L 8 AS 356/10 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 194/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AS 356/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Verpflichtung der Mietschuldenübernahme im einstweiligen Rechtsschutz ist im Regelfall nicht angezeigt, wenn das Mietverhältnis noch nicht gekündigt wurde. In diesem Fall droht dem Antragsteller mangels Kündigung weder Wohnungs- noch Obdachlosigkeit.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Landshut vom
21. April 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts wird abgelehnt.



Gründe:


I.
In diesem Eilverfahren begehrt der Antragsteller (Ast) die Übernahme von Mietschulden im Umfang von drei Monatsmieten für die Monate Januar bis März 2010 sowie die künftige Zahlung der ungekürzten Miete an seine Vermieterin.
Der Ast bezieht seit 16.06.2005 von der Antragsgegnerin (Ag) laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.
Am 05.03.2010 beantragte der Ast bei der Ag die Übernahme von Mietschulden im Umfang von drei Monatsmieten (Januar bis März 2010). Er legte ein Schreiben seiner Vermieterin vor, in dem diese eine fristlose Kündigung zum 01.04.2010 für den Fall androhe, dass der Ast seine Mietschulden nicht bis 20.03.2010 begleiche. Diesen Antrag hat die Ag mit Bescheid vom 07.05.2010 abgelehnt. Den dagegen eingelegten Widerspruch hat die Ag mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2010 zurückgewiesen.
Ebenfalls am 05.03.2010 beantragte der Ast beim Sozialgericht Landshut, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Mietschulden in Höhe von 405,00 Euro (dreimal 135,00 Euro) vorläufig zu übernehmen und künftig die Miete in jedem Fall pünktlich an die Vermieterin zu überweisen.
Die Ag verweist darauf, dass sämtliche Kosten der Unterkunft seit April 2008 ausbezahlt worden seien. Im Übrigen sei es auch nicht gerechtfertigt, Mietschulden zu übernehmen, weil der Ast auch in Zukunft Sanktionstatbestände verwirklichen werde. Aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur weigere sich der Ast aus Prinzip, auf Meldeaufforderungen hin bei seinem Arbeitsvermittler vorzusprechen. Nach Eingang des Eilantrages bei Gericht erhielt der Ast im Laufe des Monats März 2010 von der Ag Nachzahlungen in Höhe von
124,80 Euro, 75,50 Euro, 27,30 Euro und 249,44 Euro.
Den Antrag des Ast auf Zahlung der ungekürzten Miete direkt an seine Vermieterin hat die Ag mit Bescheid vom 24.04.2010 abgelehnt. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010 zurückgewiesen.
Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das SG mit Beschluss vom 21.04.2010 abgelehnt, da dem Ast die geltend machten Ansprüche derzeit nicht zustünden. Hinsichtlich der Übernahme von Mietschulden seien bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II nicht gegeben. Der Ast habe im März 2010 von der Ag Leistungen in einem Umfang erhalten, die es ihm ermöglicht hätten, seine Mietschulden jedenfalls deutlich zu reduzieren. Anhaltspunkte dafür, dass aktuell eine fristlose Kündigung drohe oder gar ausgesprochen worden sei, lägen nicht vor. Soweit der Eilantrag darauf gerichtet sei, die Ag zur pünktlichen Überweisung der der Miete in jedem Fall zu verpflichten, lege ihn die Kammer dahingehend aus, dass der Ast die Übernahme der laufenden Miete unabhängig davon begehre, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang eine auf § 31 SGB II gestützte Sanktion festgestellt werde. Ein solcher Anspruch bestehe nicht. § 31 SGB II sehe unter bestimmten Voraussetzungen eine Absenkung von Leistungen auch für Unterkunft vor. Ob diese Voraussetzungen gegeben seien, sei jeweils im Einzelfall zu prüfen.

