativer Hinsicht muss diese, wie Dr. He. in seinem Gutachten vom 2. September 2009 - auch insoweit überzeugend - ausgeführt hat, schwere Arbeiten sowie mit besonderer Verantwortung und besonderer geistiger Beanspruchung verbundenen Tätigkeiten vermeiden. Darüber hinaus verbietet sich eine Überforderung durch Akkordarbeit, Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck. Diese Einschränkungen können zwar das Spektrum der für die Klägerin in Betracht kommenden Tätigkeiten einschränken, sie begründen aber keine Zweifel an der normalen betrieblichen Einsatzfähigkeit für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Letztlich liegen auch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit im Sinne des § 240 Abs. 1 SGB VI nicht vor; die Klägerin ist nicht berufsunfähig. Ausgangspunkt der Prüfung ist auch hier entsprechend der zu § 43 SGB VI a. F. entwickelten Rechtsprechung des BSG der "bisherige Beruf", den der Versicherte ausgeübt hat (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 107 und 169). Dabei ist unter dem bisherigen Beruf in der Regel die letzte nicht nur vorübergehend vollwertig ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit jedenfalls dann zu verstehen, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben des Versicherten war (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 130; BSG SozR 3-2600 § 43 Nr. 17). Kann der Versicherte diesen "bisherigen Beruf" aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten, ist zu ermitteln, ob es zumindest eine Tätigkeit gibt, die ihm sozial zumutbar ist und die er gesundheitlich wie fachlich noch bewältigen kann. Das Bundessozialgericht hat zur Feststellung des qualitativen Wertes des bisherigen Berufes und damit zur Bestimmung zumutbarer Verweisungstätigkeiten (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 55; Niesel in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI Rdnr. 24 ff. m.w.N.) ein Mehrstufenschema entwickelt, das die Arbeiterberufe in Gruppen untergliedert. Diese werden durch die Leitberufe eines Facharbeiters mit Vorgesetztenfunktion (und diesem gleichgestellten besonders hoch qualifizierten Facharbeiters), eines Facharbeiters, der einen anerkannten Ausbildungsberuf mit einer anerkannten Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren, regelmäßig drei Jahren ausübt, eines angelernten Arbeiters, der einen Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausübt, und eines ungelernten Arbeiters charakterisiert. Dabei wird die Gruppe der angelernten Arbeiter nochmals in die Untergruppen der "oberen Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten) und "unteren Angelernten" (Ausbildungs- oder Anlernzeit von mindestens drei bis zu zwölf Monaten) unterteilt. Kriterien für eine Einstufung in dieses Schema sind dabei die Ausbildung, die tarifliche Einstufung, die Dauer der Berufsausbildung, die Höhe der Entlohnung und insbesondere die qualitativen Anforderungen des Berufs. Eine Verweisung ist grundsätzlich nur auf eine Tätigkeit der jeweils niedrigeren Gruppe möglich. Ferner ist erforderlich, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten innerhalb einer bis zu drei Monaten dauernden Einarbeitung und Einweisung erwerben kann (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 23).

Ausgehend von diesem Schema ist die Klägerin, die eine Berufsausbildung nicht absolviert hat, allenfalls der Gruppe der unteren Angelernten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von höchstens zwölf Monaten zuzuordnen. Alle von ihr verrichteten versicherungspflichtigen Berufstätigkeiten erforderten keine längere Anlern- oder Ausbildungszeit. Sie kann dementsprechend auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, ohne dass es der Benennung einer konkreten Tätigkeit bedarf. Da sie jedenfalls noch im Stande ist, leichte körperliche Arbeiten sechs Stunden täglich auszuüben, kommt es nicht darauf an, ob gesundheitsbedingte Einschränkungen einer Wiederaufnahme der zuletzt verrichteten Tätigkeit entgegenstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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