Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 439/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 U 383/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Konkurrenzursache nicht im Vollbeweis festgestellt.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Februar 2007 abgeändert.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. November 2002 und unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 03. Juli 2003 verurteilt, das am 13. April 2002 gegen 06.09 Uhr geschehene zweite Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls. Er bezieht bereits eine Rente auf unbestimmte Zeit wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 26. Januar 2007 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. (Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2010) und eine Stützrente nach einer MdE von 10 v. H. wegen der Folgen eines Unfalls vom 24. Februar 2005 (Bescheid vom 08. Juni 2010).
Der 1960 geborene Kläger war als Kraftfahrer der B beschäftigt, als am 13. April 2002 morgens auf dem Weg zu seiner um 05.00 Uhr beginnenden Tätigkeit beim Fahrradfahren ein Ast sein Gesicht und Auge streifte. Auf der Arbeit angekommen entschied der Kläger nach einer Besprechung mit einem Kollegen, dem später als Zeugen vernommenen Herrn Z, dass dieser ihn wegen einer möglichen Augenverletzung ins nächste Krankenhaus fahren sollte. Herr Z fuhr zunächst noch andere Kollegen zu ihren Arbeitseinsätzen, kehrte dann zurück und fuhr sodann mit dem Kläger in einem Kehrrichtsammelfahrzeug, einem 4,6-Tonner-Pritschenwagen, bei welchem man zum Einsteigen auf ein Trittbrett und dann weiter hoch ins Führerhaus steigen muss, zunächst in das H-Krankenhaus , von wo aus man den Kläger, da hier ein Augenarzt nicht zur Verfügung stand, an das V-Klinikum verwies. Auf dem Weg dorthin trafen der Kläger und sein Kollege den Wochenendaufsichtsdienst, den Zeugen Herrn W, weshalb sie anhielten, um mit diesem zu sprechen und die Fahrt ins Krankenhaus zu erklären. Sowohl der Kläger als auch Herr Z stiegen hierfür aus dem Wagen aus. Während Herr Z und Herr W noch miteinander sprachen, ging der Kläger um das Fahrzeug herum, um auf der Beifahrerseite wieder einzusteigen. Hierbei stürzte er, u. a. auf den Kopf. Zeugen des Sturzes gab es nicht. Als Unfallzeitpunkt ist im Durchgangsarztbericht 06.09 Uhr notiert.
Der Kläger wurde mit dem Rettungstransportwagen in die C, V Klinikum, eingeliefert und dort in die Station für Neurochirurgie aufgenommen. Im Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. H vom 13. April 2002 ist zum Hergang des Unfalls vermerkt, dass der Kläger infolge des Sturzes stark aus Mund/Nase oder Ohr geblutet habe, "lt. Lebensgefährtin am Vorabend "ein paar Bier und Korn" getrunken". Zum Befund ist ausgeführt: "ggf. Restalkohol vom Vorabend". Die Ursache des Sturzes sei unklar. Diagnostiziert wurden eine Schädelfraktur, Schädelbasisfraktur und eine akute subdurale Blutung. Als vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen sind aufgeführt "bekanntes unabgeklärtes Krampfleiden, wiederholter Alkoholmissbrauch, Diabetes". In einem weiteren Durchgangsarztbericht vom 17. April 2002 ist der Vermerk zum möglichen Alkoholeinfluss dahin korrigiert worden, dass ein solcher nicht angenommen worden sei, eine Blutentnahme sei nicht veranlasst worden, lt. aufnehmendem Arzt habe sich kein Alkoholfötor gefunden. Der Kläger wurde bis zum 29. April 2002 in der Charité aufgrund der Diagnosen Schädel-Hirn-Trauma mit rechts frontaler Kontusion und schmalem akut subduralem Hämatom rechts, Schädel-Basis-Fraktur im Bereich des Felsenbeins links und hirnorganisches Psychosyndrom stationär weiterbehandelt (Entlassungsbericht vom 26. April 2002). Im Anschluss daran erfolgte bis 03. Juni 2002 eine Frührehabilitation in der M Klinik G. Sowohl im Antrag der C auf Kostenübernahme für eine Früh-Rehabilitation vom 25. April 2002 als auch im Entlassungsbericht der MEDIAN Klinik G vom 19. September 2004 ist ausgeführt, dass der Kläger während der stationären Behandlung ein hirnorganisches Psychosyndrom entwickelt bzw. gezeigt habe, welches während der Frührehabilitation im Vordergrund gestanden habe. Im Entlassungsbericht der M Klinik G vom 24. Oktober 2002 sind zu allgemeinen Risikofaktoren ferner unter anderem angegeben ein länger andauernder Alkoholkonsum, hochprozentige Alkoholika, letztmalig sei vor 7 bis 8 Wochen Alkohol konsumiert worden. Ein letztmaliges EEG vom 10. Mai 2002 habe keinen Hinweis auf ein Anfallsgeschehen gezeigt.
Die Beklagte forderte ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers, der BKK Berlin an, in dem sich u. a. für die Zeit vom 13. November 2000 bis 14. August 2001 eine Arbeitsunfähigkeit u. a. wegen einer Glykoproteinstoffwechselstörung ergibt. Vorerkrankungen im Sinne eines Anfallsleidens oder einer Diabeteserkrankung sind dem Vorerkrankungsverzeichnis nicht zu entnehmen.
Die Beklagte befragte ferner den Kläger sowie dessen Kollegen Herrn W zum Unfallhergang, letzterer gab mit Schreiben vom 06. Mai 2002 an, nicht beurteilen zu können, warum der Kläger umgefallen sei. Er habe bereits im Auto gesessen, um seine Kontrollfahrt fortzusetzen, als er einen Schlag gehört habe. Er sei deshalb wieder aus seinem Pkw ausgestiegen und um den Lkw herumgegangen, wo er den Kläger zwischen Fahrbahn und Gehweg auf dem Boden liegend gesehen habe. Die Beklagte ließ ferner Herrn Z sowie erneut Herrn W durch deren Arbeitgeber, die B, zum Unfallhergang befragen, die mit Schreiben vom 26. August 2002 als Ergebnis den bereits beschriebenen Ablauf nochmals wiedergab. Herr Z und Herr W hätten übereinstimmend angegeben, weder den Eindruck gehabt zu haben, dass der Kläger unter Alkoholeinfluss gestanden habe, noch hätten sie eine Alkholfahne bemerkt. Auf Rückfrage der Beklagten zu den Angaben im Durchgangsbericht des Erstbehandlers zum Alkholkonsum und zu früheren Krampfanfällen führte für die C Frau Dr. T mit Schreiben vom 18. Oktober 2002 aus, dass nach dem im Rahmen der Erstbehandlung geführten Aufnahmegespräch Angaben der Lebensgefährtin des Klägers dahin festgehalten worden seien, dass er wiederholt Krampfanfälle an den Händen gehabt habe und dass vor einem Jahr ein Verdacht auf Diabetes geäußert worden sei. Weitere Angaben seien nicht möglich.
Mit Bescheid vom 25. November 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung, insbesondere einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 13. April 2002 ab. Denn ein Arbeitsunfall sei nicht erwiesen, man gehe davon aus, dass der Kläger aus innerer Ursache gestürzt sei. Vermutungen reichten für die Anerkennung des Unfallversicherungsschutzes nicht aus. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er ein Attest seines behandelnden Facharztes für Innere und Rettungsmedizin, Hausärztliche Versorgung Dr. M vom 05. Dezember 2002 beibrachte, der ausführte, dass der von ihm seit mehreren Jahren behandelte Kläger weder an einem Krampfleiden leide noch Diabetiker sei. Weiter führte der Kläger aus, sich an das Unfallgeschehen nicht erinnern zu können, weil er das Bewusstsein verloren gehabt habe. Die Lebensgefährtin des Klägers, Frau JS, teilte auf Nachfrage mit Schreiben vom 28. Mai 2003 mit, dass beim Kläger am Tag vor dem Unfall keine sichtbaren/erkennbaren Verletzungen oder Gesundheitsschäden im Bereich der Augen vorgelegen hätten. Für die C wurde mit Schreiben des Prof. Dr. H vom 04. Juni 2003 ausgeführt, dass aus den dortigen Unterlagen keine Verletzungen ersichtlich seien, die auf eine Kollision mit einem Ast im Bereich der Augen zurückgeführt werden könnten. Der bereits genannte Kollege des Klägers Herr Z teilte mit am 06. Juni 2003 eingegangenem Schreiben mit, am Unfalltag erkannt zu haben, dass das Weiße der Augen des Klägers stark gerötet gewesen sei, der Kläger habe auch über Schmerzen geklagt. Die Fahrt zum Arzt nach diesem ersten Unfall sei von ihm initiiert worden, da eine Verletzung am Auge ernst zu nehmen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03. Juli 2003 gab die Beklagte dem Widerspruch des Klägers insoweit teilweise statt, als sie den ersten Unfall vom 13. April 2002, eingetreten um ca. 4.15 Uhr, als Arbeitsunfall mit der Unfallfolge einer folgenlos ausgeheilten Gesichtsprellung anerkannte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Zahlung einer Rente aus Anlass des anerkannten Arbeitsunfalls bestehe nicht. Auch ein Anspruch auf Leistungen aus Anlass des zweiten Ereignisses bestehe trotz der Folgen dieses Ereignisses nicht. Der Kläger habe zwar gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 und § 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) während des Zurücklegens des Weges zur C unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Es sei jedoch nicht erwiesen, wie sich der zweite, hierbei erlittene Unfall ereignet gehabt habe. Damit sei nicht erwiesen, dass der Kläger überhaupt einen entschädigungspflichtigen (zweiten) Arbeitsunfall erlitten habe. Die Folgen dieses Nicht-Festgestellt-Seins habe der Kläger zu tragen.
