L 9 KR 203/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 2140/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 203/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2006 sowie der Bescheid der Beklagten vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 und des Bescheides vom 27. November 2009 aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diesen selbst zur Last fallen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 4) in der Zeit vom 20. August 2001 bis 31. März 2002.

Der 1972 geborene Beigeladene zu 4) war nach Ausscheiden aus dem Referendariat am 22. März 2001 seit dem 15. Juli 2001 Mitglied des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande H. Über das Versorgungswerk beantragte er bei der Beklagten im August 2001 die Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Dazu gab er an, seit April 2001 selbständig und pflichtversichert in der gesetzlichen Rentenversicherung zu sein.

Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B teilte der Beklagten im Februar 2002 mit, dass der Beigeladene zu 4) nach seinen eigenen Angaben seit dem 15. September 2001 als selbständiger Rechtsanwalt tätig sei. Im März 2002 übersandte der Beigeladene zu 4) der Beklagten einen von ihm ausgefüllten Fragebogen, in dem er angab, einer selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt nachzugehen. Er habe eine Arbeitszeit von 35 Stunden wöchentlich einzuhalten und ihm würden Weisungen erteilt. Er erhalte eine Umsatzbeteiligung von 10 % bzw. 50 % für die von ihm bearbeiteten bzw. selbst akquirierten Mandate.

Die Beklagte schaltete ihre Clearingstelle ein. Auf deren Anfrage stellte der Beigeladene zu 4) einen Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status im Sinne der Feststellung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses. Er gab an, seit dem 20. August 2001 als Rechtsanwalt in der Kanzlei des Klägers gearbeitet zu haben. ¼ des Gehaltes seien ihm direkt von einem Mandanten seines Chefs überwiesen worden, 10% des erwirtschafteten Umsatzes habe er zusätzlich zu seinem Festgehalt bekommen. Später ergänzte er, dass zunächst eine monatliche Vergütung von 4.000,- DM vereinbart gewesen sei. Dann habe ihm der Kläger gesagt, dass er davon 1.000,- DM von der Firma D F erhalten solle. Er habe aber – nach Ablauf des ersten Monats - nur Sachen für den Kläger bearbeitet, nicht für die Firma D F, welche der Kläger selbst betreut habe.

Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte durch Bescheid vom 21. November 2003 fest, dass der Beigeladene zu 4) seine Tätigkeit als Rechtsanwalt seit dem 20. August 2001 im Rahmen eines dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Er sei in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers eingebunden. Diese Feststellung beruhe auf den Angaben der Beteiligten im Verfahren.

Mit seinem Widerspruch vom 15. Dezember 2003 schilderte der Kläger, dass der Beigeladene zu 4) freiberuflich für ihn und zwei weitere Auftraggeber, den Rechtsanwalt Reich und die – mittlerweile in Liquidation befindliche - D F GmbH, tätig geworden sei. Er habe mit dem Beigeladenen zu 4) ein Honorar von 1.500,- DM, die anderen beiden Auftraggeber von je 750,- DM vereinbart. Auf Bitten von Rechtsanwalt R habe er auch den auf diesen entfallenden Honoraranteil zunächst an den Beigeladenen zu 4) gezahlt, ihn dann aber in Rechnung gestellt. Er und Rechtsanwalt R hätten zudem eine Umsatzbeteiligung von 10% gewährt, jedenfalls für den ersten Monat der Tätigkeit. Ein fester Arbeitsort sei nicht vereinbart gewesen, der Beigeladene zu 4) habe aber in den Räumen der D F GmbH arbeiten dürfen, deren Geschäftsführer Rechtsanwalt R und deren Rechtsvertreter er - der Kläger - gewesen sei. Eine Weisungsbefugnis habe nicht bestanden. Das Auftragsverhältnis habe bereits Ende März 2002 geendigt.

