Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 20 SO 128/10 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 134/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Mietschulden nach § 34 SGB XII sind nicht zu übernehmen, wenn für die Zukunft zu erwarten ist, dass die Wohnung nicht erhalten bleiben kann. Das ist anzunehmen, wenn die Miete die Angemessenheitsgrenze nach § 29 Abs. 1 S. 2 SGB XII übersteigt und der Hilfebedürftige aus persönlichen oder finanziellen Gründen nicht in der Lage sein wird, den darüber liegenden Betrag aus dem Regelsatz zu bestreiten.
2. Unter den Voraussetzungen der Ziffer 1 sind auch Erhaltungshilfen für die bisherige Wohnung nach § 67 SGB XII ausgeschlossen.
3. Ob zur Beschaffung einer anderen Wohnung Hilfen nach § 67 SGB XII zu gewähren sind, ist gesondert zu entscheiden.
2. Unter den Voraussetzungen der Ziffer 1 sind auch Erhaltungshilfen für die bisherige Wohnung nach § 67 SGB XII ausgeschlossen.
3. Ob zur Beschaffung einer anderen Wohnung Hilfen nach § 67 SGB XII zu gewähren sind, ist gesondert zu entscheiden.
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
II. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind auch nicht zu erstatten.
III. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab Antragstellung Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsanwalts C. in C-Stadt bewilligt.
Gründe:
I.
Hintergrund des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bilden in den Hauptsachen ein Antrag auf Übernahme der Kosten der Unterkunft (KdU) für Januar 2010, ein Widerspruch gegen die Höhe übernommener Unterkunftskosten mit Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2010 für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis ursprünglich 31. Januar 2011 sowie ein Antrag auf Übernahme von Mietschulden ab dem 1. Januar 2010.
Die 1951 geborene Antragstellerin ist laut Feststellung der LVA Hessen vom 25. August 2005 seit dem 1. April 2005 dauerhaft erwerbsgemindert mit einem Grad der Behinderung von 100 nach § 69 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 SGB IX. Sie erhält seit vielen Jahren Sozialhilfeleistungen und war vor ihrem Umzug nach D-Stadt obdachlos und deshalb in der Notübernachtungsstelle E. der Stadt B. untergebracht. Die Stadt B. bewilligte ihr zuletzt mit Änderungsbescheid vom 26. November 2009 für den Zeitraum ab 1. Dezember 2009 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherung) nur in Höhe des Regelsatzes in Höhe von 359,00 EUR monatlich. Im Dezember 2009 mietete die Antragstellerin ab 1. Januar 2010 eine 56,5 m² große Wohnung in D-Stadt - Baujahr 1947 - an. Der Renovierungszustand ist nicht ermittelt. Ausweislich des Mietvertrages vom 15. Dezember 2009 beträgt die monatliche Nettokaltmiete 375,00 EUR sowie die monatliche Vorauszahlung für umlagefähige Betriebskosten (Betriebskosten) und Heizung 120,00 EUR.
Die Stadt B. übernahm die Kaution und die Umzugskosten. Gleichzeitig stellte sie wegen des Umzugs ihre Leistung zum 31. Januar 2010 ein, ohne die KdU für Januar 2010 zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2010 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Grundsicherung für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 31. Januar 2011 weiter. Für die KdU gewährte sie dabei insgesamt 312,50 EUR monatlich. Der Berechnung der Angemessenheitsgrenze für die KdU ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin die Vorauszahlung fiktiv zu 2/3 auf die umlagefähigen Betriebskosten (Betriebskosten) und zu 1/3 auf die Heizung aufteilte sowie in voller Höhe übernahm. Für die Nettokaltmiete bestimmte sie hingegen aufgrund einer Auswertung des bis zum 31. Dezember 2009 gültigen Mietspiegels für die Stadt D. nach § 558c BGB (einfacher Mietspiegel) eine Angemessenheitsgrenze in Höhe von 192,15 EUR. Den Erläuterungen zur KdU-Tabelle der Antragsgegnerin ist zu entnehmen, dass sie zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze unter Berücksichtigung aller Wohnlagen (einfach, mittel, gut), nach Baualtersklassen aufgeteilt, ein Drittel der Differenz aus niedrigstem und höchstem Spannenwert dem niedrigstem Spannenwert hinzurechnet, um das rechnerische untere Drittel ohne Verteilungsgewichtung zu bestimmen. Für die Berechnung der Angemessenheitsgrenze der Betriebskosten berücksichtigte sie aufgrund einer Auswertung von Daten eines kommunalen Wohnungsunternehmens und des Deutschen Mieterbundes Hessen einen Richtwert von 2,60 EUR/m². Eine tatsächliche Überschreitung bis zu 30 % wird akzeptiert. In besonderen Konstellationen (Krankheit, Behinderung) kann eine darüber hinausgehende Überschreitung gerechtfertigt sein.
Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin am 25. März 2010 bei der Antragsgegnerin schriftlich Widerspruch hinsichtlich der KdU ein. Zur Begründung führte der Verfahrensbevollmächtigte aus, in B-Stadt sei eine monatliche Nettokaltmiete bis 394,00 EUR angemessen.
Wegen offener Mietschulden für die Kalendermonate Februar 2010 bis April 2010 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis mit Schreiben vom 16. April 2010 zum 30. April 2010. Mit Änderungsbescheid vom 27. April 2010 veranlasste die Antragsgegnerin, dass die übernommenen KdU direkt an den Vermieter ab 1. Mai 2010 überwiesen werden.
Am 23. April 2010 stellte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin schriftlich einen Antrag auf Übernahme der Mietschulden zur Sicherung der Unterkunft.
Die Antragstellerin wurde am 11. Mai 2010 in X. verhaftet, um die bis voraussichtlich 13. Januar 2011 zu verbüßende Haftstrafe in der B., B-Stadt antreten zu können. Rechtsgrund waren Strafurteile wegen Diebstahl und Erschleichen von Leistungen.
Die Antragstellerin hat am 1. Juni 2010 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) gestellt. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 30. Juni 2010 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Übernahme von Mietschulden nach § 34 SGB XII sei nicht gerechtfertigt, weil die Wohnung nicht grundsicherungsrechtlich erhaltenswert sei. Für die vorläufige Verpflichtung zur Übernahme höherer KdU fehle es am erforderlichen Anordnungsgrund, da die Wohnung ohnehin nicht zu halten sei. Hiergegen hat die Antragstellerin am 29. Juli 2010 Beschwerde bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Wegen des Haftantritts hat die Antragsgegnerin rückwirkend mit Bescheid vom 25. August 2010 ab dem 1. Juni 2010 den Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2010 aufgehoben. Ergänzend hat die Antragsgegnerin die Aufhebungsentscheidung auch darauf gestützt, die Antragstellerin habe nach eigenem Vortrag über Bargeld in Höhe von 800,00 EUR verfügt. Weiter hat sie in den Gründen darauf hingewiesen, über den am 23. April 2010 gestellten Antrag auf Übernahme von Mietschulden zur Sicherung der Unterkunft nach § 34 SGB XII auch für den Zeitraum ab 1. Juni 2010 gesondert zu entscheiden. Hiergegen hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin am 27. September 2010 schriftlich bei der Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.
