L 13 AS 3385/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 2556/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 3385/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung des Beklagten, den Klägern Kosten für das gegen den Bescheid des Beklagten vom 22. Februar 2007 geführte Widerspruchsverfahren gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu ersetzen, streitig.

Die Kläger bezogen bis 15. März 2007 als Bedarfsgemeinschaft vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff. SGB II. Mit Bescheid vom 19. Januar 2007 hatte der Beklagte zuvor den Klägern entsprechende Leistungen bis zum 31. Juli 2007 bewilligt. Zum 23. Januar 2007 nahm die Klägerin Ziff. 2 dann bei einer Zeitarbeitsfirma eine Beschäftigung auf (Arbeitsvertrag vom 23. Januar 2007).

Mit Bescheid vom 22. Februar 2007 berechnete der Beklagte die Leistungen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für den Monat März 2007 neu und legte dabei der Leistungsberechnung ein fiktives Einkommen der Klägerin Ziff. 2 in Höhe von 1.500,00 Euro brutto (1.250,00 Euro netto) zugrunde. Hiergegen richtete sich der Widerspruch der durch den Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger vom 12. März 2007, mit dem geltend gemacht wurde, der Leistungsberechnung für den Monat März 2007 sei nicht ein fiktives sondern das tatsächliche Einkommen zugrunde zu legen.

Am 2. April 2007 legten die Kläger dann die Lohnabrechnung der Klägerin Ziff. 2 für Februar 2007, am 18. April 2007 die Lohnabrechnung für März 2007, vor. Daraufhin berechnete der Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2007 die Leistungen der Bedarfsgemeinschaft für den Monat März 2007 unter Zugrundelegung des tatsächlichen Einkommens neu und stellte wegen des Wegzugs der Kläger aus seinem Zuständigkeitsbereich zum 15. März 2007 die Leistungen zu diesem Tag ein. Für den Monat März 2007 ergab sich eine Nachzahlung in Höhe von 11,12 Euro.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen seinen Bescheid vom 22. Februar 2007 zurück und entschied, dass Kosten nicht erstattet würden.

Am 25. Juni 2007 haben die Kläger mit dem Begehren der Verurteilung des Beklagten zur Übernahme von Kosten für das Widerspruchsverfahren beim Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 10. Juni 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Soweit der Widerspruch erfolgreich sei, habe der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen habe, zwar demjenigen, der Widerspruch erhoben habe, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 63 SGB X). Doch sei der Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. Februar 2007 nicht erfolgreich gewesen, er habe nämlich nicht zur Aufhebung des Bescheids geführt. Für die Neuberechnung der Leistungen im Bescheid vom 20. April 2007 seien andere Umstände, nämlich die Vorlage der Gehaltsmitteilung sowie der Umzug der Kläger, ausschlaggebend gewesen.

Gegen den ihnen am 21. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 19. Juli 2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt. Der ursprüngliche Bescheid sei rechtswidrig gewesen, da er ein deutlich zu hohes Durchschnittseinkommen berücksichtigt habe. Mit Bescheid vom 20. April 2007 habe die Beklagte ein deutlich geringeres Einkommen angerechnet. Die Beklagte habe das Verfahren veranlasst und deshalb die Kosten zu tragen.

Die Kläger beantragen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. Juni 2010 aufzuheben und den Widerspruchsbescheid vom 24. Mai 2007 abzuändern sowie die Beklagte zu verurteilen, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten gemäß § 63 SGB X vollständig zu erstatten.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten des LSG sowie die beigezogenen Akten der Beklagten und des SG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte, nachdem die Beteiligten hiermit einverstanden waren, gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht § 151 Abs. 1 SGG eingelegt. Die Berufung ist nicht gemäß § 144 Abs. 4 SGG ausgeschlossen, da sie nicht die "Kosten des Verfahrens" betrifft. Zwar sind damit die Kosten gemeint, die die Beteiligten einander im laufenden Verfahren zu erstatten haben, wobei der Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung im Widerspruchs- und Gerichtsverfahren gilt. Die Vorschrift betrifft jedoch nicht das sog. isolierte Vorverfahren, d.h. Fallgestaltungen, in denen sich die Hauptsache bereits im Vorverfahren erledigt hat und sodann im Gerichtsverfahren lediglich über die Kosten des Vorverfahrens gestritten wird (BSG, Urteil vom 29. Januar 1998 - B 12 KR 18/97 R - SozR 3-1500 § 144 SGG Nr. 13 - juris). Die Berufung ist auch nicht gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, da das SG die Berufung zugelassen hatte, woran der Senat gebunden ist.

