Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 190 AS 23543/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 1490/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. August 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass für die Zeit ab 1. Oktober 2010 unter Berücksichtigung des von dem Antragsteller zu 1) erzielten Einkommens Leistungen in Höhe von 1.498,50 Euro zu gewähren sind. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
Die zulässige (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Beschwerde des Antragsgegners hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang insoweit Erfolg, als ab Oktober 2010 das von dem Antragsteller zu 1) erzielte Erwerbseinkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Jedenfalls seit dem 1. September 2010 haben die Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen der Grundsi¬che¬rung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für die Zeit vom 28. Juli bis 31. August 2010 kann der Senat offenlassen, ob ein der¬artiger Anspruch besteht, weil den Antrag¬stellern jedenfalls im Rahmen der hier zu tref¬fen¬den Folgenabwägung vorläufig Leistungen zu gewäh¬ren sind, denn anderenfalls ist zu befürchten, dass effektiver Rechtsschutz im Haupt¬sa¬che¬ver¬fahren nicht erlangt werden kann.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 86b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen.
Der erwerbsfähige (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) Antragsteller zu 1), der - ebenso wie die übri¬gen Antragsteller - die grie¬chi¬sche Staatsangehörigkeit besitzt, hat das 15. Lebensjahr voll¬endet, aber die Altersgrenze nach § 7 a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Seit dem 29. Oktober 2008 hält er sich - ausweislich der Frei¬zü¬gig¬keitsbescheinigung - in der Bundesrepublik Deutschland auf und lebt mit seiner - laut Frei¬zügig¬keits¬beschei¬ni¬gung - am 10. November 2008 eingereisten Ehe¬frau - der Antrag¬stellerin zu 2) - und den vier gemein¬¬samen minderjährigen Kindern - den Antragstellern zu 3) bis 6) - im Zuständig¬keits¬be¬reich des Antragsgegners. Die Familie hat somit ihren gewöhnlichen Auf¬ent¬halt in der Bundes¬republik Deutschland (erwerbsfähige Hilfebedürftige – § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Der Antragssteller zu 1) ist auch hilfebedürftig, denn er ist nicht in der Lage, seinen Lebensunter¬halt und den seiner Familie aus eigenen Kräften und Mitteln zu sichern (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II).
Dem Leistungsanspruch des Antragstellers zu 1) steht auch nicht § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegen. Hiernach sind "Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt", von den Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Im vorliegenden Fall ergibt sich das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1) nicht "allein aus dem Zweck der Arbeitssuche". Der Senat kann offen lassen, ob der Antragsteller zu 1) ursprünglich, im Okto¬ber 2008, – auch – zu diesem Zweck nach Deutschland eingereist ist. Er hat aber zwischen¬zeitlich vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2009 eine Tätigkeit als Autopfleger ausgeübt und ausweislich des dem Senat vorgelegten Arbeitsvertrages vom 31. August 2010 am 1. September 2010 eine Teilzeitbeschäftigung als Küchenhilfe in einem griechischen Restaurant aufge¬nommen. Aufgrund dessen hat er als "Arbeitnehmer" und Unionsbürger – unabhängig davon, ob er weiterhin eine andere (oder weitere) Arbeit sucht – ein Recht auf Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/ EU), denn seit der erneuten Arbeitsaufnahme hält er sich jedenfalls nicht ausschließlich zur Arbeitssuche, sondern auch zur Ausübung einer Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland auf.
