L 3 U 31/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 U 270/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 31/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 278/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Rücknahme der Berufung mit Telefax ist auch in sozialgerichtlichen Verfahren nicht anfechtbar oder widerrufbar (§ 156 Abs. 1 und 2 SGG). Vor allem stellt ein Missverständnis zwischen dem Kläger und seinen Bevollmächtigten keinen Grund dafür dar, das Verfahren nach erklärter Rücknahme der Berufung fortzuführen.
I. Es wird festgestellt, dass das Berufungsverfahren L 3 U 413/08 durch Rücknahme der Berufung mit Telefax vom 05./06. Januar 2010 erledigt worden ist.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob das Berufungsverfahren L 3 U 413/08 durch Rücknahme der Berufung mit Telefax vom 05./06.01.2010 beendet worden ist.

Der 1961 geborene Kläger ist am 04.03.1990 im Rahmen seiner Tätigkeit als Chemiearbeiter mit Chlordioxid aus einer zerrissenen Leitung besprüht worden. Nach Schließung der Pumpventile hat er sich geduscht und ist notärztlich versorgt worden. Dabei ist eine Bronchialspastik als Ausdruck einer Bronchialreizung festgestellt und eine stationäre Aufnahme in das Kreiskrankenhaus E. veranlasst worden.

Im Folgenden ist zwischen den Beteiligten streitig geworden, ob die bei dem Kläger vorliegenden Beschwerden insbesondere auf neuro-psychiatrischem und auch auf internistischem Fachgebiet als Folge des Unfalles vom 04.03.1990 anzuerkennen und mit einer Rente aus der gesetzlichen Unfallsversicherung zu entschädigen sind.

Das Sozialgericht München hat mit Gerichtsbescheid vom 15.09.2008 die Klage gegen den Bescheid vom 10.10.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2003 abgewiesen. Der Kläger habe durch den Arbeitsunfall eine Bronchialspastik als Ausdruck einer akuten Bronchialreizung erlitten; eine wesentliche Schädigung innerer Organe sei jedoch nicht ausgelöst worden. Dies habe sich zur Überzeugung des Sozialgerichts München aus den schlüssigen Gutachten der ärztlichen Sachverständigen Dr. L., Dr. N. und Dr. K. ergeben. Einer weitergehenden Untersuchung bei Prof. Dr. N. zu etwaigen Folgen der toxikologischen Einwirkungen habe sich der Kläger nicht unterzogen.

Die hiergegen gerichtete Berufung vom 15.10.2008 ist form- und fristgerecht am 20.10.2008 beim BayLSG eingegangen. Die Bevollmächtigten des Klägers haben mit Telefax vom 04.06.2009 mitgeteilt, man prüfe zurzeit, ob das Berufungsverfahren fortgeführt werden solle.

Nach Terminsanberaumung vom 22.12.2009 (Termin zur mündlichen Verhandlung, ist auf Dienstag, den 19.01.2010 bestimmt worden) haben die Bevollmächtigten des Klägers mit Telefax vom 05.01.2010 (eingegangen am 06.01.2010) erklärt, dass die Berufung zurückgenommen werde.

Der Kläger selbst teilte mit Telefax vom 15.01.2010 mit, dass es sich hierbei um ein Missverständnis mit seinem Bevollmächtigten gehandelt habe. Der Unfall aus dem Jahr 1990 sei verantwortlich dafür, wie sehr sich sein Leben verändert habe. Er leide hauptsächlich an einem posttraumatischen Belastungssyndrom.

Die Bevollmächtigten des Klägers ergänzten mit Berufungsbegründung vom 10.03.2010, dass bei dem Kläger unfallbedingt eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege, was Dr. K. nicht ausreichend gewürdigt habe. Der Facharzt für Allgemeinmedizin W. habe eindeutig auf eine toxische Genese mit neuropathischer und encephaler Beteiligung hingewiesen.

Die Beklagte erwiderte mit Schriftsatz vom 26.03.2010, dass die Berufung als unbegründet erachtet werde. Der Schwerpunkt der Berufungsbegründung beziehe sich auf die sogenannte posttraumatische Belastungsstörung. Diese habe von Dr. K. ausgeschlossen werden können.

