Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 P 1298/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 765/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Januar 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe III statt II ab September 2007.
Die am 1953 geborene Klägerin leidet seit Oktober 1997 unter den Folgen eines Apoplex (Schlaganfall). Zurück blieben eine Hemiparese links mit spastischen Komponenten und zunehmender Inkontinenz. Sie leidet ferner unter ausgeprägter Fettleibigkeit, koronarer Herzkrankheit, Bluthochdruck und Diabetes.
Nach den von der Klägerin und ihren behandelnden Ärzten vorgelegten Berichten und Arztbriefen waren in den letzten Jahren folgende stationäre Behandlungen erforderlich: Vom 24. Mai bis 23. Juli 2004 im Fachkrankenhaus N. Bereich Psychosomatik (Fachärztin für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin Dr. V. vom 17. August 2004); vom 04. bis 06. Oktober 2006 in der S. H. Klinik M. (Arztbrief des Chefarztes Dr. J., ohne Datum); vom 05. bis 16. Februar 2007 wegen einer Leistenhernie im T.-krankenhaus M. (Arztbrief des Oberarztes Dr. Q. vom 21. Februar 2007); vom 15. bis 23. März 2007 im D.-krankenhaus M. (Arztbrief des Chefarztes Dr. T. vom 23. März 2007); im T.-krankenhaus vom 26. bis 30. März 2007 (Arztbrief vom 29. März 2007); vom 06. bis 10. August 2007 im D.-krankenhaus (Arztbrief des Chefarztes Dr. S. vom 29. August 2007); vom 22. bis 23. August 2007 wieder im T.-krankenhaus (Arztbrief des Chefarztes Prof. Dr. R. vom 27. August 2007); vom 09. bis 13. Oktober 2007 und vom 19. bis 22. Februar 2008 wieder im D.-krankenhaus (Arztbriefe des Chefarztes Dr. T. vom 13. Oktober 2007 und 22. Februar 2008); vom 10. bis 16. April 2008 im D.-krankenhaus (Arztbrief des Oberarztes Dr. v. G.-H. vom 14. April 2008); nochmals dort vom 23. bis 25. Juli 2008 (Arztbrief des Dr. T. vom 25. Juli 2008).
Die Beklagte bewilligte ab 14. März 1998 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 02. April 1998) sowie ab 01. Mai 2000 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (angenommenes Anerkenntnis vom 15. März 2001). Aufgrund der von ihr veranlassten Nachuntersuchungen (Gutachten der Ärztin Dr. A. vom 13. Juni 2002 und sozialmedizinische Beratung von G. R. vom 10. Juli 2006) unterrichtete die Beklagte die Klägerin unter dem 18. Juni 2002 und 17. Juli 2006 jeweils, dass es bei den bisherigen Pflegeleistungen verbleibe bzw. sie weiterhin Leistungen aus der Pflegestufe II erhalte.
Die Klägerin beantragte am 13. September 2007 Höherstufung in Pflegestufe III. Pflegefachkraft Frau P. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg in M. erstattete das Gutachten vom 07. November 2007. Im Bereich der Grundpflege bestehe Hilfebedarf für Körperpflege von 112 Minuten (Teilwäsche Unterkörper 20, Duschen 20, Zahnpflege vier, Kämmen eine, Richten der Bekleidung 14, Windelwechsel nach Wasserlassen 30, Windelwechsel nach Stuhlgang neun sowie Wechseln kleiner Vorlagen 14 Minuten täglich). Für die Ernährung seien zwölf Minuten aufzuwenden (mundgerechte Zubereitung der Nahrung zehn, Aufnahme der Nahrung zwei Minuten). Im Bereich der Mobilität seien 39 Minuten anzusetzen (Aufstehen/Zu-Bett-Gehen acht, Ankleiden zehn, Entkleiden fünf, Gehen 14 und Transfer zwei Minuten). Erschwerend sei das Übergewicht zu beachten. Zum Zeitaufwand für die Grundpflege von 163 Minuten komme ein solcher für die Hauswirtschaft im Wochendurchschnitt von 60 Minuten. Durch Bescheid vom 27. November 2007 lehnte die Beklagte "Pflegeleistungen" nach Pflegestufe III ab, weil der hierfür vorausgesetzte erhebliche Hilfebedarf zurzeit nicht festgestellt werden könne.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie brauche in jeder Lage Hilfe wie z.B. drei- bis viermaliges Abduschen bei Nacht, Baden, Zahnpflege und Toilettengang. Sie müsse sich dreimal täglich anziehen und ausziehen. Wegen der Inkontinenz müsse sie häufig gereinigt werden. Der Aufwand für Pflegestufe III von über fünf Stunden sei erreicht.