Im Klageverfahren hat das Gericht erneut das Vorerkrankungsverzeichnis der C B sowie eine Aufstellung sämtlicher behandelnden Ärzte und Behandlungsdiagnosen beigezogen. Das Gericht hat sodann Befundberichte der Behandler angefordert, die am 07. Mai 2004 durch den Praktischen Arzt Dr. G, am 10. Mai 2004 durch den Internisten Dr. M, am 21. Mai 2004 durch die Ärztin für Innere Medizin Dr. H-, am 28. Mai 2004 durch den Urologen H, am 10. Juni 2004 durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S und am 17. September 2004 durch den Arzt für Chirurgie Dipl.-Med. J erstellt wurden. Sämtliche Ärzte beantworteten die Frage, ob ihnen Erkenntnisse über ein Krampfleiden oder einen erhöhten Alkoholkonsum des Klägers vorlägen, dahin, dass dies nicht der Fall sei.
Das Gericht hat im Termin vom 16. Dezember 2005 die Kollegen des Klägers H Z und M W als Zeugen gehört, insoweit wird auf die Niederschrift zur Sitzung Bezug genommen. Der Zeuge W gab an, bei dem Halt auch selbst mit dem Kläger gesprochen zu haben, dieser habe nicht den Eindruck gemacht, dass er neben sich gestanden habe oder dass ihm irgendwie schlecht sei oder dergleichen.
Nach Hinweis des Gerichts, dass konkurrierende Ursachen zur versicherten Tätigkeit dem Vollbeweis unterlägen, ermittelte die Beklagte weiter medizinisch. Beigezogen wurde der Einsatzbogen der Berliner Feuerwehr vom Unfalltag.
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Arztes für Psychiatrie Dr. B, V Klinikum am U, vom 02. Oktober 2006 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein hirnorganisches Psychosyndrom leichter Ausprägung (F.06.9 der Internationalen Klassifikation von Krankheiten, 10. Revision – ICD-10) infolge eines Schädel-Hirn-Traumas am 13. April 2002 bestehe. Nicht mehr eindeutig zu sichern sei eine beinbetonte halbseitige Restsymptomatik, die bereits in der Frührehabilitation bis zum 03. Juni 2002 als gut rückläufig beschrieben worden sei. Die Gesundheitsstörung sei im Sinne der erstmaligen Entstehung ursächlich auf den zweiten Unfall vom 13. April 2002 gegen 06.00 Uhr zurückzuführen. Bei diesem zweiten Unfall sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem einmaligen hirnorganischen Krampfanfall auszugehen, begünstigt durch Schlafmangel und vorabendlichen Alkoholgenuss. Die unfallbegründete MdE sei mit 10 v. H. am unteren Rand des Bemessungsspielraumes anzusiedeln, da das Psychosyndrom nach psychopathologischen Kriterien gering und nur sehr wenig alltagsbeeinträchtigend ausgeprägt sei, zudem sei der vegetative Befund ausgeglichen. Der Kläger arbeite aktuell wieder vollschichtig, die Wiedereingliederung sei nach dem Hamburger Modell erfolgt. Schwerer und nicht so eindeutig zu bewerten sei die Frage der Einflussgröße eines Alkoholmissbrauchs, der als konkurrierende Teilursache in Betracht komme. Es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem isolierten – durch Alkoholgenuss am Vorabend in Verbindung mit Schlafentzug erheblich begünstigten – hirnorganischen Anfall am frühen Morgen des 13. April 2002 auszugehen. Der beschriebene Unfallhergang – die Kollegen hätten einen "enormen Klatsch" gehört - sei ganz ungewöhnlich für ein Kreislaufversagen (Synkope), welcher Ursache auch immer. Denn bei einer Synkope würden zumeist nicht die Schutzreflexe versagen, die – bezeugt durch die Schwere der Verletzung – hier gänzlich ausgeblieben sein müssten. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche daher für einen hirnorganischen Anfall als Ursache des Schädelhirntraumas, der seinerseits durch Alkoholgenuss vom Vorabend und ein Schlafdefizit mehr als gebahnt worden sei. Auf den ersten Unfall gegen 04.15 Uhr desselben Tages seien keine Gesundheitsstörungen zurückzuführen.
Mit Urteil vom 23. Februar 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zwar dürften in die erforderliche wertende Beurteilung, welche Ursache wesentlich für den Geschehensablauf gewesen sei, nur solche Ursachen eingestellt werden, die bewiesen seien, während nicht feststehende mögliche Bedingungen von vornherein außer Betracht zu bleiben hätten. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze stehe allerdings aufgrund des Gutachtens des Dr. B fest, dass ein durch Schlafmangel und Alkoholkonsum begünstigter einmaliger hirnorganischer Krampfanfall die Ursache des Sturzes am 13. April 2002 gegen 06.09 Uhr gewesen sei. Damit stehe auch fest, dass die Verletzungen, die der Kläger sich bei diesem Sturz zugezogen habe (Schädelfraktur und Hirnblutung) ihre wesentliche Teilursache nicht in der versicherten Tätigkeit, sondern in der inneren Ursache des hirnorganischen Krampfanfalls hätten. Dr. B habe überzeugend ausgeführt, dass ein im Fallen betreffender Alkoholspiegel im Zusammenhang mit Schlafmangel zu einer erheblichen Absenkung der Schwelle für hirnorganische Krampfanfälle führe. Er habe dann überzeugend herausgearbeitet, dass sicher feststehe, dass der Kläger am Vorabend noch mit einem Bekannten Alkohol in Form von Bier und Korn getrunken habe. Diese Angaben könnten ohne weiteres als richtig unterstellt werden, da sie direkt nach dem Unfall gemacht worden seien. Nicht zuletzt spreche auch der Ablauf des Sturzes hierfür. Dr. B habe ausgeführt, dass ein solcher Ablauf für einen hirnorganischen Krampfanfall, bei dem die Schutzfunktionen sofort aussetzten, geradezu typisch sei. Im Übrigen komme die Gewährung einer Verletztenrente ohnehin nicht in Betracht, da nach den Feststellungen des Dr. B die motorischen Defizite nicht sehr ausgeprägt und im Übrigen beobachtungsabhängig seien, was nichts anderes bedeute, als dass diese bei Beobachtung stärker demonstriert würden als sie tatsächlich vorhanden seien. Der Kläger könne auch nicht mit Erfolg als Gesundheitsstörung geltend machen, dass er kein erhebliches Übergewicht mehr mit sich herumtrage; die nach dem Unfall eingetretene Reduktion des Gewichts von 112 kg vor dem Unfall auf 78 kg nach dem Unfall entspreche nur dem gesunden Normalgewicht und sei keineswegs zu beklagen.
Gegen dieses ihm am 19. März 2007 zugegangene Urteil richtet sich die am 19. April 2007 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger trägt vor, dass die alternative Ursache nicht im Wege des notwendigen Vollbeweises erwiesen sei. Es habe der Beklagten oblegen, diesen Vollbeweis zu führen, dies sei ihr nicht gelungen. Dr. B sei zu dem von ihm gefundenen Ergebnis letztlich aufgrund von Vermutungen gelangt. Von einem Schlafmangel sei an keiner Stelle in der Akte die Rede. Allein aufgrund des Umstandes, dass er wohl um 3.30 Uhr aufgestanden sei, könne nicht auf ein Schlafdefizit geschlossen werden. Wenn gutachterlich von einem sinkenden Alkoholspiegel ausgegangen werde, so setze dies jedenfalls voraus, dass er am Vorabend soviel Alkohol getrunken habe, dass dieser zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht vollständig abgebaut gewesen sei. Auch dies sei nicht feststellbar. Vielmehr hätten die ihn begleitenden Kollegen in ihrer Befragung mitgeteilt, dass ihnen diesbezüglich nichts Ungewöhnliches aufgefallen sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 23. Februar 2007 und unter Abänderung ihres Bescheides vom 25. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03. Juli 2003 zu verurteilen, das zweite Unfallereignis vom 13. April 2002 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass die Anerkennung als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall nach wie vor versagt bleiben müsse. In der Medizin bestehe Konsens, dass hirnorganische Anfälle sowohl mehrfach als auch einmalig im Leben auftreten könnten, wobei myoklonische Anfälle lediglich zu einer plötzlichen starken Muskelzuckung führten. Der Nachweis eines Unfallgeschehens im Vollbeweis habe vorliegend daher nicht gelingen können.