Im Folgenden wurde der Rechtsstreit mit Beschluss des BayLSG vom 01.04.2010 auf den Berichterstatter übertragen.

In Hinblick auf den Schriftsatz der Bevollmächtigten des Klägers vom 13.07.2010 erinnerte der nunmehr zuständig gewordene Berichterstatter die Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 20.07.2010 vorsorglich an das Telefax vom 05./06.01.2010, mit welchem diese die Berufung zurückgenommen haben. Mit Terminsmitteilung vom 14.07.2010 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung auf Dienstag, den 24.08.2010 bestimmt. Dem Antrag auf Terminsverschiebung vom 20.07.2010 gab das BayLSG entsprechend seiner Nachricht vom 26.07.2010 nicht statt: Aufgrund sich kreuzender Vorgänge hätten die Bevollmächtigten des Klägers den Hinweis des BayLSG vom 20.07.2010 erst am 22.07.2010 erhalten. Nachdem ein reines Prozessurteil zu ergehen habe (Feststellung, dass das Berufungsverfahren L 3 U 413/08 durch Rücknahme vom 05./06.01.2010 erledigt worden sei), gehe das BayLSG davon aus, dass nach Maßgabe von § 110 Abs. 1 SGG ohne die Bevollmächtigten des Klägers bzw. ohne die Beteiligten zu entscheiden sei. Auch die Entsendung eines Korrespondenzanwaltes erscheine hier nicht erforderlich, um den Termin vom 24.08.2010 wahrzunehmen.

Dem Bevollmächtigten der Beklagten ist am 17.08.2010 telefonisch bestätigt worden, dass ein Bevollmächtigter nicht erscheinen müsse. - Der Bevollmächtigte des Klägers hat ebenfalls am 17.08.2010 telefonisch berichtet, der vormals zuständige Berichterstatter habe mündlich versichert, dass das Verfahren fortgesetzt werde. Der Bevollmächtigte des Klägers wurde darauf aufmerksam gemacht, dass sich dies aus den Akten nicht ergebe und die Verfügungen des vormals zuständigen Berichterstatters dafür sprächen, dass auch dieser die Klagerücknahmeerklärung als wirksam angesehen habe. Eine Aufhebung des Termins vom 24.08.2010 sei nicht vorgesehen.

In der mündlichen Verhandlung vom 24.08.2010 ist für beide Beteiligten wie telefonisch angekündigt niemand erschienen.

Der Bevollmächtigte des Klägers beantragt sinngemäß,
das Berufungsverfahren fortzuführen.

Die Beklagte hat sich zu dem Hinweis das BayLSG vom 26.07.2010 nicht mehr schriftsätzlich geäußert.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und die Streitakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Nachdem das Sozialgericht München die Klage gegen den Bescheid vom 10.10.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2003 mit Gerichtsbescheid vom 15.09.2008 abgewiesen hat, hat der Senat mit Beschluss vom 01.04.2010 die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit dem ehrenamtlichen Richtern entscheidet (§ 153 Abs. 5 SGG).

Es ist festzustellen, dass das Berufungsverfahren L 3 U 413/08 durch Rücknahme der Berufung mit Telefax vom 05./06.01.2010 erledigt worden ist. Denn die Bevollmächtigten des Klägers haben mit dem vorstehend bezeichneten Telefax die Berufung gemäß § 156
Abs. 1 Satz 1 SGG wirksam zurückgenommen. Die Zurücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Hierbei hat es sich um eine Prozesshandlung gehandelt, die nicht angefochten oder widerrufen werden kann. Vor allem rechtfertigt ein Missverständnis zwischen dem Kläger und seinen Bevollmächtigten nicht, das Verfahren fortzuführen. Auch ein etwaiger unzutreffender telefonischer Hinweis des vormals zuständigen Berichterstatters vermag es nicht die Wirkung der Prozesshandlung Rücknahme der Berufung mit Telefax vom 05./06.01.2010 zu beseitigen. Denn, wie bereits erwähnt, ist eine Anfechtung oder ein Widerruf auch bei einer irrtümlich z.B. per Telefax erklärten Rechtsmittelrücknahme nicht möglich (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., Rz. 2a zu § 156 SGG mit Hinweis auf KG NJW 98, 3357).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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