Wie der Senat – im Anschluss an die Rechtsauffassung des 14. Senat dieses Gerichts (vgl. Beschlüsse vom 14. November 2006 – L 14 B 963/06 AS ER – und vom 30. Mai 2008 – L 14 B 282/08 AS ER - abrufbar unter www.sozial¬gerichts¬barkeit.de), bereits entschieden hat (Beschluss vom 29. Juni 2009 – L 34 AS 936/09 B ER – ebenfalls unter www.sozialgerichts¬bar¬keit.de), besteht das Aufenthaltsrecht als Arbeit¬nehmer ungeachtet des Umstandes, dass der Antragsteller nur eine geringfügige Beschäf¬tigung (im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs [SGB IV] – "Minijob") ausübt. Im FreizügG/EU findet sich keine Bestimmung, wonach "Arbeitnehmer" im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU nur ein mehr als geringfügig Beschäftigter wäre. Dies ergibt sich auch nicht aus einer Auslegung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Danach ist als "Arbeit¬nehmer" im Sinne der (europäischen) Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (die das Freizügigkeitsgesetz/EU umsetzt) auch anzusehen, wer eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, mit der er weniger verdient, als im betreffenden Mitgliedstaat als Existenzminimum angesehen wird, vorausgesetzt, er übt tatsächlich eine echte Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis aus. Außer Betracht bleiben – lediglich – "Tätigkeiten, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen" (Urteile vom 23. März 1982 – Rs. 53/81, Levin gg. Staatssecretaris van Justitie –, Slg. S. 1035, RdNr. 17 und 18, sowie vom 26. Februar 1992 – Rs. C-357/89, Raulin gg. Minister van Onderwijs en Wetenschapen –, Slg. S. I-1027, RdNr. 13, und vom 4. Juni 2009 – Rs. C-22/08 Vatsouras und C-23/08 Koupatantze – in juris). Dafür kann ein Anhaltspunkt sein, dass die betreffende Person nur sehr wenige Stunden gearbeitet hat oder dass sich der Betroffene zur Arbeit auf Abruf des Arbeit¬ge¬bers zur Verfügung halten muss (Urteil vom 26. Februar 1992, a. a. O., RdNr. 14 und Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O.).
Die vom Antragsteller zu 1) ausgeübte Beschäftigung - bei der es sich nach dem Arbeitsvertrag vom 28. August 2010 nicht um eine geringfügige Tätigkeit handelt - ist nicht als "völlig untergeordnet und unwe¬¬¬sentlich" anzusehen. Er erbringt – auf der Grundlage des schriftlich abgeschlossenen – Arbeitsvertrages seit dem 1. Septem¬ber 2010 Arbeitsleistungen als Küchen¬hilfe, die für den Arbeitgeber, dessen Weisungen er unterliegt, einen wirtschaftlichen Wert haben. Dass das vom Antragsteller dadurch erzielte bzw. zu erzielende Arbeitsentgelt in Höhe von "ca. 420,00 Euro" brutto monatlich nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts seiner sechsköpfigen Familie ausreicht, ist nach der zitierten und bei der Auslegung des Frei¬zü¬gig¬keitsgesetzes/EU zu beachtenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unerheblich.
Die Antragstellerin zu 2) – als Ehegattin – und die Antragsteller zu 3) bis 6) – als Kinder – haben nach § 3 Abs. 1 S. 1 iVm Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU am aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers zu 1) teil, so dass es für die mit ihm nach § 7 Abs. 3 Nrn. 3 a und 4 SGB II in Bedarfsgemeinschaft lebende Antragstellerin zu 2) keiner Prüfung bedarf, ob sie ebenfalls arbeitssuchend ist. Der Anspruch der Antragsteller zu 3) bis 6) auf Sozialgeld ergibt sich aus § 28 SGB II.
Der Hilfebedarf der Antragsteller beträgt 1.686,00 Euro und setzt sich aus dem Regelsatz für verheiratete Erwachsene (2 x 323,00 = 646,00 Euro) sowie Sozialgeld für ein Kind ab dem 15. Lebensjahr (287,00 Euro) und drei Kinder zwischen dem 7. und 14. Lebensjahr (3 x 251,00 = 753,00 Euro) zusammen. Hiervon sind anrechenbares Einkommen des Antragstellers zu 1) in Höhe von 226,00 Euro (420,00 Euro abzüglich Versicherungspauschale gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Höhe von 30,00 Euro, Grundfreibetrag gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II in Höhe von 100,00 Euro sowie Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 64,00 Euro (20 vH von 320,00 Euro)) sowie Kindergeld in Höhe von 693,00 Euro (laut Bescheid der Familienkasse Nord vom 23. Februar 2010) abzuziehen, so dass sich ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 767,00 Euro errechnet. Zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 731,50 Euro monatlich ergibt sich somit ein Gesamtanspruch in Höhe von 1.498,50 Euro. Da das Arbeitsentgelt nach dem Arbeitsvertrag am Monatsende des Folgemonats zu zahlen ist, wird dem Antragsteller zu 1) erst Ende Oktober 2010 Arbeitsentgelt zufließen, so dass das Arbeits¬ent¬gelt auch erst ab Oktober 2010 – als Zuflussmonat - bedarfsmindernd berücksichtigt werden kann.
