L 16 KR 661/10 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 16 KR 661/10 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anträge der Antragstellerin werden zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 2.500.000 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die AOK Bayern - Die Gesundheitskasse (Antragstellerin (ASt)) begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die vom Bundesversicherungsamt (BVA) im Rahmen des Jahresausgleichs 2009 mit Bescheid vom 16.11.2010 ausgesprochene Ausgleichsverpflichtung aus Zuweisungen nach § 272 Sozialgesetzbuch V (SGB V) in Höhe von 91.143.613,86 EUR.

I.
Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG)) vom 26.03.2007 ist die Finanzierung der Krankenkassen neu geregelt worden. Sie erhalten seit dem 01.01.2009 aus dem als Sondervermögen vom BVA verwalteten Gesundheitsfonds (§ 271 Abs. 1 SGB V) Zuweisungen zur Deckung ihrer Ausgaben (§ 266 Abs. 1 S. 1 SGB V). Diese Zuweisungen dienen der Deckung ihrer standardisierten Leistungsausgaben (§ 266 Abs. 2 S. 1 SGB V) sowie der sonstigen Aufgaben (§ 270 SGB V). Im Rahmen einer Übergangsregelung (§ 272 SGB V) erhalten Krankenkassen Mittel zum Ausgleich der Belastungen aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds in bestimmten Bundesländern. Nach dieser so genannten Konvergenzregelung des § 272 SGB V ist bei der Ermittlung der Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds sicherzustellen, dass sich die Belastungen aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds für die in einem (Bundes)Land tätigen Krankenkassen in jährlichen Schritten von jeweils höchstens 100 Millionen EUR aufbauen. Dazu hat das BVA für jedes Ausgleichsjahr und für jedes Bundesland die Höhe der fortgeschriebenen Einnahmen der Krankenkassen für die in einem Land wohnhaften Versicherten den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds gegenüberzustellen. Ergibt die Gegenüberstellung, dass die in einem Land tätigen Krankenkassen über den Schwellen-wert von 100 Millionen Euro hinaus belastet sind, werden die Zuweisungen an die Krankenkassen für ihre Versicherten mit Wohnsitz in dem jeweiligen Land so erhöht, dass der Schwellenwert genau erreicht wird. Die für die Erhöhung der Zuweisungen erforderlichen Mittel werden aus der Liquiditätsreserve (§ 271 Abs. 2 SGB V) des Gesundheitsfonds aufgebracht.

Das BVA erteilte der Ast die Grundlagenbescheide I - IV/2009 vom 01.01.2009, 31.03.2009, 30.09.2009 und 31.03.2010, die - ab dem Grundlagenbescheid II - im Verfahren vor dem LSG NRW ( L 16 KR 88/09 KL) angefochten sind. In den der ASt erteil-ten Zuweisungsbescheiden wurden monatliche Anpassungsbeträge nach § 272 SGB V zwischen 7.406.722,50 EUR und 7.631.370,35 EUR ausgewiesen. Der Gesamtbetrag der Zuwei-sungen nach § 272 SGB V von zunächst 90.577.844,63 EUR wurde mit Korrekturbescheiden angepasst, zuletzt mit Korrekturbescheid III/2009 vom 14.04.2010 auf 91.396.539,63 EUR, was zu einer ergänzenden Zuweisung führte.

Der Berechnung der Konvergenzzahlungen im monatlichen Abschlagsverfahren für 2009 waren die regionalisierten Daten für die Jahre 2006 (Morbiditätsinformationen) bzw 2007 (demographische Versichertendaten) zu Grunde gelegt worden. Im Herbst 2009 erfolgten Berechnungen für das monatliche Abschlagsverfahren für das Jahr 2010 auf der Grundlage aktualisierter Daten (Morbiditätsdaten 2007, Versichertendaten 2008). Auf der Grundlage dieser Daten ergab sich die Prognose, dass das Ausgleichsvolumen im Jahresausgleich 2009 statt des bisher erwarteten Betrages von rd. 760 Mio. Euro nur 130 Mio. Euro betragen werde, worüber das BVA unter dem 17.11.2009 informierte. Bereits am 07.04.2010 stellte das BVA den "Berechnungsvordruck Forderungen und Verpflichtungen für die KJ1 2009, Stand: 07.04.2010" auf seiner Internetseite zur Verfügung. Dieser ermöglichte eine (aktuelle) Berechnung der Konvergenzzahlungen unter Verwendung der zu diesem Zeitpunkt aktuellen kassenindividuellen Daten aus dem Grundlagenbescheid IV/2009, die für die ASt hinsichtlich des Anpassungsbetrags einen Negativbetrag von 90.846.306,84 EUR ergab. Mit Schreiben vom 13.04.2010 wies ferner das Bundesministerium für Gesundheit (G11-18110-2) u.a. darauf hin, dass nach damaligen Erkenntnissen damit zu rechnen sei, dass die nach den Bestimmungen zur Konvergenz zu ermittelnden Belastungen aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds für die in einem Land tätigen Krankenkassen wesentlich geringer ausfallen würden. Die Kassen seien verpflichtet, das vom BVA aufgezeigte Risiko zur Rückzahlung überzahlter Beträge nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu berücksichtigen.

