L 8 U 6155/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 3956/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 6155/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. November 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines anerkannten Arbeitsunfalls streitig.

Die 1954 geborene Klägerin war als Pflegedienstleiterin im Altenheim H.-H., D., beschäftigt. Das Pflegeheim sollte zum 30.06.2000 auf behördliche Anordnung des Landratsamtes C. geschlossen werden. Die Heimleiterin war ein Pflegefall, die u.a. von der Klägerin regelmäßig gepflegt wurde. Der Ehemann der Heimleiterin befand sich am 31.05.2000 in finanziellen Schwierigkeiten, wovon die Klägerin erfuhr. Die Klägerin war am 31.05.2000 während ihrer Dienstzeit gemeinsam mit einer Pflegehilfskraft mit der Versorgung der Heimleiterin im Pflegezimmer des von der Heimleiterin und ihren Ehemann bewohnten, dem Pflegeheim gegenüber liegenden, Hauses beschäftigt. Nachdem die Pflegehilfskraft das Zimmer verlassen hatte, trat der Ehemann der Heimleiterin an das Bett seiner Ehefrau und fragte diese, ob er sich erhängen oder erschießen solle. Anschließend verließ der Ehemann den Raum und kam kurz darauf mit einer Pistole in der Hand zurück. Er richtete die Pistole auf seine Ehefrau. Die Klägerin versuchte, den Ehemann von einer beabsichtigten Tötung seiner Ehefrau abzubringen. Im weiteren Verlauf richtete der Ehemann der Heimleiterin die Pistole auch auf den Brustbereich der Klägerin. Anschließend tötete der Ehemann seine Ehefrau mit einem Schuss in die Stirn. Die Klägerin ergriff die Flucht ins Badezimmer, wo sie sich verbarrikadierte. Sie hörte einen weiteren dumpfen Knall. Nach ca. vier bis fünf Minuten verließ sie durch das Badezimmerfenster das Haus und alarmierte vom gegenüberliegenden Pflegeheim die Feuerwehr. Der Ehemann der Heimleiterin wurde - wie seine Ehefrau - tot aufgefunden.

Ab 01.07.2000 war die Klägerin beim A.-S.-B. B. H. beschäftigt und ab 01.09.2006 bezog sie von der Deutschen Rentenversicherung Rente wegen voller Erwerbsminderung (zunächst befristet bis 31.08.2008).

Am 08.03.2007 beantragte die Klägerin wegen der Ereignisse vom 31.05.2000 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. Sie nahm die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft T. (15 Js 13057/00) in Kopie zu den Akten und holte medizinische Unterlagen (insbesondere Arzt H. vom 10.01.2007, Nervenarzt G. vom 25.04.2007 und 30.04.2007, DAK-Fachklinik "H. W." vom 10.01.2006, Entlassungsbericht der W.-Z. K. vom 21.08.2006, psychiatrisches Rentengutachten Dr. S. vom 10.04.2006, S. K. H. vom 05.11.2005 - Behandlung wegen einer Synkope - , Dr. C. vom 09.10.2006, Dr. P. vom 21.09.2006, Dr. K. vom 04.05.2006, 14.03.2006, 10.11.2005 und 06.12.2005) sowie die Vorerkrankungsverzeichnisse der Deutschen Angestellten-Krankenkasse und der Kaufmännischen Krankenkasse ein. Weiter erstattete Prof. Dr. Dr. D. das neurologisch-psychiatrische Hauptgutachten vom 21.01.2008 sowie vier Zusatzgutachten vom 11.12.2007 und 12.12.2007. Der Sachverständige gelangte zusammenfassend zu der Bewertung, bei der Klägerin könne von einer somatoformen Schmerzstörung ausgegangen werden. Ein kausaler Zusammenhang zwischen den aktuell bestehenden Beschwerden und dem Ereignis vom 31.05.2000 könne nicht hergestellt werden. Bei der Klägerin sei nach dem Trauma im Jahr 2000 von einer Anpassungsstörung auszugehen, die ohne bleibende Beeinträchtigungen abgeklungen sei. Unfallunabhängig bestehe eine Somatisierungsstörung.

