L 8 SB 4405/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4405/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist im Hauptsacheverfahren der Grad der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) - insbesondere die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - streitig.

Der 1965 geborene Kläger stellte am 02.02.2006 beim Landratsamt B.-H.-Versorgungsamt (VA) Antrag nach dem Schwerbehindertenrecht. Mit Bescheid vom 27.06.2006 stellte das VA den GdB mit 20 seit 02.02.2006 fest. Es liege damit keine Schwerbehinderteneigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 SGB IX vor und ein Schwerbehindertenausweis könne nicht ausgestellt werden. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.10.2007 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) mit dem Begehren, den GdB mit 50 festzustellen.

Das SG hörte den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. H. als sachverständigen Zeugen (Berichte vom 10.04.2008 und vom 23.10.2008) und holte drei gerichtliche Sachverständigengutachten ein.

Der Sachverständige Prof. Dr. Z. - Internist und Kardiologe - kam in seinem Gutachten vom 24.07.2009 zu dem Ergebnis, die Funktionsbeeinträchtigungen auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet verursachten einen GdB von 30.

Der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. B. gelangte in seinem orthopädischen Gutachten vom 08.10.2009 zu dem Ergebnis, die Funktionsbeeinträchtigung an der Wirbelsäule rufe einen Teil-GdB von 20 und der Zustand nach Oberschenkelbruch links (Haut- und Knochennarben nach einem Oberschenkelbruch links, Bewegungseinschränkung des linken Großzehengrundgelenks) verursache einen Teil-GdB von 10; insgesamt betrage der Teil-GdB auf orthopädischem Fachgebiet 20.

Der Facharzt für Neurologie Dr. C. führte in seinem gerichtlichen Sachverständigengutachten vom 30.12.2009 aus, auf seinem Fachgebiet liege beim Kläger eine affektive Störung vor, die mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten sei. Den Gesamt-GdB auf internistisch-kardiologischem, orthopädischem und neurologischem Gebiet schätzte er mit 40 ein.

Mit Schreiben vom 06.04.2010 unterbreitete der Beklagte ein Vergleichsangebot, wonach er sich bereit erklärte, den GdB mit 30 ab 02.02.2006 sowie mit 40 ab 16.07.2009 festzustellen. Zur Begründung legte der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 31.03.2010 vor. Darin ist ausgeführt, bei der internistischen Untersuchung durch Prof. Dr. Z. vom 25.07.2009 habe sich ergeben, dass ab dem Zeitpunkt der Begutachtung eine respiratorische Leistungsminderung bei erhöhter Herzfrequenz und bei einem Pericarderguss mit einem GdB von 30 nachweisbar sei. Zu einem früheren Zeitpunkt sei eine derartige Gesundheitsstörung mit der entsprechenden Auswirkung nicht nachgewiesen. Zusammenfassend lägen folgende Funktionsbeeinträchtigungen vor:

Respiratorische Insuffizienz, Pericarderguss Teil-GdB 30, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule Teil-GdB 20, seelische Störung Teil-GdB 20, Haut- und Knochennarben nach einem Oberschenkelbruch links, Bewegungseinschränkung des linken Großzehengrundgelenks Teil-GdB 10.

Der Gesamt-GdB betrage 30 ab 02.02.2006 und 40 ab 16.07.2009.

Der Kläger nahm das Vergleichsangebot des Beklagte nicht an.

Mit Urteil vom 20.05.2010 verpflichtete das SG den Beklagten, beim Kläger einen GdB von 40 seit dem 16.07.2009 festzustellen; im Übrigen wies es die Klage ab.

Gegen das dem Bevollmächtigten des Klägers am 18.08.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.09.2010 Berufung eingelegt. Er verfolgt sein Begehren weiter und beantragt, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und ihm Rechtsanwalt König beizuordnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

II.

Der Antrag des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Er hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für das Berufungsverfahren.

Ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfol-gung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Außerdem wird dem Beteiligten auf Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 121 Abs. 2 ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist in tatsäch¬licher Hinsicht in eng begrenztem Umfang auch eine vorweggenommene Beweiswürdigung (Beweisantizipation) zulässig (BVerfG NJW 1997, 2745, 2746). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist aber anzunehmen, wenn eine Beweisaufnahme durchzuführen ist, weil die Entscheidung in der Hauptsache von der Klärung entscheidungserheblicher Tatsachen abhängt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG NJW 2003, 2976, 2977; BSG SozR 3-1750 § 62 Nr. 19).

Die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH sind nicht erfüllt, da die Berufung des Klägers keine hinreichende Erfolgsaussicht hat.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Feststellung des GdB für die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen. Dieser ist vom SG mit Urteil vom 20.05.2010 - entsprechend seiner Urteilsgründe - für die Zeit ab 02.02.2006 mit 30 und ab 16.07.2009 mit 40 festgestellt worden; insoweit ist das Urteil bereits mit Bescheid des Beklagten vom 13.09.2010 ausgeführt worden. Soweit der Kläger die Feststellung eines GdB mit 50 begehrt, dürfte dies keine hinreichende Erfolgsaussicht haben.

Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund der vom SG eingeholten drei gerichtlichen Sachverständigengutachten. Der Kläger leidet unter Funktionsbeeinträchtigungen auf drei Facharztgebieten, nämlich auf internistisch-kardiologischem, orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, wie sich dies aus den Berichten des den Kläger behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. H. ergibt, den das SG am 10.04.2008 und am 23.10.2008 als sachverständigen Zeugen gehört hat. Nach den für den Senat überzeugenden Sachverständigengutachten liegt beim Kläger auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet eine respiratorische Insuffizienz sowie ein Pericarderguss vor, was mit einem Teil-GdB von 30 zu bewerten ist. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule ruft einen Teil-GdB von 20 hervor und die Haut- und Knochennarben nach einem Oberschenkelbruch links, Bewegungseinschränkung des linken Großzehengrundgelenks sind mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Die beim Kläger festgestellte seelische Störung ist entsprechend den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen mit einem Teil-GdB von 20 zu bewerten. Die vom SG vorgenommenen Teil-GdB-Bewertungen erscheinen dem Senat überzeugend, weshalb er sie sich zu eigen macht. Der beim Kläger festgestellte vermehrte Alkoholkonsum bedingt auch nach Auffassung des Senats keinen Teil-GdB, zumal alkoholtoxisch bedingte Organschäden (noch) nicht vorliegen, worauf der gerichtliche Sachverständige Dr. C. hingewiesen hat. Da sich die Funktionsbeeinträchtigungen insgesamt überschneiden, erscheint es gerechtfertigt, den Gesamt-GdB mit 40 festzustellen.

Nach alledem kann somit nicht von einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Berufung des Klägers ausgegangen werden, weshalb der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen war.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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