S 7 KR 170/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 KR 170/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin ab 01.04.2007 bei der Beklagten gegen Krankheit pflichtversichert ist.

Die am 17.03.1972 geborene Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige. Ihr wurde am 10.08.1998 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Diese hatte sie aufgrund einer damals bestehenden Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen erhalten. Einer Auskunft des Einwohneramtes - Ausländerwesen - der Stadt Nürnberg vom 22.12.2009 zufolge bestand zum Zeitpunkt der Erteilung der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (seit 01.01.2005: Niederlassungserlaubnis) keine Verpflichtungserklärung zur Sicherung des Lebensunterhaltes durch die Klägerin. Die Klägerin hatte zunächst von der ARGE Nürnberg Arbeitslosengeld II bezogen (Bescheid vom 15.08.2005; Aufhebung der Leistungsbewilligung zum 01.11.2005 mit Bescheid der ARGE Nürnberg vom 14.09.2005). Diese Leistungen wurden von der ARGE Nürnberg nur bis zum 31.10.2005 erbracht, weil von einer mittlerweile eingetretenen Erwerbsunfähigkeit der Klägerin ausgegangen wurde. Zugrunde lag das arbeitsamtsärztliche Gutachten vom 23.08.2005. Vom damaligen Betreuer wurden beim Sozialamt der Stadt Nürnberg Leistungen beantragt. Daraufhin erhielt die Klägerin vom Sozialamt der Stadt Nürnberg ab 01.11.2005 Leistungen zum Lebensunterhalt. Für die Klägerin wählte der damalige Betreuer die Beklagte als Krankenkasse im Rahmen des § 264 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Entsprechend erfolgte ab 01.11.2005 die Leistungserbringung durch die Beklagte gemäß § 264 SGB V. Schließlich zog der am 08.01.1992 geborene Sohn wieder zur Klägerin. Dies führte aufgrund der bereits eingetretenen Vollendung des 15. Lebensjahres des Sohnes dazu, dass das Sozialamt der Stadt Nürnberg mit Bescheid vom 21.12.2007 die bisherige Gewährung von Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII zum 01.02.2008 einstellte. Das Amt verwies darauf, dass der Sohn das 15. Lebensjahr vollendet habe und nunmehr ein Leistungsantrag bei der ARGE Nürnberg gestellt werden solle, weil die Klägerin zusammen mit dem Sohn eine Bedarfsgemeinschaft bilden könne. Die Leistungserbringung nach § 264 SGB V für das Sozialamt erfolgte durch die Beklagte bis 31.10.2009. Das Sozialamt beendete die Sicherstellung der Krankenversicherung für die Klägerin über § 264 SGB V, indem sie die Klägerin bei der Beklagten wieder abmeldete, weil sie nach eigenen Angaben festgestellt hatte, dass eine Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V bestand. Mittlerweile lebt die Klägerin, zeitweise mit einem Lebensgefährten und zeitweise mit ihrem Sohn in einer Bedarfsgemeinschaft, so dass sie laufend Sozialgeld von der ARGE Nürnberg bezog. Aufgrund der Behandlungsbedürftigkeit der Klägerin wurden vom Sozialamt der Stadt Nürnberg Krankenscheine zu Händen der Betreuerin der Klägerin ausgestellt. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts erfolgte Sicherstellung der Krankenbehandlung erneut über § 264 SGB V.

Für die Klägerin ist eine Betreuung errichtet. Der Aufgabenkreis der bestellten Betreuerin umfasst u. a. die Gesundheitsfürsorge und die Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden, sowie gegenüber Sozialleistungs- und Versicherungsträgern. Die Betreuerin vertritt die Klägerin im zugewiesenen Aufgabenkreis gerichtlich und außergerichtlich.