Mit Bescheid vom 21.02.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass wegen der Folgen ihres Arbeitsunfalles vom 31.05.2000 kein Anspruch auf Rente bestehe.

Gegen den Bescheid vom 21.02.2008 legte die Klägerin am 04.03.2008 Widerspruch ein. Sie wandte ein, die Anpassungsstörung sei nicht folgenlos ausgeheilt. Die Klägerin legte Befundberichte des Universitätsklinikums H. vom 25.02.2008 und 08.04.2008 sowie eine Bestätigung vom 27.02.2008 vor. Die Beklagte holte die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. Dr. W. vom 27.03.2008 ein, der sich den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. D. in seinem Gutachten vom 21.01.2008 anschloss. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 08.09.2008 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Sie machte geltend, wegen des Ereignisses vom 31.05.2000 an einer Anpassungsstörung sowie an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu leiden, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H. bedingten.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG holte von Amts wegen das psychiatrische Gutachten des Dr. S. vom 21.04.2009 ein. Der Sachverständige diagnostizierte bei der Klägerin eine Neurasthenie, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige depressive Episode, die nicht ursächlich auf den Unfall vom 31.05.2000 zurückzuführen seien. Die genannten Gesundheitsstörungen seien durch das in Rede stehende Schädigungsereignis weder hervorgerufen noch verschlimmert, sondern unfallunabhängig zu betrachten. Eine posttraumatische Belastungsstörung liege, auch wenn über das Zeitkriterium hinweggesehen werde, nicht vor. Die von verschiedenen Behandlern einer posttraumatischen Belastungsstörung zugeordneten Beschwerden ließen sich plausibler als Ausdruck einer Erlebnisverarbeitungsstörung im Zusammenhang mit der Neurasthenie und der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung verstehen.

Gegen das Gutachten des Dr. S. erhob die Klägerin Einwendungen. Das SG holte daraufhin die ergänzende Stellungnahme des Dr. S. vom 16.09.2009 ein, in der er sich mit den Einwendungen der Klägerin auseinandersetzte und an seiner Bewertung im Gutachten vom 21.04.2009 festhielt.

Mit Urteil vom 05.11.2009 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung, gestützt auf die Bewertungen der Sachverständigen Dr. S. in seinem Gutachten vom 21.04.2009 und der ergänzenden Stellungnahme vom 16.09.2009, aus, es sei nicht als überwiegend wahrscheinlich anzusehen, dass der Arbeitsunfall vom 31.05.2000 die wesentliche Ursache für die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen sei. Der Ausschluss der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung entspreche der maßgeblichen unfallmedizinischen Literatur. Es fehle insbesondere an dem Nachweis von Brückensymptomen unmittelbar nach Eintritt des Unfallereignisses vom 31.05.2000. Zudem seien auch die charakteristischen Merkmale des Krankheitsbildes der posttraumatischen Belastungsstörung nicht erfüllt. Die von Dr. S. diagnostizierten Erkrankungen fänden ihre wesentliche Ursache nicht im Unfallereignis vom 31.05.2000, sondern seien schicksalhaft aufgrund der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin entstanden. Offen bleiben könne, ob der Geschehensablauf vom 31.05.2000 zur Entstehung einer von der Klägerin zwischenzeitlich überwundenen Anpassungsstörung geführt habe.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 03.12.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30.12.2009 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, entgegen der Auffassung des SG leide sie seit dem Ereignis vom 31.05.2001 an Anpassungsstörungen sowie an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die eine MdE um mindestens 20 v.H. bedingten. Hinsichtlich des vom LSG angenommenen fehlenden Nachweises von Brückensymptomen werde darauf hingewiesen, dass es Studien gebe, wonach posttraumatische Belastungsstörungen bzw. deren Symptome erst Jahre nach dem jeweiligen Ereignis aufträten. Die Klägerin hat sich auf Sachverständigengutachten, die sie behandelnden Ärzte und Kliniken sowie auf Fundstellen im Internet berufen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 5. November 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 21. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2008 zu verurteilen, ihr ab 13. Februar 2007 Verletztenrente zu gewähren und die zu gewährende Rentenleistung ab 13. Februar 2007 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten sind mit richterlicher Verfügung vom 30.07.2010 darauf hingewiesen worden, dass der Senat über die Berufung ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss entscheiden kann, und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie drei Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat kann über die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind auf diese beabsichtigte Vorgehensweise mit richterlicher Verfügung hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Äußerung erhalten.