Der Beigeladene zu 4) ließ dazu erklären, dass diese Darstellung nicht den Tatsachen entspreche. Ihm sei ein Arbeitsplatz zugewiesen worden, er habe weisungsgebunden gearbeitet. Zum Beweis würden Kopien aus seiner Personalakte vorgelegt.

Durch Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Feststellung, dass der Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 20. August 2001 bis 30. März 2002 in einem Beschäftigungsverhältnis bei dem Kläger gestanden habe, bleibe bestehen. Der Beigeladene zu 4) habe ausschließlich die eigene Arbeitskraft ohne unternehmerisches Risiko eingesetzt. Es sei eine feste Vergütung von 3.000,- DM vereinbart gewesen. Angesichts der vereinbarten Arbeitszeit von 35 Stunden habe der Beigeladene zu 4) auch nicht für weitere Auftraggeber tätig werden können. Es sei eine Personalakte geführt worden und ein fester Arbeitsplatz eingerichtet und zugewiesen gewesen. Auch habe es eine Verpflichtung zur Teilnahme an täglich stattfindenden Briefings gegeben. Die Merkmale, die für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses sprächen, überwögen.

Dagegen richtet sich die am 23. Juli 2004 bei dem Sozialgericht Berlin eingegangene Klage. Der Kläger hat vortragen lassen, dass der Beigeladene in dem streitigen Zeitraum noch für andere Auftraggeber gearbeitet habe, nämlich für den Rechtsanwalt R und die Firma D F GmbH. Rechtsanwalt R habe mit ihm - dem Kläger - eine Bürogemeinschaft gebildet, die Firma D F GmbH habe davon getrennte Geschäftsräume unterhalten. Der Beigeladene zu 4) habe auch als selbständiger Rechtsanwalt mit eigenem Briefkopf und als Model gearbeitet. Der Kläger hat Unterlagen dazu vorgelegt, dass er Rechtsanwalt R einen für diesen verauslagten Honoraranteil in Rechnung gestellt und der Beigeladene zu 4) Zahlungen der D F GmbH erhalten habe.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. November 2006 abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen und ausgeführt, dass der Kläger selbst einräume, den Beigeladenen zu 4) als freien Mitarbeiter beschäftigt zu haben. Dieser Begriff werde in aller Regel nur verwendet, um Sozialversicherungsbeiträge entgegen dem geltenden Recht zu ersparen. Der Beigeladene zu 5) habe nicht auf eigenes wirtschaftliches Risiko gearbeitet und auch nicht selbst nach der Gebührenordnung abgerechnet.

Gegen das seiner Bevollmächtigten am 29. Januar 2007 zugestellte Urteil richtet sich die am 26. Februar 2007 eingegangene Berufung des Klägers. Zur Begründung hat der Kläger ausführen lassen, dass das Sozialgericht seinen Sachvortrag unberücksichtigt gelassen habe. Nicht nachvollzogen werden könne, dass die Arbeitnehmereigenschaft bereits aus dem Status als freier Mitarbeiter abgeleitet werde. Maßgeblich sei vielmehr das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit, die Eingliederung in einen fremden Produktionsbereich. Auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung komme es nicht an. Besonders wichtig sei auch die Frage einer persönlichen und fachlichen Weisungsgebundenheit. Die arbeitsrechtliche Literatur stelle zudem entscheidend darauf ab, ob die eigene Arbeitskraft unter fremde Planungshoheit gestellt und so die Möglichkeit aufgegeben werde, weitere Erwerbschancen zu nutzen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. November 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 und des Bescheides vom 27. November 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Durch Bescheid vom 27. November 2009 hat sie ergänzend zu ihrem Bescheid vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 festgestellt, dass in der von dem Beigeladenen zu 4) in der Zeit vom 20. August 2001 bis 31. März 2002 ausgeübten Beschäftigung als Rechtsanwalt Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestanden habe.

Die Beigeladenen zu 1), 2) und 3) schließen sich den Ausführungen der Beklagten an.