Die Klägerin reichte bei der Beklagten das Formblatt "Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V" ein. Mit Bescheid vom 02.11.2009 lehnte die Beklagte die Durchführung der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ab. Dies wurde unter Bezugnahme auf einen (nicht ausdrücklich genannten) Ausnahmetatbestand damit begründet, dass der Beklagten bislang kein Nachweis darüber vorliege, dass für die Klägerin eine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht bestehe.

Die Betreuerin der Klägerin erhob hiergegen mit Telefax vom 03.11.2009 Widerspruch. Dieser wurde damit begründet, dass § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nach Erhalt der Niederlassungserlaubnis im Jahr 1998 nicht mehr zutreffe. Das Sozialamt der Stadt Nürnberg hatte der Beklagten in einem Schreiben mitgeteilt, dass die unbefristete Aufenthaltserlaubnis noch nach altem Recht erteilt worden ist. Die Sicherung des Lebensunterhaltes sei nicht erforderlich gewesen. § 5 AufenthG sei erst am 01.01.2005 in Kraft getreten.

Mit Bescheid vom 15.04.2010 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. In den Gründen wird auf die Regelung in § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V Bezug genommen. Danach werden Ausländer, die nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den EWR oder Staatsangehörige der Schweiz sind, von der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erfasst, wenn sie eine Niederlassungserlaubnis oder eine Aufenthaltserlaubnis auf mehr als 12 Monate nach dem AufenthG besitzen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG besteht. Der Widerspruchsausschuss vertrat die Auffassung, dass im Falle der Klägerin Voraussetzung für die Niederlassungserlaubnis ist, dass diese ihren Lebensunterhalt sichere. Weiter heißt es: "Nachdem Frau S. seit 10.08.1998 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 28 Abs. 2 AufenthG ist und bislang kein Nachweis darüber vorliegt, dass eine Verpflichtung zum Lebensunterhalt nicht besteht, kommt ein Versicherungsschutz nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht in Betracht". Auch nach altem Ausländergesetz habe die grundsätzliche Verpflichtung zum Lebensunterhalt bestanden. Die Tatsache, dass jemand eine unbefristete Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis besitze, sei kein Indiz für den Verzicht auf die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Hiergegen richtet sich die am 05.05.2010 bei Gericht eingegangene Klage.

Das Gericht hat die Pflegekasse der AOK Bayern, Direktion Mittelfranken, zum Verfahren notwendig beigeladen (vgl. Beschluss vom 30.07.2010).

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Durchführung einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht daran scheitert, dass für die Erteilung des Aufenthaltstitels die Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes bestanden hätte. Eine solche Verpflichtungserklärung habe die Klägerin nicht abgegeben. Sie sei bereits seit 10.08.1998 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 28 Abs. 2 AufenthG. Auf die Mitteilungen des Ausländeramtes und des Sozialamtes der Stadt Nürnberg wird Bezug genommen. Die Bevollmächtigte der Klägerin legte noch die Auskunft des Ausländeramtes vom 19.04.2010 vor, wonach die unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 Ausländergesetz erteilt wurde.

Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 02.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2010 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin ab 01.04.2007 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V ist, sowie die Beklagte zu verurteilen, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug.

Die Beigeladene beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§§ 90, 92, 87 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg (§§ 51 Abs. 1, 57 Abs. 1 Satz 1 SGG) erhobene Klage ist zulässig.

Die Klage ist jedoch nicht begründet, da die Klägerin ab 01.04.2007 bei der Beklagten nicht gegen Krankheit pflichtversichert ist. Insbesondere liegt der Auffangtatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Versicherungspflicht im Falle der Klägerin nicht vor.

Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I 378) wurden u. a. Tatbestände der Versicherungspflicht eingeführt. Auf einen solchen Tatbestand nimmt die Klägerin Bezug. § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V bestimmt für die Zeit ab 01.04.2007, dass versicherungspflichtig Personen sind, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren. Diese Versicherungspflicht ist subsidiär, so dass jede andere Absicherung im Krankheitsfall vorgeht (vgl. § 5 Abs. 8 a Satz 1 SGB V; Krauskopf-Baier, SozKV, Rdnr. 78 zu § 5 SGB V). Die Klägerin war zunächst durch den Bezug von Leistungen des Arbeitslosengeldes II gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V gegen Krankheit pflichtversichert. Der Ärztliche Dienst der Bundesagentur für Arbeit stellte dann während des laufenden Leistungsbezuges von Arbeitslosengeld II fest, dass die Klägerin nicht mehr erwerbsfähig war. Dies führte zum Bescheid der ARGE Nürnberg vom 14.09.2005. Die Klägerin hatte nach Auslaufen des Bezuges von Arbeitslosengeld II aufgrund der nur 10-monatigen Bezugsdauer nicht die Möglichkeit, sich bei der Beklagen gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 SGB V freiwillig gegen Krankheit zu versichern.

Zunächst hatte die Beklagte nach der Abmeldung durch die ARGE die Krankenbehandlung nach § 264 SGB V übernommen, ehe das Sozialamt der Stadt Nürnberg Krankenhilfe nach § 48 SGB XII leistete. Schließlich hatte die Klägerin erneut eine Krankenversichertenkarte erhalten, über die sie auch derzeit verfügt, nachdem sie das Sozialamt erneut auf der Grundlage des § 264 SGB V bei der Beklagten anmeldete.

Zwar ist der Beklagten im Ergebnis zuzustimmen, dass eine Versicherungspflicht der Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V nicht besteht. Allerdings ist der Beklagten nicht darin zu folgen, wenn sie sich darauf beruft, im vorliegenden Fall würde sich der Ausschluss der Versicherungspflicht aus § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V ergeben. Die Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige und damit Ausländerin. Zugleich ist sie nicht Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union und nicht Angehörige eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum und auch nicht Staatsangehörige der Schweiz. Dieser in § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V beschriebene Personenkreis wird nur unter bestimmten Voraussetzungen von der Versicherungspflicht nach Abs. 1 Nr. 13 erfasst. Es muss eine Niederlassungserlaubnis erteilt sein oder der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis mit einer Befristung auf mehr als 12 Monate nach dem AufenthG vorliegen und für die Erteilung dieser Aufenthaltstitel keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 des AufenthG bestehen. Letzteres wird von der Beklagten nicht angenommen. Die Beklagte geht davon aus, dass eine Verpflichtung der Klägerin zur Sicherung des Lebensunterhaltes zur Erlangung des Aufenthaltstitels notwendig war. Zunächst ist hervorzuheben, dass der Klägerin keine Niederlassungserlaubnis erteilt wurde (vgl. § 9 AufenthG). Dies hat seinen Grund darin, dass die Klägerin ihren auch jetzt noch gültigen Aufenthaltstitel unter der Geltung des Gesetzes über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern im Bundesgebiet (Ausländergesetz - AuslG) erlangte. Die Klägerin hatte am 09.02.1995 mit einem deutschen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen. Diese Ehe wurde vom Amtsgericht Nürnberg mit Urteil vom 25.01.2001 geschieden. Der Klägerin wurde zuvor nach 3-jährigem Besitz der Aufenthaltserlaubnis als Ehegattin des deutschen Staatsangehörigen am 10.08.1998 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis nach § 25 AuslG erteilt. Nach § 25 Abs. 1 AuslG genügte bei Ehegatten, die in ehelicher Lebensgemeinschaft zusammenleben, wenn die in § 24 Abs. 1 Nr. 2 und 3 und Abs. 2 Satz 1 bezeichneten Voraussetzungen durch einen Ehegatten erfüllt wurden. Es war somit ausreichend, wenn ein Ehegatte - in diesem Fall also der Ehemann - aus eigenem Vermögen oder sonstigen eigenen Mitteln (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AuslG) oder durch einen eigenen Anspruch auf Arbeitslosengeld oder auf Arbeitslosenhilfe für sechs Monate (§ 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AuslG) Anspruch hatte. Die unbefristete Aufenthaltserlaubnis war somit nicht von der Verpflichtung der Klägerin zur Sicherung des Lebensunterhaltes abhängig. Daher besteht für die Klägerin auch keine Verpflichtung zur Sicherung des Lebensunterhaltes, die wiederum in § 5 Abs. 11 Satz 1 SGB V als Ausschlussgrund für den Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V vorgesehen ist.