Auf Anfrage der Beklagten übersandte Internist Dr. U. den Auszug aus seiner Patientenkartei vom 01. Februar 2008 sowie den Bericht des Chefarztes Prof. Dr. R. vom 27. August 2007 und machte Angaben zum Hilfebedarf. Ärztin Dr. Bl. vom MDK erstattete das Gutachten vom 14. Februar 2008. In Kenntnis des Vorgutachtens setzte sie für Körperpflege und Mobilität einen etwas höheren Zeitbedarf an (115 bzw. 40 Minuten), dies ergebe mit den zwölf Minuten für Ernährung insgesamt 167 Minuten täglich. Die Klägerin erklärte auf Anfrage, sie halte am Widerspruch fest. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ unter Bezugnahme auf die im Wesentlichen einheitlichen Gutachtensergebnisse den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 16. April 2008.
Mit der am 21. April 2008 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie verblieb dabei, sie sei in allen Dingen des täglichen Lebens auf Hilfe angewiesen. Die linke Körperhälfte sei vollständig gelähmt, so dass sie weder laufen, sich waschen, anziehen oder auf die Toilette gehen könne. Sie müsse dreimal täglich geduscht werden. Außerdem leide sie unter Angstzuständen und Panikattacken. Die Klägerin legte einen Teil der eingangs zitierten Berichte über die stationären Behandlungen sowie Befunde über ambulante Überweisungen vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Urologe Dr. Hi. nannte in der Aussage vom 14. Juni 2008 die ihm bekannten Diagnosen (Zustand nach Schlaganfall, Diabetes mellitus, Blasenentleerungsstörung und Harninkontinenz bei interstitieller Cystitis) und verwies im Wesentlichen auf den Hausarzt. Internist Dr. U. nannte in der Aussage vom 14. September 2008 eine regelmäßige Behandlung der Klägerin (Beratungen etwa fünf- bis siebenmal im Quartal, Hausbesuche etwa drei- bis viermal im Quartal) und nahm einen höheren Pflegebedarf an (Körperpflege 130, Ernährung 30 und Mobilität 60 Minuten). Die Ärzte fügten die Berichte über die zitierten stationären Behandlungen und ambulanten Überweisungen bei.
Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Mu. erstattete aufgrund Untersuchung vom 06. Oktober 2008 das Gutachten vom 03. November 2008. Er kam zu einem täglichen Zeitbedarf für die Körperpflege von 95 Minuten (Waschen selbst möglich, Duschen/Baden, wobei nächtliche Erforderlichkeit nicht nachvollzogen werden könne, jedoch unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Zeitaufwands von höchstens 15 Minuten für Abduschen des Unterkörpers wegen Inkontinenz 40 Minuten; Zahnpflege selbst möglich, Kämmen vier Minuten; Darm- und Blasenentleerung 51 Minuten). Im Bereich der Ernährung sei für mundgerechte Zubereitung der Nahrung ein Bedarf von zehn Minuten zu schätzen; die Aufnahme der Nahrung könne eigenständig erfolgen. Schließlich seien für die Mobilität 67 Minuten zu schätzen (Aufstehen und Zu-Bett-Gehen fünf Minuten, An- und Auskleiden 26 Minuten, Gehen/Stehen/Transfers unter Berücksichtigung nächtlicher Toilettengänge 34 Minuten; Treppensteigen zwei Minuten; zusätzliche Zeit für Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht erforderlich). Insgesamt ergäben sich täglich 172 Minuten; hinzu komme der Zeitaufwand für die Hauswirtschaft von etwa 60 Minuten. Die Klägerin lehnte es bei zweimaliger Anfrage ab, das Gutachtensergebnis zu akzeptieren.