Wegen der von ihr befürchteten Verpflichtung zur Rückzahlung der zugewiesenen Anpassungsbeträge nach § 272 SGB V im Rahmen des Jahresausgleichsbescheides nach § 41 der Risikostrukturausgleichverordnung (RSVA) hat die Antragstellerin im Juli 2010 vorbeugende Feststellungsklage beim LSG NRW erhoben (L 5 KR 416/10 KL).

Durch die am 12.11.2010 in Kraft getretene 22. Verordnung zur Änderung der Risikostrukturausgleichsverordnung (22. RSAVÄndV) wurde § 41 Abs. 4a in die RSVA eingefügt. Dessen Satz 1 sieht für den Fall, dass die Höhe der nach Abs. 3 ermittelten Zuweisungen nach § 33c Abs. 2 die entsprechenden monatlichen Zuweisungen im Jahresausgleich für das Ausgleichsjahr 2009 unterschreitet, vor, dass der an den Gesundheitsfonds zu zahlende entsprechende Unterschiedsbetrag abweichend von § 39 Abs. 3a Satz 3 im Jahr 2011 in 12 gleichen Teilbeträgen fällig wird.

Unter dem 16.11.2010 erließ das BVA den Bescheid über

- die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds (Risikostrukturausgleich) im Jahres ausgleich 2009 und den Ausgleichsbetrag für Zuweisungen 2009 (= Teil 1),
- den Korrekturbetrag im Risikostrukturausgleich bis 2008 (= Teil 2),
- den Korrekturbetrag im Risikopool bis 2008 (= Teil 3) und
- den Gesamt-Ausgleichsanspruch/die Gesamt-Ausgleichsverpflichtung 2009 (= Teil 4).

Der Anpassungsbetrag i.S.d. § 272 SGB V wurde auf 252.925,77 EUR festgestellt, sodass sich insoweit gegenüber den an die ASt ausgezahlten Beträgen eine Differenz in Höhe von 91.143.613,86 EUR ergab, die das BVA nunmehr unter Hinweis auf § 41a Abs. 4a RSAV in auf das Jahr 2011 verteilten monatlichen Teilbeträgen zurückforderte.

Am 07.12.2010 hat die ASt beim erkennenden Gericht die Feststellung, hilfsweise die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragt, soweit die im Jahresausgleichsbescheid ausgesprochene Ausgleichsverpflichtung aus § 272 SGB V in Höhe von 91.143.613,86 EUR angefochten ist. Zur Begründung führt sie aus:

Entgegen der undifferenzierten Rechtsmittelbelehrung im Bescheid vom 16.11.2010, der gemäß § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens geworden sei, komme ihrer Klage insoweit aufschiebende Wirkung zu, als die streitige Ausgleichsverpflichtung angefochtenen sei. Die aufschiebende Wirkung der Klage sei nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG der Regelfall, Ausnahmen hiervon bedürften einer klaren gesetzlichen Regelung. Eine solche fehle hier aber. § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V beziehe sich, wie sich aus der historischen Entwicklung der Vorschrift, der Gesetzesbegründung und dem Zusammenhang mit § 271 Abs. 2 SGB V ergebe, nur auf Klagen gegen die Höhe der Zuweisungen, hier gehe es aber um ein Verpflichtung zur Rückzahlung. § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V greife nicht nur seinem Wortlaut nach nicht ein, sondern könne auch durch Auslegung der Norm nicht anwendbar gemacht werden. Daher sei wie beantragt die aufschiebende Wirkung auszusprechen; die Antragsgegnerin dürfe mithin auch nicht die offenen Beträge mit den auszuzahlenden Zuweisungen im monatlichen Abschlagsverfahren verrechnen.

Hilfsweise sei jedenfalls bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren die aufschiebende Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG anzuordnen.

Die Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass nach dem Bescheid vom 16.11.2010 bereits am 03.01.2011 der erste Rückzahlungsbetrag in Höhe von 7.595.301,16 EUR aus dem Anpassungsbetrag nach § 272 SGB V zu leisten wäre. Bei Nichtzahlung drohten Säumniszuschläge sowie die Verrechnung mit den Zuweisungen im monatlichen Abschlagsverfahren 2011; damit wäre ein Zusatzbeitrag nach § 242 SGB V für ihre Versicherten unvermeidbar. Die Eilbedürftigkeit entfalle auch nicht aufgrund der Möglichkeit, von § 41 Abs. 4a Satz 2 RSAV Gebrauch zu machen, denn Voraussetzung dafür wäre, dass nachweislich die Zahlungsfähigkeit gefährdet wäre. Das wiederum könne aber durch einen Zusatzbeitrag vermieden werden, so dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 41 Abs. 4 Satz 2 RSVA nicht gegeben wäre. Im Übrigen würden mit der Einführung eines Zusatzbeitrags unabänderbare Tatsachen geschaffen, die durch die Hauptsacheentscheidung nicht abgewendet bzw. rückgängig gemacht werden könnten. Wenn die streitigen Beträge in 2011 zurückzuzahlen wären, müssten sie in der Jahresrechnung 2010 berücksichtigt werden und wären Rückstellungen in der Jahresrechnung vorzuhalten, so dass es bei den Zusatzbeitragskonsequenzen bliebe.

