L 19 R 548/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 RJ 722/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 548/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 395/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Dass Handwerker die Möglichkeit der Befreiung nach § 6 S 1 Nr 4 SGB VI wählen, stellt für den Rentenversicherungsträger einen typischen Geschehensverlauf dar, der als solcher keinen erhöhten Beratungsbedarf hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit begründet.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.07.2004 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1956 geborene Kläger hat nach seinen Angaben in Rumänien den Beruf eines Goldschmiedes erlernt und auch die Meisterprüfung abgelegt. Er ist im Mai 1988 in die Bundesrepublik übergesiedelt und war auch danach in seinem erlernten Beruf tätig. In der Zeit vom 01.07.1997 bis 06.11.1997 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Mit Gewerbeanmeldung am 08.10.1997 und Beginn am 07.11.1997 betrieb der Kläger einen Einzelhandel mit Schmuck und Goldschmiedehandwerk. Der Betrieb war vom 30.11.1997 bis zum 01.10.2001 in der Handwerksrolle eingetragen; die Gewerbeabmeldung erfolgte ebenfalls zum 01.10.2001. Ab 04.10.2001 war der Kläger arbeitslos ohne Leistungsbezug.

Mit Schreiben vom 17.11.1997 beantragte der Kläger formlos die Befreiung aus der Handwerkerpflichtversicherung ab 01.12.1997 und bat um eine Auflistung seiner Versicherungszeiten. Mit Eingang am 08.12.1997 übersandte der Kläger den von ihm am 27.11.1997 unterzeichneten Fragebogen. Die Beklagte entsprach dem Antrag auf Befreiung mit Bescheid vom 07.01.1998. Der Kläger werde ab 30.11.1997 von der Versicherungspflicht befreit; für den Kläger seien mindestens 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt worden.

Die Akten der Beklagten enthalten den Entwurf eines an den Kläger gerichteten Bescheides vom 19.12.1997 über die Feststellung von in dem beigefügten Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurücklagen, also die Zeiten bis 31.12.1990. Dem beigefügt befindet sich in den Akten ein Entwurf eines Schreibens vom 19.12.1997, mit dem eine Rentenauskunft erteilt wird. Diese enthält auch den Hinweis, dass eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nur gezahlt wird, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Leistungsfalles mindestens drei Jahre mit Pflichtbeiträgen belegt sind.

Am 05.02.2003 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung unter Vorlage von Befundberichten des Klinikums A-Stadt vom 06.03.2003 und des Internisten Dr. D. vom 13.03.2003. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 08.05.2003 ab. Ausgehend von der Antragstellung seien in den vergangenen fünf Jahren (maßgeblicher Zeitraum vom 05.02.1998 bis 04.02.2003) keine Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden. Auch sei in der Zeit vom 01.01.1984 bis zum Monat vor Eintritt der Erwerbsminderung nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch. Bei Befreiung von der Versicherungspflicht mit Bescheid vom 07.01.1998 sei er nicht darüber informiert worden, dass er seine Rechte gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung verlieren werde. Er bat um die Prüfung der Möglichkeit, bestimmte Beiträge nachzuzahlen, um seine Rechte wieder zu erlangen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07.08.2003 zurück. Sie hielt daran fest, dass die erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung nicht erfüllt seien. Eine Nachentrichtung von Beiträgen für den maßgeblichen Zeitraum komme nicht in Betracht. Es brauche unter diesen Umständen nicht geprüft werden, ob in gesundheitlicher Hinsicht eine Erwerbsminderung eingetreten sei.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben; dieses hat den Rechtsstreit an das SG Nürnberg verwiesen. Der Kläger hat vorgebracht, dass eine Aufklärung über die Folgen der Befreiung von der Versicherungspflicht erst im Bescheid vom 08.05.2003 erfolgt sei. Bei Kenntnis der entsprechenden Tatsachen hätte er freiwillige Beiträge geleistet, um den Versicherungsschutz aufrecht zu erhalten. Er habe sich bereits seit Januar 2001 in ärztlicher Behandlung befunden und als Folge seiner Krankheit seine selbstständige Beschäftigung seit dem 30.09.2001 nicht mehr ausüben können. Von diesem Zeitpunkt hätte die Beklagte bei der Berechnung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen ausgehen können.

