L 11 AS 475/10 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 AS 712/10 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 475/10 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Frage der wiederholten Antragstellung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Nürnberg vom 19.05.2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:

Die Antragstellerin (ASt) begehrt die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 01.02.2009 bis 15.06.2009 und die Übernahme von rückständigen Mietzahlungen.

Der ASt und ihrem mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Sohn (geb. 06.06.1990) waren mit Bescheid der Antragsgegnerin (Ag) vom 19.09.2008 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 949,67 EUR für den Zeitraum 01.01.2009 bis 31.03.2009 bewilligt worden, die die Ag wegen des Eintrittes verschiedener Sanktionstatbestände (in Bezug auf die ASt) mit den Bescheiden vom 27.11.2008 u.a. für die Zeit ab dem 01.02.2009 auf einen Betrag von 794,79 EUR (Sanktion: 210,00 EUR) und für die Zeit ab dem 01.03.2009 auf eine Betrag von 653,79 EUR (Sanktion: 351,00 EUR) absenkte. Nachdem die ASt auch Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit bezogen habe, Unterlagen hierüber jedoch nicht vorgelegt worden seien, entzog die Ag - unter Hinweis auf die unterlassene Mitwirkung nach §§ 60, 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) - der Bedarfsgemeinschaft die bewilligten Leistungen für die Zeit ab dem 01.02.2009. Infolge der Leistungsentziehung wurde auch die Zahlung der Unterkunftskosten (496,79 EUR), die bislang direkt auf das Konto des Vermieters erfolgte, eingestellt. Der gegen den Entziehungsbescheid erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.03.2009) und die ASt hat - soweit nach Lage der Akten ersichtlich - keine Klage erhoben.

Für die Folgezeit beantragte die ASt am 03.04.2009 bei der Ag erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, die mit Bescheid vom 22.06.2009 für die Zeit ab dem 15.06.2009 bis 30.11.2009 bewilligt wurden. Für die Zeit ab dem 01.02.2009 bis 14.06.2009 bestehe ein Leistungsanspruch mangels Mitwirkung nicht. Gegen diesen Bescheid erhob die ASt Widerspruch, über den die Ag - nach Lage der Akten - in Bezug auf den Leistungszeitraum 01.02.2009 bis 14.06.2009 bislang nicht entschieden hat.

In diesem Zusammenhang beantragte die ASt bereits am 07.09.2009 beim Sozialgericht Nürnberg (SG), die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung u.a. zu verpflichten, die zustehenden Leistungen nach dem SGB II in voller Höhe zu erbringen. Dies lehnte das SG mit Beschluss vom 28.10.2009 in Bezug auf die Auszahlung ungekürzter Leistungen ab. Zudem gebe es keinen Beleg für das Bestehen von Mietschulden. Auf die Beschwerde der ASt und deren Begehren, die Ag auch zur Übernahme der bestehenden Mietrückstände in Höhe von 2.051,10 EUR für ihre Wohnung in der A-Straße in A-Stadt zu verpflichten, stellte der Senat mit Beschluss vom 12.04.2010 (L 11 AS 18/10 B ER) unter Hinweis auf das Urteil des BSG vom 22.03.2010 (B 4 AS 62/09 R - juris) klar, dass es sich in Bezug auf die Unterkunftskosten und die Mietrückstände um den selben Streitgegenstand handle. Hinsichtlich der Leistungen für die Zeit vom 01.02.2009 bis 14.06.2009 sei ein Anordnungsanspruch offen, denn die Ag habe Leistungen wegen fehlender Mitwirkung der ASt versagt. Insoweit sei der Bescheid vom 22.06.2009 zumindest offenkundig ermessensfehlerhaft. Ein Anspruch auf Auszahlung der Leistungen bestehe jedoch mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht. Es handle sich ausschließlich um Leistungen für bereits abgelaufene Leistungszeiträume und eine Vorwegnahme der Hauptsache sei nicht geeignet, eine existenzielle Notlage der ASt zu beseitigen. Nach der Räumungsklage vom 26.08.2009 und dem folgenden Räumungsurteil (AG A-Stadt, Urteil vom 11.12.2009 - 27 C 6481/09) habe es die ASt nicht mehr selbst in der Hand, den drohenden Wohnungsverlust abzuwenden, und allein dieser hätte eine Nachzahlung für bereits abgelaufene Leistungszeiträume in einem Eilverfahren gerechtfertigt.

Bereits am 30.04.2010 haben die ASt (dort ASt zu 1) und ihr Sohn (dort ASt zu 2) erneut den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG beantragt. Ihnen seien die Leistungen für die Zeit vom 01.02.2009 bis 15.06.2009 auszuzahlen. Zudem habe die Ag Mietrückstände in Höhe von 4.080,00 EUR zu übernehmen. Die zum Landgericht A-Stadt- eingelegte Berufung (7 S 543/10) gegen das Räumungsurteil vom 11.12.2009 habe sie, die ASt, zurückgenommen. Es drohe nunmehr der Wohnungsverlust. Der Streitwert in diesem Verfahren sei auf 4.080,00 EUR festgesetzt worden.