Der Senat hat den Antrag der Klägerin nach ihrem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verletztenrente nebst Verzinsung. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 21.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2008 verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Weiter hat das SG zutreffend entschieden, dass es nicht als überwiegend wahrscheinlich anzusehen ist, dass der Arbeitsunfall vom 31.05.2000 die wesentliche Ursache für die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen Neurasthenie, anhaltende somatoforme Schmerzstörung und rezidivierende depressive Störung mit gegenwärtig leichtgradiger depressiver Episode ist, eine posttraumatischen Belastungsstörung nicht besteht und die von Dr. S. diagnostizierten Erkrankungen ihre wesentliche Ursache nicht im Unfallereignis vom 31.05.2000 finden, sondern schicksalhaft aufgrund der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin entstanden sind. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er schließt sich zur Begründung seiner eigenen Entscheidung den Entscheidungsgründen des SG an, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin bleibt auszuführen:

Auch der Senat gelangt zu der Überzeugung, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung (mit verzögertem Beginn), wie sie im Berufungsverfahren weiterhin geltend macht, nicht vorliegt. Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 21.04.2009 und in seiner abgegebenen ergänzenden Stellungnahme vom 16.09.2009 in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Darlegungen von Prof. Dr. Dr. D. nachvollziehbar und plausibel dargelegt, dass bei der Klägerin die Definitionskriterien der ICD-10 für eine posttraumatische Belastungsstörung nicht erfüllt sind. Zwar sind nach dem Gutachten von Dr. S. die Ereignisse am 31.05.2000 geeignet, eine posttraumatische Belastungsstörung hervorzurufen. Das Wiedererinnungskriterium, das verlangt, dass es zu anhaltenden Erinnerungen und Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen oder durch sich wiederholende Träume kommt, liegt nach den plausiblen und überzeugenden Ausführungen von Dr. S. bei der Klägerin jedoch nicht vor, da die Angaben der Klägerin zu ihren unwillkürlichen Wiedererinnerungen zum Teil widersprüchlich, z.T. deutlich diskrepant mit aktenkundigen Befunden und im ganzen hoch unplausibel sind. Auch das Vermeidungskriterium, das verlangt, dass der Betroffene Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen, tatsächlich oder möglichst vermeidet, ist nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. bei der Klägerin im Hinblick auf die von ihr hierzu gemachten Angaben nur mit Vorbehalt als erfüllt anzusehen. Zwar liegen bei der Klägerin Merkmale des Hypersensitivitätskriteriums, das das Vorliegen von Zeichen erhöhter psychischer Sensitivität verlangt, vor. Die bei der Klägerin vorliegenden Merkmale (Ein- und Durchschlafstörungen, Reizbarkeit und erhöhte Schreckhaftigkeit) sind jedoch nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. auch typische Begleiterscheinungen, wie sie bei anderen psychischen Gesundheitsstörungen (wie Neurasthenie, somatoforme Schmerzstörung, leichtgradige Depression) typischerweise vorliegen, so dass diese Merkmale kein entscheidendes Kriterium für die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung sein können. Weiter fehlen nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. S. in seinem Gutachten Brückensymptome, die auch für posttraumatische Belastungsstörungen mit verspätetem Beginn im aktuellen Schrifttum gefordert werden. Dr. S. hat bei seinen gutachtlichen Bewertungen die Möglichkeit einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verzögertem Beginn zu Grunde gelegt. Damit trägt das Gutachten dem Berufungsvorbringen der Klägerin Rechnung, dass aus Studien hervorgehe, dass posttraumatische Belastungsstörungen bzw. deren Symptome erst Jahre nach dem jeweiligen Ereignis auftreten würden. Den von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahrenen gegen das Gutachten erhobenen Einwände ist Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.09.2009 den Senat überzeugend entgegen getreten. Hiergegen hat sich die Klägerin im Berufungsverfahren im Übrigen auch nicht substantiiert gewandt.