Hiergegen hat der Ast am 04.05.2010 Beschwerde eingelegt und Prozesskostenhilfe beantragt. Die Sanktion der Miete nach § 31 SGB II führe zwangsläufig zur Obdachlosigkeit und widerspräche dem Sozialstaatsprinzip.
In einem weiteren Beschwerdeverfahren (L 8 AS 498/10 B ER) teilte der Antragsteller mit, dass er die Miete bis einschließlich April 2010 von einer Nachzahlung im April beglichen habe. Telefonisch gab er jedoch an, im Jahr 2010 lediglich insgesamt 150,00 Euro Mietzahlungen an seine Vermieterin geleistet zu haben. Eine Nachfrage bei der Vermieterin über die Höhe der noch ausstehenden Mietzahlungen führte zu keinem klaren Ergebnis. Sie könne nicht sagen, welche Miete in welcher Höhe noch ausstünde, da der Ast manchmal zahle und manchmal nicht zahle.
Der Ast beantragt - sinngemäß -,
den Beschluss des SG vom 21.04.2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin zur Übernahme der drei Monatsmieten für Januar bis März 2010 sowie zur ungekürzten Zahlung der Miete direkt an die Vermieterin zu verpflichten.
Gleichzeitig beantragt er die Gewährung von Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Die Ag beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist dabei auf den Beschluss des SG vom 21.04.2010.
Im Übrigen wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Ag sowie die Verfahren L 8 AS 498/10 B ER, L 8 AS 499/10 B ER und L 8 AS 466/10 B ER verwiesen.
II.
Das Bayer. Landessozialgericht ist zur Entscheidung über die zulässige Beschwerde in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zuständig (§§ 86 b Abs. 3, 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG).
Die zulässige Beschwerde des Ast ist aber unbegründet, weil das SG den Antrag auf Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt hat. Zur Begründung verweist der Senat zunächst gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Beschluss vom 21.04.2010.
Ergänzend ist jedoch auf Folgendes hinzuweisen:
1. Soweit der Ast die Übernahme der Miete für die Monate Januar bis März 2010 begehrt, ist der Antrag zum Teil bereits mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da der Ast im Schreiben vom 06.07.2010 (L 8 AS 498/10 B ER) mitgeteilt hat, zumindest 150 EUR auf seine Mietschulden gezahlt zu haben. Hinsichtlich des Restbetrages von 255 EUR für diesen Zeitraum (405 EUR./. 150 EUR) kommt aber eine Übernahme der Mietschulden nicht in Betracht. Nach § 22 Abs. 5 SGB II können zwar Mietschulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Standardfall für die Übernahme von Mietrückständen ist, eine ernsthaft drohende Vermieterkündigung wegen Zahlungsrückständen abzuwenden. Die Verpflichtung zur Mietschuldenübernahme im einstweiligen Rechtsschutz ist aber dann nicht angezeigt, wenn das Mietverhältnis noch nicht gekündigt wurde (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.09.2007, L 32 B 1558/07). Dem Ast droht aktuell mangels Kündigung weder Wohnungs- noch Obdachlosigkeit. Eine einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners zur darlehensweise Übernahme der Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II scheidet damit aus. Dem Ast ist ein Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens noch zumutbar.
Bei der Abwägung war auch zu beachten, dass die Ag die Miete für die Monate Januar bis März 2010 ungekürzt an den Ast ausgezahlt hatte, dieser die Beträge aber für seinen Lebensunterhalt verwendet hat, da er aufgrund von Sanktionen nach § 31 SGB II nur eine gekürzte Regelleistung erhielt. Wäre die Ag im Fall einer Sanktionierung der Regelleistung nach § 31 SGB II grundsätzlich verpflichtet, für diesen Zeitraum auflaufende Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen, liefe die Sanktion ins Leere. Auch die Heranziehung des Urteils des BVerfG vom 09.02.2010 (1 BvR 1/09) führt - entgegen der Auffassung des Ast - zu keinem anderen Ergebnis. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 09.02.2010 entschieden, dass die Vorschriften des SGB II, die die Regelleistung für Erwachsene und Kinder betreffen, hinsichtlich der Ermittlung der Höhe nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG erfüllen. Die Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsvorschrift des § 31 SGB II war nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
Allerdings wäre die Ag im Fall einer Sanktionsverschärfung bezüglich der Kürzung der KdU nach § 31 SGB II nicht gehindert, wegen hierauf gründender Mietschulden eine Kostenübernahme nach § 22 Abs. 5 SGB II als zum Erhalt der Unterkunft "gerechtfertigt" anzusehen.
2. Hinsichtlich des Antrages, die Miete in Zukunft in jedem Fall ungekürzt direkt an seine Vermieterin zu überweisen, besteht zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts über den Antrag zumindest kein Anordnungsgrund, da eine Kürzung der dem Ast bewilligten Kosten der Unterkunft nicht im Raum steht. Dem Ast bleibt es unbenommen, die an ihn derzeit per Scheck ausgezahlte Miete an seine Vermieterin weiterzuleiten. Die Rechtmäßigkeit der bescheidsmäßigen Ablehnung der Direktüberweisung ist mangels Eilbedürftigkeit im Hauptsacheverfahren zu prüfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
III.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts war abzulehnen. Nach § 73 a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Hinreichende Erfolgsaussichten im Sinn von § 114 ZPO lagen, wie unter II. beschrieben, nicht vor.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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