Für die Zeit vom 28. Juli bis 31. August 2010 ergibt sich der Anordnungsgrund aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Danach kann in beson¬deren Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anord¬nungsgrundes für zurückliegende Zeiträume erforderlich sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn an¬de¬renfalls effektiver Rechts¬schutz im Hauptsache¬ver¬fahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Ver¬fahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutz¬suchen¬den geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hin¬rei¬chend rück¬gängig machen lassen. Dass den Antrag¬stel¬lern hier ein Abwarten der Haupt¬sache¬entscheidung auch für den Zeitraum vom 28. Juli bis 31. August 2010 nicht zuzu¬muten ist, sondern der Beschluss des Sozialgerichts auch insoweit bereits unter dem Gesichts¬punkt der Folgenabwägung zu bestätigen ist, ergibt sich vor allem daraus, dass aufgrund der wirt¬schaft¬lichen Notlage, in der sich die Antragsteller befinden, erhebliche Mietrückstände aufgelaufen sind, die zu der fristlosen Kündi¬gung des Mietverhältnisses wegen Zahlungs¬ver¬zu¬ges vom 24. August 2010 geführt haben. Ausweislich des Kündigungsschreibens bestand am 24. August 2010 ein Mietrückstand in Höhe von 2.073,47 Euro.
Es sind deshalb hier die Grundsätze anzuwenden, die das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zum SGB II entwickelt hat (Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005,927 ff.). Die in Bezug auf die Vereinbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Artikel 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 bestehenden Zweifel reichen vorliegend aus, um über den Weg der Folgenabwägung auch für die Zeit vor dem 1. September 2010 die Entscheidung des Sozialgerichts aufrecht zu erhalten, insoweit wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts in seinem Beschluss vom 10. August 2010 Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Beschwerde des Antragsgegners hat in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang insoweit Erfolg, als ab Oktober 2010 das von dem Antragsteller zu 1) erzielte Erwerbseinkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen ist. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Jedenfalls seit dem 1. September 2010 haben die Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen der Grundsi¬che¬rung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für die Zeit vom 28. Juli bis 31. August 2010 kann der Senat offenlassen, ob ein der¬artiger Anspruch besteht, weil den Antrag¬stellern jedenfalls im Rahmen der hier zu tref¬fen¬den Folgenabwägung vorläufig Leistungen zu gewäh¬ren sind, denn anderenfalls ist zu befürchten, dass effektiver Rechtsschutz im Haupt¬sa¬che¬ver¬fahren nicht erlangt werden kann.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass nach materiellem Recht ein Anspruch auf die begehrte Leistung besteht (Anordnungsanspruch) und dass die Regelungsanordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch der Anordnungsgrund sind gemäß § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 86b Abs. 2 S. 4 SGG glaubhaft zu machen.
Der erwerbsfähige (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II) Antragsteller zu 1), der - ebenso wie die übri¬gen Antragsteller - die grie¬chi¬sche Staatsangehörigkeit besitzt, hat das 15. Lebensjahr voll¬endet, aber die Altersgrenze nach § 7 a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Seit dem 29. Oktober 2008 hält er sich - ausweislich der Frei¬zü¬gig¬keitsbescheinigung - in der Bundesrepublik Deutschland auf und lebt mit seiner - laut Frei¬zügig¬keits¬beschei¬ni¬gung - am 10. November 2008 eingereisten Ehe¬frau - der Antrag¬stellerin zu 2) - und den vier gemein¬¬samen minderjährigen Kindern - den Antragstellern zu 3) bis 6) - im Zuständig¬keits¬be¬reich des Antragsgegners. Die Familie hat somit ihren gewöhnlichen Auf¬ent¬halt in der Bundes¬republik Deutschland (erwerbsfähige Hilfebedürftige – § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Der Antragssteller zu 1) ist auch hilfebedürftig, denn er ist nicht in der Lage, seinen Lebensunter¬halt und den seiner Familie aus eigenen Kräften und Mitteln zu sichern (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II).