Der – früher zuständig gewesene – Senat hat sich die Bestätigung einer Steuerberatungsgesellschaft vorlegen lassen, dass zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt R eine Bürogemeinschaft, aber keine Sozietät bestand. Durch seinen Berichterstatter hat er im Erörterungstermin vom 24. April 2009 Rechtsanwalt R als Zeugen vernommen. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 und des Bescheides vom 27. November 2009 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beigeladene zu 4) unterlag aufgrund der von ihm in der Kanzlei des Klägers in der Zeit vom 20. August 2001 bis 31. März 2001 ausgeübten Beschäftigung als Rechtsanwalt nicht der Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken, Pflege- und Arbeitslosenversicherung

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 21. November 2003 in der Gestalt, die er letztmalig durch den Bescheid von 27. November 2009 gefunden hat. Nach den §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist der Bescheid vom 27. November 2009 Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn er hat die ursprünglichen Bescheide (Bescheid vom 21. November 2003, Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004) abgeändert und ersetzt. Der Bescheid vom 21. November 2009 enthält eine weitergehende Regelung als die vorherigen Bescheide, da er die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 4) in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung ausdrücklich formulierte, nachdem die vorherigen Bescheide nur das Bestehen einer "abhängigen Beschäftigung" isoliert festgestellt hatten. Er enthält damit zwar eine Regelung, die von den ursprünglichen Bescheiden abweicht. Durch den Bescheid vom 27. November 2009 hat die Beklagte indessen nur - wie von ihr anlässlich der Übersendung des Bescheides schriftsätzlich ausgeführt - der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urt. vom 11. März 2009 - B 12 R 11/07 R) Rechnung getragen, nach der die isolierte Feststellung einer abhängigen Beschäftigung nicht zulässig ist. Zudem hatte der Beigeladene zu 4) am 29. August 2003 (Eingang bei der Beklagten) ausdrücklich beantragt, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis für ihn festgestellt werde, so dass erst die mit Bescheid vom 27. November 2009 ausgesprochene Feststellung der Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung als vollständige Bescheidung dieses Antrags angesehen werden kann. Mit dieser Entscheidung knüpft die Beklagte an die in den ursprünglichen Bescheiden enthaltene Regelung, es liege ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, an und erweitert sie in Hinblick auf die daraus zu ziehenden Rechtsfolgen, indem der Eintritt von Versicherungspflicht festgestellt wird. Das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung ist nach den §§ 25 Abs.1 Nr. 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI wesentliches Element für das Eintreten von Versicherungspflicht. Der Bescheid vom 27. November 2009 knüpft damit an den Regelungsgehalt der ursprünglichen Bescheide an und behandelt keinen vollständig anderen Regelungsgegenstand. § 96 Abs. 1 SGG findet demnach Anwendung, wenn durch einen Bescheid Versicherungspflicht festgestellt wird und über einen vorherigen Bescheid, der im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV für denselben Lebenssachverhalt bereits das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung festgestellt hatte, noch ein gerichtliches Verfahren anhängig ist (Urt. des erkennenden Senats v. 24. März 2010 – L 9 KR 13/08).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Bescheid vom 27. November 2009 nicht bereits formell rechtswidrig. Insbesondere fehlt es ihm nicht an der nach § 35 Abs. 1 SGB X erforderlichen Begründung. Der Bescheid legt dar, dass in den einzelnen Zweigen der Versicherung die Versicherungspflicht mit Aufnahme der Beschäftigung beginnt, wobei zusätzliche Voraussetzung gegebenenfalls die Entgeltlichkeit sei. Aus den vorliegenden Unterlagen ergäben sich keine Tatbestände, die der Versicherungspflicht entgegenstünden, auch die Voraussetzungen für einen späteren Beginn der Versicherungspflicht seien nicht erfüllt. Einer weiteren Begründung für den Eintritt von Versicherungspflicht – bei Annahme einer abhängigen Beschäftigung - bedurfte es nicht.