Durch Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2009 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung nahm es auf den im Wesentlichen übereinstimmend von den Gutachterinnen und Sachverständigen ermittelten Zeitaufwand Bezug. Selbst Internist Dr. U. habe mit 220 Minuten einen Zeitaufwand von weniger als 240 Minuten genannt. Selbst wenn die für die drei einzelnen Bereiche (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) jeweils in Gutachten und sachverständigen Zeugenaussagen genannten höchsten angesetzten Zahlen berücksichtigt würden, ergäben sich insgesamt 212 Minuten, so dass der für die Pflegestufe III geforderte Zeitaufwand von 240 Minuten noch nicht erreicht wäre.
Gegen den am 31. Januar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09. Februar 2009 beim SG Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist sie darauf, sie könne Speisen nicht portionieren, da sie Linkshänderin sei und jetzt die rechte Hand in Anspruch nehmen müsse. Diese weise nicht mehr so viel Kraft auf und bereite sehr viel Schmerzen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2008 zu verurteilen, ihr ab 01. September 2007 Pflegegeld nach Pflegestufe III zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin kann in der Sache keinen Erfolg haben. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 29. Januar 2009 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 27. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2008 ist auch im Berufungsverfahren als rechtmäßig zu bestätigen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe III.
Verfahrensrechtliche Anspruchsgrundlage für das Pflegegeld nach der Pflegestufe III (statt nach der Pflegestufe II) ab 01. September 2007 ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach Satz 2 Nr. 1 der genannten Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Als solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung war hier der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2006 über die unveränderte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II anzusehen. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die diesem Bescheid zugrunde gelegen haben, ist nicht eingetreten. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege ab 01. September 2007 mindestens 240 Minuten betragen hat.
a) Pflegebedürftige können nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht ( BSG) SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft.
Der mithin für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe III vorausgesetzte Hilfebedarf der Grundpflege von täglich 240 Minuten ist bisher für die Klägerin zu keinem Zeitpunkt regelmäßig erreicht worden. Dies steht fest aufgrund des Gesamtergebnisses der im Verfahren getätigten Ermittlungen. Bei diesen wurde berücksichtigt, dass die Klägerin nach dem Schlaganfall vom Oktober 1997 unter einer Hemiparese (Halbseitenlähmung) links mit spastischen Komponenten und Inkontinenz leidet, ferner inzwischen unter ausgeprägter Fettleibigkeit, koronarer Herzkrankheit, Bluthochdruck und Diabetes. Dem im Klageverfahren gehörten Sachverständigen Dr. Mu. lag ferner die von der Klägerin selbst sowie ihren behandelnden Ärzten eingereichte Dokumentation über die zahlreichen stationären Behandlungen seit 2004 vor. Die Gutachterinnen Pflegefachkraft P. (Gutachten vom 07. November 2007 aufgrund eingehender Untersuchung bei Hausbesuch) und Ärztin Dr. Bl. (Gutachten vom 14. Februar 2008) waren zu den Ergebnissen gelangt, dass der tägliche Hilfebedarf für die Grundpflege 163 Minuten (Gutachten P.) oder 167 Minuten (Gutachten Dr. Bl.) betrage. Dieser Zahlenwert