L 6 SB 376/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 6 SB 697/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 376/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.12.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob die 1947 geborene Klägerin einen Anspruch auf Feststellung ihres Grades der Behinderung (GdB) mit 50 hat.

Die Klägerin beantragte am 11.10.2006 die Feststellung ihres GdB. Sie legte die Arztbriefe des Oberarztes K., Handchirurgie des Städtischen Krankenhauses W., vom 07.11.2005 (aktivierte Arthritis am Kleinfingermittelgelenk der rechten Hand, Synovialitis der Langfingerstrecksehnen am linken Handgelenk), des Labors Dr. G. vom 07.12.2005 (Hinweis auf Hyperthyreose oder Thyreostase, Poliovirus-Antikörper nachweisbar, moderate Hyperhomocysteinämie) sowie des Neurologen Dr. K. vom 06.04.2006 (Verdacht auf Postpolio-Syndrom, anamnestisch Zustand nach rezidivierenden Synkopen, arterielle Hypertonie, Hypercholesterinämie, Hyperhomocysteinämie) und vom 20.04.2006 (deutlicher chronisch neurogener Umbau in den distalen Muskelgruppen) vor. Das Landratsamt R. holte den Befundbericht der Internistin Dr. M. vom November 2006 (arterielle Hypertonie, gelegentlich Schwindelbeschwerden) ein. Der Sozialmediziner N. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 15.11.2006 als Behinderungen ein Postpolio-Syndrom (Teil-GdB 20) sowie einen Bluthochdruck (Teil-GdB 10) und bewertete den Gesamt-GdB mit 20. Mit Bescheid vom 16.11.2006 stellte das Landratsamt den GdB der Klägerin mit 20 ab 11.10.2006 fest.

Hiergegen erhob die Klägerin am 12.12.2006 Widerspruch. Die Sozialmedizinerin S. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.01.2007 aus, eine höhere Bewertung des GdB sei durch objektive Befunde nicht gestützt. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.02.2007 wies das Regierungspräsidium S. den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 12.03.2007 Klage zum Sozialgericht Konstanz. Sie legte die Arztbriefe des/der Radiologen/in Dr. W. vom 22.03.2007 (kein Hinweis auf Nierenarterienstenose beidseits, Zysten in den Nieren, keine Metastase) und des Urologen Dr. W. vom 18.04.2007 (exzessive arterielle Hypertonie, Inzidentalom der rechten Nebenniere, Ausschluss Phäochromozytom, Ausschluss Hypercortisolismus) vor.

Das Sozialgericht hörte Dr. K. unter dem 07.05.2007, den Allgemeinarzt Dr. S. im Mai 2007, Dr. M. unter dem 08.05.2007 und den/die Radiologen/in Dr. G. unter dem 22.05.2007 schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. K. berichtete über eine Reflexdifferenz an den Armen, eine Koordinationsstörung der rechten Hand und eine von der Klägerin angegebene vorzeitige Ermüdung. Dr. S. gab eine Poliomyelitis sowie Schwächen im rechten Bein und rechten Arm mit Synkopen und Gleichgewichtsstörungen an. Dr. M. wies auf eine arterielle Hypertonie ohne wesentliche kardiale Begleiterkrankung sowie ohne wesentliche Beschwerden hin und legte ihre Arztbriefe vom 03.01.2006 (arterielle Hypertonie ohne relevante hypertensive Herzveränderungen) und 01.02.2006 (bei bekannter arterieller Hypertonie kein Hinweis für begleitende koronare Herzkrankheit) vor. Dr. G. führte unter Vorlage seines Arztbriefs vom 29.11.2001 (Hinweis auf eine latente, substitutionsbedürftige Unterfunktion der Schilddrüse) aus, die Schilddrüsenveränderungen beeinträchtigten die Erwerbsfähigkeit der Klägerin in keinster Weise und der unbeherrschbare Bluthochdruck sei von ihm/r nicht beurteilbar. Der Arzt D. führte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.10.2007 aus, aus den aktenkundigen Befundberichten ergäben sich für die Bewertung des Postpolio-Syndroms keine neuen Gesichtspunkte. Ferner sei der Bluthochdruck medikamentös behandelt.