Die von § 86b SGG geforderte Erfolgsaussicht der insoweit streitgegenständlichen Haupt-sache sei gegeben. Sie genieße hinsichtlich der ihr zugewiesenen Beträge im Rahmen der Konvergenzregelung des § 272 SGB V Vertrauensschutz. Eine Rückforderung im Rahmen des Jahresausgleichs nach § 41 RSAV würde gegen die Vorschriften des § 45 bzw. § 47 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) verstoßen, sie sei im Übrigen vom Gesetz weder nach § 272 SGB V noch nach §§ 33c, 39, 41 RSAV vorgesehen.

§ 41 Abs. 4 Satz 3 RSAV biete keine Rechtsgrundlage für die streitige Rückforderung, da der Anpassungsbetrag nach § 272 SGB V von dieser Vorschrift nicht erfasst sei. Der Jahresausgleich des Risikostrukturausgleichs sehe hinsichtlich der Konvergenz nur Erhöhungen der Zuweisungen vor (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 RSAV). Eine Rücknahme oder ein Widerruf und Rückforderungen entsprächen nicht dem gesetzgeberischen Willen.

Die Voraussetzungen für eine Zurücknahme bzw. einen Widerruf nach §§ 45 bzw. 47 SGB X seien nicht erfüllt, sie habe hinsichtlich der Zuweisungen nach § 272 SGB V beziehungsweise § 33c Abs. 2 RSAV Vertrauen auf den Bestand dieser Zahlungen entwickeln dürfen. Dem stehe auch nicht die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 24.01.2003 - B 12 KR 190/01 R entgegen. Diese Entscheidung sei zum Vertrauensschutz beim Risikostrukturausgleich a.F. ergangenen, der lediglich 15 bis 18% an der Finanzdeckung der Krankenkassen ausgemacht habe. Bei den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds gehe es aber um die nahezu gesamte Haushaltsplanung, bereits aus diesem Grunde sei das Vertrauen auf die Zuweisungen im Risikostrukturausgleich ab 01.01.2009 höher zu bewerten als bisher. Eine Rückzahlungsverpflichtung der Konvergenzzuweisungen stehe aber unabhängig davon auch im Widerspruch zu den gesetzgeberischen Vorgaben, denn sie konterkariere die Zielrichtung des § 272 SGB V und missachte die Vertragswirklichkeit. Konvergenzzuweisungen nach § 272 SGB V seien von den von einer Krankenkasse gegebenenfalls zu zahlenden Unterschiedsbeträgen nach § 41 Abs. 4 Satz 3 RSAV ausgenommen. Der Gesetzgeber habe keine Rückzahlung einmal erhaltener Beträge nach § 272 SGB V (anders als der übrigen Zuweisungen) im Rahmen des Jahresausgleich gewollt. Eine Rückzahlung der Konvergenzzuweisungen bereits zum Jahresausgleich des ersten Jahres nach der Einführung des Gesundheitsfonds würde zu einer völligen Aushöhlung der Vorschrift führen. Die Vorschrift des § 272 SGB V wäre damit sinnlos. Dass die Konvergenzregelung nach den Vorstellungen des Gesetzgebers anderen Regularien unterworfen sein solle als den sonst üblichen hinsichtlich der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, bei denen es unbestritten auch Rückzahlungssituationen geben könne, werde bereits daraus deutlich, dass die Konver-genzzuweisungen des § 272 SGB V nicht aus dem Gesundheitsfonds selbst aufgebracht würden, sondern aus der Liquiditätsreserve beim BVA.

Der durch die 22. RSAVÄndV eingefügte § 41 Abs. 4a RSAV sei weder mit den gesetzlichen Vorgaben des § 272 SGB V noch des § 33c Abs. 2 RSAV noch des § 41 Abs. 1 bis 4 RSAV vereinbar. Es fehle eine gesetzliche Ermächtigung, zudem liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor.

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

festzustellen, dass ihrer Klage vor dem LSG NRW - L 16 KR 88/98 KL - insoweit aufschiebende Wirkung zukommt, als die durch den Bescheid des Bundesversicherungsamtes vom 16.11.2010 ausgesprochene Ausgleichsverpflichtung aus § 272 SGB V in Höhe von 91.143.613,86 Euro angefochten wird,

hilfsweise,

die aufschiebende Wirkung ihrer Klage L 16 KR 88/09 KL gegen den Bescheid des Bundesversicherungsamtes vom 16.11.2010 insoweit anzuordnen, als darin eine Ausgleichsverpflichtung aus § 272 SGB V festgelegt wird.