Der Vermieter hat unter dem Az.: xxx am 30. August 2010 bei dem Amtsgericht D. Räumungsklage wegen Mietschulden erhoben. Die Klageschrift ist der Antragstellerin am 13. September 2010 zugestellt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 17. August 2010 ihr Unterkunftskonzept übersandt. Die Hausverwaltung des Vermieters hat auf Anforderung des Senats mit Schreiben vom 28. September 2010 eine Aufstellung über die Mietschulden vorgelegt.
Die Antragstellerin weist darauf hin, die Angemessenheitsgrenze der Antragsgegnerin sei zu niedrig bemessen. Ausweislich einer Auskunft eines Immobilienmaklers vom 16. August 2010 seien Nettokaltmieten zwischen 6 und 8 EUR in D-Stadt üblich. Gleichwohl sei sie in der Lage gewesen, aufgrund ihrer genügsamen Lebensweise den Fehlbetrag in Höhe von 150,00 EUR monatlich aus der Regelleistung zu bestreiten. Es sei anfangs nur deshalb nicht zu Mietzahlungen gekommen, weil ihr eine Person, die sie für den Vermieter gehalten habe, mitgeteilt habe, die Mietrückstände aus der Kaution zu begleichen. Auch wenn sie gerne in ihrer Freizeit Alkohol trinke und Zigaretten rauche leide sie nicht unter einem Suchtproblem. Sie habe vor ihrer Inhaftierung die Absicht gehabt, aus den angesparten 800,00 EUR die Mietrückstände zu begleichen. 700,00 EUR daraus erhalte sie nunmehr erst nach Haftende als Überbrückungsgeld von der JVA zurück. Sie sei bereit, nach der Haft einen Gelegenheitsjob aufzunehmen, um die KdU decken zu können. Allein die jetzige Wohnung könne sie vor Obdachlosigkeit bewahren, weil sie nach Haftende eine andere Wohnung wohl kurzfristig nicht erhalten werde. Vorsorglich habe sie daher bei der Antragsgegnerin beantragt, ihren Hausrat einlagern zu lassen.
Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zur Übernahme der Gesamtmiete und der Mietrückstände für ihre Wohnung in D-Stadt zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin weist darauf hin, hinsichtlich der zu übernehmenden KdU müsse noch eine Anpassung an den Mietspiegel ab 1. Januar 2010 erfolgen. Die Unterkunft bliebe gleichwohl unangemessen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin ist bei verständiger Auslegung so zu verstehen, dass sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten,
1. die Kosten der Unterkunft ab dem 1. Januar 2010 bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Januar 2011, in tatsächlicher Höhe zu übernehmen,
2. die bisher aufgelaufenen Mietschulden für die ab dem 1. Januar 2010 angemietete Unterkunft zu übernehmen.
Dem wörtlich gestellten Antrag der mittlerweile anwaltlich vertretenen Antragstellerin ist ein weiteres Rechtsschutzziel nicht zu entnehmen. Zwar ist in der zugrundeliegenden Hauptsache auch der Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 25. August 2010 einbezogen, weil er nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2010 ist. Allerdings hat die Antragsgegnerin bisher nicht beachtet, dass damit zugleich der Aufhebungsbescheid vom 25. August 2010 nach § 86a Abs. 1 SGG nicht sofort vollziehbar ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 86a Rn. 5a a.E.) Sie hat daher mit Bescheid vom 25. Februar 2010 für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 31. Januar 2011 bewilligte Leistungen weiterhin auszuzahlen, solange die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheids nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG nicht angeordnet ist. Das ist jedoch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, weil insoweit die Antragstellerin keinen einstweiligen Rechtsschutzantrag gestellt hat.
Der so verstandene zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes liegen nicht vor.
Ist einstweiliger Rechtsschutz weder durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt noch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes (§ 86b Abs. 1 SGG) zu gewährleisten, kann nach § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung - vorläufige Sicherung eines bestehenden Zustandes -). Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung - vorläufige Regelung zur Nachteilsabwehr -). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache - möglicherweise - zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Conradis in LPK–SGB II, 2. Aufl., Anhang Verfahren Rn. 117).
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Senat, 29. Juni 2005 - L 7 AS 1/05 ER - info also 2005, 169; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 27 und 29, 29a m.w.N.): Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip) ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - info also 2005, 166 unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60 (80)). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (Senat, 27. Juli 2005 - L 7 AS 18/05 ER).
Soweit die Antragstellerin die Übernahme von Mietschulden begehrt, fehlt es bereits an einem hinreichend wahrscheinlichen Anordnungsanspruch. Insbesondere steht ihr gegenüber der Antragsgegnerin kein Anspruch auf Übernahme der bisher aufgelaufenen Mietschulden gegenüber dem Vermieter ihrer Wohnung nach §§ 41 Abs. 1 und 3, 42 S. 1 Nr. 5 SGB XII i.V.m. § 34 Abs. 1 SGB XII zu.
§ 34 Abs. 1 SGB XII sieht ausnahmsweise die Übernahme von Schulden im Ermessen des Leistungsträgers als besondere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem 3. Kapitel des SGB XII vor, um vor allem eine Unterkunft zu sichern, wenn das gerechtfertigt ist (Satz 1). Der Leistungsträger hat von begründeten Ausnahmen abgesehen, die Schulden zu übernehmen, wenn das darüber hinaus notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Geldleistungen können als Beihilfe oder Darlehen erbracht werden (Satz 3).
Es fehlt bereits an der erforderlichen Rechtfertigung für die Übernahme von Mietschulden.
Gerechtfertigt ist sie nur, wenn sie geeignet ist, die Unterkunft dauerhaft zu sichern. Daran fehlt es, wenn die Umstände, die für die aufgelaufenen Mietrückstände verantwortlich gewesen sind, trotz Übernahme der Mietschulden nicht zu beseitigen sind. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn das Verhalten des Schuldners die Prognose erlaubt, dass auch in Zukunft rechtzeitige Mietzahlungen weder mit der erforderlichen Regelmäßigkeit zu erwarten sind noch anderweitig sichergestellt werden können.