Sodann hörte das Sozialgericht den Augenarzt Dr. R. unter dem 18.12.2007, Dr. W. unter dem 17.01.2008 und den Internisten Dr. E. unter dem 14.04.2008 schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. R. beschrieb einen Visus rechts mit 0,80 und links mit 0,90. Dr. W. berichtete über eine exzessive arterielle Hypertonie und ein Inzidentalom der rechten Nebenniere. Dr. E. wies auf eine beeinträchtigende Hypertonie, ein Nebenniereninzidentalom und Augenhintergrund-Veränderungen im Sinne einer Hypertonie hin. Dr. B. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.09.2008 als Behinderungen ein Polio-Syndrom (Teil-GdB 20) sowie einen Bluthochdruck (Teil-GdB 20 ab Dezember 2007) und schätzte den Gesamt-GdB mit 30 ab Dezember 2007 ein. Das hierauf gerichtete Vergleichsangebot des Beklagten nahm die Klägerin unter Vorlage des Arztbriefs der Prof. Dr. H.-B., Ärztliche Direktorin am Universitätsklinikum U., vom 21.04.2008 (Inzidentalom der rechten Nebenniere mit rezidivierender hypertensiver Entgleisung) nicht an.

Daraufhin holte das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin Dr. M. vom 12.03.2009 ein. Der Sachverständige schätzte für den Bluthochdruck der mittelschweren Form mit Organbeteiligung leichten Grades bei Fundus hypertonicus II, Albuminurie und leichter linksventrikulärer Hypertrophie ohne Beeinträchtigung der Herzfunktion den Teil-GdB mit 40, für das Postpolio-Syndrom mit geringen Auswirkungen den Teil-GdB mit 20 sowie für das Inzidentalom der rechten Nebenniere, die Hyperlipoproteinämie, die Fettleber mit mesenchymaler Reaktion sowie den Senkfuß den Teil-GdB mit unter 10 ein und beurteilte den Gesamt-GdB mit 40. Ein höherer GdB würde eine Muskelschwäche mittelgradiger Auswirkungen mit zunehmenden Gelenkkontrakturen und Deformitäten sowie der Unmöglichkeit des Aufrichtens aus dem Liegen oder Treppensteigen beinhalten, was bei der Klägerin nicht gegeben sei. Der Arzt D. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.07.2009 als Behinderungen einen Bluthochdruck (Teil-GdB 30) sowie ein Polio-Syndrom (Teil-GdB 20) und schätzte den Gesamt-GdB mit 40 ab Dezember 2007 ein. Auch das hierauf gerichtete Vergleichsangebot des Beklagten nahm die Klägerin nicht an.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.12.2009 änderte das Sozialgericht den Bescheid vom 16.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2007 ab und verpflichtete den Beklagten, den GdB der Klägerin ab 01.12.2007 mit 40 festzusetzen. Bei Gesamtbetrachtung der Blutdruck-Situation und der Augenhintergrundveränderungen sei der gutachterlichen Einschätzung des Teil-GdB mit 40 für den Bluthochdruck zu folgen. Ferner betrage der Teil-GdB für das Postpolio-Syndrom 20. Eine Erhöhung des gutachterlicherseits angenommenen Teil-GdB von 10 für das Inzidentalom der rechten Nebenniere sei nicht zu begründen. Der übereinstimmenden Auffassung des Gutachters und des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten, den Gesamt-GdB mit 40 festzusetzen, sei zu folgen

In Ausführung des Gerichtsbescheids stellte das Landratsamt mit Bescheid vom 19.01.2010 den GdB der Klägerin mit 40 ab 01.12.2007 fest.

Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat die Klägerin am 22.01.2010 Berufung eingelegt. Sie hat den Arztbrief des Internisten Dr. K. vom 30.10.2008 (normal weiter linker Ventrikel mit guter systolischer Funktion, diastolische Dysfunktion ersten Grades, leichtgradige Hypertrophie, normal weiter rechter Ventrikel, keine höhergradige Fehlfunktion der Aorten, Mitral- und Trikuspidalklappe, kein Perikarderguss) vorgelegt und ausgeführt, der vom Sozialgericht für das Bluthochdruckleiden in Ansatz gebrachte Teil-GdB von 40 entspreche einer Hypertonie in mittelschwerer Form. Vorliegend liege ein manifester Bluthochdruck vor, der medikamentös nicht in den Griff zu bekommen sei und bei welchem die diastolischen Werte immer wieder deutlich über 100 mmHg betrügen. Ferner handle es sich bei den Augenhintergrundveränderungen um eine Organbeteiligung des Bluthochdrucks. Ein entsprechender Bluthochdruck mit Beteiligung mehrerer Organe sei bereits als schwere Form zu bewerten, wofür ein GdB zwischen 50 und 100 zu vergeben sei. Der für das Postpolio-Syndrom in Ansatz gebrachte Teil-GdB von 20 entspreche der Stufe der Muskelkrankheiten mit geringen Auswirkungen. Es sei unhaltbar, diesen Teil-GdB von 20 damit zu begründen, dass entsprechende Beeinträchtigungen aus der Stufe der schweren Auswirkungen nicht vorliegen sollten. Denn bei einer Muskelschwäche selbst mit geringen Auswirkungen sei ein GdB zwischen 20 und 40 vorgesehen. Im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts fehlten aber Ausführungen dazu, weshalb der Teil-GdB lediglich mit 20 anzusetzen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 22.12.2009, den Bescheid vom 16.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.02.2007 sowie den Bescheid vom 19.01.2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihren GdB mit mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Sachverständige habe detailliert dargelegt, dass die kardiologische Situation eine Belastbarkeit von immerhin bis zu 125 Watt ergeben habe, was im Ergebnis einen Teil-GdB von allenfalls 20 ergebe. Lediglich unter Berücksichtigung des Bluthochdrucks sei ein Teil-GdB von 30 eingeräumt worden. Im Übrigen werde auf die Hinweise des versorgungsärztlichen Dienstes zur Plausibilität der gemessenen Blutdruckwerte hingewiesen. Bezüglich des Postpolio-Syndroms sei der Sachverständige zutreffend von einem Teil-GdB von 20 ausgegangen.