liegt deutlich unter den für Pflegestufe III vorausgesetzten 240 Minuten täglich. Die genannten Zeitangaben sind im Gerichtsgutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Mu. vom 03. November 2008 ohne wesentliche Abweichung bestätigt worden. Dieser nennt einen täglichen Zeitbedarf für die Körperpflege von 95 Minuten (Duschen/Baden ohne nachvollziehbare nächtliche Erforderlichkeit 40 Minuten; Kämmen vier Minuten; Darm- und Blasenentleerung täglich 51 Minuten). Im Bereich der Ernährung wird für mundgerechte Zubereitung der Nahrung ein Bedarf von täglich 10 Minuten geschätzt, während die Aufnahme der Nahrung ohne fremde Hilfe eigenständig erfolgen kann. Im Bereich der Mobilität werden vom Sachverständigen 67 Minuten geschätzt (Aufstehen und Zu-Bett-Gehen fünf Minuten, An- und Auskleiden 26 Minuten, Gehen/Stehen/Transfers auch unter Berücksichtigung nächtlicher Toilettengänge 34 Minuten, Treppensteigen zwei Minuten, während weitere Hilfe bei Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht angesetzt werden kann). Dies ergibt insgesamt 172 Minuten täglich für die Grundpflege. Schlüssige Einwendungen, die zu Zweifeln an den Angaben des Sachverständigen Dr. Mu. und mithin zu weiteren Ermittlungen veranlasst hätten, hat die Klägerin im Anschluss an das Gutachten nicht mehr vorgebracht. Selbst der wohlwollend und ohne eigene gutachterliche Untersuchung die Situation der Klägerin bewertende Hausarzt Internist Dr. U. hatte in der Zeugenaussage vom 14. September 2008 einen Pflegebedarf für die Körperpflege von 130 Minuten, Ernährung 30 Minuten und Mobilität 60 Minuten genannt, mithin insgesamt 220 Minuten und damit immer noch etwas unter den vorausgesetzten 240 Minuten.
Der einzige von der Klägerin im Berufungsverfahren noch vorgebrachte neue Gesichtspunkt, sie sei Linkshänderin und habe Schwierigkeiten, wegen der nach Halbseitenlähmung ausgefallenen linken Hand mit der rechten die Speisen zu portionieren und zu sich zu nehmen, vermag am Ergebnis ebenfalls nichts Wesentliches zu ändern. Dies würde bedeuten, dass beide Hände praktisch gebrauchsunfähig wären; solches ist in keinem der eingeholten Gutachten beobachtet und festgehalten worden. Nach der Lebenserfahrung können mundgerecht zubereitete Speisen nach Ausfall der Gebrauchshand regelmäßig mit der anderen Hand portioniert und aufgenommen werden. Dass die Klägerin völlig mit fremder Hilfe "gefüttert" werden müsse, konnte bei den Untersuchungen nicht bestätigt werden. Wenn im Bereich der Körperpflege leichtere Handreichungen noch selbstständig möglich sind, muss dies auch für den Gebrauch üblichen Essbestecks noch angenommen werden. Selbst dann jedoch, wenn das Vorbringen der Klägerin insoweit teilweise zutreffen sollte, könnte mit dem dann erforderlichen Hilfebedarf der Unterschied von über 60 Minuten zwischen den von den Gutachtern genannten Zeitwerten und den für Pflegestufe III erforderlichen 240 Minuten offenkundig nicht aufgefüllt werden.
Da mithin zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für Pflegestufe III festgestellt werden können, brauchen für die Ermittlung des Hilfebedarfs und die Festlegung des Zeitpunkts einer etwaigen wesentlichen Änderung Vergleiche mit früheren Gutachten nicht angestellt zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe III statt II ab September 2007.
Die am 1953 geborene Klägerin leidet seit Oktober 1997 unter den Folgen eines Apoplex (Schlaganfall). Zurück blieben eine Hemiparese links mit spastischen Komponenten und zunehmender Inkontinenz. Sie leidet ferner unter ausgeprägter Fettleibigkeit, koronarer Herzkrankheit, Bluthochdruck und Diabetes.