Dem Leistungsanspruch des Antragstellers zu 1) steht auch nicht § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegen. Hiernach sind "Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt", von den Leistungen nach dem SGB II ausgenommen. Im vorliegenden Fall ergibt sich das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1) nicht "allein aus dem Zweck der Arbeitssuche". Der Senat kann offen lassen, ob der Antragsteller zu 1) ursprünglich, im Okto¬ber 2008, – auch – zu diesem Zweck nach Deutschland eingereist ist. Er hat aber zwischen¬zeitlich vom 1. Dezember 2008 bis zum 30. September 2009 eine Tätigkeit als Autopfleger ausgeübt und ausweislich des dem Senat vorgelegten Arbeitsvertrages vom 31. August 2010 am 1. September 2010 eine Teilzeitbeschäftigung als Küchenhilfe in einem griechischen Restaurant aufge¬nommen. Aufgrund dessen hat er als "Arbeitnehmer" und Unionsbürger – unabhängig davon, ob er weiterhin eine andere (oder weitere) Arbeit sucht – ein Recht auf Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/ EU), denn seit der erneuten Arbeitsaufnahme hält er sich jedenfalls nicht ausschließlich zur Arbeitssuche, sondern auch zur Ausübung einer Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland auf.
Wie der Senat – im Anschluss an die Rechtsauffassung des 14. Senat dieses Gerichts (vgl. Beschlüsse vom 14. November 2006 – L 14 B 963/06 AS ER – und vom 30. Mai 2008 – L 14 B 282/08 AS ER - abrufbar unter www.sozial¬gerichts¬barkeit.de), bereits entschieden hat (Beschluss vom 29. Juni 2009 – L 34 AS 936/09 B ER – ebenfalls unter www.sozialgerichts¬bar¬keit.de), besteht das Aufenthaltsrecht als Arbeit¬nehmer ungeachtet des Umstandes, dass der Antragsteller nur eine geringfügige Beschäf¬tigung (im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 des Vierten Buchs des Sozialgesetzbuchs [SGB IV] – "Minijob") ausübt. Im FreizügG/EU findet sich keine Bestimmung, wonach "Arbeitnehmer" im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU nur ein mehr als geringfügig Beschäftigter wäre. Dies ergibt sich auch nicht aus einer Auslegung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Danach ist als "Arbeit¬nehmer" im Sinne der (europäischen) Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (die das Freizügigkeitsgesetz/EU umsetzt) auch anzusehen, wer eine Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis ausübt, mit der er weniger verdient, als im betreffenden Mitgliedstaat als Existenzminimum angesehen wird, vorausgesetzt, er übt tatsächlich eine echte Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis aus. Außer Betracht bleiben – lediglich – "Tätigkeiten, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen" (Urteile vom 23. März 1982 – Rs. 53/81, Levin gg. Staatssecretaris van Justitie –, Slg. S. 1035, RdNr. 17 und 18, sowie vom 26. Februar 1992 – Rs. C-357/89, Raulin gg. Minister van Onderwijs en Wetenschapen –, Slg. S. I-1027, RdNr. 13, und vom 4. Juni 2009 – Rs. C-22/08 Vatsouras und C-23/08 Koupatantze – in juris). Dafür kann ein Anhaltspunkt sein, dass die betreffende Person nur sehr wenige Stunden gearbeitet hat oder dass sich der Betroffene zur Arbeit auf Abruf des Arbeit¬ge¬bers zur Verfügung halten muss (Urteil vom 26. Februar 1992, a. a. O., RdNr. 14 und Beschlüsse des LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O.).
Die vom Antragsteller zu 1) ausgeübte Beschäftigung - bei der es sich nach dem Arbeitsvertrag vom 28. August 2010 nicht um eine geringfügige Tätigkeit handelt - ist nicht als "völlig untergeordnet und unwe¬¬¬sentlich" anzusehen. Er erbringt – auf der Grundlage des schriftlich abgeschlossenen – Arbeitsvertrages seit dem 1. Septem¬ber 2010 Arbeitsleistungen als Küchen¬hilfe, die für den Arbeitgeber, dessen Weisungen er unterliegt, einen wirtschaftlichen Wert haben. Dass das vom Antragsteller dadurch erzielte bzw. zu erzielende Arbeitsentgelt in Höhe von "ca. 420,00 Euro" brutto monatlich nicht zur Sicherung des Lebensunterhalts seiner sechsköpfigen Familie ausreicht, ist nach der zitierten und bei der Auslegung des Frei¬zü¬gig¬keitsgesetzes/EU zu beachtenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unerheblich.
