S 17 AS 1255/10 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 AS 1255/10 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Schülerbeförderungskosten stellen keinen unabweisbaren, laufenden Mehrbedarf iSd. ab dem 03.06.2010 geltenden § 21 Abs. 6 SGB II dar.
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes um die Übernahme von Schülerbeförderungskosten für das Schuljahr 2010/2011.

Der 1992 geborene Antragsteller zu 2) bezieht gemeinsam mit seinem Vater, dem Antragsteller zu 1), und seinem Bruder C., dem Antragsteller zu 3), Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (Grundsicherung für Arbeitsuchende) &8722; SGB II &8722;. Er besucht im Schuljahr 2010/2011 die 12. Klasse des M.-Gymnasiums, in A-Stadt. Die Entfernung zwischen dem Wohnort der Antragsteller in A-Stadt, Ortsteil H, und der Schule des Antragstellers zu 2) beträgt 3,9 km.

Mit Schreiben vom 15. Juli 2010 beantragte der Antragsteller zu 2) die Übernahme der Kosten für das "MobiTick" in Höhe von 264 EUR für das Schuljahr 2010/2011 beim Antragsgegner. Daraufhin teilte ihm dieser mit, er werde zunächst den Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens S 17 AS 702/10 abwarten, bevor über den Antrag entschieden werde (Schreiben vom 28. Juli 2010). Hiergegen erhob der Antragsteller zu 1) mit Schreiben vom 10. August 2010 Widerspruch, den er damit begründete, dass die Kosten für das "MobiTick" entweder als Eingliederungsleistung oder als Sonderbedarf gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 zu übernehmen seien.

Einen Antrag des Antragstellers zu 2) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, den Landkreis Darmstadt-Dieburg vorläufig zu verpflichten, die Kosten für das "MobiTick" auf der Grundlage des § 161 des Hessischen Schulgesetzes &8722; HSchG &8722; zu übernehmen, blieb ohne Erfolg (Beschluss des VG Darmstadt vom 31. August 2010, Az. 7 L 869/10.DA).

Am 28. September 2010 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht Darmstadt beantragt.

Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, das "MobiTick" biete gegenüber einer sonst anzuschaffenden RMV-Schülermonatskarte einen Preisvorteil von derzeit 28,20 EUR. Der Antragsteller zu 2) müsse den Schulweg an manchen Tagen mehrmals bestreiten. Weder der Landkreis Darmstadt-Dieburg noch die Evangelische Kirche, die Stadt A. oder die M.-Schule selbst stellten Mittel zur Schülerbeförderung bereit. Daher würden diese Kosten nunmehr auf der Grundlage des § 21 Abs. 6 SGB II als unabweisbarer, laufender Mehrbedarf in Verbindung mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 geltend gemacht. Es liege ein besonderer Bedarf des Antragstellers zu 2) vor, da er weder einen Anspruch aus § 161 HSchG habe noch vom Anwendungsbereich des so genannten "Schüler-BAföG" erfasst werde. Ein atypischer Bedarf sei auch deshalb zu bejahen, weil die Schülerbeförderungskosten gerade nicht jeden SGB II-Bezieher gleichermaßen treffen würden, sondern nur diejenigen, die &8722; wie der Antragsteller zu 2) &8722; aufgrund ihrer Fähigkeiten die Chance hätten, eine weiterführende Schule zu besuchen. Erschwerend komme hinzu, dass der in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Mobilität für die regelmäßigen Fahrten des Antragstellers zu 2) zum Fussballtraining und zu den Verbandsspielen benötigt werde. Auch durch die nur unregelmäßigen Besuche bei seiner Mutter und der Großmutter mütterlicherseits würden der Bedarfsgemeinschaft weitere Kosten im Bereich der Mobilität entstehen. Die Einsparmöglichkeiten innerhalb der Bedarfsgemeinschaft seien stark beschränkt. Das "MobiTick" für das neue Schuljahr sei bereits im August 2010 erworben worden, damit der Antragsteller zu 2) zur Schule fahren könne. Bezahlt worden sei es mit den in diesem Monat vollstreckten Unterhaltszahlungen seiner Mutter in Höhe von 278,69 EUR. Da die Unterhaltszahlungen allerdings als Einkommen auf die SGB II-Leistungen angerechnet würden, fehlten der Bedarfsgemeinschaft im Monat September 2010 die für die Anschaffung des "MobiTicks" aufgewendeten 264 EUR.