Das Gericht hat zunächst Erörterungstermine vom 19. September 2007 und vom 07. Februar 2008 durchgeführt und hier die Lebensgefährtin des Klägers, Frau J S, als Zeugin gehört, insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Das Gericht hat sodann eine Rückäußerung des Dr. B vom 30. Mai 2008 eingeholt, der ausführte, dass die Umstände des Unfalls und die Art der daraus resultierenden Verletzungen keinen vernünftigen Zweifel daran aufkommen ließen, dass es sich um einen hirnorganischen Anfall gehandelt habe. Der Annahme eines Schlafdefizits bedürfe es streng genommen hierfür nicht. Im Übrigen sei neben der Quantität auch die Qualität des Schlafes von entscheidender Bedeutung, diese sei nach Alkoholgenuss deutlich herabgesetzt. Der Befund eines die Krampfschwelle senkenden Schlafentzuges sei daher nicht an eine exakt zu definierende Schlafdauer zu binden. Auch die Höhe des Alkoholspiegels sei für diese Wirkung nicht streng dosisabhängig.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht sodann ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T, Ärztliche Partnergesellschaft I& K, vom 29. Mai 2009 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein leichtes organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma (ICD-10: F 07.2) und anamnestisch bis 2002 ein Alkoholabusus (ICD-10: F 10.1) bestünde. Das leichte organische Psychosyndrom sei auf das Unfallereignis vom 13. April 2002 kurz nach 06.00 Uhr morgens zurückzuführen. Das Unfallereignis sei höchstwahrscheinlich die alleinige Ursache der genannten Gesundheitsstörung. Zwar sei im Vorfeld des jetzigen Gutachtens der frühere langjährige Alkoholkonsum als mögliche Teilursache diskutiert worden. Weder die anamnestische Exploration noch die vorliegenden Aktenunterlagen sprächen allerdings dafür, dass dieser Vermutung eine höhere Bedeutung zukommen sollte. Von den Befundberichten der behandelnden Ärzte werde insofern abgewichen, als zumindest bis zum Jahre 2002 ein – auch vom Kläger selbst zugegebener, wenngleich bagatellisierter – Alkoholkonsum in missbräuchlichem Umfang vorgelegen habe. Von dem Gutachten des Dr. B werde hinsichtlich seiner fachärztlichen Herleitung des zweiten Unfallereignisses abgewichen. Weder eigenanamnestisch noch anhand der Aktenunterlagen ergäben sich fundierte Hinweise dafür, dass jemals sonst ein epileptischer Anfall im Rahmen eines sinkenden Alkoholspiegels aufgetreten wäre. Schon dies mache einen Gelegenheitsanfall bei ansonsten unveränderten Lebensgewohnheiten des Klägers (Schlafrhythmus, Ernährungsverhalten usw.) nicht sehr wahrscheinlich. Der Kläger habe zum Abend vor dem Unfallereignis angegeben, dass dieser Abend "fast normal verlaufen" sei. Ein Freund sei vorbeigekommen und habe Farbe vorbeigebracht. Er selbst habe im Zeitraum von 20.00 bis 21.30 Uhr zwei kleine Gläser Korn und ein kleines Bier getrunken. Der Freund habe sich gegen 22.00 Uhr verabschiedet. Er selbst sei dann auch zu Bett gegangen und kurz nach 03.00 Uhr früh aufgestanden. Das sei so seine Zeit. Nach dem Aufstehen habe er sich fertiggemacht, zwei Pötte Kaffee zubereitet und eine Zigarette auf dem Balkon geraucht und den Kaffee dort getrunken, dann sei er in den Keller gegangen und habe das Rad herausgeholt. Seit der Wartezeit im H-Klinikum habe er einen gewissen Brechreiz verspürt, das Auge habe weiterhin gebrannt. Er habe ein Gefühl, "wie einen Klumpen" im Magen verspürt. Nach der kurzen Besprechung mit der Betriebsaufsicht sei ein Brechreiz bei ihm "so richtig hochgekommen". Er habe gesagt, dass er sich entschuldigen lasse. Er sei dann noch zwischen die beiden Fahrzeuge gelaufen, um auf die Beifahrerseite zu gelangen, habe die Bordsteinkante gesehen und mehr wisse er nicht. Aufgrund dieser Angaben des Klägers ließen eine gewisse Appetitlosigkeit und die fehlende Nahrungsaufnahme am Abend vor dem Unfallereignis und der seitens des Klägers geäußerte Brechreiz am Morgen des Unfallereignisses auch andere Vermutungen zum Unfallhergang zu. Durchaus möglich wäre es z. B., dass der Kläger im Rahmen einer Kombination aus Müdigkeit, Unterzuckerung und niedrigem Blutdruck eine körperliche Schwäche erlebt habe und deshalb gestürzt sei. Für das Unfallereignis selbst gebe es keine Zeugen. Nachdem die Kollegen des Klägers offenbar das Fallen auf den Bürgersteig gehört hatten, seien sie zugleich zu ihm gelaufen. Im Falle eines epileptischen Anfalls dauere die spastische Phase (spastische Verkrampfung der gesamten Muskulatur) oftmals sogar Minuten, dies wäre den Kollegen sicherlich aufgefallen und entsprechend erwähnt worden. Der Hergang des zweiten Unfallereignisses bleibe daher nach allem offen. Für keine der diskutierten möglichen Gründe gebe es jeweils eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Die unfallbedingte MdE sei fortlaufend mit 10 v. H. zu bemessen.
Das Gericht hat am 21. Oktober 2009 noch einen weiteren Erörterungstermin durchgeführt, insoweit wird auf die Niederschrift vom selben Tage Bezug genommen. Auf Rückfrage durch das Gericht hat Dr. T sodann mit Stellungnahme vom 02. Februar 2010 darauf hingewiesen, bereits in seinem Gutachten ausgeführt zu haben, dass aus gutachterlicher Sicht nicht völlig ausgeschlossen werden könne, dass die mit der Augenverletzung verknüpften Beschwerden des Klägers seine am Morgen des Unfallereignisses erlebte Gesamtbefindlichkeit zusätzlich nachhaltig beeinträchtigt hätten. Allerdings spreche der Umstand, dass er dabei nicht vom Rad gestürzt, bis auf weiteres bei Bewusstsein gewesen sei und keine relevanten kognitiven Ausfälle gezeigt habe, eindeutig gegen die Annahme, dass die später seitens der C festgestellten schweren kranialen Blutungen Folge des ersten Unfalls gewesen sein könnten. Dafür, dass die Blutungen gänzlich unabhängig von beiden Unfällen vorbestanden haben könnten, spreche nichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlag und Gegenstand der Beratung und Entscheidung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und in dem Umfang, in dem über sie zu entscheiden war, auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03. Juli 2003 ist, soweit er den hier streitgegenständlichen zweiten Unfall vom 13. April 2002 betrifft, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, er war daher ebenso wie das erstinstanzliche klageabweisende Urteil abzuändern. Der Kläger hat Anspruch auf die Anerkennung des am 13. April 2002 gegen 06.09 Uhr erlittenen zweiten Ereignisses als Arbeitsunfall. Entsprechend dem in der Berufungsschrift vom 19. April 2007 gestellten Antrag ging es im Berufungsverfahren lediglich noch um die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall, während ein Antrag auf die Gewährung von Leistungen wegen des Unfalls – da bei Einlegung der Berufung ein Stützrententatbestand noch nicht in Betracht kam - nicht gestellt wurde und daher nicht mehr streitgegenständlich ist.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist § 8 SGB VII. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 23/05 R, und Urteil vom 17. Februar 2009, Az.: B 2 U 18/07 R, zitiert jeweils nach juris.de, m.w.N.). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Arbeitsunfall und die Gesundheitserstschädigung im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 02. Mai 2001, Az.: B 2 U 16/00, zitiert nach juris.de). Diese Voraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls sind vorliegend gegeben.
Zunächst einmal stand der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalles auch Gesundheitsschäden infolge der Durchführung einer Heilbehandlung einschließlich der dazu notwendigen Wege. Die Heilbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auch die Erstversorgung. Der Kläger befand sich auf einem derartigen Weg zur Heilbehandlung aufgrund des Umstandes, dass ihm auf dem Weg zur Arbeit ein Ast ins Auge geflogen war und hier mögliche Verletzungen abzuklären waren. Diesen ersten Unfall vom 13. April 2002 hat die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 03. Juli 2003 als Arbeitsunfall anerkannt. Dass der Kläger auf dem Weg zur entsprechenden Erstversorgung war steht fest aufgrund der Aussage des Zeugen Z vor dem Sozialgericht Berlin vom 16. Dezember 2005. Nicht erheblich war insoweit, dass hier ein Gesundheitserstschaden letztlich bei den späteren Behandlungen im Bereich der Augen nicht festgestellt worden ist, denn jedenfalls sollte ein solcher abgeklärt werden, was ausreichend ist.