Davon ist auszugehen, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit die zu leistende Miete nicht als sozialhilferechtlich angemessen anzusehen ist und die Antragstellerin entgegen ihrem Vorbringen in der Vergangenheit deutlich gemacht hat, nicht willens oder fähig zu sein, in der gebotenen Zuverlässigkeit den übersteigenden Betrag aus dem Regelsatz zu bestreiten. Mit Ausnahme für den Monat März 2010 hat sie auf eigene Veranlassung Mietzahlungen selbst dann nicht erbracht, wenn ihr hierfür die Antragsgegnerin Leistungen zur Verfügung gestellt hat. Die von ihr zur Entschuldigung vorgebrachten Umstände beseitigen diese Tatsache nicht, sondern bieten allenfalls Gründe dafür, warum die Antragstellerin nicht in der Lage ist, aus eigenem Antrieb einer Zahlungsverpflichtung mit der gebotenen Zuverlässigkeit nachzukommen. Für die Antragsgegnerin besteht aller Voraussicht nach auch keine Möglichkeit, die Zahlungsverpflichtung durch eine direkte Überweisung an den Vermieter sicherzustellen (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 29 Abs. 1 S. 6 SGB XII), weil jedenfalls ein Teilbetrag oberhalb der Angemessenheitsgrenze von der Antragstellerin aus dem Regelsatz zu bestreiten bleibt.
Zwar hat die Antragsgegnerin wohl nach ihrem eigenen Unterkunftskonzept der Antragstellerin zu geringe Leistungen für KdU bewilligt, weil einer telefonischen Auskunft des Vermieters vom 3. November 2010 zu entnehmen ist, dass die Wohnung der Antragstellerin in einem Anbau liegt, der erst im Jahre 1967 erstellt ist. Weiter hat sie im Rechtsstreit selber eingeräumt, nicht den ab dem 1. Januar 2010 maßgeblichen Mietspiegel verwendet zu haben. Doch selbst unter Berücksichtigung dessen wären danach nur KdU in Höhe von maximal 378,75 EUR monatlich zu übernehmen, so dass ein ungedeckter Betrag von knapp 120,00 EUR monatlich verbliebe.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht, wenn man das derzeitige Unterkunftskonzept jedenfalls ohne weitere Ermittlungen und ggf. Korrekturen, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen, nicht für schlüssig hält.
Ohne das vorliegend abschließend klären zu müssen, bestehen hinsichtlich der Schlüssigkeit des Unterkunftskonzeptes in zweifacher Hinsicht Zweifel.
Erstens ist fraglich, ob die Antragsgegnerin die Referenzmiete zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze nach Baualtersklassen differenzieren darf. Die Referenzmiete soll nicht bestimmen, ob die derzeit bewohnte Unterkunft angemessen ist (konkrete Betrachtungsweise), sondern bis zu welcher Höchstgrenze sich der Leistungsberechtigte im maßgeblichen Vergleichsraum eine Unterkunft beschaffen darf (abstrakte Betrachtungsweise) - BSG, 22. März 2010 - B 8 SO 24/08 R unter Verweis auf Rspr des BSG zu § 22 SGB II: grundlegend BSG, 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R; 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R -. Es dürften daher für die Bestimmung der Höchstgrenze alle Baualtersklassen - ggf. statistisch gewichtet - einzubeziehen sein, die das untere Wohnsegment im Vergleichsraum abbilden (so Mietspiegel für Stadt Essen: BSG, 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R).
Zweitens hat die Antragsgegnerin das untere Drittel allein mittels einer arithmetischen Auswertung des Mietspiegels vorgenommen, ohne eine Häufigkeitsverteilung anhand der Grunddaten oder anderer Quellen zu berücksichtigen. Eine realitätsgerechte Abbildung des Vergleichsraumes ist damit aber fraglich, weil Höchst- und Niedrigstspannen die Referenzmiete bestimmen können, die auf dem tatsächlichen Wohnungsmarkt möglicherweise keine statistische Relevanz besitzen (vgl. hierzu: BSG, 19. Oktober 2010 - B 14 AS 50/10 R - Terminbericht Nr. 58/10 Nr. 2).
Doch selbst für diesen Fall verbliebe im einstweiligen Rechtsschutz ohne weitere zur Verfügung stehende Daten nur die Möglichkeit in Anlehnung an die Tabellenwerte nach § 12 WoGG idF des Änderungsgesetzes vom 24. September 2008 (BGBl I 1856) - WoGG F. 2009 - eine normative Höchstgrenze festzulegen, oberhalb der eine im Hauptsacheverfahren zu ermittelnde Angemessenheitsgrenze ausgeschlossen ist.
Gilt für D-Stadt die Mietstufe VI, ist danach für einen 1-Personen-Haushalt von einer monatlichen Bruttokaltmiete von mindestens 407,00 EUR auszugehen. Nicht folgen kann der Senat einem obiter dictum des 8. Senats des BSG, soweit dieser hat anklingen lassen, auf die Tabelle dürfe möglicherweise nur bis zur Höhe der Nettokaltmiete zurückgegriffen werden (BSG, 22. März 2010, a.a.O.). Sollte Hintergrund dieser Auffassung die Überlegung sein, dass die Betriebskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sein können, verkennt sie die allein normative Bedeutung der Höchstgrenze nach § 12 WoGG F. 2009. Die Höchstgrenze stellt keine empirische ungefähre Angemessenheitsgrenze dar, sondern soll allein die ohne schlüssiges Unterkunftskonzept eigentlich bestehende Verpflichtung, die KdU in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, durch eine allein normativ gegriffene Größe einschränken, um eine Pflicht zur Übernahme von KdU in beliebiger Höhe zu vermeiden (BSG, 17. Dezember 2009, a.a.O.).
Welche Aufwendungen für Betriebskosten der Nettokaltmiete in Höhe von 375,00 EUR monatlich hinzuzurechnen sind, ist bisher aufgrund der pauschalen Vorauszahlung für Betriebskosten und Heizung nicht ermittelt. Anbieten würde sich, die Verteilung nach der Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vorjahres vorzunehmen, auch wenn wegen der Neuanmietung das Verbrauchsverhalten des Vormieters betroffen wäre. Im einstweiligen Rechtsschutz genügt jedoch die für die Antragstellerin großzügige Schätzung, dass allein für die Betriebskosten nicht weniger als ca. 1,30 EUR/m² zu veranschlagen sind (vgl. Betriebskostenmietspiegel des Deutschen Mieterbundes Hessen für 2009 - Kalenderjahr, das für die Bemessung der Vorauszahlung maßgeblich gewesen sein wird -, der von einem Durchschnitt von 1,95 EUR/m² ausgeht - www.mieterbund-hessen.de/content 922.html). Das ergibt bei einer Wohnfläche von 56,5 m² einen Betriebskostenanteil in Höhe von mindestens 73,45 EUR, so dass die Antragstellerin insgesamt eine monatliche Bruttokaltmiete von mindestens 448,45 EUR zu entrichten hat. Damit verbleibt auch danach eine aus dem Regelsatz zu bestreitende Deckungslücke in Höhe von mindestens 41,45 EUR monatlich, selbst wenn die Heizkosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sind.