In der Erwiderung hat die Beklagte auf die Feststellungen und Informationen im Bescheid vom 19.12.1997 verwiesen. Mit der diesem Bescheid beigefügten Rentenauskunft sei eine Aufklärung über die Anspruchsvoraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsminderung erfolgt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen seien beim Kläger letztmals bis zu einem Leistungsfall am 31.12.1999 erfüllt gewesen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 27.07.2004 machte der Kläger geltend, dass er den Bescheid vom 19.12.1997 und die dazu erteilte Rentenauskunft nicht erhalten habe. Er habe sich damals (1997/1998) von einem Kollegen, der für ein privates Versicherungsunternehmen tätig gewesen sei, beraten lassen und sich für eine private Absicherung entschieden.

Mit Urteil vom 27.07.2004 hat das SG die Klage - gerichtet auf die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung - abgewiesen. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung seien nicht erfüllt. Im maßgeblichen Zeitraum vom 05.02.1998 bis 04.02.2003 habe der Kläger keine Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Auch bei einer fiktiven Vordatierung des Leistungsfalls, unabhängig von der Rentenantragstellung auf das Jahr 2001, ergebe sich kein anderes Ergebnis. Zwar sei beim Kläger im Januar 2001 ein Leberparenchymschaden festgestellt worden, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen hätten jedoch letztmalig im Dezember 1999 vorgelegen. Für einen Eintritt der Leistungsminderung bereits zu diesem Zeitpunkt gebe es keine Anhaltspunkte, zumal der Kläger bis Oktober 2000 noch gearbeitet habe und selbst von einem Leistungsfall im Jahre 2001 ausgehe. Von einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes sei erst im Januar 2003 auszugehen, als eine stationäre Behandlung aufgrund einer alkoholtoxischen Leberzirrhose erforderlich geworden sei. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, der zur Berechtigung des Klägers führen würde, Pflichtbeiträge ab 01.12.1997 nachzuzahlen, sei nicht gegeben. Zwar enthalte der Bescheid über die Befreiung von der Versicherungspflicht vom 07.01.1998 keine Hinweise, dass ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung von der sog. Drei-Fünftel-Belegung abhänge. Dies sei jedoch unerheblich, denn bereits bei Feststellung der Versicherungszeiten im Bescheid vom 19.12.1997 mit Rentenauskunft sei der Kläger ausreichend aufgeklärt und auf weitere Beratungsmöglichkeiten hingewiesen worden. Der Vortrag des Klägers, er habe den Bescheid vom 19.12.1997 und damit auch die erforderliche Aufklärung nicht erhalten, habe das Gericht nicht überzeugen können. Gegen die Glaubwürdigkeit des Klägers und für das Vorliegen einer reinen Schutzbehauptung spreche auch, dass sich der Kläger nach eigener Einlassung von einem Mitarbeiter eines privaten Versicherungsunternehmens im Zuge seiner geplanten Selbstständigkeit habe beraten lassen und sich anschließend für eine private Absicherung entschieden habe. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger sich bezüglich seiner weiteren versicherungsrechtlichen Absicherung sehr umfassend Gedanken gemacht habe und sich nach einer Beratung, wenn auch von privatversicherungsrechtlicher Seite, bewusst gegen die gesetzliche und für eine zukünftige private Absicherung entschieden habe. Insoweit sei es auch nicht mehr von entscheidender Bedeutung, ob der Kläger den Bescheid vom 19.12.1997 erhalten habe, da auch ohne die darin enthaltene Aufklärung davon auszugehen sei, dass er über die Konsequenzen seiner Beitragsbefreiung umfassend informiert gewesen sei, oder zumindest seinen Beratungsbedarf - auch gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung - gekannt habe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. An der Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung werde festgehalten, hilfsweise auch im Wege eines Herstellungsanspruches. Er sei bereits 1997 (bei Aufnahme der selbstständigen Erwerbstätigkeit) voll erwerbsgemindert gewesen sei. Sollte erst von einem späteren Eintritt der Leistungsminderung auszugehen sei, so sei er jedenfalls so zu stellen, als hätte er in den letzten fünf Jahren vor Eintreten der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeitragszeiten zurückgelegt. Der Bescheid vom 07.01.1998 enthalte keinerlei Belehrungen über die Folgen der Befreiung von der Versicherungspflicht. Einen Bescheid vom 19.12.1997 habe er niemals erhalten. Im Zusammenhang mit der Befreiung von der Versicherungspflicht habe er am 24.10.1997 eine private Rentenversicherung bei der A. mit monatlichen Beiträgen in Höhe von 120,00 DM abgeschlossen. Es hätte für ihn finanziell keinen Unterschied gemacht, weiterhin Beiträge für die gesetzliche Rentenversicherung zu entrichten, die in Höhe von etwa monatlich 80,00 DM angefallen wären. Dies hätte er auch mit Sicherheit getan, wenn er gewusst hätte, welche nachteiligen Folgen die Befreiung von der Versicherungspflicht habe (Schriftsatz vom 07.09.2004). Wäre er ordnungsgemäß aufgeklärt und beraten worden, hätte er sich nicht für ein Ausscheiden aus der Handwerkerpflichtversicherung entschieden (Schriftsatz vom 17.03.2008). Eine Aufklärung hierüber sei auch nicht bei Abschluss der privaten Rentenversicherung erfolgt. Er sei damals auch davon ausgegangen, dass er weiterhin Leistungen bei Erwerbsminderung erhalte. Aus der geringfügigen Höhe des Jahresbetrages der privat versicherten Rente von 2.288,40 DM ergebe sich, dass diese Rente für den Fall der Erwerbsminderung von ihm nur als Zusatzleistung gedacht gewesen sei. Die verschiedenen Formulare, wie Antrag auf Kontenklärung, Fragebogen für Anrechnungszeiten, Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht oder -freiheit selbständig tätiger Handwerker, seien von einem Mitarbeiter der A. unter dem 27.11.1997 ausgefüllt und von ihm nur unterzeichnet worden. Ihm sei daher nicht bewusst gewesen, dass er auch einen Antrag auf Kontenklärung gestellt habe, so dass es ihn auch nicht verwunderte, dass er die angeforderte Information über seinen Versicherungsverlauf nicht erhalten habe.