Ein Unfallereignis im Sinne eines zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses lag ebenfalls vor. Ein solches von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis liegt nicht nur bei einem besonders ungewöhnlichen Geschehen, sondern auch bei einem alltäglichen Vorgang, wie dem Stolpern über die eigenen Füße oder dem Aufschlagen auf den Boden vor, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (BSG, Urteil vom 17. Februar 2009, a. a. O.) Das Aufschlagen des Körpers des Klägers auf den Boden war insoweit also ausreichend.
Zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis bestand auch der notwendige Zusammenhang im Sinne der so genannten Unfallkausalität. Für diesen Zusammenhang gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, nach der auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie aufbauend in einem zweiten wertenden Schritt als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Typische Fallgestaltungen, in denen die Unfallkausalität näherer Erörterung bedarf, sind u. a. die Fälle einer möglichen inneren Ursache. Die Unfallkausalität zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis wird dabei vermutet, weil oft kein Grund zu erkennen ist, warum sich der Unfall gerade jetzt und so zugetragen hat, z. B. bei einem versicherten Weg und dem bekannten "Stolpern über die eigenen Füße". Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung die für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis stets gegeben, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt sind, die als konkurrierende Ursachen wirksam geworden sein könnten. Kann eine in Betracht zu ziehende Konkurrenzursache in ihrer Grundvoraussetzung nicht festgestellt werden, scheidet sie bereits im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Ursache aus (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a. a. O.). Deshalb muss, wenn bei Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ein Unfallereignis eintritt, vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, es ist eine konkurrierende Ursache, wie z. B. eine innere Ursache feststellbar. Erst wenn das Vorliegen einer solchen konkurrierenden Ursache neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung für das Unfallereignis festgestellt wurde, ist in einem zweiten Prüfungsschritt wertend zu entscheiden, ob die versicherte Ursache wesentlich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist (BSG, a.a.O.).
Eine derartige konkurrierende innere Ursache konnte vorliegend jedoch nicht festgestellt werden. Aufgrund der Ausführungen des erstinstanzlich gehörten Gutachters Dr. B, dessen Gutachten vom 02. Oktober 2006 das Sozialgericht gefolgt ist, kam als innere Ursache hier ein einmaliger hirnorganischer Anfall in Betracht. Dr. B äußerte sich zwar in seiner im Berufungsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 30. Mai 2008 dahin, dass die Umstände des Unfallgeschehens und die Art der daraus resultierenden Verletzungen "keinen vernünftigen Zweifel" daran aufkommen ließen, dass es sich um einen hirnorganischen Anfall gehandelt habe. Damit hat sich bei rechtlicher Bewertung der Sachverständige dahin festgelegt, dass nach seiner Auffassung das Vorliegen eines hirnorganischen Anfalls voll erwiesen sei. Dem konnte jedoch nicht gefolgt werden. Zu Recht weist der auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörte Dr. T in seinem Gutachten vom 29. Mai 2009 darauf hin, dass die Annahme eines einmaligen hirnorganischen Anfalls nicht mehr als eine Vermutung ist. Dieser gutachterlichen Einschätzung schließt sich das erkennende Gericht an. Abgesehen davon, dass eine Vermutung für die Feststellung einer konkurrierenden Ursache ohnehin nicht ausreicht, nennt Dr. T verschiedene Gründe, nach denen der von Dr. B angenommene Hergang nicht einmal besonders wahrscheinlich ist. Es war nicht feststellbar, dass der Kläger zu irgendeinem anderen Zeitpunkt vor oder nach dem hier streitgegenständlichen Unfall jemals einen epileptischen Anfall erlitten hat. Sowohl die Beklagte als auch erstinstanzlich das Gericht hatten diesbezüglich umfangreiche Ermittlungen angestellt durch Beiziehung des Vorerkrankungsverzeichnisses und Befragung der behandelnden Ärzte, ohne hier Anhaltspunkte gefunden zu haben. EEG-Testungen blieben ohne Erfolg, wie im Entlassungsbericht der M Klinik G vom 24. Oktober 2002 ausgeführt ist. Die Angabe im Durchgangsarztbericht des Erstbehandlers zu einem ungeklärten Krampfleiden erklärte sich dadurch, dass der Kläger zwischenzeitlich an einem Karpaltunnelsyndrom der Hände gelitten und Krämpfe in den Händen beschrieben hatte.
Weiter begründete Dr. B seine Annahme mit einem sinkenden Alkoholpegel, dieser habe in Verbindung mit einem Schlafdefizit die Schwelle für einen Anfall gesenkt. Für diese Argumentation fehlt es allerdings an der Feststellbarkeit der vom Gutachter zugrunde gelegten Fakten. Denn nicht aufklärbar war letztlich, ob beim Kläger im Zeitpunkt des streitigen Unfallgeschehens überhaupt noch ein Alkoholspiegel vorhanden gewesen war. Eine Blutentnahme, die hier als Nachweis gedient hätte, ist nicht durchgeführt worden. Aus den vagen Angaben der Lebensgefährtin des Klägers gegenüber dem aufnehmenden Krankenhaus, dass dieser am Abend zuvor "ein paar Bier und Korn" getrunken habe, lässt sich ein Alkoholspiegel im Vollbeweis nicht feststellen, auch wenn diese Angabe entgegen den späteren Bagatellisierungen zutreffend gewesen sein dürfte. Aufgrund des Umstandes, dass weitere Ermittlungen diesbezüglich nicht möglich waren, auch weil eine ladungsfähige Anschrift des hier in Betracht kommenden Zeugen, mit welchem der Kläger am Tag vor dem Unfall gemeinsam den Abend verbracht hatte, nicht beigebracht wurde, kann nicht zu Ungunsten des Klägers ein bestimmter Alkoholspiegel unterstellt werden. Für eine derartige Beweislastumkehr gibt es keine Grundlage. Dr. T weist daher zu Recht darauf hin, dass all dies einen Gelegenheitsanfall "bei ansonsten unveränderten Lebensgewohnheiten des Klägers (Schlafrhythmus, Ernährungsverhalten etc.)" nicht sehr wahrscheinlich mache. Dieser Bezug zum sonstigen Lebensverhalten des Klägers überzeugt, wurde aber von Dr. B nicht gewürdigt. Dr. T führt dann aus, dass eine gewisse Appetitlosigkeit und die fehlende Nahrungsaufnahme am Abend vor dem Unfallereignis und der seitens des Klägers geäußerte Brechreiz am Morgen des Unfallereignisses auch andere Vermutungen zum Unfallhergang zuließen. So sei es durchaus möglich, dass der Kläger im Rahmen einer Kombination aus Müdigkeit, Unterzuckerung und niedrigem Blutdruck eine körperliche Schwäche erlebt habe und deshalb gestürzt sei. Dies erscheint in jeder Hinsicht nachvollziehbar und nach allgemeiner Lebenserfahrung auch wahrscheinlicher als ein einmaliger hirnorganischer Anfall. Insgesamt schließt sich das Gericht daher der Bewertung des Dr. T an. Das Gutachten des Dr. T ist insgesamt sorgfältig erstellt und überzeugend begründet. Der Gutachter ist auch keineswegs den Angaben des Klägers gegenüber unkritisch gewesen. Insbesondere erkannte und berücksichtigte er den vom Kläger deutlich bagatellisierten Alkoholkonsum im Sinne eines Alkoholmissbrauchs. Letztlich kommt Dr. T jedoch nach Abwägung aller in den Akten und aufgrund der Anamnese zu eruierenden Fakten zu dem Ergebnis, dass aus gutachterlicher Sicht der Hergang des zweiten Unfallereignisses offen bleiben muss und dass es für keinen der diskutierten möglichen Gründe eine jeweils überwiegende Wahrscheinlichkeit gibt. Dem schließt sich das Gericht an. Damit ist eine konkurrierende Ursache, die neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung in Betracht käme, nicht im Vollbeweis festgestellt. Denn es reicht aus den dargelegten rechtlichen Gründen gerade nicht aus, dass höchstwahrscheinlich irgendeine körpereigene Ursache vorgelegen hat. Diese muss vielmehr positiv festgestellt werden, was vorliegend nicht möglich ist.
Da eine konkurrierende Ursache nicht festgestellt werden konnte, scheidet sie bereits im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Ursache aus, so dass weitere Erwägungen zur Ursächlichkeit im Sinne der Wesentlichkeitstheorie nicht erforderlich waren.
Nach alledem war der Berufung daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 25. November 2002 und unter Abänderung des Widerspruchsbescheides vom 03. Juli 2003 verurteilt, das am 13. April 2002 gegen 06.09 Uhr geschehene zweite Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung von Entschädigungsleistungen wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls. Er bezieht bereits eine Rente auf unbestimmte Zeit wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 26. Januar 2007 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. (Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2010) und eine Stützrente nach einer MdE von 10 v. H. wegen der Folgen eines Unfalls vom 24. Februar 2005 (Bescheid vom 08. Juni 2010).