Offen lässt der Senat an dieser Stelle, ob zusätzlich ein Sicherheitszuschlag von maximal 10 % hinzuzurechnen ist (ausdrücklich offen gelassen: BSG, 22. März 2010 a.a.O. m.w.N.), weil jedenfalls aus nachfolgenden Überlegungen dieser im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu berücksichtigen ist.
Auszugehen ist davon, dass der Sicherheitszuschlag als Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens gerechtfertigt sein mag, in dem der Leistungsträger sich weigert, ein nach gerichtlicher Auffassung schlüssiges Konzept nachzulegen bzw. nachzubessern oder zumindest dem Gericht die hierfür erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Gleichwohl handelt es sich um eine normative Höchstgrenze ohne gleichwertige tatsächliche Untermauerung. Für eine über den Tabellenwerten nach § 12 WoGG F. 2009 ohne Sicherheitszuschlag im Hauptsacheverfahren ermittelte Referenzmiete wird jedenfalls für die Kalenderjahre 2010 und 2011 nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein.
Besteht nur eine solche Wahrscheinlichkeit für einen Anordnungsanspruch ist im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung im vorliegenden Fall dem Rückforderungsrisiko der Antragsgegnerin Vorrang einzuräumen, weil davon auszugehen ist, dass sie vorläufig gewährte Leistungen nach Erledigung der Hauptsacheverfahren nicht gegenüber der Antragstellerin erfolgreich zurückfordern können wird.
Verletzt ist damit nicht die verfassungsrechtliche Vorgabe, bei existenzsichernden Leistungen einstweiligen Rechtsschutz bereits zu gewähren, wenn ein Anspruch nur möglicherweise besteht. Solange die Haft andauert ist das soziokulturelle Existenzminimum der Antragstellerin auch ohne eine Sicherung ihrer derzeitigen Wohnung für die Zeit nach Haftende sichergestellt. Nach Entlassung aus der Haft werden ihr hingegen die existenzsichernden Anspruchssysteme nach dem Vierten, ggf. auch Sechsten oder Achten Kapitel des SGB XII zur Verfügung stehen, um das soziokulturelle Existenzminimum zu gewährleisten.
Der Senat hat von einer Beiladung der Stadt B. nach § 75 Abs. 2 SGG abgesehen, weil auch ihr gegenüber eine Beiladungsverurteilung gemäß § 75 Abs. 5 SGG nicht in Betracht kommt.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für die allein in Betracht kommenden Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67, 68 Abs. 1 SGB XII, für die nach § 98 Abs. 4 SGB XII i.V.m. § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII wohl die Stadt B. örtlich zuständig wäre, kommen zur Übernahme der Mietschulden für die bisherige Wohnung nicht in Betracht.
Zwar bestimmt § 4 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vom 24. Januar 2001 (BGBl I 179), zuletzt geändert durch das Änderungsgesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3022, 3060) - VO -, dass insbesondere Maßnahmen zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung für Personen, die aus einer geschlossenen Einrichtung entlassen werden (§ 1 Abs. 2 VO) erfasst sein können. Greifen können die Hilfen jedoch nur, wenn die Wohnung auch für die Zukunft dauerhaft gehalten werden kann. Bereits das ist nach den obigen Ausführungen nicht hinreichend sichergestellt.
Derzeit nicht zu entscheiden ist, ob der Antragstellerin solche Hilfen zur Beschaffung einer anderen Wohnung bereitzustellen und ggf. hierfür auch präventiv bisherige Mietschulden zu übernehmen sind, weil sie sich ggf. ansonsten eine andere Wohnung nicht wird beschaffen können. Das ist allenfalls rechtzeitig vor der Haftentlassung wohl von der Stadt B. als örtlich zuständigem Leistungsträger zu prüfen. Die Antragsgegnerin kann allerdings gehalten sein, die Stadt B. auf einen möglicherweise bestehenden Hilfebedarf hinzuweisen.
Kann damit aufgrund der Räumungsklage des Vermieters die bisherige Wohnung ohnehin nicht gehalten werden, sind weitere KdU nach §§ 41 Abs. 1 und 3, 42 S. 1 Nr. 2, 29 Abs. 1 S. 1 bis 3 und Abs. 3 S. 1 SGB XII nicht vorläufig zu übernehmen, obwohl bereits ab 1. Januar 2010 weitere Leistungen für KdU zumindest unter Berücksichtigung der Baualtersklasse für das Jahr 1967 voraussichtlich zu erbringen sein werden, weil es an dem hierfür erforderlichen Anordnungsgrund mangelt. Allein Mietschulden können einen unzumutbaren Nachteil für die Antragstellerin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache für eine ohnehin aufzugebende und gegenwärtig nicht genutzte Wohnung nicht begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits entsprechend § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung folgt aus § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 S. 1, 121 Abs. 2 ZPO. Hinreichende Erfolgsausichten sind gegeben, weil die erforderlichen Abwägungsgesichtspunkte im einstweiligen Rechtsschutz zur Wohngeldtabelle nach § 12 WoGG F. 2009 bisher nicht geklärt sind.
Dieser Beschluss kann nicht mit einer weiteren Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
II. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind auch nicht zu erstatten.
III. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab Antragstellung Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung des Rechtsanwalts C. in C-Stadt bewilligt.
Gründe:
I.
Hintergrund des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bilden in den Hauptsachen ein Antrag auf Übernahme der Kosten der Unterkunft (KdU) für Januar 2010, ein Widerspruch gegen die Höhe übernommener Unterkunftskosten mit Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2010 für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis ursprünglich 31. Januar 2011 sowie ein Antrag auf Übernahme von Mietschulden ab dem 1. Januar 2010.
