L 34 AS 1024/10 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 101 AS 38136/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 1024/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2010 aufgehoben.

Dem Kläger wird für das bei dem Sozialgericht Berlin anhängige Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 101 AS 38136/09 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt J B, Ostr., B beigeordnet.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2010, mit dem dieses die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren S 101 AS 38136/09 abgelehnt hat, ist gemäß den §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.

Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass eine Beschwerde bezüglich der Ablehnung von Prozesskostenhilfe nicht zulässig ist, wenn in der Hauptsache der Beschwerdewert von 750 EUR nicht überschritten wird (vgl. z. B. Beschluss vom 13. Mai 2009, Az. L 34 B 2136/08 AS PKH, dokumentiert in juris und zu finden unter www.sozialgerichtsbarkeit.de). Ob der Senat im Hinblick auf die Änderung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG durch Art. 6 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010, BGBl. I vom 10. August 2010, Seite 1131, an dieser Auffassung festhält, kann dahingestellt bleiben, da vorliegend der notwendige Beschwerdestreitwert von mehr als 750 EUR überschritten wird. Der Kläger wendet sich mit seiner Klage in erster Linie gegen den "Hinweis" in dem Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2009 (der zum Teil auch als Bescheid vom 29. Juni 2009 bezeichnet wird), dass "die Übernahme der neuen Mietkosten ab 1.6.09 zukünftig auf den Betrag von 490,- EUR Warmmietkosten begrenzt [wird]". Auch wenn der Senat dies nicht als Regelung, d.h. nicht als Verwaltungsakt versteht, ist, da zur Bestimmung des Beschwerdewertes von dem Begehren des Klägers (das er, unbeachtlich von deren Zulässigkeit bzw. Begründetheit, mit einer Feststellungsklage geltend machen könnte) auszugehen ist, darauf abzustellen, welche Beträge von einer Beschränkung der Kosten der Unterkunft (KdU) auf 490,- EUR umfasst sein könnten. Dies lässt sich nicht ermitteln, da ungewiss ist, ob und in welcher Höhe und zu welchem Zeitpunkt eine Mieterhöhung erfolgen oder Nachforderungen von Betriebs- und/oder Heizkosten bzgl. des (der) Mietverhältnisse(s), die die KdU im Monat ihrer Fälligkeit erhöhen würden (vgl. z.B. Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 22. März 2010, Az. B 4 AS 62/09 R, juris Rn. 13 mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des BSG), anfallen werden. Da der Beklagte mit der Formulierung "zukünftig" sämtliche in der Zukunft in Betracht kommenden Mieterhöhungen und/oder Heiz- bzw. Betriebskostennachforderungen einbezogen hat und, wie bereits erläutert, deren Eintritt und Höhe unbekannt sind, lässt sich der Beschwerdewert nicht exakt ermitteln, er kann über 750 EUR liegen. Lässt sich nicht nachweisen, dass der Beschwerdewert von mehr als 750 EUR nicht erreicht ist, muss die Grundregel der Statthaftigkeit greifen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., § 144 Rn. 15 m.w.N.). Die Beschwerde ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe.

Nach § 73 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe (PKH) ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn der Kläger in der Hauptsache möglicherweise obsiegen wird. Erfolgsaussichten bestehen vor allem dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 13. März 1990, Aktenzeichen 2 BvR 94/88, juris Rn. 28 = NJW 1991, 413, 414) oder von Amts wegen weitere Ermittlungen durchzuführen sind (§ 103 SGG), bevor die streiterheblichen Fragen abschließend beantwortet werden können.

Nach der im PKH- Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung hat die Klage (hinreichende) Aussicht auf Erfolg. Dies allerdings nicht aus dem Grund, dass der von dem Beklagten so bezeichnete, oben bereits zitierte "Hinweis" eine Regelung treffen würde, gegen die sich der Kläger wenden könnte noch, weil der Senat eine Feststellungsklage diesbezüglich für zulässig halten würde; beides ist nicht der Fall. Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage folgt jedoch daraus, dass der Bescheid vom 11. Februar 2010 (der zum Teil als Bescheid vom 4. Februar 2010 bezeichnet wird) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2010, mit dem der Beklagte die Übernahme der Nachforderungen aus dem Betriebskosten- und Heizkostenabrechnungen für das Jahr 2008 abgelehnt hat, in das Verfahren einzubeziehen sein dürfte, zumindest muss dies geprüft werden. Eine Einbeziehung dürfte sich dabei allerdings nicht aus § 96 SGG ergeben. Der Kläger hat seine Klage ausdrücklich als "Teilwiderspruch" mit dem Ziel der (teilweisen) Aufhebung der Bescheide vom 29. Juni 2009 [richtig müsste es heißen: 30. Juni 2009] bezeichnet und sich auf den oben zitierten "Hinweis" bezogen, gegen den er sich wendet. Es wird allerdings nicht völlig klar, inwieweit er die Bescheide vom 30. Juni 2009 [29. Juni 2009] auch im Übrigen angreifen wollte, da er sich "hauptsächlich" gegen den genannten Hinweis wendet. Es spricht vieles dafür, dass er sich nur gegen den "Hinweis" wenden wollte, den er offensichtlich als Regelung für die Zukunft verstanden hat. Wäre dies der Fall, wäre der bzw. die Bescheide vom 30. Juni 2009 [29. Juni 2009] bestandskräftig geworden; da es sich nach Auffassung des Senats bei dem "Hinweis" nicht um eine Regelung und somit insoweit nicht um einen Verwaltungsakt handelt, wäre eine Einbeziehung des Bescheides vom 11. Februar 2010 (4. Februar 2010) gemäß § 96 SGG nicht möglich, da es sich bei der ursprünglichen Regelung um einen Verwaltungsakt handeln muss. (Sollte sich ergeben, dass der Kläger doch auch die Regelungen in den Bescheiden vom 30. Juni 2010 angreifen wollte, käme auch eine Einbeziehung gemäß § 96 SGG in Betracht. Hier bedürfte es dann der Beantwortung der Frage, ob ein ablehnender Bescheid, der den gleichen Zeitraum betrifft [hier vermutlich den Monat Januar 2010] wie der angefochtene Bescheid, Gegenstand eines Klageverfahrens wird. Dies ist problematisch, da nach dem reinen Wortlaut keine Änderung oder Ersetzung gegeben ist. Es erscheint aber vom Ergebnis her unbefriedigend, wenn ein ablehnender Bescheid nicht Gegenstand des Verfahrens werden würde, ein teilweise ändernder Bescheid jedoch schon. Daraus ergäbe sich das Problem, ob ein entsprechender teilweise ändernder Bescheid dann Gegenstand des ursprünglichen Klageverfahrens [hier des vorliegenden Hauptsacheverfahrens] oder des Klageverfahrens gegen den zweiten Bescheid [hier des Bescheides vom 11. Februar/4. Februar 2010] werden würde.)