Der 1960 geborene Kläger war als Kraftfahrer der B beschäftigt, als am 13. April 2002 morgens auf dem Weg zu seiner um 05.00 Uhr beginnenden Tätigkeit beim Fahrradfahren ein Ast sein Gesicht und Auge streifte. Auf der Arbeit angekommen entschied der Kläger nach einer Besprechung mit einem Kollegen, dem später als Zeugen vernommenen Herrn Z, dass dieser ihn wegen einer möglichen Augenverletzung ins nächste Krankenhaus fahren sollte. Herr Z fuhr zunächst noch andere Kollegen zu ihren Arbeitseinsätzen, kehrte dann zurück und fuhr sodann mit dem Kläger in einem Kehrrichtsammelfahrzeug, einem 4,6-Tonner-Pritschenwagen, bei welchem man zum Einsteigen auf ein Trittbrett und dann weiter hoch ins Führerhaus steigen muss, zunächst in das H-Krankenhaus , von wo aus man den Kläger, da hier ein Augenarzt nicht zur Verfügung stand, an das V-Klinikum verwies. Auf dem Weg dorthin trafen der Kläger und sein Kollege den Wochenendaufsichtsdienst, den Zeugen Herrn W, weshalb sie anhielten, um mit diesem zu sprechen und die Fahrt ins Krankenhaus zu erklären. Sowohl der Kläger als auch Herr Z stiegen hierfür aus dem Wagen aus. Während Herr Z und Herr W noch miteinander sprachen, ging der Kläger um das Fahrzeug herum, um auf der Beifahrerseite wieder einzusteigen. Hierbei stürzte er, u. a. auf den Kopf. Zeugen des Sturzes gab es nicht. Als Unfallzeitpunkt ist im Durchgangsarztbericht 06.09 Uhr notiert.
Der Kläger wurde mit dem Rettungstransportwagen in die C, V Klinikum, eingeliefert und dort in die Station für Neurochirurgie aufgenommen. Im Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. H vom 13. April 2002 ist zum Hergang des Unfalls vermerkt, dass der Kläger infolge des Sturzes stark aus Mund/Nase oder Ohr geblutet habe, "lt. Lebensgefährtin am Vorabend "ein paar Bier und Korn" getrunken". Zum Befund ist ausgeführt: "ggf. Restalkohol vom Vorabend". Die Ursache des Sturzes sei unklar. Diagnostiziert wurden eine Schädelfraktur, Schädelbasisfraktur und eine akute subdurale Blutung. Als vom Unfall unabhängige krankhafte Veränderungen sind aufgeführt "bekanntes unabgeklärtes Krampfleiden, wiederholter Alkoholmissbrauch, Diabetes". In einem weiteren Durchgangsarztbericht vom 17. April 2002 ist der Vermerk zum möglichen Alkoholeinfluss dahin korrigiert worden, dass ein solcher nicht angenommen worden sei, eine Blutentnahme sei nicht veranlasst worden, lt. aufnehmendem Arzt habe sich kein Alkoholfötor gefunden. Der Kläger wurde bis zum 29. April 2002 in der Charité aufgrund der Diagnosen Schädel-Hirn-Trauma mit rechts frontaler Kontusion und schmalem akut subduralem Hämatom rechts, Schädel-Basis-Fraktur im Bereich des Felsenbeins links und hirnorganisches Psychosyndrom stationär weiterbehandelt (Entlassungsbericht vom 26. April 2002). Im Anschluss daran erfolgte bis 03. Juni 2002 eine Frührehabilitation in der M Klinik G. Sowohl im Antrag der C auf Kostenübernahme für eine Früh-Rehabilitation vom 25. April 2002 als auch im Entlassungsbericht der MEDIAN Klinik G vom 19. September 2004 ist ausgeführt, dass der Kläger während der stationären Behandlung ein hirnorganisches Psychosyndrom entwickelt bzw. gezeigt habe, welches während der Frührehabilitation im Vordergrund gestanden habe. Im Entlassungsbericht der M Klinik G vom 24. Oktober 2002 sind zu allgemeinen Risikofaktoren ferner unter anderem angegeben ein länger andauernder Alkoholkonsum, hochprozentige Alkoholika, letztmalig sei vor 7 bis 8 Wochen Alkohol konsumiert worden. Ein letztmaliges EEG vom 10. Mai 2002 habe keinen Hinweis auf ein Anfallsgeschehen gezeigt.
Die Beklagte forderte ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers, der BKK Berlin an, in dem sich u. a. für die Zeit vom 13. November 2000 bis 14. August 2001 eine Arbeitsunfähigkeit u. a. wegen einer Glykoproteinstoffwechselstörung ergibt. Vorerkrankungen im Sinne eines Anfallsleidens oder einer Diabeteserkrankung sind dem Vorerkrankungsverzeichnis nicht zu entnehmen.
Die Beklagte befragte ferner den Kläger sowie dessen Kollegen Herrn W zum Unfallhergang, letzterer gab mit Schreiben vom 06. Mai 2002 an, nicht beurteilen zu können, warum der Kläger umgefallen sei. Er habe bereits im Auto gesessen, um seine Kontrollfahrt fortzusetzen, als er einen Schlag gehört habe. Er sei deshalb wieder aus seinem Pkw ausgestiegen und um den Lkw herumgegangen, wo er den Kläger zwischen Fahrbahn und Gehweg auf dem Boden liegend gesehen habe. Die Beklagte ließ ferner Herrn Z sowie erneut Herrn W durch deren Arbeitgeber, die B, zum Unfallhergang befragen, die mit Schreiben vom 26. August 2002 als Ergebnis den bereits beschriebenen Ablauf nochmals wiedergab. Herr Z und Herr W hätten übereinstimmend angegeben, weder den Eindruck gehabt zu haben, dass der Kläger unter Alkoholeinfluss gestanden habe, noch hätten sie eine Alkholfahne bemerkt. Auf Rückfrage der Beklagten zu den Angaben im Durchgangsbericht des Erstbehandlers zum Alkholkonsum und zu früheren Krampfanfällen führte für die C Frau Dr. T mit Schreiben vom 18. Oktober 2002 aus, dass nach dem im Rahmen der Erstbehandlung geführten Aufnahmegespräch Angaben der Lebensgefährtin des Klägers dahin festgehalten worden seien, dass er wiederholt Krampfanfälle an den Händen gehabt habe und dass vor einem Jahr ein Verdacht auf Diabetes geäußert worden sei. Weitere Angaben seien nicht möglich.
Mit Bescheid vom 25. November 2002 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung, insbesondere einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlass des Ereignisses vom 13. April 2002 ab. Denn ein Arbeitsunfall sei nicht erwiesen, man gehe davon aus, dass der Kläger aus innerer Ursache gestürzt sei. Vermutungen reichten für die Anerkennung des Unfallversicherungsschutzes nicht aus. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er ein Attest seines behandelnden Facharztes für Innere und Rettungsmedizin, Hausärztliche Versorgung Dr. M vom 05. Dezember 2002 beibrachte, der ausführte, dass der von ihm seit mehreren Jahren behandelte Kläger weder an einem Krampfleiden leide noch Diabetiker sei. Weiter führte der Kläger aus, sich an das Unfallgeschehen nicht erinnern zu können, weil er das Bewusstsein verloren gehabt habe. Die Lebensgefährtin des Klägers, Frau JS, teilte auf Nachfrage mit Schreiben vom 28. Mai 2003 mit, dass beim Kläger am Tag vor dem Unfall keine sichtbaren/erkennbaren Verletzungen oder Gesundheitsschäden im Bereich der Augen vorgelegen hätten. Für die C wurde mit Schreiben des Prof. Dr. H vom 04. Juni 2003 ausgeführt, dass aus den dortigen Unterlagen keine Verletzungen ersichtlich seien, die auf eine Kollision mit einem Ast im Bereich der Augen zurückgeführt werden könnten. Der bereits genannte Kollege des Klägers Herr Z teilte mit am 06. Juni 2003 eingegangenem Schreiben mit, am Unfalltag erkannt zu haben, dass das Weiße der Augen des Klägers stark gerötet gewesen sei, der Kläger habe auch über Schmerzen geklagt. Die Fahrt zum Arzt nach diesem ersten Unfall sei von ihm initiiert worden, da eine Verletzung am Auge ernst zu nehmen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 03. Juli 2003 gab die Beklagte dem Widerspruch des Klägers insoweit teilweise statt, als sie den ersten Unfall vom 13. April 2002, eingetreten um ca. 4.15 Uhr, als Arbeitsunfall mit der Unfallfolge einer folgenlos ausgeheilten Gesichtsprellung anerkannte. Im Übrigen wies sie den Widerspruch als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Zahlung einer Rente aus Anlass des anerkannten Arbeitsunfalls bestehe nicht. Auch ein Anspruch auf Leistungen aus Anlass des zweiten Ereignisses bestehe trotz der Folgen dieses Ereignisses nicht. Der Kläger habe zwar gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 und § 8 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) während des Zurücklegens des Weges zur C unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden. Es sei jedoch nicht erwiesen, wie sich der zweite, hierbei erlittene Unfall ereignet gehabt habe. Damit sei nicht erwiesen, dass der Kläger überhaupt einen entschädigungspflichtigen (zweiten) Arbeitsunfall erlitten habe. Die Folgen dieses Nicht-Festgestellt-Seins habe der Kläger zu tragen.