Die 1951 geborene Antragstellerin ist laut Feststellung der LVA Hessen vom 25. August 2005 seit dem 1. April 2005 dauerhaft erwerbsgemindert mit einem Grad der Behinderung von 100 nach § 69 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 SGB IX. Sie erhält seit vielen Jahren Sozialhilfeleistungen und war vor ihrem Umzug nach D-Stadt obdachlos und deshalb in der Notübernachtungsstelle E. der Stadt B. untergebracht. Die Stadt B. bewilligte ihr zuletzt mit Änderungsbescheid vom 26. November 2009 für den Zeitraum ab 1. Dezember 2009 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherung) nur in Höhe des Regelsatzes in Höhe von 359,00 EUR monatlich. Im Dezember 2009 mietete die Antragstellerin ab 1. Januar 2010 eine 56,5 m² große Wohnung in D-Stadt - Baujahr 1947 - an. Der Renovierungszustand ist nicht ermittelt. Ausweislich des Mietvertrages vom 15. Dezember 2009 beträgt die monatliche Nettokaltmiete 375,00 EUR sowie die monatliche Vorauszahlung für umlagefähige Betriebskosten (Betriebskosten) und Heizung 120,00 EUR.
Die Stadt B. übernahm die Kaution und die Umzugskosten. Gleichzeitig stellte sie wegen des Umzugs ihre Leistung zum 31. Januar 2010 ein, ohne die KdU für Januar 2010 zu übernehmen.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2010 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Grundsicherung für den Zeitraum vom 1. Februar 2010 bis 31. Januar 2011 weiter. Für die KdU gewährte sie dabei insgesamt 312,50 EUR monatlich. Der Berechnung der Angemessenheitsgrenze für die KdU ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin die Vorauszahlung fiktiv zu 2/3 auf die umlagefähigen Betriebskosten (Betriebskosten) und zu 1/3 auf die Heizung aufteilte sowie in voller Höhe übernahm. Für die Nettokaltmiete bestimmte sie hingegen aufgrund einer Auswertung des bis zum 31. Dezember 2009 gültigen Mietspiegels für die Stadt D. nach § 558c BGB (einfacher Mietspiegel) eine Angemessenheitsgrenze in Höhe von 192,15 EUR. Den Erläuterungen zur KdU-Tabelle der Antragsgegnerin ist zu entnehmen, dass sie zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze unter Berücksichtigung aller Wohnlagen (einfach, mittel, gut), nach Baualtersklassen aufgeteilt, ein Drittel der Differenz aus niedrigstem und höchstem Spannenwert dem niedrigstem Spannenwert hinzurechnet, um das rechnerische untere Drittel ohne Verteilungsgewichtung zu bestimmen. Für die Berechnung der Angemessenheitsgrenze der Betriebskosten berücksichtigte sie aufgrund einer Auswertung von Daten eines kommunalen Wohnungsunternehmens und des Deutschen Mieterbundes Hessen einen Richtwert von 2,60 EUR/m². Eine tatsächliche Überschreitung bis zu 30 % wird akzeptiert. In besonderen Konstellationen (Krankheit, Behinderung) kann eine darüber hinausgehende Überschreitung gerechtfertigt sein.
Gegen den Bescheid legte die Antragstellerin am 25. März 2010 bei der Antragsgegnerin schriftlich Widerspruch hinsichtlich der KdU ein. Zur Begründung führte der Verfahrensbevollmächtigte aus, in B-Stadt sei eine monatliche Nettokaltmiete bis 394,00 EUR angemessen.
Wegen offener Mietschulden für die Kalendermonate Februar 2010 bis April 2010 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis mit Schreiben vom 16. April 2010 zum 30. April 2010. Mit Änderungsbescheid vom 27. April 2010 veranlasste die Antragsgegnerin, dass die übernommenen KdU direkt an den Vermieter ab 1. Mai 2010 überwiesen werden.
Am 23. April 2010 stellte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin schriftlich einen Antrag auf Übernahme der Mietschulden zur Sicherung der Unterkunft.
Die Antragstellerin wurde am 11. Mai 2010 in X. verhaftet, um die bis voraussichtlich 13. Januar 2011 zu verbüßende Haftstrafe in der B., B-Stadt antreten zu können. Rechtsgrund waren Strafurteile wegen Diebstahl und Erschleichen von Leistungen.
Die Antragstellerin hat am 1. Juni 2010 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) gestellt. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 30. Juni 2010 abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, eine Übernahme von Mietschulden nach § 34 SGB XII sei nicht gerechtfertigt, weil die Wohnung nicht grundsicherungsrechtlich erhaltenswert sei. Für die vorläufige Verpflichtung zur Übernahme höherer KdU fehle es am erforderlichen Anordnungsgrund, da die Wohnung ohnehin nicht zu halten sei. Hiergegen hat die Antragstellerin am 29. Juli 2010 Beschwerde bei dem Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Wegen des Haftantritts hat die Antragsgegnerin rückwirkend mit Bescheid vom 25. August 2010 ab dem 1. Juni 2010 den Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2010 aufgehoben. Ergänzend hat die Antragsgegnerin die Aufhebungsentscheidung auch darauf gestützt, die Antragstellerin habe nach eigenem Vortrag über Bargeld in Höhe von 800,00 EUR verfügt. Weiter hat sie in den Gründen darauf hingewiesen, über den am 23. April 2010 gestellten Antrag auf Übernahme von Mietschulden zur Sicherung der Unterkunft nach § 34 SGB XII auch für den Zeitraum ab 1. Juni 2010 gesondert zu entscheiden. Hiergegen hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin am 27. September 2010 schriftlich bei der Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.
Der Vermieter hat unter dem Az.: xxx am 30. August 2010 bei dem Amtsgericht D. Räumungsklage wegen Mietschulden erhoben. Die Klageschrift ist der Antragstellerin am 13. September 2010 zugestellt.
Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 17. August 2010 ihr Unterkunftskonzept übersandt. Die Hausverwaltung des Vermieters hat auf Anforderung des Senats mit Schreiben vom 28. September 2010 eine Aufstellung über die Mietschulden vorgelegt.
Die Antragstellerin weist darauf hin, die Angemessenheitsgrenze der Antragsgegnerin sei zu niedrig bemessen. Ausweislich einer Auskunft eines Immobilienmaklers vom 16. August 2010 seien Nettokaltmieten zwischen 6 und 8 EUR in D-Stadt üblich. Gleichwohl sei sie in der Lage gewesen, aufgrund ihrer genügsamen Lebensweise den Fehlbetrag in Höhe von 150,00 EUR monatlich aus der Regelleistung zu bestreiten. Es sei anfangs nur deshalb nicht zu Mietzahlungen gekommen, weil ihr eine Person, die sie für den Vermieter gehalten habe, mitgeteilt habe, die Mietrückstände aus der Kaution zu begleichen. Auch wenn sie gerne in ihrer Freizeit Alkohol trinke und Zigaretten rauche leide sie nicht unter einem Suchtproblem. Sie habe vor ihrer Inhaftierung die Absicht gehabt, aus den angesparten 800,00 EUR die Mietrückstände zu begleichen. 700,00 EUR daraus erhalte sie nunmehr erst nach Haftende als Überbrückungsgeld von der JVA zurück. Sie sei bereit, nach der Haft einen Gelegenheitsjob aufzunehmen, um die KdU decken zu können. Allein die jetzige Wohnung könne sie vor Obdachlosigkeit bewahren, weil sie nach Haftende eine andere Wohnung wohl kurzfristig nicht erhalten werde. Vorsorglich habe sie daher bei der Antragsgegnerin beantragt, ihren Hausrat einlagern zu lassen.