Nach den von der Klägerin und ihren behandelnden Ärzten vorgelegten Berichten und Arztbriefen waren in den letzten Jahren folgende stationäre Behandlungen erforderlich: Vom 24. Mai bis 23. Juli 2004 im Fachkrankenhaus N. Bereich Psychosomatik (Fachärztin für Physikalische Therapie und Rehabilitationsmedizin Dr. V. vom 17. August 2004); vom 04. bis 06. Oktober 2006 in der S. H. Klinik M. (Arztbrief des Chefarztes Dr. J., ohne Datum); vom 05. bis 16. Februar 2007 wegen einer Leistenhernie im T.-krankenhaus M. (Arztbrief des Oberarztes Dr. Q. vom 21. Februar 2007); vom 15. bis 23. März 2007 im D.-krankenhaus M. (Arztbrief des Chefarztes Dr. T. vom 23. März 2007); im T.-krankenhaus vom 26. bis 30. März 2007 (Arztbrief vom 29. März 2007); vom 06. bis 10. August 2007 im D.-krankenhaus (Arztbrief des Chefarztes Dr. S. vom 29. August 2007); vom 22. bis 23. August 2007 wieder im T.-krankenhaus (Arztbrief des Chefarztes Prof. Dr. R. vom 27. August 2007); vom 09. bis 13. Oktober 2007 und vom 19. bis 22. Februar 2008 wieder im D.-krankenhaus (Arztbriefe des Chefarztes Dr. T. vom 13. Oktober 2007 und 22. Februar 2008); vom 10. bis 16. April 2008 im D.-krankenhaus (Arztbrief des Oberarztes Dr. v. G.-H. vom 14. April 2008); nochmals dort vom 23. bis 25. Juli 2008 (Arztbrief des Dr. T. vom 25. Juli 2008).
Die Beklagte bewilligte ab 14. März 1998 Pflegegeld nach der Pflegestufe I (Bescheid vom 02. April 1998) sowie ab 01. Mai 2000 Pflegegeld nach der Pflegestufe II (angenommenes Anerkenntnis vom 15. März 2001). Aufgrund der von ihr veranlassten Nachuntersuchungen (Gutachten der Ärztin Dr. A. vom 13. Juni 2002 und sozialmedizinische Beratung von G. R. vom 10. Juli 2006) unterrichtete die Beklagte die Klägerin unter dem 18. Juni 2002 und 17. Juli 2006 jeweils, dass es bei den bisherigen Pflegeleistungen verbleibe bzw. sie weiterhin Leistungen aus der Pflegestufe II erhalte.
Die Klägerin beantragte am 13. September 2007 Höherstufung in Pflegestufe III. Pflegefachkraft Frau P. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg in M. erstattete das Gutachten vom 07. November 2007. Im Bereich der Grundpflege bestehe Hilfebedarf für Körperpflege von 112 Minuten (Teilwäsche Unterkörper 20, Duschen 20, Zahnpflege vier, Kämmen eine, Richten der Bekleidung 14, Windelwechsel nach Wasserlassen 30, Windelwechsel nach Stuhlgang neun sowie Wechseln kleiner Vorlagen 14 Minuten täglich). Für die Ernährung seien zwölf Minuten aufzuwenden (mundgerechte Zubereitung der Nahrung zehn, Aufnahme der Nahrung zwei Minuten). Im Bereich der Mobilität seien 39 Minuten anzusetzen (Aufstehen/Zu-Bett-Gehen acht, Ankleiden zehn, Entkleiden fünf, Gehen 14 und Transfer zwei Minuten). Erschwerend sei das Übergewicht zu beachten. Zum Zeitaufwand für die Grundpflege von 163 Minuten komme ein solcher für die Hauswirtschaft im Wochendurchschnitt von 60 Minuten. Durch Bescheid vom 27. November 2007 lehnte die Beklagte "Pflegeleistungen" nach Pflegestufe III ab, weil der hierfür vorausgesetzte erhebliche Hilfebedarf zurzeit nicht festgestellt werden könne.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie brauche in jeder Lage Hilfe wie z.B. drei- bis viermaliges Abduschen bei Nacht, Baden, Zahnpflege und Toilettengang. Sie müsse sich dreimal täglich anziehen und ausziehen. Wegen der Inkontinenz müsse sie häufig gereinigt werden. Der Aufwand für Pflegestufe III von über fünf Stunden sei erreicht.