Im Klageverfahren hat das Gericht erneut das Vorerkrankungsverzeichnis der C B sowie eine Aufstellung sämtlicher behandelnden Ärzte und Behandlungsdiagnosen beigezogen. Das Gericht hat sodann Befundberichte der Behandler angefordert, die am 07. Mai 2004 durch den Praktischen Arzt Dr. G, am 10. Mai 2004 durch den Internisten Dr. M, am 21. Mai 2004 durch die Ärztin für Innere Medizin Dr. H-, am 28. Mai 2004 durch den Urologen H, am 10. Juni 2004 durch den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S und am 17. September 2004 durch den Arzt für Chirurgie Dipl.-Med. J erstellt wurden. Sämtliche Ärzte beantworteten die Frage, ob ihnen Erkenntnisse über ein Krampfleiden oder einen erhöhten Alkoholkonsum des Klägers vorlägen, dahin, dass dies nicht der Fall sei.
Das Gericht hat im Termin vom 16. Dezember 2005 die Kollegen des Klägers H Z und M W als Zeugen gehört, insoweit wird auf die Niederschrift zur Sitzung Bezug genommen. Der Zeuge W gab an, bei dem Halt auch selbst mit dem Kläger gesprochen zu haben, dieser habe nicht den Eindruck gemacht, dass er neben sich gestanden habe oder dass ihm irgendwie schlecht sei oder dergleichen.
Nach Hinweis des Gerichts, dass konkurrierende Ursachen zur versicherten Tätigkeit dem Vollbeweis unterlägen, ermittelte die Beklagte weiter medizinisch. Beigezogen wurde der Einsatzbogen der Berliner Feuerwehr vom Unfalltag.
Das Gericht hat sodann ein Gutachten des Arztes für Psychiatrie Dr. B, V Klinikum am U, vom 02. Oktober 2006 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein hirnorganisches Psychosyndrom leichter Ausprägung (F.06.9 der Internationalen Klassifikation von Krankheiten, 10. Revision – ICD-10) infolge eines Schädel-Hirn-Traumas am 13. April 2002 bestehe. Nicht mehr eindeutig zu sichern sei eine beinbetonte halbseitige Restsymptomatik, die bereits in der Frührehabilitation bis zum 03. Juni 2002 als gut rückläufig beschrieben worden sei. Die Gesundheitsstörung sei im Sinne der erstmaligen Entstehung ursächlich auf den zweiten Unfall vom 13. April 2002 gegen 06.00 Uhr zurückzuführen. Bei diesem zweiten Unfall sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem einmaligen hirnorganischen Krampfanfall auszugehen, begünstigt durch Schlafmangel und vorabendlichen Alkoholgenuss. Die unfallbegründete MdE sei mit 10 v. H. am unteren Rand des Bemessungsspielraumes anzusiedeln, da das Psychosyndrom nach psychopathologischen Kriterien gering und nur sehr wenig alltagsbeeinträchtigend ausgeprägt sei, zudem sei der vegetative Befund ausgeglichen. Der Kläger arbeite aktuell wieder vollschichtig, die Wiedereingliederung sei nach dem Hamburger Modell erfolgt. Schwerer und nicht so eindeutig zu bewerten sei die Frage der Einflussgröße eines Alkoholmissbrauchs, der als konkurrierende Teilursache in Betracht komme. Es sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem isolierten – durch Alkoholgenuss am Vorabend in Verbindung mit Schlafentzug erheblich begünstigten – hirnorganischen Anfall am frühen Morgen des 13. April 2002 auszugehen. Der beschriebene Unfallhergang – die Kollegen hätten einen "enormen Klatsch" gehört - sei ganz ungewöhnlich für ein Kreislaufversagen (Synkope), welcher Ursache auch immer. Denn bei einer Synkope würden zumeist nicht die Schutzreflexe versagen, die – bezeugt durch die Schwere der Verletzung – hier gänzlich ausgeblieben sein müssten. Die überwiegende Wahrscheinlichkeit spreche daher für einen hirnorganischen Anfall als Ursache des Schädelhirntraumas, der seinerseits durch Alkoholgenuss vom Vorabend und ein Schlafdefizit mehr als gebahnt worden sei. Auf den ersten Unfall gegen 04.15 Uhr desselben Tages seien keine Gesundheitsstörungen zurückzuführen.
Mit Urteil vom 23. Februar 2007 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Zwar dürften in die erforderliche wertende Beurteilung, welche Ursache wesentlich für den Geschehensablauf gewesen sei, nur solche Ursachen eingestellt werden, die bewiesen seien, während nicht feststehende mögliche Bedingungen von vornherein außer Betracht zu bleiben hätten. In Anwendung dieser Rechtsgrundsätze stehe allerdings aufgrund des Gutachtens des Dr. B fest, dass ein durch Schlafmangel und Alkoholkonsum begünstigter einmaliger hirnorganischer Krampfanfall die Ursache des Sturzes am 13. April 2002 gegen 06.09 Uhr gewesen sei. Damit stehe auch fest, dass die Verletzungen, die der Kläger sich bei diesem Sturz zugezogen habe (Schädelfraktur und Hirnblutung) ihre wesentliche Teilursache nicht in der versicherten Tätigkeit, sondern in der inneren Ursache des hirnorganischen Krampfanfalls hätten. Dr. B habe überzeugend ausgeführt, dass ein im Fallen betreffender Alkoholspiegel im Zusammenhang mit Schlafmangel zu einer erheblichen Absenkung der Schwelle für hirnorganische Krampfanfälle führe. Er habe dann überzeugend herausgearbeitet, dass sicher feststehe, dass der Kläger am Vorabend noch mit einem Bekannten Alkohol in Form von Bier und Korn getrunken habe. Diese Angaben könnten ohne weiteres als richtig unterstellt werden, da sie direkt nach dem Unfall gemacht worden seien. Nicht zuletzt spreche auch der Ablauf des Sturzes hierfür. Dr. B habe ausgeführt, dass ein solcher Ablauf für einen hirnorganischen Krampfanfall, bei dem die Schutzfunktionen sofort aussetzten, geradezu typisch sei. Im Übrigen komme die Gewährung einer Verletztenrente ohnehin nicht in Betracht, da nach den Feststellungen des Dr. B die motorischen Defizite nicht sehr ausgeprägt und im Übrigen beobachtungsabhängig seien, was nichts anderes bedeute, als dass diese bei Beobachtung stärker demonstriert würden als sie tatsächlich vorhanden seien. Der Kläger könne auch nicht mit Erfolg als Gesundheitsstörung geltend machen, dass er kein erhebliches Übergewicht mehr mit sich herumtrage; die nach dem Unfall eingetretene Reduktion des Gewichts von 112 kg vor dem Unfall auf 78 kg nach dem Unfall entspreche nur dem gesunden Normalgewicht und sei keineswegs zu beklagen.
Gegen dieses ihm am 19. März 2007 zugegangene Urteil richtet sich die am 19. April 2007 eingegangene Berufung des Klägers. Der Kläger trägt vor, dass die alternative Ursache nicht im Wege des notwendigen Vollbeweises erwiesen sei. Es habe der Beklagten oblegen, diesen Vollbeweis zu führen, dies sei ihr nicht gelungen. Dr. B sei zu dem von ihm gefundenen Ergebnis letztlich aufgrund von Vermutungen gelangt. Von einem Schlafmangel sei an keiner Stelle in der Akte die Rede. Allein aufgrund des Umstandes, dass er wohl um 3.30 Uhr aufgestanden sei, könne nicht auf ein Schlafdefizit geschlossen werden. Wenn gutachterlich von einem sinkenden Alkoholspiegel ausgegangen werde, so setze dies jedenfalls voraus, dass er am Vorabend soviel Alkohol getrunken habe, dass dieser zum Zeitpunkt des Unfalls noch nicht vollständig abgebaut gewesen sei. Auch dies sei nicht feststellbar. Vielmehr hätten die ihn begleitenden Kollegen in ihrer Befragung mitgeteilt, dass ihnen diesbezüglich nichts Ungewöhnliches aufgefallen sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils vom 23. Februar 2007 und unter Abänderung ihres Bescheides vom 25. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03. Juli 2003 zu verurteilen, das zweite Unfallereignis vom 13. April 2002 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, dass die Anerkennung als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall nach wie vor versagt bleiben müsse. In der Medizin bestehe Konsens, dass hirnorganische Anfälle sowohl mehrfach als auch einmalig im Leben auftreten könnten, wobei myoklonische Anfälle lediglich zu einer plötzlichen starken Muskelzuckung führten. Der Nachweis eines Unfallgeschehens im Vollbeweis habe vorliegend daher nicht gelingen können.