Die Antragstellerin zu 2) – als Ehegattin – und die Antragsteller zu 3) bis 6) – als Kinder – haben nach § 3 Abs. 1 S. 1 iVm Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU am aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers zu 1) teil, so dass es für die mit ihm nach § 7 Abs. 3 Nrn. 3 a und 4 SGB II in Bedarfsgemeinschaft lebende Antragstellerin zu 2) keiner Prüfung bedarf, ob sie ebenfalls arbeitssuchend ist. Der Anspruch der Antragsteller zu 3) bis 6) auf Sozialgeld ergibt sich aus § 28 SGB II.
Der Hilfebedarf der Antragsteller beträgt 1.686,00 Euro und setzt sich aus dem Regelsatz für verheiratete Erwachsene (2 x 323,00 = 646,00 Euro) sowie Sozialgeld für ein Kind ab dem 15. Lebensjahr (287,00 Euro) und drei Kinder zwischen dem 7. und 14. Lebensjahr (3 x 251,00 = 753,00 Euro) zusammen. Hiervon sind anrechenbares Einkommen des Antragstellers zu 1) in Höhe von 226,00 Euro (420,00 Euro abzüglich Versicherungspauschale gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Höhe von 30,00 Euro, Grundfreibetrag gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 SGB II in Höhe von 100,00 Euro sowie Erwerbstätigenfreibetrag nach § 30 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Höhe von 64,00 Euro (20 vH von 320,00 Euro)) sowie Kindergeld in Höhe von 693,00 Euro (laut Bescheid der Familienkasse Nord vom 23. Februar 2010) abzuziehen, so dass sich ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 767,00 Euro errechnet. Zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 731,50 Euro monatlich ergibt sich somit ein Gesamtanspruch in Höhe von 1.498,50 Euro. Da das Arbeitsentgelt nach dem Arbeitsvertrag am Monatsende des Folgemonats zu zahlen ist, wird dem Antragsteller zu 1) erst Ende Oktober 2010 Arbeitsentgelt zufließen, so dass das Arbeits¬ent¬gelt auch erst ab Oktober 2010 – als Zuflussmonat - bedarfsmindernd berücksichtigt werden kann.
Für die Zeit vom 28. Juli bis 31. August 2010 ergibt sich der Anordnungsgrund aus dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Danach kann in beson¬deren Fällen ausnahmsweise auch die Annahme eines Anord¬nungsgrundes für zurückliegende Zeiträume erforderlich sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn an¬de¬renfalls effektiver Rechts¬schutz im Hauptsache¬ver¬fahren nicht erlangt werden kann, weil bis zur Entscheidung im Ver¬fahren der Hauptsache Fakten zum Nachteil des Rechtsschutz¬suchen¬den geschaffen worden sind, die sich durch eine - stattgebende - Entscheidung im Verfahren der Hauptsache nicht oder nicht hin¬rei¬chend rück¬gängig machen lassen. Dass den Antrag¬stel¬lern hier ein Abwarten der Haupt¬sache¬entscheidung auch für den Zeitraum vom 28. Juli bis 31. August 2010 nicht zuzu¬muten ist, sondern der Beschluss des Sozialgerichts auch insoweit bereits unter dem Gesichts¬punkt der Folgenabwägung zu bestätigen ist, ergibt sich vor allem daraus, dass aufgrund der wirt¬schaft¬lichen Notlage, in der sich die Antragsteller befinden, erhebliche Mietrückstände aufgelaufen sind, die zu der fristlosen Kündi¬gung des Mietverhältnisses wegen Zahlungs¬ver¬zu¬ges vom 24. August 2010 geführt haben. Ausweislich des Kündigungsschreibens bestand am 24. August 2010 ein Mietrückstand in Höhe von 2.073,47 Euro.
Es sind deshalb hier die Grundsätze anzuwenden, die das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zum SGB II entwickelt hat (Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005,927 ff.). Die in Bezug auf die Vereinbarkeit der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II mit Artikel 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 bestehenden Zweifel reichen vorliegend aus, um über den Weg der Folgenabwägung auch für die Zeit vor dem 1. September 2010 die Entscheidung des Sozialgerichts aufrecht zu erhalten, insoweit wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts in seinem Beschluss vom 10. August 2010 Bezug genommen (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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