Soweit der Kläger vortragen lässt, dass die Beklagte auch in dem Bescheid vom 27. November 2009 keinen konkreten Lebenssachverhalt festgestellt habe, übersieht er, dass dieser Bescheid auf Feststellungen zurückgreift, die bereits Gegenstand des Bescheides vom 21. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 waren. Eine Begründung soll nur erkennbar werden lassen, von welchen tatsächlichen Gegebenheiten und rechtlichen Erwägungen die Behörde ausgegangen ist. Die vorherigen Bescheide, insbesondere der Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004, enthielten aber die tatsächlichen Feststellungen, dass der Beigeladene zu 4) seine Arbeitskraft in der Zeit vom 20. August 2001 bis 31. März 2002 ausschließlich für den Kläger eingesetzt habe, dienend in einer fremden Arbeitsorganisation eingesetzt war, ohne ein eigenes Unternehmerrisiko zu tragen, regelmäßig 35 Stunden in der Woche gegen eine Vergütung von 3.000,- DM monatlich arbeitete und von seiner zeitlichen Belastung her nicht noch für zwei weitere Auftraggeber tätig geworden sein konnte. Weiter wird festgestellt, dass für den Beigeladenen zu 4) eine Verpflichtung bestand, an täglich stattfindenden Briefings teilzunehmen, dass ihm von dem Kläger ein Arbeitsplatz zugewiesen und über ihn eine Personalakte geführt wurde und dass ihm Weisungen erteilt wurden. Diese Ausführungen sind hinreichend konkret, um den Sachverhalt nach Ort, Zeit sowie nach den von der Beklagten für gegeben gehaltenen Umständen eingrenzen zu können. Auf die Frage, ob die tatsächlichen Annahmen der Beklagten und die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen zutreffend sind, kommt es nicht an.

Eine erneute Anhörung nach § 24 SGB X vor Erlass des Bescheides vom 27. November 2009 war nicht erforderlich. Die Beklagte hat den Bescheid vom 27. November 2009 nicht aufgrund neuer Ermittlungen zu einem geänderten Sachverhalt erlassen und auch ihre Rechtsauffassung nicht wesentlich geändert. Sie hat lediglich – angestoßen durch die Rechtsprechung des BSG -die sich aus ihrer bisherigen Feststellung, es liege eine abhängige Beschäftigung vor, ergebende Rechtsfolge ausdrücklich verdeutlicht. In die Rechtsposition des Klägers ist durch diese eher formale Änderung nicht gesondert eingegriffen worden, so dass eine Wiederholung der Anhörung überflüssig war.

Die angefochtenen Bescheide sind materiell rechtswidrig. Der Senat hat sich auf der Grundlage des Ergebnisses des gerichtlichen Verfahrens nicht davon überzeugen können, dass der Beigeladene zu 4) bei dem Kläger in dem streitigen Zeitraum abhängig beschäftigt war. Dies wäre aber notwendige Voraussetzung für den Eintritt von Versicherungspflicht. Da weitere Ermittlungsmöglichkeiten nicht ersichtlich sind, mussten die angefochtenen Bescheide mit ihren für den Kläger belastenden Feststellungen aufgehoben werden. Die Beklagte trägt die objektive Beweislast für die zur Annahme von Versicherungspflicht führenden Feststellungen.

Der Eintritt von Versicherungspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung und der Arbeitsförderung bestimmt sich nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI. Diese die Arbeitslosenversicherung sowie die Kranken-, Renten- und soziale Pflegeversicherung betreffenden Vorschriften, die nach der hier vorliegenden Sachverhaltsgestaltung einzig in Betracht kommen, setzen jeweils für den Eintritt von Versicherungspflicht eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt voraus. Beschäftigung ist nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Eine Beschäftigung setzt eine Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit voraus. Bei einer Tätigkeit für einen fremden Betrieb liegt Abhängigkeit vor, wenn der Beschäftigte hinsichtlicht Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsleistung einem Weisungsrecht unterliegt. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Entscheidend ist das Gesamtbild der Verhältnisse. Weicht die tatsächliche Ausgestaltung der Arbeitsleistung von den getroffenen Vereinbarungen ab, so ist die erstere maßgebend (BSG, Urt. v. 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R -, Urt. d. erkennenden Senats v. 24. März 2010 – L 9 KR 13/08 -).