Der Kläger hat diverse Antragsunterlagen zum Abschluss der privaten Versicherung vorgelegt und den Mitarbeiter der A. , E., als Zeugen dafür benannt, dass bei Abschluss der privaten Versicherung lediglich Ausführungen zu dieser Versicherung gemacht worden seien. Des Weiteren hat der Kläger den Zeugen K. F. benannt, der bei dem Abschluss dieser Versicherung zugegen gewesen sein soll.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.07.2004 und den Bescheid der Beklagten vom 08.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.08.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm auf den Antrag vom 05.02.2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01.03.2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.07.2004 zurückzuweisen.

Von einer Leistungsminderung in den unter sechsstündigen Bereich könne erst ab Januar 2003 (= erstmaliges Auftreten einer schweren Dekompensation der Leber) ausgegangen werden. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch werde nicht allein durch eine Pflichtverletzung von Seiten der öffentlichen Hand begründet. Die Pflichtverletzung muss auch die wesentliche Ursache für die ausgleichsbedürftige Situation und damit für den sozialrechtlichen Schaden gewesen sein. Hiervon sei vorliegend nicht auszugehen, da der Kläger sich bereits vor einem Auskunftsersuchen beim Rentenversicherungsträger für die offensichtlich "billigere" Lösung (private Rentenpolice bei der A. - Vertrag vom 24.10.1997) entschieden habe. Der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht sei erst mit Schreiben vom 17.11.1997 gestellt worden. Darüber hinaus sei es nicht nachvollziehbar, dass ein Versicherter aus der Handwerkerpflichtversicherung ausscheidet, um dann parallel freiwillige Beitragsleistungen in der Rentenversicherung fortzuführen.

Nach Beinahme ärztlicher Unterlagen über den Kläger hat der Senat den lnternisten und Arbeitsmediziner Dr. C. mit Gutachten vom 12.06.2009 gehört. Er hat ausgeführt, dass seit Januar 2003 beim Kläger eine volle Erwerbsminderung bestehe. Eine wesentliche Minderung des Leistungsvermögens des Klägers vor diesem Zeitpunkt sei aus ärztlicher Sicht nicht zu bestätigen. Diese Feststellung treffe auch für die für den 31.12.1999 mit hoher Wahrscheinlichkeit zu unterstellenden gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers zu.

Der Senat hat Auskünfte der H. für Mittelfranken vom 17.01.2005/ 19.10.2009, der Industrie- und Handelskammer für Mittelfranken vom 19.10.2009 und der A. vom 03.11.2009 (übersandt: Unterlagen zur Änderung der privaten Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung zum 01.11.1998) eingeholt sowie Akten der Beklagten und die Leistungsakte der Arbeitsagentur A-Stadt beigezogen.