Der Senat hat die Hals-Nasen-Ohrenärztin Dr. H. unter dem 18.05.2010 schriftlich als sachverständige Zeugin gehört. Sie hat einen leichtgradigen Tinnitus sowie eine pantonale leicht- bis mittelgradige Schwerhörigkeit links beschrieben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die Beurteilung des GdB sind die Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).

Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch und den GdB aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX).

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 SGB IX). Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden.

Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt, wobei eine Feststellung nur dann zu treffen ist, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt (§ 69 Abs. 1 Sätze 3 und 6 SGB IX). Die Feststellung des GdB ist eine rechtliche Wertung von Tatsachen, die mit Hilfe von medizinischen Sachverständigen festzustellen sind. Dabei ist die seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten (BSG, Urteil vom 23.06.1993 - 9/9a RVs 1/91; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95; BSG, Urteil vom 18.09.2003 - B 9 SB 3/02 R; BSG, Urteil vom 29.08.1990 - 9a/9 RVs 7/89) Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) anzuwenden. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 17 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Eine inhaltliche Änderung der bisher angewandten Grundsätze und Kriterien ist hiermit - von wenigen hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - nicht verbunden. Vielmehr wurde an die seit Jahren bewährten Bewertungsgrundsätze und Verfahrensabläufe angeknüpft. In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnistand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (VG Teil A Nr. 3 a). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen einander verstärken, überschneiden oder aber auch gänzlich voneinander unabhängig sein können (BSG, Urteil vom 15.03.1979 - 9 RVs 6/77; BSG, Urteil vom 09.04.1997 - 9 RVs 4/95). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG Teil A Nr. 3 c). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass, von Ausnahmefällen abgesehen, leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte. Dies auch nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (VG Teil A Nr. 3 d ee).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Sozialgericht den GdB der Klägerin zu Recht nicht höher als mit 40 eingeschätzt.

In Bezug auf den Bluthochdruck beträgt der Teil-GdB der Klägerin nicht mehr als 40. Nach dem Gutachten des Dr. M. liegt bei der Klägerin ein Bluthochdruck mit Organbeteiligung bei Fundus hypertonicus II, Albuminurie und linksventrikulärer Hypertrophie vor. Nach den VG, Teil B, Nr. 9.3 beträgt für einen Bluthochdruck in leichter Form (keine oder geringe Leistungsbeeinträchtigung; höchstens leichte Augenhintergrundveränderungen) der GdB 0 bis 10, in mittelschwerer Form (mit Organbeteiligung leichten bis mittleren Grades; Augenhintergrundveränderungen - Fundus hypertonicus I bis II - und/oder Linkshypertrophie des Herzens und/oder Proteinurie, diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung) je nach Leistungsbeeinträchtigung der GdB 20 bis 40, in schwerer Form (mit Beteiligung mehrerer Organe; schwere Augenhintergrundveränderungen und Beeinträchtigung der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung) je nach Art und Ausmaß der Leistungsbeeinträchtigung der GdB 50 bis 100 und in maligner Form (diastolischer Blutdruck konstant über 130 mmHg; Fundus hypertonicus III bis IV; Papillenödem, Venenstauung, Exsudate, Blutungen, schwerste arterielle Gefäßveränderungen; unter Einschluss der Organbeteiligung [Herz, Nieren, Gehirn]) der GdB 100. Nach Einschätzung des Senats ist Dr. M. zutreffend von einem Bluthochdruck mittelschwerer Form ausgegangen. Denn es handelt sich bei dem Fundus hypertonicus II, der Albuminurie und der leichten linksventrikulären Hypertrophie ohne Beeinträchtigung der Herzfunktion lediglich um eine Organbeteiligung leichten Grades. Einen höheren GdB als 40 bedingende schwere Augenhintergrundveränderungen oder Beeinträchtigungen der Herzfunktion, der Nierenfunktion und/oder der Hirndurchblutung liegen bei der Klägerin nicht vor.