Vorliegend sind die Äußerungen der Beteiligten über die Tätigkeit des Beigeladenen zu 4) für den Kläger widersprüchlich. Während der Beigeladene zu 4) angibt, er sei in dem streitigen Zeitraums von dem Kläger in Vollzeit beschäftigt gewesen, trägt dieser vor, dass der Beigeladene zu 4) für ihn nur wie für andere, nämlich den Rechtsanwalt R und die D F GmbH, als Selbständiger tätig geworden sei. Schon die zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 4) getroffenen Vereinbarungen sind nicht nachgewiesen, da kein schriftlicher Anstellungsvertrag oder Auftrag vorgelegt werden konnte. Gegen die Annahme, dass von Anfang an ausdrücklich die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses verabredet wurde, spricht aber, dass auch der Beigeladene zu 4) sich zunächst (im März 2002) gegenüber der Beklagten als selbständiger Rechtsanwalt bezeichnete und er (von dem Kläger vorgelegte) Honorarrechnungen erstellt hat, in denen Umsatzsteuer auf die erbrachten Leistungen in Rechnung gestellt wird. Üblich in einem Beschäftigungsverhältnis sind dagegen vom Arbeitgeber erstellte Lohn- und Gehaltsabrechnungen, die keine Umsatzsteuer ausweisen. Maßgeblich ist indessen nicht die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung, auch wenn sich die steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Tätigkeit zunächst an dieser orientierte, vielmehr kommt es auf die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse an, unter denen Arbeitsleistung erbracht wurde.

Aufgrund der gegebenen Beweislage kann der Senat sich zwar davon überzeugen, dass der Beigeladene zu 4) für den Kläger tätig geworden ist – was von diesem auch nicht in Abrede gestellt wird - , aber schon nicht davon, dass diese Tätigkeit einen zeitlichen Umfang von 35 bis 40 Stunden wöchentlich hatte. Der Vortrag des Klägers, dass der Beigeladene zu 4) ebenso für den Rechtsanwalt R und die D F GmbH gearbeitet habe, kann nicht widerlegt werden. Er ist vielmehr durch den als Zeugen gehörten Rechtsanwalt R bestätigt worden, dessen Angaben zur veranschlagten Arbeitszeit erheblich hinter denen des Beigeladenen zu 4) zurückbleiben. Ferner ergibt sich aus der vorgelegten Bestätigung des Steuerbüros, dass zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt R nur eine Bürogemeinschaft bestand, und aus den Kostennoten des Klägers an Rechtsanwalt R, dass diesem die Hälfte des von dem Beigeladenen zu 4) dem Kläger in Rechnung gestellten Honorars zurückbelastet worden ist. Es ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund zwei in Bürogemeinschaft arbeitende Rechtsanwälte sich das Honorar für eine Hilfskraft geteilt haben sollten, wenn diese Hilfskraft ausschließlich den Weisungen eines Rechtsanwaltes, hier des Klägers, unterlegen hätte. Die vorgelegten Nachweise für Zahlungen direkt von der D F GmbH sprechen weiter dafür, dass der Beigeladene zu 4) auch für diese Firma gearbeitet hat. Dazu hat der Beigeladene zu 4) zwar erklärt, dass jedenfalls ab dem zweiten Monat nicht mehr er, sondern ausschließlich der Kläger persönlich für die D F GmbH tätig geworden sei. Es wäre auch noch vorstellbar, dass der Kläger bei der D F GmbH veranlasst haben könnte, einen Teil des Honorars für eigene Rechtsberatungsleistungen direkt an den Beigeladenen zu 4) auszuzahlen, um diesen für anderweitig erbrachte Dienste zu entlohnen. Indessen hat der als Zeuge gehörte Rechtsanwalt R ausdrücklich bestätigt, dass er selbst (Mit-)Geschäftsführer der D F GmbH gewesen sei und der Beigeladene zu 4) auch für diese Firma gearbeitet habe. Der Senat hat keine Grundlage für die Annahme, dass es sich dabei nur um vorgeschobene Behauptungen handeln könnte.