Die Antragsgegnerin (AG) beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Sie führt aus: Mit dem im Hauptsacheverfahren nunmehr streitgegenständlichen Jahresausgleichsbescheid werde gemäß § 266 Abs. 6 Satz 3 SGB V, § 41 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 RSAV die Höhe der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds für das Ausgleichsjahr 2009 abschließend festgesetzt. Teil dieser Festsetzung sei auch die gemäß § 41 Abs. 4 RSAV vorzunehmende Rückforderung von im Rahmen der zuvor erfolgten monatlichen Zuweisungen vorgenommenen Zahlungen, die sich im Nachhinein als zu hoch erweisen. Davon umfasst, und damit der aufschiebenden Wirkung einer Klage ebenfalls entzogen, seien auch Rückzahlungsverpflichtungen, die sich aus der Festsetzung der sog. Anpassungsbeträge i.S.d. § 272 SGB V ergeben, die im monatlichen Abschlags-verfahren zunächst höher, später aber niedriger ausfallen können. Bei den Zuweisungen im monatlichen Verfahren handele es sich um systembezogene Abschlagszahlungen (§ 266 Abs. 6 Satz 4 SGB V), die ggf. um den Anpassungsbetrag nach § 272 Abs. 2 SGB V i.V.m. § 33c Abs. 2 RSAV erhöht würden (§ 266 Abs. 1 Satz 1 SGB V a.E.). Die monatlichen Abschlagszahlungen seien jedoch solche mit Blick auf den Jahresausgleich (§ 266 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 6 Satz 5 SGB V und § 41 RSAV). Unterschreite die Höhe der für die Krankenkasse ermittelten Zuweisung die bisher erhaltenen monatlichen Zuweisungen, sei der Betrag an den Gesundheitsfonds zu zahlen (§ 41 Abs. 4 Satz 3 RSAV). Die im Jahresausgleich erfolgende Anpassung der Zuweisungen gemäß § 272 SGB V sei ein integraler Bestandteil der Ermittlung der Höhe der Zuweisungen als Ganzes. Die Auffassung der ASt, die Regelung des § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V erfasse mögliche Rückzahlungen, die durch den Jahresausgleichsbescheid verfügt wurden, nicht, sei daher weder inhaltlich nachvollziehbar noch rechtlich haltbar.

Auch die Entstehungsgeschichte der aktuellen Fassung des § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB lasse sich nicht für die Auffassung der ASt heranziehen, Klagen gegen Rückforderungen als Abschläge zuviel gezahlter Zuweisungen hätten aufschiebende Wirkung. Mit der durch das GKV-WSG eingeführten Neufassung des § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V habe der Gesetzgeber an der früheren Regelungssystematik grundsätzlich festgehalten. § 266 Abs. 6 Satz 7 SGB V sei lediglich sprachlich an das neue Zuweisungssystem in Folge der Einführung des Gesundheitsfonds, wonach statt eines internen Ausgleichs zwischen Krankenkassen nunmehr ein externer Ausgleich über den Gesundheitsfonds durchgeführt werde, angepasst worden.

Die von der ASt behauptete aufschiebende Wirkung einer Klage gegen die Rückzahlungsverpflichtung aus der Konvergenzregelung lasse sich ferner nicht damit begründen, dass die Konvergenzzuweisungen des § 272 SGB V nicht aus dem Gesundheitsfonds selbst, sondern aus einer gesonderten Liquiditätsreserve beim BVA aufgebracht werden. Die Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Jahresausgleichsbescheid würde im Erfolgsfall zu Lasten aller anderen am Gesundheitsfonds teilnehmenden Krankenkassen gehen, da diese ihren Anteil an dem jeweils zum 1. Bankarbeitstag eines Monats im Jahr 2011 fälligen Betrag etwa zwei Wochen später ausgezahlt bekämen. Insoweit würde die ASt im Erfolgsfall bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens quasi einen zinslosen Kredit in der Höhe von 91.143.613,86 EUR zu Lasten der übrigen Krankenkassen erhalten.

Der Hilfsantrag sei zwar zulässig, aber unbegründet, da die Klage, auch soweit sie sich nunmehr gegen die durch den Jahresausgleichsbescheid verfügte Rückzahlungsverpflichtung für Zuweisungen i.S.d. § 272 SGB V (Anpassungsbeträge) richte, ohne Aussicht auf Erfolg sei und das öffentliche Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse der ASt überwiege.

Die Vorschriften der §§ 45, 47 SGB X würden von § 41 Abs. 4 S. 2-5 in Verbindung mit § 39 Absatz 3a S. 3-6 RSAV aus Gründen der sachlichen Spezialität verdrängt. Diese stellten entgegen der Auffassung der ASt auch eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Rückforderung dar. Die Konvergenzregelung führe bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zwar ausschließlich zu Zuweisungserhöhungen und nicht zu Zuweisungskürzungen (§ 33c Abs. 2 S. 1 RSAV); ob die Neuberechnung dieser Zuweisungserhöhungen im Rahmen des Jahresausgleichs jedoch einen positiven oder negativen Wert ergebe, sei in § 41 RSAV - der Systematik des Jahresausgleichs folgend - nicht geregelt. Die ASt könne sich wegen der weiterhin zweistufigen Systematik auch des neuen RSA-Verfahrens aus monatlichen Abschlagszahlungen und einem Jahresausgleich hinsichtlich der ihr zugewiesenen Anpassungsbeträge nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Rechtsprechung des BSG zum "alten" RSA sei weiterhin anwendbar. Den Krankenkassen sei insbesondere bekannt gewesen, dass es sich bei den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds um Abschlagszahlungen handele, die einem Schlussausgleich unterworfen seien, bei dem es zur Nachzahlung oder Erstattung kommen könne. Im ersten Jahr der Umsetzung der Konvergenzregelung seien zuverlässige, zielgenaue Schätzungen der voraussichtlichen Konvergenzbeträge nicht möglich gewesen; Abweichungen zwischen den vorläufig ermittelten und den endgültig festgestellten Konvergenzbeträgen für das Jahr 2009 ergäben sich daher zwangsläufig.

Auch aus dem Umstand, dass Konvergenzzuweisungen des § 272 SGB V nicht aus dem Gesundheitsfonds selbst, sondern aus der Liquiditätsreserve aufgebracht werden, ergebe sich nichts für die Auffassung der ASt. Entgegen der Ansicht der ASt lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber keine Rückzahlung einmal erhaltener Beträge nach § 272 SGB V im Rahmen des Jahresausgleichs gewollt habe.