Auf Anfrage der Beklagten übersandte Internist Dr. U. den Auszug aus seiner Patientenkartei vom 01. Februar 2008 sowie den Bericht des Chefarztes Prof. Dr. R. vom 27. August 2007 und machte Angaben zum Hilfebedarf. Ärztin Dr. Bl. vom MDK erstattete das Gutachten vom 14. Februar 2008. In Kenntnis des Vorgutachtens setzte sie für Körperpflege und Mobilität einen etwas höheren Zeitbedarf an (115 bzw. 40 Minuten), dies ergebe mit den zwölf Minuten für Ernährung insgesamt 167 Minuten täglich. Die Klägerin erklärte auf Anfrage, sie halte am Widerspruch fest. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten erließ unter Bezugnahme auf die im Wesentlichen einheitlichen Gutachtensergebnisse den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 16. April 2008.
Mit der am 21. April 2008 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie verblieb dabei, sie sei in allen Dingen des täglichen Lebens auf Hilfe angewiesen. Die linke Körperhälfte sei vollständig gelähmt, so dass sie weder laufen, sich waschen, anziehen oder auf die Toilette gehen könne. Sie müsse dreimal täglich geduscht werden. Außerdem leide sie unter Angstzuständen und Panikattacken. Die Klägerin legte einen Teil der eingangs zitierten Berichte über die stationären Behandlungen sowie Befunde über ambulante Überweisungen vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte zunächst die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Urologe Dr. Hi. nannte in der Aussage vom 14. Juni 2008 die ihm bekannten Diagnosen (Zustand nach Schlaganfall, Diabetes mellitus, Blasenentleerungsstörung und Harninkontinenz bei interstitieller Cystitis) und verwies im Wesentlichen auf den Hausarzt. Internist Dr. U. nannte in der Aussage vom 14. September 2008 eine regelmäßige Behandlung der Klägerin (Beratungen etwa fünf- bis siebenmal im Quartal, Hausbesuche etwa drei- bis viermal im Quartal) und nahm einen höheren Pflegebedarf an (Körperpflege 130, Ernährung 30 und Mobilität 60 Minuten). Die Ärzte fügten die Berichte über die zitierten stationären Behandlungen und ambulanten Überweisungen bei.
Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Mu. erstattete aufgrund Untersuchung vom 06. Oktober 2008 das Gutachten vom 03. November 2008. Er kam zu einem täglichen Zeitbedarf für die Körperpflege von 95 Minuten (Waschen selbst möglich, Duschen/Baden, wobei nächtliche Erforderlichkeit nicht nachvollzogen werden könne, jedoch unter Berücksichtigung eines zusätzlichen Zeitaufwands von höchstens 15 Minuten für Abduschen des Unterkörpers wegen Inkontinenz 40 Minuten; Zahnpflege selbst möglich, Kämmen vier Minuten; Darm- und Blasenentleerung 51 Minuten). Im Bereich der Ernährung sei für mundgerechte Zubereitung der Nahrung ein Bedarf von zehn Minuten zu schätzen; die Aufnahme der Nahrung könne eigenständig erfolgen. Schließlich seien für die Mobilität 67 Minuten zu schätzen (Aufstehen und Zu-Bett-Gehen fünf Minuten, An- und Auskleiden 26 Minuten, Gehen/Stehen/Transfers unter Berücksichtigung nächtlicher Toilettengänge 34 Minuten; Treppensteigen zwei Minuten; zusätzliche Zeit für Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht erforderlich). Insgesamt ergäben sich täglich 172 Minuten; hinzu komme der Zeitaufwand für die Hauswirtschaft von etwa 60 Minuten. Die Klägerin lehnte es bei zweimaliger Anfrage ab, das Gutachtensergebnis zu akzeptieren.