Selbst für den demnach verbleibenden, hinsichtlich zeitlichen Umfangs und Entgelt reduzierten Teil der Tätigkeit des Beigeladenen zu 4) für den Kläger kann der Senat das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht feststellen. Eindeutig gegen eine Selbständigkeit spricht zwar, dass der Beigeladene zu 4) in Hinblick auf seine Tätigkeit für den Kläger kein Unternehmerrisiko trug. Angesichts des unstreitig auf der Basis von (tatsächlichen oder erforderlichen) Arbeitsstunden vereinbarten festen Honorars trug der Beigeladene zu 4) nicht das Risiko, dass er seine Arbeitskraft ohne Ertrag aufwenden würde. Vielmehr sollte er eine Vergütung stundenweise und ohne Rücksicht auf das Ergebnis der Arbeitsleistung erhalten. Nach den vorgelegten Abrechnungen war offenbar auch der einzusetzende Arbeitsaufwand im Voraus pauschal kalkuliert worden. Damit steht in Übereinstimmung, dass der Beigeladene zu 4) jedenfalls im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für den Kläger nicht selbst als Rechtsanwalt nach außen hin in Erscheinung getreten ist.

Eher neutral ist die Frage der Weisungsgebundenheit bei der Ausführung der Arbeit zu beurteilen. Bei Diensten höherer Art, wie sie von Rechtsanwälten zu leisten sind, ist der Umfang der auch an angestellte Rechtsanwälte zu erteilenden fachlichen Weisungen nämlich ohnehin eingeschränkt, weil üblicherweise Kenntnisse und Fähigkeiten vorausgesetzt werden, die eine selbständige Arbeitsweise gerade ermöglichen. Dass inhaltliche Vorgaben zur Arbeitsleistung gemacht werden, widerspricht dem nicht. Auch ein selbständiger Rechtsanwalt ist nämlich den Interessen und Wünschen seines Auftraggebers verpflichtet, so dass er dessen inhaltlichen Vorstellungen über die Ausführung seiner Tätigkeit Folge leisten muss. Der Aussage des Zeugen R kann nicht entnommen werden, dass der Beigeladene zu 4) fachlichen Weisungen in Bezug auf die inhaltliche Gestaltung seiner Arbeit unterlegen hat, die mit dem Bild einer selbständigen Tätigkeit unvereinbar wären. Der Zeuge hat nämlich angegeben, dass er und der Kläger zwar Muster vorgelegt, Vorgaben gemacht und die Ergebnisse der Arbeit kontrolliert hätten. Die Schriftsätze seien jedoch von dem Beigeladenen zu 4) selbständig erstellt worden. Demnach ist nicht ersichtlich, dass die von dem Beigeladenen zu 4) erbrachten Leistungen in einem Maße fremdbestimmt waren, das für das Berufsbild eines Rechtsanwaltes ungewöhnlich gewesen wäre.