Rechtsgrundlage für die Erstattung der im Vorverfahren entstandenen Anwaltskosten ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach hat, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Gebühren eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Die Kostenentscheidung bestimmt daher auch, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs. 3 SGB X).

§ 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X begründet im vorliegenden Fall jedoch einen Kostenerstattungsanspruch der Kläger nicht. Denn der Widerspruch war nicht ursächlich für den eingetretenen Erfolg des Widerspruchsverfahrens.

Das BSG (Urteil vom 21. Juli 1992 - 4 RA 20/91 - SozR 3-1300 § 63 SGB X Nr. 3 - juris) hat zu § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X entschieden, dass ein Widerspruch im Sinne des Gesetzes dann "Erfolg" habe, wenn die Behörde ihm stattgebe. Denn das Gesetz stelle auf das Stattgeben ab. Insoweit sei grundsätzlich ohne Belang, was der Widersprechende zur Begründung seines Rechtsbehelfs vorgebracht habe und welche Gründe zum Stattgeben des Widerspruchs geführt hätten (so BSG, Urteil vom 8. Oktober 1987 - 9a RVs 10/87 - juris). Dies dürfe aber nicht den Blick dafür verstellen, dass dem Widerspruch nur dann stattzugeben sei und er erfolgreich im Sinne des Gesetzes sei, wenn zwischen Rechtsbehelf und begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im Rechtssinne bestehe (BSG, Urteil vom 21. Juli 1992 - 4 RA 20/91 - SozR 3-1300 § 63 SGB X Nr. 3 - juris). Dabei könne dahinstehen, ob ein solcher kausaler Zusammenhang zwischen Rechtsbehelf und "abhelfender" Entscheidung des Verwaltungsträgers immer schon dann anzunehmen sei, wenn belastender Verwaltungsakt, Widerspruch des Betroffenen hiergegen und stattgebender Verwaltungsakt in zeitlicher Abfolge stehen. Dabei könne der Erfolg des Widerspruchs dann zweifelhaft sein, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein anderer Umstand als der Widerspruch dem Erfolg rechtlich zurechenbar ist (BSG a.a.O.). Dieser Rechtsprechung ist der 12. Senat des BSG (Urteil vom 29. Januar 1998 - B 12 KR 18/97 R - juris; Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 42/00 R - juris) gefolgt. Die anderslautende Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 27. Mai 2009 (L 3 KA 85/06 - juris) überzeugt hingegen nicht. Denn § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X knüpft die Kostenerstattung an den Erfolg des Widerspruchs, nicht das Ergehen einer dem Widerspruchsführer positiven Entscheidung. In diesem Sinne hat der Widerspruch keinen Erfolg, wenn andere Gründe als der Widerspruch die dem Widerspruchsführer positive Entscheidung verursacht haben, die Behörde also nicht auf Grundlage des Widerspruchs als Rechtsbehelf sondern allein aufgrund eines anderen Umstandes - hier der Vorlage der Lohnabrechnung für März 2007 im April 2007, die der Beklagte auch von Amts wegen (§§ 45, 48 SGB X) zu berücksichtigen gehabt hätte - zu einer von der angefochtenen Entscheidung abweichenden, dem Widerspruchsführer positiven Entscheidung veranlasst wurde.

Vorliegend ist Ursache des Erfolgs nicht der vom Prozessbevollmächtigten eingelegte Widerspruch sondern alleine die Vorlage der Lohnabrechnung für den Monat März 2007 am 18. April 2007. Vor Vorlage dieser Lohnabrechnung konnte der Beklagte die von den Klägern geforderte Leistungsberechnung auf Grundlage des tatsächlichen Einkommens nicht vornehmen. Hierzu hat das SG zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte zur fiktiven Leistungsberechnung nach § 2 Abs. 7 Alg-II-VO berechtigt - und um überhaupt Leistungen für März 2007 gewähren zu können auch verpflichtet - war. Insoweit war alleine die in der Vorlage der Lohnabrechnung für den Monat März 2007 liegende "Mitwirkungshandlung" der Kläger für die Änderung der Leistungsberechnung für den Monat März 2007 ursächlich, denn alleine diese, nicht der Widerspruch, erlaubte dem Beklagten erstmals eine Entscheidung auf Grundlage der tatsächlichen Einkünfte der Kläger vorzunehmen. Es liegt im Sinne der Rechtsprechung des BSG eine andere kausale Verknüpfung vor. In der "abhelfenden" Entscheidung der Beklagten im Bescheid vom 22. April 2007 liegt mithin kein Erfolg des Widerspruchs der Kläger.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei hat der Senat im Rahmen seines Ermessens, insbesondere berücksichtigt, dass die Kläger mit ihrem Begehren in beiden Instanzen unterlegen sind und der Beklagte keinen berechtigten Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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