Das Gericht hat zunächst Erörterungstermine vom 19. September 2007 und vom 07. Februar 2008 durchgeführt und hier die Lebensgefährtin des Klägers, Frau J S, als Zeugin gehört, insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Das Gericht hat sodann eine Rückäußerung des Dr. B vom 30. Mai 2008 eingeholt, der ausführte, dass die Umstände des Unfalls und die Art der daraus resultierenden Verletzungen keinen vernünftigen Zweifel daran aufkommen ließen, dass es sich um einen hirnorganischen Anfall gehandelt habe. Der Annahme eines Schlafdefizits bedürfe es streng genommen hierfür nicht. Im Übrigen sei neben der Quantität auch die Qualität des Schlafes von entscheidender Bedeutung, diese sei nach Alkoholgenuss deutlich herabgesetzt. Der Befund eines die Krampfschwelle senkenden Schlafentzuges sei daher nicht an eine exakt zu definierende Schlafdauer zu binden. Auch die Höhe des Alkoholspiegels sei für diese Wirkung nicht streng dosisabhängig.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht sodann ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. T, Ärztliche Partnergesellschaft I& K, vom 29. Mai 2009 eingeholt. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass beim Kläger ein leichtes organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma (ICD-10: F 07.2) und anamnestisch bis 2002 ein Alkoholabusus (ICD-10: F 10.1) bestünde. Das leichte organische Psychosyndrom sei auf das Unfallereignis vom 13. April 2002 kurz nach 06.00 Uhr morgens zurückzuführen. Das Unfallereignis sei höchstwahrscheinlich die alleinige Ursache der genannten Gesundheitsstörung. Zwar sei im Vorfeld des jetzigen Gutachtens der frühere langjährige Alkoholkonsum als mögliche Teilursache diskutiert worden. Weder die anamnestische Exploration noch die vorliegenden Aktenunterlagen sprächen allerdings dafür, dass dieser Vermutung eine höhere Bedeutung zukommen sollte. Von den Befundberichten der behandelnden Ärzte werde insofern abgewichen, als zumindest bis zum Jahre 2002 ein – auch vom Kläger selbst zugegebener, wenngleich bagatellisierter – Alkoholkonsum in missbräuchlichem Umfang vorgelegen habe. Von dem Gutachten des Dr. B werde hinsichtlich seiner fachärztlichen Herleitung des zweiten Unfallereignisses abgewichen. Weder eigenanamnestisch noch anhand der Aktenunterlagen ergäben sich fundierte Hinweise dafür, dass jemals sonst ein epileptischer Anfall im Rahmen eines sinkenden Alkoholspiegels aufgetreten wäre. Schon dies mache einen Gelegenheitsanfall bei ansonsten unveränderten Lebensgewohnheiten des Klägers (Schlafrhythmus, Ernährungsverhalten usw.) nicht sehr wahrscheinlich. Der Kläger habe zum Abend vor dem Unfallereignis angegeben, dass dieser Abend "fast normal verlaufen" sei. Ein Freund sei vorbeigekommen und habe Farbe vorbeigebracht. Er selbst habe im Zeitraum von 20.00 bis 21.30 Uhr zwei kleine Gläser Korn und ein kleines Bier getrunken. Der Freund habe sich gegen 22.00 Uhr verabschiedet. Er selbst sei dann auch zu Bett gegangen und kurz nach 03.00 Uhr früh aufgestanden. Das sei so seine Zeit. Nach dem Aufstehen habe er sich fertiggemacht, zwei Pötte Kaffee zubereitet und eine Zigarette auf dem Balkon geraucht und den Kaffee dort getrunken, dann sei er in den Keller gegangen und habe das Rad herausgeholt. Seit der Wartezeit im H-Klinikum habe er einen gewissen Brechreiz verspürt, das Auge habe weiterhin gebrannt. Er habe ein Gefühl, "wie einen Klumpen" im Magen verspürt. Nach der kurzen Besprechung mit der Betriebsaufsicht sei ein Brechreiz bei ihm "so richtig hochgekommen". Er habe gesagt, dass er sich entschuldigen lasse. Er sei dann noch zwischen die beiden Fahrzeuge gelaufen, um auf die Beifahrerseite zu gelangen, habe die Bordsteinkante gesehen und mehr wisse er nicht. Aufgrund dieser Angaben des Klägers ließen eine gewisse Appetitlosigkeit und die fehlende Nahrungsaufnahme am Abend vor dem Unfallereignis und der seitens des Klägers geäußerte Brechreiz am Morgen des Unfallereignisses auch andere Vermutungen zum Unfallhergang zu. Durchaus möglich wäre es z. B., dass der Kläger im Rahmen einer Kombination aus Müdigkeit, Unterzuckerung und niedrigem Blutdruck eine körperliche Schwäche erlebt habe und deshalb gestürzt sei. Für das Unfallereignis selbst gebe es keine Zeugen. Nachdem die Kollegen des Klägers offenbar das Fallen auf den Bürgersteig gehört hatten, seien sie zugleich zu ihm gelaufen. Im Falle eines epileptischen Anfalls dauere die spastische Phase (spastische Verkrampfung der gesamten Muskulatur) oftmals sogar Minuten, dies wäre den Kollegen sicherlich aufgefallen und entsprechend erwähnt worden. Der Hergang des zweiten Unfallereignisses bleibe daher nach allem offen. Für keine der diskutierten möglichen Gründe gebe es jeweils eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Die unfallbedingte MdE sei fortlaufend mit 10 v. H. zu bemessen.
Das Gericht hat am 21. Oktober 2009 noch einen weiteren Erörterungstermin durchgeführt, insoweit wird auf die Niederschrift vom selben Tage Bezug genommen. Auf Rückfrage durch das Gericht hat Dr. T sodann mit Stellungnahme vom 02. Februar 2010 darauf hingewiesen, bereits in seinem Gutachten ausgeführt zu haben, dass aus gutachterlicher Sicht nicht völlig ausgeschlossen werden könne, dass die mit der Augenverletzung verknüpften Beschwerden des Klägers seine am Morgen des Unfallereignisses erlebte Gesamtbefindlichkeit zusätzlich nachhaltig beeinträchtigt hätten. Allerdings spreche der Umstand, dass er dabei nicht vom Rad gestürzt, bis auf weiteres bei Bewusstsein gewesen sei und keine relevanten kognitiven Ausfälle gezeigt habe, eindeutig gegen die Annahme, dass die später seitens der C festgestellten schweren kranialen Blutungen Folge des ersten Unfalls gewesen sein könnten. Dafür, dass die Blutungen gänzlich unabhängig von beiden Unfällen vorbestanden haben könnten, spreche nichts.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten, die vorlag und Gegenstand der Beratung und Entscheidung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und in dem Umfang, in dem über sie zu entscheiden war, auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 25. November 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 03. Juli 2003 ist, soweit er den hier streitgegenständlichen zweiten Unfall vom 13. April 2002 betrifft, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, er war daher ebenso wie das erstinstanzliche klageabweisende Urteil abzuändern. Der Kläger hat Anspruch auf die Anerkennung des am 13. April 2002 gegen 06.09 Uhr erlittenen zweiten Ereignisses als Arbeitsunfall. Entsprechend dem in der Berufungsschrift vom 19. April 2007 gestellten Antrag ging es im Berufungsverfahren lediglich noch um die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall, während ein Antrag auf die Gewährung von Leistungen wegen des Unfalls – da bei Einlegung der Berufung ein Stützrententatbestand noch nicht in Betracht kam - nicht gestellt wurde und daher nicht mehr streitgegenständlich ist.
Rechtsgrundlage für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist § 8 SGB VII. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, Az.: B 2 U 23/05 R, und Urteil vom 17. Februar 2009, Az.: B 2 U 18/07 R, zitiert jeweils nach juris.de, m.w.N.). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, der Arbeitsunfall und die Gesundheitserstschädigung im Sinne des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit - nicht allerdings die bloße Möglichkeit - ausreicht (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urteil vom 02. Mai 2001, Az.: B 2 U 16/00, zitiert nach juris.de). Diese Voraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls sind vorliegend gegeben.
Zunächst einmal stand der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalles auch Gesundheitsschäden infolge der Durchführung einer Heilbehandlung einschließlich der dazu notwendigen Wege. Die Heilbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auch die Erstversorgung. Der Kläger befand sich auf einem derartigen Weg zur Heilbehandlung aufgrund des Umstandes, dass ihm auf dem Weg zur Arbeit ein Ast ins Auge geflogen war und hier mögliche Verletzungen abzuklären waren. Diesen ersten Unfall vom 13. April 2002 hat die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 03. Juli 2003 als Arbeitsunfall anerkannt. Dass der Kläger auf dem Weg zur entsprechenden Erstversorgung war steht fest aufgrund der Aussage des Zeugen Z vor dem Sozialgericht Berlin vom 16. Dezember 2005. Nicht erheblich war insoweit, dass hier ein Gesundheitserstschaden letztlich bei den späteren Behandlungen im Bereich der Augen nicht festgestellt worden ist, denn jedenfalls sollte ein solcher abgeklärt werden, was ausreichend ist.