Entscheidend kommt es auf das Vorhandensein einer Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation an, die der Senat aus den feststellbaren Tatsachen aber nicht ableiten kann. Ein Beschäftigungsverhältnis wäre anzunehmen, wenn der Beigeladene zu 4) seine Arbeitsleistung in den Kanzleiräumlichkeiten des Klägers während fester Arbeitszeiten zu erbringen gehabt hätte (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R -; Urt. d. erkennenden Senats v. 24. März 2010 – L 9 KR 13/08 -). Denn dann hätte der Beigeladene zu 4) während festgesetzter Arbeits- und Anwesenheitszeiten nicht mehr selbst über die eigene Arbeitskraft verfügen können. Die Angaben der Beteiligten zu den tatsächlichen Umständen sind insoweit widersprüchlich, wobei der Zeuge R indessen den Vortrag des Klägers bestätigt hat, dass der Beigeladene zu 4) in den Räumlichkeiten der D F GmbH arbeiten und die Bibliothek der Bürogemeinschaft benutzen konnte, aber nicht musste. Diese Aussage hat der Beigeladene zu 4) nicht widerlegt. Er gibt zwar an, dass über ihn eine Personalakte geführt worden sei. Daraus folgt aber nicht eine Einbindung in die Kanzlei, wie sie für Arbeitnehmer typisch ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass bei entsprechender Ausgestaltung der Verhältnisse ein Rechtsanwalt auf Honorarbasis als freier Mitarbeiter beschäftigt werden kann, ohne dass zwangsläufig ein Beschäftigungsverhältnis gegeben sein muss (BSG, Urt. v. 25. Januar 2001 – B 12 KR 17/00 R -). Dass über solche Honorarkräfte Akten geführt werden, entspricht einem legitimen Bedürfnis des Auftraggebers, um die erteilten Aufträge und die gezahlten Honorare nachhalten zu können. Demnach belegt die Tatsache, dass eine personenbezogene Akte geführt wurde, noch nicht die Stellung als Arbeitnehmer.

Auch die von dem Beigeladenen zu 4) vorgelegten Auszüge aus seiner (angeblichen) Personalakte sprechen nicht zweifelsfrei für eine abhängige Beschäftigung. Die Vereinbarung der Vorlage eines Time Sheet (Stundenaufstellung) als solche ist neutral, da eine Abrechnung auf Stundenbasis auch durch selbständige Rechtsanwälte gegenüber ihren Mandanten nicht unüblich ist. Dass Kommunikationsmittel wie LAN-Zugang und Telefonanschluss sowie Arbeitsmittel wie Regal und Drucker zur Verfügung gestellt werden, belegt nicht, dass sie auch während fester Arbeitszeiten genutzt werden mussten. Die Vereinbarung bestimmter Zeitpunkte für ein "Briefing" spricht eher dafür, dass außerhalb dieser Zeitpunkte der Beigeladene zu 4) dem Kläger nicht während der Arbeitszeit ständig zur Verfügung stehen musste. Weitere Unterlagen hat der Beigeladene zu 4) – entgegen seiner Ankündigung – nicht vorgelegt. Konnte er aber – wie es der Aussage des Zeugen Reich entspricht - frei entscheiden, wann und wo er seine Aufträge erledigte, dann ist kein Raum für die Annahme seiner Eingliederung in die betriebliche Organisation des Klägers. Der Senat kann eine Einbindung des Beigeladenen zu 4) in den Kanzleibetrieb des Klägers nur insoweit feststellen, als ihm bestimmte Akten mit inhaltlichen Vorgaben für die Bearbeitung zugeteilt wurden. Das reicht für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung nicht aus, da insoweit kein entscheidender Unterschied gegenüber den Arbeitsbedingungen eines selbständigen Rechtsanwaltes festgestellt werden kann.

Danach überwiegen die auf eine selbständige Tätigkeit hindeutenden Gesichtspunkte, so dass die Annahme einer abhängigen Beschäftigung und entsprechend auch das Vorliegen von Versicherungspflicht nicht bestätigt werden kann.

Nach alledem waren auf die Berufung des Klägers hin das Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufzuheben.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a SGG iVm §§ 154 Abs. 2. 162 Abs. 3 VwGO.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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