L 19 AL 55/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 33 AL 8/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AL 55/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 06.01.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger bezog von der Beklagten bis einschließlich März 2004 Arbeitslosenhilfe. Die Beklagte stellte die Leistungsgewährung an den Kläger im Zusammenhang mit seinem Nichterscheinen zu einer ärztlichen Untersuchung ein. Der Kläger erschien in der Folgezeit - mit Ausnahme einer dokumentierten Vorsprache in einer Geschäftsstelle der Beklagte am 29.07.2004 - nicht mehr persönlich. Die Beklagte führte ihn ab dem 21.05.2004 als arbeitssuchend, ab dem 29.07.2004 als arbeitslos. Seit dem 01.01.2005 bezieht der Kläger Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Am 23.07.2004 beantragte der Kläger die Zusendung einer Ablichtung der Arbeitslosenmeldeverordnung in Kopie sowie einer Bedienungsanleitung für das Stellen-Informations-System (SIS) der Beklagten. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15.11.2006 ab und wies den Widerspruch des Klägers hiergegen mit Bescheid vom 22.12.2006 als unbegründet zurück.

Mit der am 05.01.2007 zum Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger sein Interesse weiterverfolgt und schriftsätzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 15.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Ablichtung der Arbeitslosenmeldeverordnung sowie der Bedienungsanleitung für das SIS zur Verfügung zu stellen.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 06.01.2010 die Klage abgewiesen. Sie sei unzulässig, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits seit zwei Jahren nicht mehr zuständiger Leistungsträger des Klägers sei. Daher sei kein Interesse des Klägers erkennbar, noch in den Besitz der begehrten Unterlagen zu kommen. Auf die weitere Begründung des Gerichtsbescheides wird Bezug genommen.

Gegen den am 09.01.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 09.02.2010 Berufung eingelegt, die angekündigte Begründung jedoch nicht abgegeben.

Die Beklagte hat auf Anfrage mitgeteilt, dass das SIS, zu dem der Kläger bereits Informationen erhalten habe, nicht mehr existiere.

Zur mündlichen Verhandlung des Senats ist trotz ordnungsgemäßer Ladung keiner der Beteiligten erschienen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat durfte in Abwesenheit der nicht erschienenen Beteiligten aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden (vgl. zu dieser Möglichkeit Humpert in Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 3. Auflage, § 126 Rn. 4; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 126 Rn. 4). Die Beteiligten haben mit der Ladung den Hinweis erhalten, dass auch im Falle ihres Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann, §§ 63, 110 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auch zur Überzeugung des Senats ist ein Rechtsschutzbedürfnis nicht gegeben, soweit der Kläger die Bedienungsanleitung für das SIS zur Verfügung gestellt bekommen möchte. Denn zum Zeitpunkt der Klageerhebung war der Kläger bereits zwei Jahre lang Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und die Beklagte insofern nicht mehr zuständiger Leistungsträger. Unabhänging davon ist dieses Stellen-Informations-System nicht mehr in Betrieb und geht der Anspruch deshalb ins Leere. Ferner geht die Klage ins Leere, soweit der Kläger die Arbeitslosenmeldeverordnung zur Verfügung gestellt bekommen will, da es eine solche weder gab noch gibt. In Auswertung des Akteninhalts und unter Einbeziehung des mutmaßlichen wirtschaftlichen Interesses des Klägers lässt sich die Klage als Feststellungsklage auslegen, gerichtet auf die Feststellung der Recht und Pflichten des Klägers gegenüber der Beklagten im Hinblick auf das Erfordernis persönlicher Arbeitslosmeldung. Nach § 123 SGG entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Auch dann, wenn ein bestimmter Antrag schriftsätzlich angekündigt ist, bedarf es gerichtlicher Prüfung, ob sich der Antrag mit dem gemäß § 123 maßgeblichen Anspruch deckt, denn nur dann kann dieser entscheidend sein (Humpert aaO, § 123 Rn. 3 mwN). Nach dem in der Klageschrift angekündigten Antrag hat der Kläger zwar ausdrücklich die Aushändigung einer Arbeitslosenmeldeverordnung begehrt. Aus seinem Vorbringen wird jedoch deutlich, dass es ihm um die Klärung der Rechtsfrage geht, ob es einer wiederholten persönlichen Arbeitslosmeldung bei der Beklagten bedurfte. Dies ergibt sich aber aus dem Gesetz.

Das Erfordernis einer persönlichen Arbeitslosmeldung regelte im Geltungszeitraum des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) bis zum 31.12.1997 § 15 AFG. Nach § 15 Abs. 2 AFG wurde das Vermittlungsgesuch eines Arbeitssuchenden, der weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosenhilfe bezieht, drei Monate bearbeitet. Der Arbeitsuchende konnte es erneuern, § 15 Abs. 2 S. 2 AFG. In der Zeit danach bestimmte § 38 Abs. 4 des zum 01.01.1998 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III), dass die Arbeitsvermittlung durchzuführen war, solange der Arbeitsuchende Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit beanspruchte oder wenn der Arbeitsuchende eine ihm nicht zumutbare Beschäftigung angenommen hatte und die Weiterführung verlangte, jedoch nicht länger als sechs Monate. Im Übrigen war die Arbeitsvermittlung nach drei Monaten einzustellen. Der Arbeitsuchende konnte sie erneut in Anspruch nehmen (§ 38 Abs. 4 S. 2 und 3 SGB III). Aktive Arbeitsplatzsuche unter Nutzung der Möglichkeiten der Arbeitsvermittlung der Bundesanstalt für Arbeit war bzw. ist Voraussetzung der rentenversicherungsrechtlichen Anerkennung von Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit. Der Tatbestand einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit kann nur erfüllt werden, wenn der Arbeitslose sich wenigstens alle drei Monate bei der Bundesanstalt für Arbeit als weiterhin eine rentenversicherte Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit suchend meldet (vgl. Urteile des BSG vom 18.07.1996 - B 4 RA 69/95 - sowie vom 30.08.2001 - B 4 RA 22/01 R - jeweils mwN). Die danach erforderlichen Meldungen bzw. deren Erneuerung hat der Kläger nicht vorgenommen, dieses Versäumnis lässt sich nicht mehr nachholen. Einer Feststellungsklage fehlt somit das nach § 55 Abs. 1 SGG erforderliche berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung. Entsprechendes gilt auch für eine Fortsetzungsfeststellungsklage. Deren Zulässigkeit setzt das Bestehen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses voraus. Hierfür genügt zwar ein durch die Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigtes Interesse, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann. Die angestrebte Entscheidung muss aber geeignet sein, die Position des Klägers zu verbessern. Dies kann hier ausgeschlossen werden. Wegen fehlen der Leistungszuständigkeit der Beklagten II für den Kläger ab dem 01.01.2005 scheidet eine Wiederholungsgefahr aus. Solange der Kläger nicht eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit von Anwartschaft begründender Dauer ausgeübt hat, besteht rechtlich keine Möglichkeit der Begründung eines neuen Sozialversicherungsverhältnisses zur Beklagten. Nach Aktenlage gibt es hierfür keinen Anhalt.

Sollte das Vorbringen des Klägers dahingehend auszulegen sein, dass weitere Zeiten der Arbeitslosigkeit rentensteigernd zu berücksichtigen sind, kann er dieses Begehren nicht gegenüber der Beklagten durchsetzen. hierfür ist der Rentenversicherungsträger zuständig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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