Eine Einbeziehung müsste jedoch eventuell aufgrund des Schreibens des Klägers an den Beklagten vom 29. Dezember 2009 (Bl. 255 der Verwaltungsakten) erfolgen, mit dem er (u.a.) die Übernahme der Nachforderung aus der Heizkostenabrechnung für das Jahr 2008 in Höhe von 45,65 EUR beantragt hat. Diesbezüglich hat er ausgeführt: "Antrag zu letzterem stelle ich aus Gründen meiner Rechtsanspruchwahrung in meinem laufenden Klageverfahren in der Sache gegen Sie vor dem Sozialgericht Berlin". Damit dürfte der Kläger, möglicherweise im Wege der Klageänderung gemäß § 99 SGG, die Einbeziehung der (streitigen) Übernahme dieser Nachforderung in das Klageverfahren begehrt haben. Unbeachtlich dürfte sein, dass dieser Antrag nicht beim Sozialgericht (gemäß § 202 SGG i.V.m. § 261 Abs. 2 ZPO und § 90 SGG), sondern beim Beklagten eingegangen ist. Hier dürfte § 91 SGG einschlägig sein.

Da das Sozialgericht bisher nicht geprüft hat, ob eine Klageänderung vorliegt, ob der Beklagte diesbezüglich möglicherweise einwilligen würde und/oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält oder es sich gerade nicht um eine Klageänderung handelt, sondern nur um eine Erweiterung oder Beschränkung des Klageantrags (§ 99 Abs. 3 Nr. 1 SGG), besteht hinreichende Erfolgsaussicht. Zum Zeitpunkt ihrer Erhebung wäre diese Klage zwar mangels Erfüllung der Sachurteilsvoraussetzungen unzulässig gewesen, da noch kein Verwaltungsakt und kein Widerspruchsbescheid ergangen waren; dies ist jedoch inzwischen der Fall. Unbeachtlich ist auch, dass der Kläger laut Auskunft des Beklagten gegen dem Bescheid vom 11. Februar 2010 (möglicherweise 4. Februar 2010) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2010 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben hat (Az. S 38 AS 21716/10); diese Klage wäre, sofern die Heizkostennachforderung Gegenstand des vorliegenden Verfahrens wäre, wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig. Diesbezüglich kommt es auf den Zeitpunkt der Klageänderung bzw. Änderung des Klageantrags an; dieser wird in dem Zeitpunkt wirksam, in dem ein entsprechender Schriftsatz eingereicht wird. Da ein entsprechender geänderter Antrag bzw. eine Klageänderung vor Erhebung der Klage in dem Rechtsstreit S 38 AS 21716/10 vorgenommen wurde, wäre das vorliegende Verfahren vorrangig.

Sofern die Frage der Übernahme der Heizkostennachforderung in das vorliegende Verfahren einzubeziehen ist, wäre zu prüfen, wann die Forderung des Vermieters fällig geworden ist. Für diesen Monat würden sich, wie oben bereits erläutert, wie KdU erhöhen. Ob diese allerdings zu übernehmen wären, wäre noch gesondert festzustellen. Nach der Rechtsprechung des BSG ist die Angemessenheit der Höhe der Heizkosten unabhängig von der Angemessenheit der Kosten der Unterkunft zu beurteilen (vgl. Urteil vom 2. Juli 2009, Az. B 14 AS 36/08 R, dokumentiert in juris). Da die Beklagte dies offensichtlich nicht getan hat, sondern die Warmmiete auf 490 EUR begrenzt hat, bedürfte es diesbezüglich weiterer Ermittlungen. Auf Grund der aufgezeigten Problematik, die im Klageverfahren zu klären sein wird, ist hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO gegeben.

Da der Kläger nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, war Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt B beizuordnen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73 a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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