Das SG hat den Antrag, eine einstweilige Anordnung zu erlassen, mit Beschluss vom 19.05.2010 als unzulässig abgelehnt. Bereits mit rechtskräftigem Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichtes (BayLSG) vom 12.04.2010 (L 11 AS 18/10 B ER) sei der Antrag der ASt, die Ag zu verpflichten, laufende Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2010 bis 15.06.2010 auszuzahlen sowie die Mietrückstände für die Wohnung in der A-Straße in A-Stadt zu übernehmen, abgelehnt worden. Die ASt habe mit ihrem Antrag zwar einen Betrag von 4.080,00 EUR geltend gemacht. Hierbei handle es sich jedoch um die Festsetzung des Streitwertes im Berufungsverfahren vor dem Landgericht. Anhaltspunkte dafür, dass höhere Mietrückstände als 2.051,10 EUR bestehen würden, die bereits im Rahmen des vorangegangenen Eilverfahrens geltend gemacht worden waren, lägen nicht vor. Insofern seien die Streitgegenstände im anhängigen Verfahren und dem Beschwerdeverfahren vor dem BayLSG identisch. Die rechtskräftige Entscheidung vom 12.04.2010 stehe mangels neuen Sachvortrages einer erneuten Entscheidung durch das SG entgegen.

Gegen diesen Beschluss hat allein die ASt Beschwerde beim BayLSG eingelegt.

Mit Bescheid vom 18.06.2010 hat die Ag über die Widersprüche gegen den Bescheid vom 22.06.2009 sowie die damit in Zusammenhang stehenden Sanktions- und Aufhebungsbescheide entschieden und die Leistungsansprüche der ASt und ihres Sohnes für den Zeitraum vom 15.06.2009 bis 30.11.2009 neu geregelt. Eine Entscheidung der Ag in Bezug auf den Leistungszeitraum vom 01.02.2009 bis 14.06.2009 steht noch immer aus.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wir auf die beigezogene Akte der Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch unbegründet.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein eine Beschwerde der ASt. Zum Einen ist nicht ersichtlich, dass die ASt auch im Namen ihres volljährigen Sohnes Beschwerde erhoben hätte. Zum anderen liegt eine erstinstanzliche Entscheidung in Bezug auf deren Sohn nicht vor. Dieser hat vertreten durch die ASt vor dem SG (dort ASt zu 2) zwar ebenfalls einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Hierüber hat das SG - entgegen dem Rubrum des Beschlusses vom 19.05.2010 - ausweislich seiner Entscheidungsgründe jedoch nicht entschieden. Es ist weder ersichtlich, dass das SG die Ansprüche des dortigen ASt zu 2 problematisiert hätte, noch lassen die Entscheidungsgründe einen entsprechenden Schluss zu, denn Gegenstand des vorangegangenen Eilverfahrens L 11 AS 18/10 B ER vor dem BayLSG waren allein Ansprüche der ASt. Den Ansprüchen des Sohnes der ASt stand der Beschluss des Senates vom 12.04.2010 nicht entgegen, so dass im Ergebnis der Eilantrag des Sohnes der ASt vor dem SG noch offen ist und eine Beschwerde ohnehin nicht statthaft wäre.

In Bezug auf die ASt hat das SG den Antrag zurecht und mit zutreffender Begründung als unzulässig angesehen, denn insoweit war der Antragsgegenstand bereits Gegenstand des rechtskräftig abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens L 11 AS 18/10 B ER.

Ablehnende Beschlüsse auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erwachsen, wenn kein Rechtsmittel mehr möglich ist, in Rechtskraft, und ein erneuter Antrag ist unzulässig, wenn er den abgelehnten Antrag - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - lediglich wiederholt (vgl. Beschluss des Senates vom 18.03.2009 - L 11 AS 125/09 ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn.45a).

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt, denn die ASt hat im Verfahren S 10 AS 718/10 ER am 30.04.2010 in Bezug auf ihre Ansprüche keinen neuen Antrag gestellt, sondern lediglich ohne neuen Sachvortrag ihr bisheriges Vorbringen in der Sache wiederholt und höhere Leistungen gefordert. Hierbei ist jedoch offenkundig, dass sich die geltend gemachte Forderung nicht auf einen Mietrückstand in Höhe von 4.080,00 EUR bezieht, sondern auf die Höhe des Streitwertes, den das Landgericht im Räumungsrechtsstreit festgesetzt hat. Mit der Vorlage des Räumungsurteils und den dort ausgewiesenen Mietrückständen in Höhe von 2.051,10 EUR stehen jedoch allein diese im Streit, denn Mietrückstände, die sie ausweislich ihres eigenen Vortrages alleine begehrt, sind darüber hinausgehend nicht nachgewiesen. Zudem hat sie die offenen Leistungsansprüche für den Zeitraum 01.02.2009 bis 15.06.2009 geltend gemacht. Beide Antragsbegehren - sowohl die laufenden Leistungen nach dem SGB II als auch die Übernahme der Mietrückstände durch die Ag - waren in der nunmehr vorgetragenen Form bereits Gegenstand des Beschwerdeverfahrens L 11 AS 18/10 B ER (vgl. hierzu auch Beschluss des Senates vom 12.04.2010). Insgesamt lässt sich dem Vortrag der ASt daher keine Änderung der Sach- und Rechtslage entnehmen, die es rechtfertigen würde, die Rechtskraft des Beschlusses vom 12.04.2010 unbeachtet zu lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und folgt aus dem Unterliegen der ASt.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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