Einen bestimmten Antrag stellen die Antragsteller nicht.

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Er erwidert, es bestehe schon kein Anordnungsgrund, da die Fahrkarte bereits im August 2010 bezahlt worden sei. Daher fehle es an einer Notlage in der Art, dass der Antragsteller nicht die Schule besuchen könne. Darüber hinaus sei auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Gewährung der "MobiTick"-Kosten als Beihilfe oder Eingliederungsleistung sei nicht möglich. Aber auch mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 könne dem Begehren des Antragstellers zu 2) nicht entsprochen werden, da es sich nicht um einen laufenden, atypischen Bedarf handele. Stattdessen sei von einem ausbildungsbedingten Bedarf auszugehen, den alle Jugendlichen hätten, die eine weiterführende Schule besuchten. Von einer atypischen Situation könne also keine Rede sein. Der Negativ-Katalog der Bundesagentur für Arbeit führe die Schülerfahrkarte ebenfalls als nicht übernahmefähigen Mehrbedarf auf. Hieran sei er gebunden. Ein Härtefall könne daher nicht angenommen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vom Antragsgegner vorgelegte Verwaltungsakte (Band XIII, Bl. 4182-4314) Bezug genommen. Deren Inhalt war Gegenstand der Beratung.

II.

Bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens begehren die Antragsteller die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller zu 2) die Kosten für die Anschaffung des "MobiTicks" für das Schuljahr 2010/2011 in Höhe von 264 EUR zu erstatten (§ 123 des Sozialgerichtsgesetzes &8722; SGG &8722; analog).

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 bleibt ohne Erfolg. Er ist daher abzulehnen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dabei ist grundsätzlich eine Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig. Im Hinblick auf die in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes &8722; GG &8722; gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist dies jedoch dann möglich, wenn sonst Rechtsschutz nicht erreichbar und dies für den Antragsteller unzumutbar wäre (vgl. hierzu Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 31 m. w. Nachw.). Eine einstweilige Anordnung kann daher nur erlassen werden, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und wegen des Nichterfüllens dieses Anspruchs schwere und anders nicht abwendbare Nachteile drohen (Anordnungsgrund). Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung sind die Anspruchsvoraussetzungen im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft zu machen.

Daran gemessen ist die einstweilige Anordnung nicht zu erlassen. Die Antragsteller haben weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht.

Es fehlt schon an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Da der Antragsteller zu 2) das "MobiTick" bereits im August 2010 erworben hatte, drohen ihm keine schweren und nicht anders abwendbaren Nachteile. Denn aufgrund des Erwerbs dieser Fahrkarte sind seine Fahrten zur Schule mit öffentlichen Verkehrsmitteln und damit sein Schulbesuch für das Schuljahr 2010/2011 sichergestellt.

Darüber hinaus haben die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Für die Antragsteller zu 1) und 3) folgt dies daraus, weil es sich bei den Leistungen nach dem SGB II nicht um einen Anspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher, sondern um Individualansprüche ihrer einzelnen Mitglieder handelt (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 10/06 R, juris Rn. 13). Dass ihrer Bedarfsgemeinschaft im Monat September 2010 ein Betrag von 264 EUR fehle, wie die Antragsteller vortragen, ist daher ohne Belang. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich bei den hier streitigen Kosten für das "MobiTick" um einen Bedarf handelt, der allein in der Person des Antragstellers zu 2) anfällt. Nur er kann demnach die Übernahme dieser Kosten vom Antragsgegner verlangen.

Für diese Kostenübernahme steht dem Antragsteller zu 2) allerdings keine Anspruchsgrundlage zur Seite.

Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für das "MobiTick" in Höhe von 264 EUR ergibt sich nicht aus § 21 Abs. 6 SGB II in der seit dem 3. Juni 2010 geltenden Fassung (BGBl. I, S. 671). Mit dieser Vorschrift wird die Rechtsgrundlage für die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 (Az. 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, NJW 2010, S. 505 ff.) geforderte Härtefallregelung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende geschaffen. Sie stellt nunmehr sicher, dass auch in atypischen Bedarfslagen Leistungen nach dem SGB II erbracht werden.