Die 22. RSAVÄndV sei in Einklang mit geltendem Recht auf Grundlage des § 266 Abs. 7 S. 1 Nr. 5 und 6 i.V.m. § 272 Abs. 4 S. 1 SGB V erlassen worden und bedeute im Übrigen ein deutliches Entgegenkommen des Verordnungsgebers gegenüber den rückzahlungsverpflichteten Krankenkassen. Ein Verstoß der Regelung gegen das Rückwirkungsverbot sei nicht ersichtlich. Schließlich sei auch die Argumentation der ASt zur Eilbedürftigkeit nicht überzeugend.

II.
1. Der Hauptantrag der Ast, festzustellen, dass ihre Klage gegen den Bescheid vom 16.11.2010 aufschiebende Wirkung hat, soweit eine Ausgleichsverpflichtung aus § 272 SGB V i. H. v. 91.146.613,86 Euro festgesetzt worden ist, ist unbegründet.

Gemäß § 86a Abs. 1 SGG hat eine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung, sofern diese nicht (u. a.) in bundesgesetzlich bestimmten Fällen entfällt (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG). Dies ist hier der Fall, denn die Klage gegen den Bescheid vom 16.11.2010 hat nach § 266 Abs. 6 S. 7 SGG V keine aufschiebende Wirkung.

Die Norm besagt: "Klagen gegen die Höhe der Zuweisung im Risikostrukturausgleich einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten haben keine aufschiebende Wirkung."

a) Zwar mag es auf den ersten Blick nach dem bloßen Wortlaut scheinen, als entfalle die aufschiebende Wirkung nur bei einer Klage gegen die "Höhe" der Zuweisung, nicht dagegen, wenn eine im Zusammenhang mit den Zuweisungen festgesetzte Ausgleichsverpflichtung angefochten wird. Allerdings zeigt schon die Erwähnung "einschließlich der hierauf entfallenden Nebenkosten", dass dieser Eindruck nicht richtig sein kann, denn Nebenkosten in Gestalt von Säumniszuschlägen fallen nur an, wenn die bisher geleisteten Zuweisungen die neu berechneten Zuweisungen übersteigen und daher die Kasse den Unterschiedsbetrag an den Gesundheitsfonds zu zahlen hat (vgl. zu den Säumniszu-schlägen § 39 Abs. 3a S. 4 i. V. m. § 14 Abs. 3 RSAV, § 41 Abs. 4 S. 4 i. V. m. §§ 39 Abs. 3a S. 4, 14 Abs. 3 RSAV).

Systematischer Zusammenhang, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Norm ergeben auch einen über den Wortlaut hinausgehenden normativen Gehalt.

b) Satz 7 steht im Zusammenhang mit der Regelung der Zahlungsmodalitäten der Zuweisungen des Gesundheitsfonds an die Krankenkassen in § 266 Abs. 6 SGB V. Das BVA hat nach Abs. 6 S. 1 vorläufige Werte für die Höhe der standardisierten Leistungsausgaben und die alters-, geschlechts- und risikoadjustierten Zuschläge zu ermitteln und auf deren Grundlage monatliche Zuweisungen zu erbringen (s. a. § 39 Abs. 2 RSAV). Nach Ablauf eines Kalenderjahres ist sodann die Höhe der Zuweisung für jede Kranken-kasse auf der Grundlage der dann vorliegenden Daten für das Ausgleichjahr zu ermitteln; die Höhe der Zuweisung wird dann endgültig (vorbehaltlich der Korrektur nachträglich festgestellter Fehler, Satz 6) festgesetzt. Die monatlichen Zuweisungen gelten als Abschlagszahlungen; sie sind nach Ermittlungen der endgültigen Höhe der Zuweisungen auszugleichen (Satz 4, 5). Übersteigt die Zuweisung aus dem Jahresausgleich die monatlichen Zuweisungen, erhält die Kasse den Differenzbetrag; sie hat umgekehrt den Differenzbetrag an den Gesundheitsfonds zu leisten, wenn die Zuweisung aus dem Jahresausgleich die monatlichen Zuweisungen unterschreitet (s. a. § 41 Abs. 4 RSAV). Der in Satz 5 geforderte "Ausgleich" kann also in zwei Richtungen erfolgen. Der Begriff "Zuweisungen" in Satz 7 bezieht sich somit nicht nur auf Zahlungsansprüche von Krankenkassen gegen den Gesundheitsfonds, sondern schließt auch "negative Zuweisungen" ein, d. h. den Fall, dass die endgültig festgestellte Zuweisung unter dem Betrag der bereits erhaltenen Zuweisungen liegt. Wenn einer Klage gegen die Höhe der Zuweisungen in den Fällen, in denen die endgültige Zuweisung die bisher geleisteten Abschlagszahlungen unterschreitet und somit ein Ausgleichsanspruch gegen die Kasse besteht, keine aufschiebende Wirkung zukommt, kann dies nur bedeuten, dass damit auch unmittelbar die Ausgleichsverpflichtung nach Satz 5 zum Tragen kommen soll.