Solange die Klägerin vom Sozialamt der Stadt Nürnberg bis 31.01.2008 Leistungen nach dem 3. Kapitel des SGB XII bezog, war die Durchführung einer Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V gemäß § 5 Abs. 8 a Satz 2 SGB V ausgeschlossen. Diese Leistungen nach dem 3. Kapitel SGB XII wurden vom Sozialamt eingestellt, weil der erwerbsfähige Sohn der Klägerin, der bereits das 15. Lebensjahr vollendet hatte, in die Wohnung der Klägerin zog. Fortan bezog die Klägerin Sozialgeld. Auch nach dem Beginn des Sozialgeldbezuges durch die Begründung einer Bedarfsgemeinschaft, zunächst mit dem Sohn und später auch mit dem Lebensgefährten, blieb der vorgenannte Tatbestand zur Versicherungspflicht ausgeschlossen. Allerdings ergibt sich dies nicht aus der Regelung in Satz 2 des Abs. 8 a des § 5 SGB V. Dieser Ausschlusstatbestand erfasst die Empfänger laufender Leistungen nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel des SGB XII. Von der Regelung nicht erfasst wird das 5. Kapitel SGB XII, also die Hilfen zur Gesundheit. Daraus ist nicht zu schließen, dass Empfänger von Sozialgeld nach § 28 SGB II, die Anspruch auf Krankenhilfe nach dem 5. Kapitel SGB XII haben, versicherungspflichtig nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V sind. Es trifft zu, dass im Entwurf des Gesetzes ursprünglich der Ausschlusstatbestand die Empfänger von Leistungen nach dem Dritten bis Neunten Kapitel des SGB XII erfasste. In der Beschlussempfehlung des 14. Ausschusses des Deutschen Bundestages (Ausschuss für Gesundheit) vom 31.01.2007 wurde die Fassung vorgeschlagen, die auch Gesetz geworden ist (vgl. BT-Drs. 16/4200). Danach galt der Ausschluss für Empfänger laufender Leistungen nach dem Dritten, Vierten, Sechsten und Siebten Kapitel des SGB XII. Diese Beschlussempfehlung ist aber vor dem Hintergrund zu sehen, dass auch eine Ergänzung empfohlen wurde, die ebenfalls Gesetz wurde und sich in § 5 Abs. 8 a Satz 3 SGB V findet. Dieser Ausschlusstatbestand soll auch gelten, wenn der Anspruch auf diese Leistungen für weniger als einen Monat unterbrochen ist. Mit dieser Regelung wird ein Anspruch auf Krankenhilfe nach dem 5. Kapitel SGB XII begründet, auch wenn die Leistungserbringung nach dem 3., 4., 6. und 7. Kapitel SGB XII für weniger als einen Monat unterbrochen ist. Mit diesem Satz 3 der Ausschlussregelung war es systematisch erforderlich, das 5. Kapitel des SGB XII aus Satz 2 des Gesetzentwurfes herauszunehmen. Daraus kann somit nicht gefolgert werden, dass Bezieher von Sozialgeld mit Anspruch auf Krankenhilfe nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V grundsätzlich pflichtzuversichern sind.