In der mündlichen Verhandlung am 10.02.2010 sind die Zeugen E. und F. einvernommen worden.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und den Inhalt der Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, insbesondere auch auf die Niederschrift vom 10.02.2010 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat mit Urteil vom 27.04.2004 zu Recht die Klage gegen den Bescheid vom 08.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.08.2003 abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der Anspruch bestimmt sich nach § 43 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), der neben der Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl §§ 50 Abs 1 Nr 2, 51 Abs 1 SGB VI) das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung voraussetzt ("Drei-Fünftel-Belegung", § 43 Abs 2 S 1 Nrn 2 und 3 SGB VI). Darüber hinaus muss volle Erwerbsminderung vorliegen (vgl § 43 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB VI).

Der Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung ist beim Kläger im Januar 2003 eingetreten. Nach den überzeugenden Ausführungen des lnternisten und Arbeitsmediziners Dr.C., der das Gutachten vom 12.06.2009 insbesondere unter Berücksichtigung der vollständigen Behandlungsunterlagen des den Kläger behandelnden Internisten Dr. D. erstellt hat, leidet der Kläger im Wesentlichen an den Folgen einer Lebererkrankung, eine wesentliche Erwerbsminderung des Klägers ist aber nicht vor dem Januar 2003 eingetreten. Zwar hat der Leberschaden beim Kläger in der Zeit von Januar 2001 bis Januar 2003 eine deutliche Verschlimmerung erfahren. Aus der alkoholtoxischen Fettleber mit entzündlichen Veränderungen war es zur Entwicklung einer feinknotigen Leberzirrhose gekommen. Allerdings ist in den Jahren 2001 und 2001 von einer kompensierten Leberzirrhose auszugehen, die nicht zu einer wesentlichen krankheitsbedingten Beeinträchtigung des beruflichen Leistungsvermögens geführt hat. Insbesondere war der Kläger wegen der Lebererkrankung nicht gehindert, die Tätigkeit als Goldschmied zu verrichten. Erst seit dem 27.01.2003 (stationäre Aufnahme im Klinikum A-Stadt) besteht beim Kläger infolge einer dekompensierten Leberzirrhose volle Erwerbsminderung.

Jedoch hat der Kläger die besondere versicherungsrechtliche Voraussetzung der Drei-Fünftel-Belegung nicht erfüllt. Im maßgebenden Rahmenzeitraum von fünf Jahren vor dem Eintritt der Erwerbsminderung im Januar 2003 hat der Kläger keine rentenrechtlichen Zeiten zurückgelegt. Zuletzt waren die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der § 43 Abs 1 und 4 SGB VI am 31.12.1999 erfüllt.

Der Kläger erfüllt auch nicht alternativ die Voraussetzungen der Sonderregelung des § 241 Abs 2 S 1 SGB VI, nach der Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit nicht erforderlich sind, wenn Versicherte vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und jeder Kalendermonat vom 01.01.1984 bis zum Kalendermonat vor Eintritt der Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit mit Beitragszeiten oder mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist. Zwar hat der Kläger die allgemeine Wartezeit vor dem 01.01.1984 erfüllt, jedoch sind die Kalendermonate ab 01.12.1997 unbelegt.

Die seit Dezember 1997 bestehende Lücke kann der Kläger nicht durch Zahlung freiwilliger Beiträge auffüllen. Freiwillige Beiträge können nach § 197 Abs 2 SGB VI wirksam bis zum 31. März des Jahres entrichtet werden, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen. Diese Frist wird nach § 198 S 1 SGB VI zwar durch ein Beitragsverfahren oder ein Verfahren über einen Rentenanspruch unterbrochen. Allerdings begann das vorliegende Rentenverfahren erst im Februar 2003, so dass die Frist für die Zahlung von freiwilligen Beiträgen für die Monate Dezember 1997 bis Dezember 2001 zu dieser Zeit bereits abgelaufen war.