c) Hierfür spricht auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die bis zum 31.12.2008 geltende Vorgängerregelung in § 266 Abs. 6 S. 8 SGB V a.F. bestimmte, dass Klagen gegen Zahlungsbescheide im Risikostrukturausgleich keine aufschiebende Wirkung haben. Da im "alten" Risikostrukturausgleich die Kassen autonom Beiträge erhoben und nur ein - unvollständiger - Finanzausgleich zwischen den Krankenkassen erfolgte (s. wegen Einzelheiten BSG SozR 4-2500 § 266 Nr. 1; A. Becker in jurisPK - SGB V, § 266 Rn. 33 ff.) gab es so genannte "Zahlerkassen" und "Empfängerkassen". Soweit die Finanzkraft einer Kasse ihren Beitragsbedarf überstieg, traf sie eine entsprechende Ausgleichsverpflichtung, die vom BVA festzustellen war. Klagen gegen solche Zahlungsbescheide hatten nach § 266 Abs. 6 S. 8 SGB V a. F. keine aufschiebende Wirkung. Diese Regelung war im Zusammenhang mit der Neuregelung des vorläufigen Rechts-schutzes im SGG (§§ 86a, 86b SGG) im 6. SGG-Änderungsgesetz geschaffen worden. Da den Ausgleichsverpflichtungen der "Zahlerkassen" gleich hohe Ausgleichsansprüche der "Empfängerkassen" gegenüber standen, die ebenfalls sofort fällig waren, hätte die aufschiebende Wirkung von Klagen gegen Zahlungsbescheide zu Finanzlücken bei der Zahlungsabwicklung führen können (vgl. BT-Drs. 14/5943, 31).

Die jetzige Fassung des § 266 Abs. 6 S. 7 SGB V ist durch das GKV-WSG im Zusammenhang mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum 01.01.2009 geschaffen worden. Die Gesetzesbegründung bezeichnet die Änderungen des § 266 SGB V als "Folgeänderungen zur Einführung eines für alle Krankenkassen geltenden einheitlichen allgemeinen und ermäßigten Beitragssatzes und zur Neustrukturierung des Beitragseinzugs, nach der alle Beiträge an den Gesundheitsfonds abgeführt und von diesem verteilt werden" (BT-Drs. 16/3100, 167). Zur Änderung des Abs. 6 findet sich speziell zu Satz 7 keine Begründung; es wird lediglich (u.a.) ausgeführt, dass die monatlichen Zuweisungen des Gesundheitsfonds Abschlagszahlungen darstellten, die mit der im Jahresschlussausgleich ermittelten endgültigen Zuweisung verrechnet würden (a. a.O., Seite 168). Offensichtlich ist in Satz 7 lediglich entsprechend der neuen Systematik der Finanzierung der Krankenkassen die Formulierung "Zahlungsbescheide" durch die Worte "Höhe der Zuweisung" ersetzt worden. Der Begründung lässt sich aber nichts dafür entnehmen, dass eine Einschränkung des normativen Gehalts gegenüber der Vorgängerregelung beabsichtigt war, obwohl der Gesetzgeber gesehen hat ("Abschlagszahlungen", "verrechnet"), dass es zur Rück-forderung von Zuweisungen kommen kann, die der Sache nach den früheren Zahlungs-bescheiden entsprechen. Es kann daher nicht angenommen werden, dass beabsichtigt war, dass nunmehr im Falle einer Klage festgestellte Ausgleichsverpflichtungen nicht mehr sofort zu erfüllen sein sollten.

d) Vor allem sprechen Sinn und Zweck der Regelung für die hier vertretene Auslegung. Wie oben dargelegt, ist die Vorgängerregelung geschaffen worden, um die reibungslose Abwicklung des Zahlungsverkehrs im Risikostrukturausgleich zu gewährleisten. Unverändert würde aber auch unter Geltung des Gesundheitsfonds die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen Rückzahlungsverpflichtungen die Abwicklung des Risikostrukturausgleichs in der Schwebe belassen, weil die Zuweisungen an anderen Krankenkassen wegen der fehlenden Mittel (aus den Ausgleichsverpflichtungen) zwangsläufig gemindert werden müsste.

Die Argumentation der Ast, da die Zuweisungen nach § 272 SGB V aus der Liquiditätsreserve (§ 271 Abs. 2 SGB V) zu finanzieren seien (§ 272 Abs. 2 S. 2 SGB V), sei die Zahlungsabwicklung für die Zuweisungen nach § 266 Abs. 1 SGB V nicht gefährdet, geht an der Sache vorbei. Bei dieser Argumentation verkennt sie schon, dass die von ihr vertretene Auslegung des § 266 Abs. 6 S. 7 SGB V sich zwingend auf alle Rückzahlungs-verpflichtungen, also auch auf Rückforderungen wegen der "normalen" Zuweisungen beziehen würde. Somit hätten grundsätzlich Klagen gegen Ausgleichsverpflichtungen aufschiebende Wirkung mit der Folge, dass generell der Rückfluss bereits erbrachter Zuweisungen an den Gesundheitsfonds blockiert wäre und diese Mittel nicht zur Verteilung an die anderen Kassen zur Verfügung stünden. Unabhängig davon ist die Annahme, zumindest Rückzahlungsverpflichtungen aus Konvergenzmitteln seien vorübergehend (nämlich für die Dauer eines Klageverfahrens) aus der Liquiditätsreserve zu finanzieren, schwer nachvollziehbar. Die AG weist zu Recht darauf hin, dass es sich bei der Liquiditätsreserve nicht um ein gesondert vom Gesundheitsfonds zu verwaltendes Vermögen (quasi einen "Notgroschen" des BVA) handelt, sondern die Liquiditätsreserve integraler Bestandteil des Gesundheitsfonds ist. Er hat (nur) den Zweck, jederzeit sicherzustellen, dass der Gesundheitsfonds seine finanziellen Verpflichtungen erfüllen kann. Gerade bei unterjährigen Schwankungen von Einnahmen ist es erforderlich, dass ausreichende Reserven zur Erfüllung der monatlichen Zahlungen vorhanden sind.