Gemäß § 21 Abs. 6 Satz 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige einen Mehrbedarf, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendung Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Hilfebedürftigen gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht (§ 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II).

Der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/1465, S. 8 und 9) zufolge soll dieser zusätzliche Anspruch angesichts seiner engen und strikten Tatbestandsvoraussetzungen auf wenige Fälle begrenzt sein. Er kann danach nur dann bestehen, wenn es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen, unabweisbaren atypischen oder um einen ausnahmsweise überdurchschnittlichen Bedarf handelt. Für die Beurteilung der Regelmäßigkeit ist dabei auf den Bewilligungszeitraum abzustellen. Als Anwendungsfälle der Härtefallklausel des § 21 Abs. 6 SGB II nennt die Gesetzesbegründung beispielhaft die dauerhafte Notwendigkeit von Hygienemittel bei bestimmten Erkrankungen, Putz- und Haushaltshilfen für Rollstuhlfahrer sowie die Übernahme von Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern. Dagegen soll in den folgenden Fallgestaltungen grundsätzlich kein zu übernehmender zusätzlicher Mehrbedarf bestehen: Praxisgebühr, Schulmaterialien und Schulverpflegung, Bekleidung bzw. Schuhe in Über- oder Untergrößen, nicht von § 21 Abs. 5 SGB II umfasster krankheitsbedingter Ernährungsaufwand, Brille, Zahnersatz und orthopädische Schuhe.

Gemessen an diesen gesetzgeberischen Vorgaben sind die Kosten für das "MobiTick" nicht zu übernehmen.

Die vom Antragsteller zu 2) aufgebrachten Kosten für das "MobiTick" in Höhe von 264 EUR stellen keinen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II dar. Denn die Kosten für diese Fahrkarte fallen konkret nur einmal schuljährlich und damit nicht mehrmals im Bewilligungszeitraum an. Da das streitige "MobiTick" einmalig angeschafft wurde und es für das gesamte Schuljahr 2010/2011 gilt, ist es nicht erforderlich, dass der Antragsteller zu 2) innerhalb des Bewilligungszeitraums nochmals einzelne Monatsfahrkarten erwerben muss. Folglich handelt es sich bereits deshalb nicht um einen laufenden Mehrbedarf.

Darüber hinaus liegt nach Auffassung der beschließenden Kammer auch kein besonderer Mehrbedarf vor.

Allein der Umstand, dass Schülerbeförderungskosten nicht jeden SGB II-Leistungsempfänger gleichermaßen treffen, sondern nur diejenigen, die wegen ihrer Fähigkeiten die Möglichkeit besitzen, eine weiterführende Schule zu besuchen, genügt hierfür nicht (aA: SG Marburg, Beschluss vom 5. August 2010, Az. S 5 AS 309/10 ER, juris Rn. 48). Ein Mehrbedarf ist nicht schon allein deshalb als besonders im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II anzusehen, wenn er nicht bei allen erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gleichermaßen anfällt. Stattdessen muss sich die Gewährung des zusätzlichen Mehrbedarfs über § 21 Abs. 6 SGB II auf solche Situationen beschränken, von denen nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen betroffen ist. Ein zu weit gefasster Anwendungsbereich widerspräche dem Sinn und Zweck des § 21 Abs. 6 SGB II, der als Härtefallregelung und damit Ausnahmevorschrift konzipiert ist.

Dass der Antragsteller zu 2) mit dem Abschluss der 10. Klasse eine Übernahme der Schülerbeförderungskosten nicht mehr auf der Grundlage des § 161 HSchG erreichen kann und er auch dem Grunde nach nicht vom Anwendungsbereich des so genannten "Schüler-BAföG" umfasst ist, rechtfertigt die Übernahme der Kosten für das "MobiTick" gemäß § 21 Abs. 6 SGB II ebenfalls nicht (aA: SG Gießen, Beschluss vom 19. August 2010, Az. S 29 AS 981/10 ER, juris Rn. 23). Zwar führt die Regelung des § 2 Abs. 1a des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz) &8722; BAföG &8722; dazu, dass Schüler, die noch bei ihren Eltern wohnen, schon dem Grunde nach nicht dem Anwendungsbereich des BAföG unterfallen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine besondere Lebenssituation, weil sie auf alle Kinder zutrifft, die bei ihren erwerbsfähigen hilfebedürftigen Eltern wohnen und eine weiterführende Schulbildung anstreben. Es dürfte also gerade den Regelfall darstellen, dass Kinder aus hilfebedürftigen Familien, die eine weiterführende Schule besuchen, trotz Hilfebedürftigkeit von den sonstigen schul- und ausbildungsbezogenen Fördermöglichkeiten ausgeschlossen sind. Diese Annahme rechtfertigt sich nicht zuletzt mit Blick auf § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 1 bis 3 SGB II, wonach der Auszug von unter 25 jährigen Leistungsempfängern aus der elterlichen Wohnung nur in bestimmten Ausnahmefällen in Betracht kommt.

Auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts begründen weder der Schulbesuch noch die dadurch entstehenden Fahrtkosten eine atypische Lebenssituation (vgl. Urteil vom 28. Oktober 2009, Az. B 14 AS 44/08 , juris Rn. 21 m. w. Nachw.). Diese Rechtsprechung besitzt auch weiterhin Gültigkeit. Sie ist insbesondere nicht mit Blick auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 (a. a. O) als überholt anzusehen. Das Bundessozialgericht selbst hat sich nicht dazu veranlasst gesehen, seine Rechtsprechung zu revidieren und den Schulbesuch oder die damit einhergehenden Kosten nunmehr als atypische Lebenssituation zu verstehen. Vielmehr hat es das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Bestätigung seiner Einschätzung aufgefasst und hieran ausdrücklich festgehalten (vgl. Urteil vom 19. August 2010, Az. B 14 AS 47/09 R, juris Rn. 12, 13 m. w. Nach.).

Gegenteiliges lässt sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II (BT-Drucks. 17/1465, S. 8 und 9) ableiten. Dass die dort genannten Fallgestaltungen, in denen grundsätzlich kein zusätzlicher Mehrbedarf bestehen soll, die Schülerbeförderungskosten nicht erwähnen, lässt keinesfalls den Schluss zu, dass diese Kosten über § 21 Abs. 6 SGB II zu übernehmen sind. Ebenso wie bei dem vom Gesetzgeber dargestellten Positiv-Katalog handelt es sich bei dem Negativ-Katalog lediglich um eine beispielhafte Aufzählung. Andernfalls hätte es in der Gesetzesbegründung von vornherein keiner ausdrücklichen Benennung der Anwendungsfälle des § 21 Abs. 6 SGB II bedurft. Die Erwähnung von "Schulmaterialien" und "Schulverpflegung" in dem Negativ-Katalog deutet vielmehr darauf hin, dass Ausbildungskosten generell von der Härtefallregelung des § 21 Abs. 6 SGB II ausgenommen sein sollen. Damit wird letztlich sichergestellt, dass die eigentlichen Ausbildungskosten &8722; entsprechend dem Gesetzeszweck der Grundsicherung für Arbeitsuchende &8722; auch weiterhin nicht durch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff. SGB II finanziert werden, soweit der Gesetzgeber Ausnahmen hiervon nicht ausdrücklich zulässt (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, a. a. O., juris Rn. 18 m. w. Nachw.).

Somit bleibt festzuhalten, dass die Anschaffung des "MobiTicks" keinen besonderen Mehrbedarf des Antragstellers zu 2) im Sinne § 21 Abs. 6 SGB II auslöst. Daran ändert auch nichts, dass er weitere Ausgaben im Zusammenhang mit seiner Mobilität geltend macht (Fahrten zum Fussball-Training und zu Verbandsspielen, unregelmäßige Besuch der Mutter und der Großmutter). Hierbei handelt es sich um nicht besondere Bedarfe, die folglich mit der Regelleistung abgegolten sind. Dass die Bedarfe des Antragsteller zu 2) im Bereich der Mobilität insgesamt betrachtet möglicherweise denjenigen Anteil übersteigen, der hierfür als Berechnungsgrundlage für die Ermittlung der Höhe der Regelleistung berücksichtigt worden ist, rechtfertigt nicht die Annahme eines besonderen Mehrbedarfs. Vielmehr ist der Antragsteller zu 2) gehalten, seine höheren Ausgaben im Bereich der Mobilität durch entsprechende Einsparungen in anderen Bereichen zu kompensieren. Eine andere Sichtweise stünde nicht im Einklang mit der Funktion der Regelleistung, die als pauschale Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht wird.