In Bezug auf das Postpolio-Syndrom beträgt der Teil-GdB der Klägerin nicht mehr als 20. Nach den VG, Teil B, Nr. 18.6 beträgt für Muskelkrankheiten bei einer Muskelschwäche mit geringen Auswirkungen (vorzeitige Ermüdung, gebrauchsabhängige Unsicherheiten) der GdB 20 bis 40, mit mittelgradigen Auswirkungen (zunehmende Gelenkkontrakturen und Deformitäten, Aufrichten aus dem Liegen nicht mehr möglich, Unmöglichkeit des Treppensteigens) der GdB 50 bis 80 sowie mit schweren Auswirkungen (bis zur Geh- und Stehunfähigkeit und Gebrauchsunfähigkeit der Arme) der GdB 90 bis 100 und sind zusätzlich bei einzelnen Muskelkrankheiten Auswirkungen auf innere Organe (zum Beispiel Einschränkung der Lungenfunktion und/oder der Herzleistung durch Brustkorbdeformierung) oder Augenmuskel-, Schluck- oder Sprechstörungen (zum Beispiel bei der Myasthenie) zu berücksichtigen. Die Klägerin leidet ausweislich des auch in dieser Hinsicht schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens des Dr. M. in Folge des Postpolio-Syndroms an einer vorzeitigen Ermüdung der Muskulatur und gelegentlichen Gangunsicherheit ohne Gelenkkontrakturen oder Deformitäten. Anhaltspunkte dafür, einen höheren GdB als den für eine solche Muskelkrankheit mit geringen Auswirkungen vorgesehenen Eingangs-GdB von 20 anzunehmen, hatte der Senat nicht.

In Bezug auf die Hörstörung beträgt der Teil-GdB der Klägerin nicht mehr als 10. Nach der sachverständigen Zeugenauskunft der Dr. H. liegt bei der Klägerin eine leicht- bis mittelgradige Schwerhörigkeit links und ein Tinnitus vor. Nach den VG, Teil B, Nr. 5.2.3, Tabelle D beträgt der GdB 0 bis 10 bei einer einseitigen gering- bis mittelgradigen Schwerhörigkeit. In Bezug auf den Tinnitus gilt, dass nach den VG, Teil B, Nr. 5.3 für Ohrgeräusche ohne nennenswerte psychische Begleiterscheinungen der GdB 0 bis 10 und erst mit erheblichen psychovegetativen Begleiterscheinungen der GdB 20 beträgt. Der Senat hat keine Anhaltspunkte dafür, dass von dem von Dr. H. angegebenen Tinnitus erhebliche psychovegetative Begleiterscheinungen ausgehen, zumal sie ausgeführt hat, die Klägerin habe ihr gegenüber diesbezüglich keinen großen Leidensdruck geäußert. Mithin beträgt der GdB auf hals-nasen-ohrenärztlichem Fachgebiet insgesamt nicht mehr als 10.

Ferner sind mit dem Inzidentalom der rechten Nebenniere, der Hyperlipoproteinämie, der Fettleber mit mesenchymaler Reaktion und dem Senkfuß keine wesentlichen Funktionsbeeinträchtigungen verbunden, so dass Dr. M. hinsichtlich dieser Leiden zutreffend jeweils keinen GdB angenommen hat.

Unter Berücksichtigung dieser Einzel-GdB-Werte (Teil-GdB höchstens 40 für den Bluthochdruck, Teil-GdB 20 für das Postpolio-Syndrom, Teil-GdB 10 für die Hörstörung mit Tinnitus) kommt nach Überzeugung des Senats kein höherer Gesamt-GdB als 40 in Betracht. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass er den von Dr. M. für den Bluthochdruck vorgeschlagenen Teil-GdB von 40 angesichts des hierfür nach den VG vorgesehenen GdB-Rahmens zwischen 20 und 40 für eher wohlwollend und mithin auch unter Berücksichtigung des Teil-GdB von 20 für das Postpolio-Syndrom einen Gesamt-GdB von mindestens 50 nicht für angemessen erachtet.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass der von der Klägerin begehrte Gesamt-GdB von 50 beispielsweise nur angenommen werden kann, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich ist wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, bei einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit nachgewiesener Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Ein vergleichbares Ausmaß erreichen die vom Senat festgestellten Funktionsbehinderungen der Klägerin nicht.

Nach alledem hat die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung eines höheren GdB als 40.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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