Daher ist auch bei Rückforderungen von Zuweisungen nach § 272 SGB V erforderlich, dass diese unmittelbar an den Gesundheitsfonds zurückfließen, um die Liquidität sicherzustellen. Unbehelflich ist der Hinweis der ASt auf die geringe Höhe der monatlich zurückzuzahlenden Beträge, deren Ausbleiben die Liquidität nicht gefährden könne; sie übersieht, dass sich die Auslegung einer Norm an den grundsätzlichen Folgen und nicht an den Auswirkungen im Einzelfall zu orientieren hat.

e) Wortlaut, systematischer Zusammenhang, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck der Norm sprechen somit gegen die Auffassung der ASt. Diese hätte im Übrigen zur Folge, dass § 266 Abs. 6 S. 7 SGB V keinen sinnvollen Regelungsgehalt hätte. Die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage ist Ausfluss des Gebots effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Abs. 4 GG) und soll verhindern, dass vor einer gerichtlichen Überprüfung einer Verwaltungsmaßnahme vollendete Tatsachen geschaffen werden (vgl. etwa Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86a Nr. 4). Ein Verwaltungakt darf in Folge der aufschiebenden Wirkung nicht vollzogen werden; während des Schwebezustandes dürfen aus dem Verwaltungsakt keine Folgerungen gezogen werden (a. a. O., Rn. 5). In Folge der aufschiebenden Wirkung bleibt also der bestehende Status erhalten. Die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen einen Zuweisungsbescheid, mit der höhere Zuweisungen als bisher erlangt verfolgt werden, könnte aber nie zur Folge haben, dass der Krankenkasse (vorläufig) ein höherer Anspruch zustünde, weil ja nur ein Bestand geschützt ist (daher zumindest missverständlich KassKomm/Peters, § 266 SGB V Rn. 24). Die Bestimmung setzt also mit dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gedanklich zwingend voraus, dass mit der Klage gegen die Höhe der Zuweisung (zugleich) eine Rückzahlungsverpflichtung angefochten wird. Würde die Vorschrift diesen Fall nicht erfassen wollen, wäre sie völlig inhaltsleer.

2. Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in Fällen, in denen die Klage keine aufschiebende Wirkung hat, die aufschiebende Wirkung anordnen. Bei der Prüfung eines entsprechenden Antrags ist insbesondere auf die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren abzustellen: Verspricht sie offenbar Erfolg, besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, so dass die aufschiebende Wirkung herzustellen ist, während umgekehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommt, wenn die Klage aussichtslos ist (Keller, a.a.O., § 86b Rdn. 12c). Weitere Gesichtspunkte wie etwa die Unbilligkeit einer sofortigen Vollziehung sind (nur) ergänzend heranzuziehen (a.a.O. Rdn. 12d).

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist abzulehnen, weil die Klage nach dem gegenwärtigen Vortrag keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Ast. wendet sich gegen die Rückforderung von Konvergenzmitteln nach § 272 SGB V, weil sie der Auffassung ist, dass bereits erhaltene Zahlungen aus Gründen des Vertrauensschutzes und nach dem Sinn und Zweck der Konvergenzzahlungen nicht zurückzuzahlen seien. Sie hat (jedenfalls bisher) aber nicht eingewandt, die Neuberechnung des Konvergenzvolumens der AG im angefochtenen Bescheid sei fehlerhaft oder mit den Vorgaben des § 272 Abs. 1 nicht vereinbar. Ihre Annahme, diese bisher empfangenen monatlichen Zuweisungen nach § 272 SGB V seien in keinem Fall zurückzuzahlen, ist abwegig und nicht nachzuvollziehen.

a) § 272 Abs. 1 SGB V soll sicherstellen, dass sich aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds die Belastungen der Krankenkassen in einem Land nur in Schritten von maximal 100 Millionen Euro pro Jahr aufbauen. Zur Ermittlung der Belastungen sind (vereinfacht) auf die jeweiligen Bundesländer bezogen die fiktiven Beitragseinnahmen bei Fortführung des kassenindividuellen Beitragssatzes den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfond gegenüberzustellen. Übersteigen die fiktiven Beitragseinnahmen die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds, erhält die "in einem Land tätige" Kasse den über 100 Millionen Euro liegenden Betrag "im Jahresausgleich für das jeweilige Ausgleichsjahr" (§ 272 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Das Gesetz macht den Anspruch auf Erhöhung der Zuweisungen nach § 266 Abs. 1 Satz 1 SGB V also davon abhängig, dass in dem Ausgleichsjahr die Belastungen 100 Millionen Euro übersteigen. Die gesetzliche Vorgabe, dass die Erhöhung "im Jahresausgleich für das jeweilige Ausgleichsjahr" erfolgt, zeigt, dass es allein auf die endgültig für das Ausgleichsjahr ermittelten Werte ankommt, also eine Erhöhung der "normalen" Zuweisungen nur und nur insoweit zu erfolgen hat, als nach den Geschäfts- und Rechnungsergebnissen aller Kassen sich tatsächlich im Ausgleichsjahr eine den Grenzwert von 100 Millionen Euro übersteigende Belastung einer in einem Land tätigen Krankenkasse ergibt. Nach der gesetzlichen Konzeption kann somit nur ein im Jahresausgleich festgestellter Erhöhungsbetrag nach § 272 SGB V maßgeblich sein.