Im Ergebnis zutreffend hat das SG ausgeführt, dass der Kläger sich nicht auf eine mangelnde Aufklärung der Beklagten über die Aufrechterhaltung seines Versicherungsschutzes durch Entrichtung freiwilliger Beiträge mit der Folge berufen kann, dass er im Wege des sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen wäre, als hätte er eine Beitragsentrichtung rechtzeitig durchgeführt. Allerdings kommt es nicht darauf an, ob der Kläger den Feststellungsbescheid vom 19.12.1997 mit Rentenauskunft vom 19.12.1997 auch tatsächlich erhalten hat und diese ausreichende Hinweise über die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes enthielten. Vielmehr ist maßgebend, dass eine Pflicht der Beklagten nicht bestand, den Kläger anlässlich der Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 S 1 Nr 4 SGB VI mit Bescheid vom 07.01.1998 darüber zu beraten, dass die Befreiung von der Versicherungspflicht Auswirkungen auf einen zukünftigen Anspruch auf Gewährung von (damals) Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente haben könnte und zur Vermeidung von Anwartschaftsverlusten die Zahlung freiwilliger Beiträge geboten sei.

Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aus dem Versicherungsverhältnis erwachsenden Pflichten, insbesondere zur Betreuung und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (vgl BSG Urteil vom 06.03.2003 - B 4 RA 15/02 R = USK 2003-37, Urteil vom 11.3.2004 - B 13 RJ 16/03 R = SozR 4-2600 § 58 Nr 3). Grundlage der Beratungspflicht ist § 14 S 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch. Danach hat jeder Anspruch auf Beratung und Belehrung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz. In der Regel wird die Beratungspflicht durch ein entsprechendes Begehren ausgelöst. Aber auch wenn ein Beratungsbegehren nicht vorliegt, ist der Versicherungsträger gehalten, den Versicherten bei Vorliegen eines konkreten Anlasses von sich aus "spontan" auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten zu Gunsten des Versicherten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden (vgl BSG Urteil vom 05.04.2000 - B 5 RJ 50/98 R = SozR 3-1200 § 14 Nr 29). Entsprechend gilt dies, wenn die vom Versicherten gewählte Gestaltungsmöglichkeit evident unzweckmäßig ist (BSG Urteil vom 24.04.1980 - 1 RA 33/79 = BSGE 50, 88, 93 f).

Vorliegend ist ein konkretes Beratungsbegehren des Klägers nicht feststellbar. Gelegenheit für die Beklagte zu einer "spontanen" Beratung des Klägers mag zwar im Verfahren zum Erlass des Bescheides vom 07.01.1998 bestanden haben, jedoch war die Beklagte zu diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet, den Kläger darüber aufzuklären, dass er bei Befreiung von der Versicherungspflicht auf Dauer auch seinen Versicherungsschutz wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit verliert. Richtig ist, dass es aufgrund des gleichzeitig durchgeführten Feststellungsverfahrens für die Beklagte erkennbar war, dass im Versicherungsverlauf des Klägers vom 19.12.1997 die Kalendermonate Januar 1984 bis November 1997 mit Pflichtbeitragszeiten belegt sind und Versicherungsschutz für die Gewährung von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente nur durch Zahlung von freiwilligen Beiträgen aufrechterhalten werden konnte.

Hierin ist aber keine klar zu Tage liegende, der Beklagten sich aufdrängende Gestaltungsmöglichkeit zu sehen. Ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zu Tage liegt, ist allein nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (BSG Urteil vom 12.10.1979 - 12 RK 47/77 = BSGE 49, 76, 77). Der Kläger hatte mit Schreiben vom 17.11.1997 die Befreiung aus der Handwerkerpflichtversicherung beantragt, dem die Beklagte mit Bescheid vom 07.01.1998 entsprochen hat. Gegenstand dieses Verwaltungsverfahrens war die Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB VI. Mit dieser Regelung wird denjenigen Handwerkern, denen nach ihren persönlichen Verhältnissen 18 Jahre Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung genügen, die Möglichkeit gegeben, es bei der dadurch erreichten Sicherung bewenden und sich befreien zu lassen (so Begründung zum Gesetzesentwurf BT-Drucks 11/4124 S 151 f). Entgegen der nach dem bis zum 31.12.1991 geltenden Rechtslage scheiden die Handwerker auch nicht mit der Zahlung des letzten der Pflichtbeiträge für 216 Kalendermonate aus dem in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Personenkreises aus (vgl. § 1 Abs 1 S 1, Abs 4 Handwerkerversicherungsgesetz -HwVG-). Den Handwerkern ist vielmehr mit der Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB VI ausdrücklich eine Wahlmöglichkeit zwischen der Weiterführung der bisherigen Pflichtversicherung und einer privat getätigten Risikovorsorge eröffnet worden. Dass Handwerker die Möglichkeit der Befreiung wählen - auch mit der Folge des Verlusts des Versicherungsschutzes wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit - stellt demnach für den Rentenversicherungsträger einen typischen Geschehensverlauf dar, der als solcher keinen erhöhten Beratungsbedarf hinsichtlich der Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit begründet. Bei Handwerkern, die - wie der Kläger - die Befreiung von der Versicherungs- und damit auch von Beitragspflicht beantragen, musste sich für die Beklagte die Gestaltungsmöglichkeit der Zahlung freiwilliger Beiträge nicht als zweckmäßig aufdrängen.