Die Antragstellerin beantragt wörtlich,
im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zur Übernahme der Gesamtmiete und der Mietrückstände für ihre Wohnung in D-Stadt zu verpflichten.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin weist darauf hin, hinsichtlich der zu übernehmenden KdU müsse noch eine Anpassung an den Mietspiegel ab 1. Januar 2010 erfolgen. Die Unterkunft bliebe gleichwohl unangemessen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin ist bei verständiger Auslegung so zu verstehen, dass sie beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 2010 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten,
1. die Kosten der Unterkunft ab dem 1. Januar 2010 bis zur Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, längstens bis zum 31. Januar 2011, in tatsächlicher Höhe zu übernehmen,
2. die bisher aufgelaufenen Mietschulden für die ab dem 1. Januar 2010 angemietete Unterkunft zu übernehmen.
Dem wörtlich gestellten Antrag der mittlerweile anwaltlich vertretenen Antragstellerin ist ein weiteres Rechtsschutzziel nicht zu entnehmen. Zwar ist in der zugrundeliegenden Hauptsache auch der Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 25. August 2010 einbezogen, weil er nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bewilligungsbescheid vom 25. Februar 2010 ist. Allerdings hat die Antragsgegnerin bisher nicht beachtet, dass damit zugleich der Aufhebungsbescheid vom 25. August 2010 nach § 86a Abs. 1 SGG nicht sofort vollziehbar ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 86a Rn. 5a a.E.) Sie hat daher mit Bescheid vom 25. Februar 2010 für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis 31. Januar 2011 bewilligte Leistungen weiterhin auszuzahlen, solange die sofortige Vollziehung des Aufhebungsbescheids nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG nicht angeordnet ist. Das ist jedoch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, weil insoweit die Antragstellerin keinen einstweiligen Rechtsschutzantrag gestellt hat.
Der so verstandene zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes liegen nicht vor.
Ist einstweiliger Rechtsschutz weder durch die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt noch die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsaktes (§ 86b Abs. 1 SGG) zu gewährleisten, kann nach § 86b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung - vorläufige Sicherung eines bestehenden Zustandes -). Nach Satz 2 der Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung - vorläufige Regelung zur Nachteilsabwehr -). Bildet ein Leistungsbegehren des Antragstellers den Hintergrund für den begehrten einstweiligen Rechtsschutz, ist dieser grundsätzlich im Wege der Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG zu gewähren. Danach muss die einstweilige Anordnung erforderlich sein, um einen wesentlichen Nachteil für den Antragsteller abzuwenden. Ein solcher Nachteil ist nur anzunehmen, wenn einerseits dem Antragsteller gegenüber dem Antragsgegner ein materiell-rechtlicher Leistungsanspruch in der Hauptsache - möglicherweise - zusteht (Anordnungsanspruch) und es ihm andererseits nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten (Anordnungsgrund). Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (Conradis in LPK–SGB II, 2. Aufl., Anhang Verfahren Rn. 117).
Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Vielmehr stehen beide in einer Wechselbeziehung zueinander, nach der die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden nämlich aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches System (Senat, 29. Juni 2005 - L 7 AS 1/05 ER - info also 2005, 169; Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., § 86b Rn. 27 und 29, 29a m.w.N.): Wäre eine Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Wäre eine Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund, auch wenn in diesem Fall nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden kann. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- oder Rechtslage im einstweiligen Rechtsschutz nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, welchem Beteiligten ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache eher zuzumuten ist. Dabei sind grundrechtliche Belange des Antragstellers umfassend in der Abwägung zu berücksichtigen. Insbesondere bei Ansprüchen, die darauf gerichtet sind, als Ausfluss der grundrechtlich geschützten Menschenwürde das soziokulturelle Existenzminimum zu sichern (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip) ist ein nur möglicherweise bestehender Anordnungsanspruch, vor allem wenn er eine für die soziokulturelle Teilhabe unverzichtbare Leistungshöhe erreicht und für einen nicht nur kurzfristigen Zeitraum zu gewähren ist, in der Regel vorläufig zu befriedigen, wenn sich die Sach- oder Rechtslage im Eilverfahren nicht vollständig klären lässt (BVerfG, 3. Kammer des Ersten Senats, 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - info also 2005, 166 unter Hinweis auf BVerfGE 82, 60 (80)). Denn im Rahmen der gebotenen Folgeabwägung hat dann regelmäßig das Interesse des Leistungsträgers ungerechtfertigte Leistungen zu vermeiden gegenüber der Sicherstellung des ausschließlich gegenwärtig für den Antragsteller verwirklichbaren soziokulturellen Existenzminimums zurückzutreten (Senat, 27. Juli 2005 - L 7 AS 18/05 ER).
Soweit die Antragstellerin die Übernahme von Mietschulden begehrt, fehlt es bereits an einem hinreichend wahrscheinlichen Anordnungsanspruch. Insbesondere steht ihr gegenüber der Antragsgegnerin kein Anspruch auf Übernahme der bisher aufgelaufenen Mietschulden gegenüber dem Vermieter ihrer Wohnung nach §§ 41 Abs. 1 und 3, 42 S. 1 Nr. 5 SGB XII i.V.m. § 34 Abs. 1 SGB XII zu.
§ 34 Abs. 1 SGB XII sieht ausnahmsweise die Übernahme von Schulden im Ermessen des Leistungsträgers als besondere Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem 3. Kapitel des SGB XII vor, um vor allem eine Unterkunft zu sichern, wenn das gerechtfertigt ist (Satz 1). Der Leistungsträger hat von begründeten Ausnahmen abgesehen, die Schulden zu übernehmen, wenn das darüber hinaus notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Geldleistungen können als Beihilfe oder Darlehen erbracht werden (Satz 3).
Es fehlt bereits an der erforderlichen Rechtfertigung für die Übernahme von Mietschulden.