Den abweichenden Diagnosen durch den Arzt H. im Befundbericht vom 10.01.2007 (Anpassungsstörung), den Nervenarzt G. in den Befundberichten vom 25.04.2007 und 30.04.2007 (posttraumatische Belastungsstörung), im Entlassungsbericht der W.-Z. K. vom 21.08.2006 (Anpassungsstörungen) sowie in den von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Befundberichten des Universitätsklinikums H. vom 25.02.2008 und 08.04.2008, auf die sich die Klägerin zur Begründung ihrer Berufung (u.a.) berufen hat, kann nicht gefolgt werden. Dr. S. weist in seinem Gutachten zutreffend und überzeugend darauf hin, dass von Dr. G. die für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung notwendigen Diagnosekriterien nicht diskutiert werden. Soweit das Universitätsklinikum H. in den vorgelegten Befundberichten die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung stellt, wird diese nur sehr oberflächlich begründet. Insbesondere wird die von vornherein auffällige zeitliche Latenz zwischen Belastungsereignis und Manifest der Symptomatik nicht erörtert, worauf Dr. S. in seinem Gutachten ebenfalls zutreffend und überzeugend hinweist. Eine Anpassungsstörung liegt nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. S. bei der Klägerin nicht vor. Auch den übrigen Befundberichten, auf die sich die Klägerin im Berufungsverfahren berufen hat, lässt sich nichts für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung entnehmen. Vielmehr folgt der Senat der plausiblen Ansicht von Dr. S., dass sich der Krankheitsverlauf bei der Klägerin plausibler anders darstellen lässt als durch die Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung mit verzögertem Beginn. Danach ist die Neurasthenie, die anhaltende somatoforme Schmerzstörung, die rezidivierende depressive Störung auf das Zusammenwirken eines persönlichkeitsgebundenen, leistungs- und arbeitsorientierten Selbstkonzeptes der Klägerin einerseits und einer langjährigen beruflichen Selbstüberforderung andererseits zurückzuführen. Die Klägerin hat nach dem Krankheitsverlauf, wie er sich aus den zu den Akten gelangten Befundberichten ergibt, im Anschluss an eine am 05.11.2005 erlittene Synkope im radikalen Gegenentwurf zu ihrer bisherigen Orientierung nun eine Ersatzidentität als leidendes Opfer angenommen, einerseits als Opfer einer sich selbst überfordernden, langjährigen Arbeitsorientierung und andererseits als Opfer einer Gewalttat im Zusammenhang mit den Ereignissen vom 31.05.2000. Dieser überzeugenden Bewertung des Dr. S. schließt sich der Senat an. Ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang mit dem angeschuldigten Ereignis vom 31.05.2000 kann danach nicht angenommen werden.

Keiner Entscheidung bedarf es, ob hinsichtlich des Ereignisses vom 31.05.2000 ein Arbeitsunfall vorgelegen hat. Arbeitsunfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, B 2 U 40/05 R, B 2 U 26/04 R). Ob das Ereignis vom 31.05.2000 bei der Klägerin einen Gesundheits(-erst)schaden hervorgerufen hat, erscheint zweifelhaft, bedarf jedoch keiner weiteren Erörterung, nachdem die Beklagte im Bescheid vom 21.02.2008 vom Vorliegen eines Arbeitsunfalls ausgegangen ist und diesen damit (zu Gunsten der Klägerin) anerkannt hat.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den Sachverhalt durch die von der Beklagten und dem SG durchgeführten Ermittlungen, insbesondere dem Gutachten von Dr. S. vom 21.05.2009 und seiner ergänzenden Stellungnahme vom 16.09.2009, für geklärt. Der Senat sieht auch keinen Anlass, wegen eines vom SG im Verfahren der Klägerin S 4 SB 3660/09 in Auftrag gegebenen Gutachtens das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wie die Klägerin beantragt hat, da in Schwerbehindertenverfahren erstattete Gutachten keine Kausalitätserwägungen erwarten lassen.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ist somit auch nicht gegeben. Ob die Klage diesbezüglich überhaupt zulässig war, da die Beklagte noch keine anfechtbare Entscheidung gemäß § 44 SGB I getroffen hat, mag dahinstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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