Das Sozialgeld nach § 28 SGB II erhalten nicht erwerbsfähige Angehörige eines erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, wenn sie mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Bedarfsgemeinschaft bilden, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches haben und die ihren Bedarf nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen decken können. Bezieher von Sozialgeld sind, anders als die Bezieher des Arbeitslosengeldes II, nicht pflichtversichert gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 a SGB V. Das Sozialgeld umfasst die sich aus § 19 Satz 1 SGB II ergebenden Leistungen. Im Verhältnis der Leistung Sozialgeld zu den Leistungen nach dem SGB XII gilt, dass ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger - in vergleichbarer Lage vor dem Inkrafttreten des SGB II - Sozialhilfe erhielte. Nach dem Inkrafttreten des SGB II erhält er nun ausschließlich, weil er mit einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, keine Sozialhilfeleistungen, sondern solche nach dem SGB II (vgl. Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, Rdnr. 3 zu § 28). Für diesen Personenkreis ist im SGB II keine Regelung zum Krankenversicherungsschutz enthalten. Die Empfänger von Sozialgeld nach § 28 SGB II haben allerdings eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Dies hat seinen Grund darin, dass ihre Krankenbehandlung entweder über den Anspruch aus § 48 SGB XII oder über die gesetzliche Krankenversicherung nach § 264 SGB V sichergestellt ist. Bei einem Anspruch auf Krankenhilfe nach § 48 SGB XII ist der Tatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V nicht gegeben, weil eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorliegt (vgl. Wille-Koch, Die Gesundheitsreform 2007, Rdnr. 62; Orlowski/Wasem, Gesundheitsreform 2007, B I 1a; Baier, a. a. O. Rdnr. 78; Kasseler Kommentar-Peters, Rdnr. 163 zu § 5 SGB V). Unter Absicherung im Sinne des Auffangtatbestandes des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sind nicht nur Versicherungen zu verstehen, sondern auch jede andere Form des Schutzes im Krankheitsfall. Dazu zählt auch die Krankenhilfe nach § 48 SGB XII, völlig unabhängig davon, ob die Hilfe bei Krankheit direkt vom Sozialhilfeträger übernommen wird oder ob die Übernahme der Krankenbehandlung nicht versicherter Sozialhilfeempfänger nach § 264 SGB V erfolgt (vgl. Peters, a. a. O., Rdnr. 163). Dies ergibt sich auch aus der Begründung zum Entwurf des GKV-WSG (vgl. BT-Drs. 16/3100, S. 94). Mit dem Auffangtatbestand des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sollte verhindert werden, dass weiterhin Menschen aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen Aufwendungen für den Krankheitsfall selbst tragen müssen. Ziel des Gesetzgebers war es, die Zahl der Menschen ohne Absicherung im Krankheitsfall, die in den vorangegangenen Jahren stetig angestiegen war, abzusenken. Nach der Begründung sind ohne Anspruch auf anderweitige Absicherung im Krankheitsfall "insbesondere die nicht gesetzlich oder privat krankenversicherten Personen", "die keinen Anspruch auf Hilfe bei Krankheit nach § 40 SGB VIII, § 48 SGB XII, § 264 SGB V, auf Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz oder auf sonstige Gesundheitsfürsorge haben, die nicht beihilfeberechtigt sind ".

Der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 8 a SGB V ergänzt, was den Bezug von Leistungen nach dem SGB XII anlangt, die allgemeine Regelung über die Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, dass anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall besteht (vgl. Wille-Koch, a. a. O., Rdnr. 61). Daher kann der Umstand, dass das Sozialgeld nicht im Ausschlusstatbestand des Abs. 8 a aufgeführt ist, nicht zur Versicherungspflicht führen. Liegt der Ausschlusstatbestand des § 5 Abs. 8 a SGB V nicht vor, bedeutet dies nicht, dass keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall vorliegt. Andernfalls hätte es der negativen Anspruchsvoraussetzung des "anderweitigen Anspruchs auf Absicherung im Krankheitsfall" in der Nr. 13 selbst nicht bedurft. Es stellt sich daher auch nicht die Frage, ob § 5 Abs. 1 Nr. 8 a SGB V analog auf die Bezieher von Sozialgeld anzuwenden ist.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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