Ferner ist der vom Antragsteller zu 2) geltend gemachte Mehrbedarf in Höhe von 264 EUR nicht unabweisbar im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II.

Zwar hat er hinreichend glaubhaft gemacht, die Kosten für das "MobiTick" nicht von anderer Stelle zu erhalten. Denn es bestehen keine Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit seiner Angaben, wonach weder von der A-Stadt noch von der Evangelischen Kirche oder von der M-Schule selbst Mittel für die Anschaffung der Fahrkarte bereitgestellt würden. Gleichwohl ist hier ein unabweisbarer Mehrbedarf zu verneinen. Das beruht darauf, dass das "MobiTick" vom RMV gegen einen geringen Aufpreis von 0,50 EUR grundsätzlich auch monatlich erworben werden kann. Das verursacht jährliche Mehrkosten von 6 EUR, die grundsätzlich auch von SGB II-Leistungsempfängern finanziert werden können. Den von den Antragstellern behaupteten Preisvorteil des "MobiTicks" von 28,20 EUR vermag die beschließende Kammer nicht zu erkennen. Dann aber ist die einmalige Anschaffung des "MobiTicks" für das gesamte Schuljahr 2010/2011 keinesfalls zwingend erforderlich mit der Folge, dass die hierdurch anfallenden Kosten von 264 EUR auch nicht als unabweisbar anzusehen sind. Hinzu kommt, dass die Unabweisbarkeit der Anschaffung einer Schülerfahrkarte vorliegend auch deshalb zweifelhaft ist, weil die Entfernung zwischen dem Wohnort des Antragstellers zu 2) und seiner Schule lediglich 3,9 km beträgt. Es sind keine Gründe dargelegt oder ersichtlich geworden, die darauf schließen lassen, dass es dem Antragsteller zu 2) unzumutbar wäre, den Schulweg auf andere Weise als durch öffentliche Verkehrsmittel, zum Beispiel mit dem Fahrrad oder mittels Fahrgemeinschaften, zurückzulegen. Dabei ist vor allem auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zu 2) inzwischen 18 Jahre alt ist und sein Schulweg innerhalb der politischen Gemeinde A-Stadt verläuft. Allein der pauschale Hinweis darauf, an manchen Tagen den Schulweg auch öfters zurücklegen zu müssen, führt nicht dazu, dass er unbedingt auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist. Auch der Umstand, dass § 161 Abs. 2 HSchG bereits ab einer Entfernung von zwei Kilometern einen Beförderungsanspruch vorsieht, vermag für sich betrachtet die Unabweisbarkeit der Anschaffung einer Schülerfahrkarte ebenfalls nicht zu begründen. Denn als Schüler einer weiterführenden Schule ist für den Antragsteller zu 2) die Regelung des § 161 HSchG gerade nicht einschlägig.

Eine Übernahme der Kosten für das "MobiTick" als Eingliederungsleistung gemäß § 16 SGB II scheidet ebenfalls aus (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, a. a. O., Rn. 19 m. w. Nachw.).

Zusammenfassend bleibt somit festzustellen, dass ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht ist.

Ergänzend weist die beschließende Kammer noch darauf hin, dass sie in Übereinstimmung mit den bereits zitierten Entscheidungen des Sozialgerichts Marburg und des Sozialgerichts Gießen die Übernahme von Schülerbeförderungskosten für den Besuch weiterführender Schulen durch die Allgemeinheit ebenfalls uneingeschränkt befürwortet. Wie den vorstehenden Erwägungen zu entnehmen ist, sind diese Kosten allerdings nicht im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II aufzubringen. Eine Lösung wäre aber dahingehend vorstellbar, dass der Anwendungsbereich des § 161 HSchG erweitert wird, indem der Landesgesetzgeber die Beschränkung auf die dort abschließend aufgezählten Schultypen aufhebt und die Übernahme von Schülerbeförderungskosten auch für den Besuch weiterführender Schulen regelt. Aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten (Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG) ist er hierzu jedoch nicht verpflichtet (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2009, a. a. O., Rn. 24).

Nach alledem ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 172 Abs. 3 Nr. 1 i. V. m. 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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