Durch Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2009 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung nahm es auf den im Wesentlichen übereinstimmend von den Gutachterinnen und Sachverständigen ermittelten Zeitaufwand Bezug. Selbst Internist Dr. U. habe mit 220 Minuten einen Zeitaufwand von weniger als 240 Minuten genannt. Selbst wenn die für die drei einzelnen Bereiche (Körperpflege, Ernährung, Mobilität) jeweils in Gutachten und sachverständigen Zeugenaussagen genannten höchsten angesetzten Zahlen berücksichtigt würden, ergäben sich insgesamt 212 Minuten, so dass der für die Pflegestufe III geforderte Zeitaufwand von 240 Minuten noch nicht erreicht wäre.
Gegen den am 31. Januar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 09. Februar 2009 beim SG Berufung eingelegt. Zur Begründung verweist sie darauf, sie könne Speisen nicht portionieren, da sie Linkshänderin sei und jetzt die rechte Hand in Anspruch nehmen müsse. Diese weise nicht mehr so viel Kraft auf und bereite sehr viel Schmerzen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 29. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2008 zu verurteilen, ihr ab 01. September 2007 Pflegegeld nach Pflegestufe III zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid und ihre Bescheide weiterhin für zutreffend.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin kann in der Sache keinen Erfolg haben. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 29. Januar 2009 ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 27. November 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2008 ist auch im Berufungsverfahren als rechtmäßig zu bestätigen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe III.
Verfahrensrechtliche Anspruchsgrundlage für das Pflegegeld nach der Pflegestufe III (statt nach der Pflegestufe II) ab 01. September 2007 ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Nach Satz 2 Nr. 1 der genannten Vorschrift soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Als solcher Verwaltungsakt mit Dauerwirkung war hier der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2006 über die unveränderte Bewilligung von Pflegegeld nach der Pflegestufe II anzusehen. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen, die diesem Bescheid zugrunde gelegen haben, ist nicht eingetreten. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Zeitaufwand für die Verrichtungen der Grundpflege ab 01. September 2007 mindestens 240 Minuten betragen hat.
a) Pflegebedürftige können nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe III (Schwerstpflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe III mindestens fünf Stunden betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens vier Stunden entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 3 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Denn § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs bzw. die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht ( BSG) SozR 3-3300 § 14 Nr. 19). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinien) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 der Begutachtungs-Richtlinien; vgl. dazu BSG SozR 4-3300 § 23 Nr. 3 m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft.
Der mithin für einen Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe III vorausgesetzte Hilfebedarf der Grundpflege von täglich 240 Minuten ist bisher für die Klägerin zu keinem Zeitpunkt regelmäßig erreicht worden. Dies steht fest aufgrund des Gesamtergebnisses der im Verfahren getätigten Ermittlungen. Bei diesen wurde berücksichtigt, dass die Klägerin nach dem Schlaganfall vom Oktober 1997 unter einer Hemiparese (Halbseitenlähmung) links mit spastischen Komponenten und Inkontinenz leidet, ferner inzwischen unter ausgeprägter Fettleibigkeit, koronarer Herzkrankheit, Bluthochdruck und Diabetes. Dem im Klageverfahren