Gerechtfertigt ist sie nur, wenn sie geeignet ist, die Unterkunft dauerhaft zu sichern. Daran fehlt es, wenn die Umstände, die für die aufgelaufenen Mietrückstände verantwortlich gewesen sind, trotz Übernahme der Mietschulden nicht zu beseitigen sind. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn das Verhalten des Schuldners die Prognose erlaubt, dass auch in Zukunft rechtzeitige Mietzahlungen weder mit der erforderlichen Regelmäßigkeit zu erwarten sind noch anderweitig sichergestellt werden können.
Davon ist auszugehen, weil mit hoher Wahrscheinlichkeit die zu leistende Miete nicht als sozialhilferechtlich angemessen anzusehen ist und die Antragstellerin entgegen ihrem Vorbringen in der Vergangenheit deutlich gemacht hat, nicht willens oder fähig zu sein, in der gebotenen Zuverlässigkeit den übersteigenden Betrag aus dem Regelsatz zu bestreiten. Mit Ausnahme für den Monat März 2010 hat sie auf eigene Veranlassung Mietzahlungen selbst dann nicht erbracht, wenn ihr hierfür die Antragsgegnerin Leistungen zur Verfügung gestellt hat. Die von ihr zur Entschuldigung vorgebrachten Umstände beseitigen diese Tatsache nicht, sondern bieten allenfalls Gründe dafür, warum die Antragstellerin nicht in der Lage ist, aus eigenem Antrieb einer Zahlungsverpflichtung mit der gebotenen Zuverlässigkeit nachzukommen. Für die Antragsgegnerin besteht aller Voraussicht nach auch keine Möglichkeit, die Zahlungsverpflichtung durch eine direkte Überweisung an den Vermieter sicherzustellen (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 29 Abs. 1 S. 6 SGB XII), weil jedenfalls ein Teilbetrag oberhalb der Angemessenheitsgrenze von der Antragstellerin aus dem Regelsatz zu bestreiten bleibt.
Zwar hat die Antragsgegnerin wohl nach ihrem eigenen Unterkunftskonzept der Antragstellerin zu geringe Leistungen für KdU bewilligt, weil einer telefonischen Auskunft des Vermieters vom 3. November 2010 zu entnehmen ist, dass die Wohnung der Antragstellerin in einem Anbau liegt, der erst im Jahre 1967 erstellt ist. Weiter hat sie im Rechtsstreit selber eingeräumt, nicht den ab dem 1. Januar 2010 maßgeblichen Mietspiegel verwendet zu haben. Doch selbst unter Berücksichtigung dessen wären danach nur KdU in Höhe von maximal 378,75 EUR monatlich zu übernehmen, so dass ein ungedeckter Betrag von knapp 120,00 EUR monatlich verbliebe.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht, wenn man das derzeitige Unterkunftskonzept jedenfalls ohne weitere Ermittlungen und ggf. Korrekturen, die dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben müssen, nicht für schlüssig hält.
Ohne das vorliegend abschließend klären zu müssen, bestehen hinsichtlich der Schlüssigkeit des Unterkunftskonzeptes in zweifacher Hinsicht Zweifel.
Erstens ist fraglich, ob die Antragsgegnerin die Referenzmiete zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze nach Baualtersklassen differenzieren darf. Die Referenzmiete soll nicht bestimmen, ob die derzeit bewohnte Unterkunft angemessen ist (konkrete Betrachtungsweise), sondern bis zu welcher Höchstgrenze sich der Leistungsberechtigte im maßgeblichen Vergleichsraum eine Unterkunft beschaffen darf (abstrakte Betrachtungsweise) - BSG, 22. März 2010 - B 8 SO 24/08 R unter Verweis auf Rspr des BSG zu § 22 SGB II: grundlegend BSG, 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R; 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 R -. Es dürften daher für die Bestimmung der Höchstgrenze alle Baualtersklassen - ggf. statistisch gewichtet - einzubeziehen sein, die das untere Wohnsegment im Vergleichsraum abbilden (so Mietspiegel für Stadt Essen: BSG, 17. Dezember 2009 - B 4 AS 27/09 R).
Zweitens hat die Antragsgegnerin das untere Drittel allein mittels einer arithmetischen Auswertung des Mietspiegels vorgenommen, ohne eine Häufigkeitsverteilung anhand der Grunddaten oder anderer Quellen zu berücksichtigen. Eine realitätsgerechte Abbildung des Vergleichsraumes ist damit aber fraglich, weil Höchst- und Niedrigstspannen die Referenzmiete bestimmen können, die auf dem tatsächlichen Wohnungsmarkt möglicherweise keine statistische Relevanz besitzen (vgl. hierzu: BSG, 19. Oktober 2010 - B 14 AS 50/10 R - Terminbericht Nr. 58/10 Nr. 2).
Doch selbst für diesen Fall verbliebe im einstweiligen Rechtsschutz ohne weitere zur Verfügung stehende Daten nur die Möglichkeit in Anlehnung an die Tabellenwerte nach § 12 WoGG idF des Änderungsgesetzes vom 24. September 2008 (BGBl I 1856) - WoGG F. 2009 - eine normative Höchstgrenze festzulegen, oberhalb der eine im Hauptsacheverfahren zu ermittelnde Angemessenheitsgrenze ausgeschlossen ist.
Gilt für D-Stadt die Mietstufe VI, ist danach für einen 1-Personen-Haushalt von einer monatlichen Bruttokaltmiete von mindestens 407,00 EUR auszugehen. Nicht folgen kann der Senat einem obiter dictum des 8. Senats des BSG, soweit dieser hat anklingen lassen, auf die Tabelle dürfe möglicherweise nur bis zur Höhe der Nettokaltmiete zurückgegriffen werden (BSG, 22. März 2010, a.a.O.). Sollte Hintergrund dieser Auffassung die Überlegung sein, dass die Betriebskosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sein können, verkennt sie die allein normative Bedeutung der Höchstgrenze nach § 12 WoGG F. 2009. Die Höchstgrenze stellt keine empirische ungefähre Angemessenheitsgrenze dar, sondern soll allein die ohne schlüssiges Unterkunftskonzept eigentlich bestehende Verpflichtung, die KdU in tatsächlicher Höhe zu übernehmen, durch eine allein normativ gegriffene Größe einschränken, um eine Pflicht zur Übernahme von KdU in beliebiger Höhe zu vermeiden (BSG, 17. Dezember 2009, a.a.O.).