Des Weiteren lässt sich nach Überzeugung des Senats nicht feststellen, dass der vom Kläger behauptete Pflichtverstoß der Beklagten ursächlich dafür gewesen ist, dass der Kläger die Entrichtung der freiwilligen Beiträge unterlassen hat. Hiervon wäre zunächst auszugehen, wenn der Kläger bei entsprechender Beratung bereit und in der Lage gewesen wäre, die erforderlichen freiwilligen Beiträge zu entrichten. Zwar behauptet der Kläger diese Bereitschaft. Nach seinen Angaben im Termin vom 10.02.2010 hätte er wohl auch über die notwendigen finanziellen Mittel für die Beitragsentrichtung verfügt. Indes ist zu berücksichtigen, dass diese Angaben nicht die einzigen kausalen Anknüpfungspunkte sind und hinsichtlich der vermuteten Bereiterklärung zur Zahlung der freiwilligen Beiträge nicht auf die ex post sich darstellende Zweckmäßigkeit dieser Zahlung abzustellen ist.

Die Kausalität kann nur angenommen werden, wenn die unterstellte Pflichtverletzung die wesentliche, dh zumindest gleichwertige, Bedingung dafür gewesen ist, dass der sozialversicherungsrechtliche Nachteil entstanden ist (BSG Urteil vom 06.03.2003 - aaO). Bezogen auf den Kläger ergibt sich, dass der Kläger ab November 1997 selbstständig tätig war und bereits am 24.10.1997 eine private Rentenversicherung bei der A. abgeschlossen hat. Erst nachdem er sich für die private Absicherung entschieden hatte, hat der Kläger mit Schreiben vom 17.11.1997 den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Eine nachfolgende - unterstellte - Pflichtverletzung der Beklagten wäre damit nicht mehr eine gleichwertige Ursache für die Nichtzahlung der freiwilligen Beiträge gewesen, zumal der Kläger die Entscheidung für die private Absicherung aus Ersparnisgründen getroffen hat. Im Termin vom 10.02.2010 hat er angegeben, dass er aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus finanziellen Gründen ausgeschieden sei und der Mitarbeiter der A. , der Zeuge E., ihm erklärt habe, dass die private Absicherung günstiger sei. Dies zu Grunde gelegt ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger bei entsprechender Information der Beklagten ab Dezember 1997 laufend freiwillige Beiträge gezahlt hätte. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob der Kläger bei Abschluss der privaten Versicherung eine Aufklärung über den Verlust oder die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes hinsichtlich einer Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit erfahren hat. Hierüber hat die Einvernahme der Zeugen E. und F. keine Erkenntnisse erbracht. Nicht erheblich ist ebenfalls die Höhe des Jahresbetrages der privat versicherten Rente und ob diese für den Fall der Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit nur als Zusatzleistung gedacht war. Maßgebend ist, dass der Kläger nach Abschluss der privatrechtlichen Absicherung aus Ersparnisgründen die Befreiung aus der Versicherungspflicht beantragt hat und nach den tatsächlichen Umständen nicht davon auszugehen ist, dass er nur zur Erhaltung der Anwartschaft auf eine Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit in der gesetzlichen Rentenversicherung zusätzlich und laufend freiwillige Beiträge gezahlt hätte.

Nach alldem sind die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht erfüllt, da eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht vorliegt und sich nicht feststellen lässt, dass der Kläger bei angenommener Beratung der Beklagten die Anwartschaft durch Entrichtung freiwilliger Beiträge aufrecht erhalten hätte. Hieraus folgt, dass der Kläger nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, als hätte er eine Beitragsentrichtung rechtzeitig durchgeführt.

Die Berufung war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe, die Revision gem. § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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