gehörten Sachverständigen Dr. Mu. lag ferner die von der Klägerin selbst sowie ihren behandelnden Ärzten eingereichte Dokumentation über die zahlreichen stationären Behandlungen seit 2004 vor. Die Gutachterinnen Pflegefachkraft P. (Gutachten vom 07. November 2007 aufgrund eingehender Untersuchung bei Hausbesuch) und Ärztin Dr. Bl. (Gutachten vom 14. Februar 2008) waren zu den Ergebnissen gelangt, dass der tägliche Hilfebedarf für die Grundpflege 163 Minuten (Gutachten P.) oder 167 Minuten (Gutachten Dr. Bl.) betrage. Dieser Zahlenwert liegt deutlich unter den für Pflegestufe III vorausgesetzten 240 Minuten täglich. Die genannten Zeitangaben sind im Gerichtsgutachten des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. Mu. vom 03. November 2008 ohne wesentliche Abweichung bestätigt worden. Dieser nennt einen täglichen Zeitbedarf für die Körperpflege von 95 Minuten (Duschen/Baden ohne nachvollziehbare nächtliche Erforderlichkeit 40 Minuten; Kämmen vier Minuten; Darm- und Blasenentleerung täglich 51 Minuten). Im Bereich der Ernährung wird für mundgerechte Zubereitung der Nahrung ein Bedarf von täglich 10 Minuten geschätzt, während die Aufnahme der Nahrung ohne fremde Hilfe eigenständig erfolgen kann. Im Bereich der Mobilität werden vom Sachverständigen 67 Minuten geschätzt (Aufstehen und Zu-Bett-Gehen fünf Minuten, An- und Auskleiden 26 Minuten, Gehen/Stehen/Transfers auch unter Berücksichtigung nächtlicher Toilettengänge 34 Minuten, Treppensteigen zwei Minuten, während weitere Hilfe bei Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung nicht angesetzt werden kann). Dies ergibt insgesamt 172 Minuten täglich für die Grundpflege. Schlüssige Einwendungen, die zu Zweifeln an den Angaben des Sachverständigen Dr. Mu. und mithin zu weiteren Ermittlungen veranlasst hätten, hat die Klägerin im Anschluss an das Gutachten nicht mehr vorgebracht. Selbst der wohlwollend und ohne eigene gutachterliche Untersuchung die Situation der Klägerin bewertende Hausarzt Internist Dr. U. hatte in der Zeugenaussage vom 14. September 2008 einen Pflegebedarf für die Körperpflege von 130 Minuten, Ernährung 30 Minuten und Mobilität 60 Minuten genannt, mithin insgesamt 220 Minuten und damit immer noch etwas unter den vorausgesetzten 240 Minuten.
Der einzige von der Klägerin im Berufungsverfahren noch vorgebrachte neue Gesichtspunkt, sie sei Linkshänderin und habe Schwierigkeiten, wegen der nach Halbseitenlähmung ausgefallenen linken Hand mit der rechten die Speisen zu portionieren und zu sich zu nehmen, vermag am Ergebnis ebenfalls nichts Wesentliches zu ändern. Dies würde bedeuten, dass beide Hände praktisch gebrauchsunfähig wären; solches ist in keinem der eingeholten Gutachten beobachtet und festgehalten worden. Nach der Lebenserfahrung können mundgerecht zubereitete Speisen nach Ausfall der Gebrauchshand regelmäßig mit der anderen Hand portioniert und aufgenommen werden. Dass die Klägerin völlig mit fremder Hilfe "gefüttert" werden müsse, konnte bei den Untersuchungen nicht bestätigt werden. Wenn im Bereich der Körperpflege leichtere Handreichungen noch selbstständig möglich sind, muss dies auch für den Gebrauch üblichen Essbestecks noch angenommen werden. Selbst dann jedoch, wenn das Vorbringen der Klägerin insoweit teilweise zutreffen sollte, könnte mit dem dann erforderlichen Hilfebedarf der Unterschied von über 60 Minuten zwischen den von den Gutachtern genannten Zeitwerten und den für Pflegestufe III erforderlichen 240 Minuten offenkundig nicht aufgefüllt werden.
Da mithin zu keinem Zeitpunkt die Voraussetzungen für Pflegestufe III festgestellt werden können, brauchen für die Ermittlung des Hilfebedarfs und die Festlegung des Zeitpunkts einer etwaigen wesentlichen Änderung Vergleiche mit früheren Gutachten nicht angestellt zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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