Welche Aufwendungen für Betriebskosten der Nettokaltmiete in Höhe von 375,00 EUR monatlich hinzuzurechnen sind, ist bisher aufgrund der pauschalen Vorauszahlung für Betriebskosten und Heizung nicht ermittelt. Anbieten würde sich, die Verteilung nach der Betriebs- und Heizkostenabrechnung des Vorjahres vorzunehmen, auch wenn wegen der Neuanmietung das Verbrauchsverhalten des Vormieters betroffen wäre. Im einstweiligen Rechtsschutz genügt jedoch die für die Antragstellerin großzügige Schätzung, dass allein für die Betriebskosten nicht weniger als ca. 1,30 EUR/m² zu veranschlagen sind (vgl. Betriebskostenmietspiegel des Deutschen Mieterbundes Hessen für 2009 - Kalenderjahr, das für die Bemessung der Vorauszahlung maßgeblich gewesen sein wird -, der von einem Durchschnitt von 1,95 EUR/m² ausgeht - www.mieterbund-hessen.de/content 922.html). Das ergibt bei einer Wohnfläche von 56,5 m² einen Betriebskostenanteil in Höhe von mindestens 73,45 EUR, so dass die Antragstellerin insgesamt eine monatliche Bruttokaltmiete von mindestens 448,45 EUR zu entrichten hat. Damit verbleibt auch danach eine aus dem Regelsatz zu bestreitende Deckungslücke in Höhe von mindestens 41,45 EUR monatlich, selbst wenn die Heizkosten in tatsächlicher Höhe zu übernehmen sind.
Offen lässt der Senat an dieser Stelle, ob zusätzlich ein Sicherheitszuschlag von maximal 10 % hinzuzurechnen ist (ausdrücklich offen gelassen: BSG, 22. März 2010 a.a.O. m.w.N.), weil jedenfalls aus nachfolgenden Überlegungen dieser im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu berücksichtigen ist.
Auszugehen ist davon, dass der Sicherheitszuschlag als Ergebnis eines Hauptsacheverfahrens gerechtfertigt sein mag, in dem der Leistungsträger sich weigert, ein nach gerichtlicher Auffassung schlüssiges Konzept nachzulegen bzw. nachzubessern oder zumindest dem Gericht die hierfür erforderlichen Daten zur Verfügung zu stellen. Gleichwohl handelt es sich um eine normative Höchstgrenze ohne gleichwertige tatsächliche Untermauerung. Für eine über den Tabellenwerten nach § 12 WoGG F. 2009 ohne Sicherheitszuschlag im Hauptsacheverfahren ermittelte Referenzmiete wird jedenfalls für die Kalenderjahre 2010 und 2011 nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein.
Besteht nur eine solche Wahrscheinlichkeit für einen Anordnungsanspruch ist im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung im vorliegenden Fall dem Rückforderungsrisiko der Antragsgegnerin Vorrang einzuräumen, weil davon auszugehen ist, dass sie vorläufig gewährte Leistungen nach Erledigung der Hauptsacheverfahren nicht gegenüber der Antragstellerin erfolgreich zurückfordern können wird.
Verletzt ist damit nicht die verfassungsrechtliche Vorgabe, bei existenzsichernden Leistungen einstweiligen Rechtsschutz bereits zu gewähren, wenn ein Anspruch nur möglicherweise besteht. Solange die Haft andauert ist das soziokulturelle Existenzminimum der Antragstellerin auch ohne eine Sicherung ihrer derzeitigen Wohnung für die Zeit nach Haftende sichergestellt. Nach Entlassung aus der Haft werden ihr hingegen die existenzsichernden Anspruchssysteme nach dem Vierten, ggf. auch Sechsten oder Achten Kapitel des SGB XII zur Verfügung stehen, um das soziokulturelle Existenzminimum zu gewährleisten.
Der Senat hat von einer Beiladung der Stadt B. nach § 75 Abs. 2 SGG abgesehen, weil auch ihr gegenüber eine Beiladungsverurteilung gemäß § 75 Abs. 5 SGG nicht in Betracht kommt.
Die Tatbestandsvoraussetzungen für die allein in Betracht kommenden Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67, 68 Abs. 1 SGB XII, für die nach § 98 Abs. 4 SGB XII i.V.m. § 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII wohl die Stadt B. örtlich zuständig wäre, kommen zur Übernahme der Mietschulden für die bisherige Wohnung nicht in Betracht.
Zwar bestimmt § 4 der Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vom 24. Januar 2001 (BGBl I 179), zuletzt geändert durch das Änderungsgesetz vom 27. Dezember 2003 (BGBl I 3022, 3060) - VO -, dass insbesondere Maßnahmen zur Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung für Personen, die aus einer geschlossenen Einrichtung entlassen werden (§ 1 Abs. 2 VO) erfasst sein können. Greifen können die Hilfen jedoch nur, wenn die Wohnung auch für die Zukunft dauerhaft gehalten werden kann. Bereits das ist nach den obigen Ausführungen nicht hinreichend sichergestellt.
Derzeit nicht zu entscheiden ist, ob der Antragstellerin solche Hilfen zur Beschaffung einer anderen Wohnung bereitzustellen und ggf. hierfür auch präventiv bisherige Mietschulden zu übernehmen sind, weil sie sich ggf. ansonsten eine andere Wohnung nicht wird beschaffen können. Das ist allenfalls rechtzeitig vor der Haftentlassung wohl von der Stadt B. als örtlich zuständigem Leistungsträger zu prüfen. Die Antragsgegnerin kann allerdings gehalten sein, die Stadt B. auf einen möglicherweise bestehenden Hilfebedarf hinzuweisen.
Kann damit aufgrund der Räumungsklage des Vermieters die bisherige Wohnung ohnehin nicht gehalten werden, sind weitere KdU nach §§ 41 Abs. 1 und 3, 42 S. 1 Nr. 2, 29 Abs. 1 S. 1 bis 3 und Abs. 3 S. 1 SGB XII nicht vorläufig zu übernehmen, obwohl bereits ab 1. Januar 2010 weitere Leistungen für KdU zumindest unter Berücksichtigung der Baualtersklasse für das Jahr 1967 voraussichtlich zu erbringen sein werden, weil es an dem hierfür erforderlichen Anordnungsgrund mangelt. Allein Mietschulden können einen unzumutbaren Nachteil für die Antragstellerin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache für eine ohnehin aufzugebende und gegenwärtig nicht genutzte Wohnung nicht begründen.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang des Rechtsstreits entsprechend § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung folgt aus § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 S. 1, 121 Abs. 2 ZPO. Hinreichende Erfolgsausichten sind gegeben, weil die erforderlichen Abwägungsgesichtspunkte im einstweiligen Rechtsschutz zur Wohngeldtabelle nach § 12 WoGG F. 2009 bisher nicht geklärt sind.
Dieser Beschluss kann nicht mit einer weiteren Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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