Ein Unfallereignis im Sinne eines zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses lag ebenfalls vor. Ein solches von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis liegt nicht nur bei einem besonders ungewöhnlichen Geschehen, sondern auch bei einem alltäglichen Vorgang, wie dem Stolpern über die eigenen Füße oder dem Aufschlagen auf den Boden vor, weil hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (BSG, Urteil vom 17. Februar 2009, a. a. O.) Das Aufschlagen des Körpers des Klägers auf den Boden war insoweit also ausreichend.
Zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis bestand auch der notwendige Zusammenhang im Sinne der so genannten Unfallkausalität. Für diesen Zusammenhang gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung, nach der auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie aufbauend in einem zweiten wertenden Schritt als rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Typische Fallgestaltungen, in denen die Unfallkausalität näherer Erörterung bedarf, sind u. a. die Fälle einer möglichen inneren Ursache. Die Unfallkausalität zwischen der Verrichtung zur Zeit des Unfalls und dem Unfallereignis wird dabei vermutet, weil oft kein Grund zu erkennen ist, warum sich der Unfall gerade jetzt und so zugetragen hat, z. B. bei einem versicherten Weg und dem bekannten "Stolpern über die eigenen Füße". Deshalb ist nach ständiger Rechtsprechung die für die Annahme eines Arbeitsunfalls erforderliche Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis stets gegeben, wenn außer dem kausalen Anknüpfungspunkt der versicherten Tätigkeit keine anderen Tatsachen festgestellt sind, die als konkurrierende Ursachen wirksam geworden sein könnten. Kann eine in Betracht zu ziehende Konkurrenzursache in ihrer Grundvoraussetzung nicht festgestellt werden, scheidet sie bereits im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Ursache aus (BSG, Urteil vom 30. Januar 2007, a. a. O.). Deshalb muss, wenn bei Ausübung einer Verrichtung, die im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht, ein Unfallereignis eintritt, vom Vorliegen der Unfallkausalität ausgegangen werden, es sei denn, es ist eine konkurrierende Ursache, wie z. B. eine innere Ursache feststellbar. Erst wenn das Vorliegen einer solchen konkurrierenden Ursache neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung für das Unfallereignis festgestellt wurde, ist in einem zweiten Prüfungsschritt wertend zu entscheiden, ob die versicherte Ursache wesentlich nach der Theorie der wesentlichen Bedingung ist (BSG, a.a.O.).
Eine derartige konkurrierende innere Ursache konnte vorliegend jedoch nicht festgestellt werden. Aufgrund der Ausführungen des erstinstanzlich gehörten Gutachters Dr. B, dessen Gutachten vom 02. Oktober 2006 das Sozialgericht gefolgt ist, kam als innere Ursache hier ein einmaliger hirnorganischer Anfall in Betracht. Dr. B äußerte sich zwar in seiner im Berufungsverfahren abgegebenen Stellungnahme vom 30. Mai 2008 dahin, dass die Umstände des Unfallgeschehens und die Art der daraus resultierenden Verletzungen "keinen vernünftigen Zweifel" daran aufkommen ließen, dass es sich um einen hirnorganischen Anfall gehandelt habe. Damit hat sich bei rechtlicher Bewertung der Sachverständige dahin festgelegt, dass nach seiner Auffassung das Vorliegen eines hirnorganischen Anfalls voll erwiesen sei. Dem konnte jedoch nicht gefolgt werden. Zu Recht weist der auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörte Dr. T in seinem Gutachten vom 29. Mai 2009 darauf hin, dass die Annahme eines einmaligen hirnorganischen Anfalls nicht mehr als eine Vermutung ist. Dieser gutachterlichen Einschätzung schließt sich das erkennende Gericht an. Abgesehen davon, dass eine Vermutung für die Feststellung einer konkurrierenden Ursache ohnehin nicht ausreicht, nennt Dr. T verschiedene Gründe, nach denen der von Dr. B angenommene Hergang nicht einmal besonders wahrscheinlich ist. Es war nicht feststellbar, dass der Kläger zu irgendeinem anderen Zeitpunkt vor oder nach dem hier streitgegenständlichen Unfall jemals einen epileptischen Anfall erlitten hat. Sowohl die Beklagte als auch erstinstanzlich das Gericht hatten diesbezüglich umfangreiche Ermittlungen angestellt durch Beiziehung des Vorerkrankungsverzeichnisses und Befragung der behandelnden Ärzte, ohne hier Anhaltspunkte gefunden zu haben. EEG-Testungen blieben ohne Erfolg, wie im Entlassungsbericht der M Klinik G vom 24. Oktober 2002 ausgeführt ist. Die Angabe im Durchgangsarztbericht des Erstbehandlers zu einem ungeklärten Krampfleiden erklärte sich dadurch, dass der Kläger zwischenzeitlich an einem Karpaltunnelsyndrom der Hände gelitten und Krämpfe in den Händen beschrieben hatte.
Weiter begründete Dr. B seine Annahme mit einem sinkenden Alkoholpegel, dieser habe in Verbindung mit einem Schlafdefizit die Schwelle für einen Anfall gesenkt. Für diese Argumentation fehlt es allerdings an der Feststellbarkeit der vom Gutachter zugrunde gelegten Fakten. Denn nicht aufklärbar war letztlich, ob beim Kläger im Zeitpunkt des streitigen Unfallgeschehens überhaupt noch ein Alkoholspiegel vorhanden gewesen war. Eine Blutentnahme, die hier als Nachweis gedient hätte, ist nicht durchgeführt worden. Aus den vagen Angaben der Lebensgefährtin des Klägers gegenüber dem aufnehmenden Krankenhaus, dass dieser am Abend zuvor "ein paar Bier und Korn" getrunken habe, lässt sich ein Alkoholspiegel im Vollbeweis nicht feststellen, auch wenn diese Angabe entgegen den späteren Bagatellisierungen zutreffend gewesen sein dürfte. Aufgrund des Umstandes, dass weitere Ermittlungen diesbezüglich nicht möglich waren, auch weil eine ladungsfähige Anschrift des hier in Betracht kommenden Zeugen, mit welchem der Kläger am Tag vor dem Unfall gemeinsam den Abend verbracht hatte, nicht beigebracht wurde, kann nicht zu Ungunsten des Klägers ein bestimmter Alkoholspiegel unterstellt werden. Für eine derartige Beweislastumkehr gibt es keine Grundlage. Dr. T weist daher zu Recht darauf hin, dass all dies einen Gelegenheitsanfall "bei ansonsten unveränderten Lebensgewohnheiten des Klägers (Schlafrhythmus, Ernährungsverhalten etc.)" nicht sehr wahrscheinlich mache. Dieser Bezug zum sonstigen Lebensverhalten des Klägers überzeugt, wurde aber von Dr. B nicht gewürdigt. Dr. T führt dann aus, dass eine gewisse Appetitlosigkeit und die fehlende Nahrungsaufnahme am Abend vor dem Unfallereignis und der seitens des Klägers geäußerte Brechreiz am Morgen des Unfallereignisses auch andere Vermutungen zum Unfallhergang zuließen. So sei es durchaus möglich, dass der Kläger im Rahmen einer Kombination aus Müdigkeit, Unterzuckerung und niedrigem Blutdruck eine körperliche Schwäche erlebt habe und deshalb gestürzt sei. Dies erscheint in jeder Hinsicht nachvollziehbar und nach allgemeiner Lebenserfahrung auch wahrscheinlicher als ein einmaliger hirnorganischer Anfall. Insgesamt schließt sich das Gericht daher der Bewertung des Dr. T an. Das Gutachten des Dr. T ist insgesamt sorgfältig erstellt und überzeugend begründet. Der Gutachter ist auch keineswegs den Angaben des Klägers gegenüber unkritisch gewesen. Insbesondere erkannte und berücksichtigte er den vom Kläger deutlich bagatellisierten Alkoholkonsum im Sinne eines Alkoholmissbrauchs. Letztlich kommt Dr. T jedoch nach Abwägung aller in den Akten und aufgrund der Anamnese zu eruierenden Fakten zu dem Ergebnis, dass aus gutachterlicher Sicht der Hergang des zweiten Unfallereignisses offen bleiben muss und dass es für keinen der diskutierten möglichen Gründe eine jeweils überwiegende Wahrscheinlichkeit gibt. Dem schließt sich das Gericht an. Damit ist eine konkurrierende Ursache, die neben der versicherten Ursache als naturwissenschaftliche Bedingung in Betracht käme, nicht im Vollbeweis festgestellt. Denn es reicht aus den dargelegten rechtlichen Gründen gerade nicht aus, dass höchstwahrscheinlich irgendeine körpereigene Ursache vorgelegen hat. Diese muss vielmehr positiv festgestellt werden, was vorliegend nicht möglich ist.
Da eine konkurrierende Ursache nicht festgestellt werden konnte, scheidet sie bereits im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne als Ursache aus, so dass weitere Erwägungen zur Ursächlichkeit im Sinne der Wesentlichkeitstheorie nicht erforderlich waren.
Nach alledem war der Berufung daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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