b) Anders als § 266 Abs. 6 Satz 1 SGB V enthält § 272 SGB V keine Bestimmung für die Ermittlung vorläufiger Werte, die dann der Zahlung monatlicher Zuweisungen zugrundezulegen sind. Angesichts des Umstandes, dass, wie dargelegt, § 272 Abs. 2 SGB V für den Anspruch auf Erhöhung der Zuweisungen auf die Belastungen im Jahresausgleich abstellt und erst nachträglich die tatsächlich entstandene "Sonderbelastung" beurteilt werden kann, stellt sich die Frage, ob tatsächlich - wie geschehen - sinnvollerweise schon die monatlichen Zuweisungen erhöht werden konnten. Zwar sieht § 272 Abs. 4 SGB V u.a. eine Verordnungsermächtigung zur Regelung von Abschlagszahlungen vor. Die die monatlichen Abschlagszahlungen regelnde Vorschrift des § 39 RSAV enthält allerdings keine Bestimmung zur Ermittlung der Werte nach § 272 SGB V im Rahmen der monatlichen Zuweisungen. Lediglich mittelbar kann aus § 33a Abs. 1 Satz 3 RSAV und § 41 Nr. 3 RSAV entnommen werden, dass bereits die monatlichen Abschlagszahlungen um (voraussichtliche) Ausgleichsbeträge nach § 272 SGB V erhöht werden. Sind aber diese Erhöhungsbeträge Bestandteil des monatlichen Abschlagsverfahrens, können die monatlich erbrachten Konvergenzzuweisungen nach § 272 SGB V auch nur das rechtliche Schicksal der monatlichen Zuweisungen nach §§ 266 Abs. 6 Satz 2, 39 RSAV teilen; es gibt keine Vorschrift, die für Konvergenzzuweisungen nach § 272 SGB V bestimmt, dass bereits gezahlte Beträge "Bestandsschutz" genießen.

c) Die Argumentation der ASt., Rückzahlungsverpflichtungen von Mitteln nach § 272 SGB V stünden im Widerspruch zu dem Sinn und Zweck der Vorschrift, weil die auszugleichenden höheren Ausgaben aufgrund der Versorgungsstruktur tatsächlich Monat für Monat anfielen, geht völlig an der Sache vorbei. Wie bereits oben dargelegt, stellt § 272 SGB V auf die Belastung im Ausgleichsjahr ab. Bei Schaffung der Vorschrift war allen Beteiligten klar, dass mangels gesicherter Daten eine Quantifizierung der Auswirkungen des Gesundheitsfonds mit einem hohen Unsicherheitsgrad behaftet war (s. insoweit neben der Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Bahr auf eine schriftliche Frage, BT-Drucksache 17/2537, 69; Schmehl in: Sodan, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 39 Rdn. 102). Es war somit den Beteiligten einschließlich der ASt bekannt, dass die vorläufigen Zahlungen für 2009 auf einer unsicheren Datengrundlage erfolgten. Ergibt nun aber die Berechnung auf einer aktualisierten Datengrundlage im Jahresausgleich, dass es gar nicht zu den zunächst erwarteten Mehrbelastungen in den einzelnen Bundesländern gekommen ist, gibt es keinen sachlichen Grund für höhere Zuweisungen nach § 272 SGB V, da die bestehenden Versorgungsstrukturen auskömmlich mit den "regulären" Zuweisungen aus dem Gesundheitsfond finanziert werden können. Die Rückzahlung zu viel erhaltener Konvergenzmittel entspricht somit gerade dem Sinn und Zweck des § 272 SGB V, da dieser nur die bei Einführung des Gesundheitsfonds befürchteten Mehrbelastungen abfedern sollte. Ohnehin wird die Verfassungsmäßigkeit einer "Föderalisierung" des Ausgleichssystems bezweifelt (vgl. Schmehl, a.a.O. Rdn. 105 ff.). Wenn nunmehr die ASt sogar höhere Zuweisungen behalten dürfte, obwohl sie tatsächlich keine entsprechende Belastung aufgrund der Einführung des Gesundheitsfonds trifft, würde dies die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den § 272 SGB V noch verstärken.

d) Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Zuweisungen ist § 41 Abs. 4 Satz 3 RSAV. §§ 45, 47 SGB X finden daneben keine Anwendung. Insoweit werden, wie die AG zutreffend ausgeführt hat, auf der Grundlage der §§ 266 Abs. 7 Nr. 5, 6, 272 Abs. 4 Satz 1 SGB V in der RSAV gemäß § 37 Sozialgesetzbuch Erstes Buch abweichende Regelungen getroffen, die die Vorschriften des SGB X verdrängen. Auch die ASt bezweifelt nicht, dass hinsichtlich der "regulären" Zuweisungen sich im Jahresausgleich Ausgleichsverpflichtungen ergeben können, die sich allein nach § 41 RSAV bestimmen. Wie oben dargelegt gibt es für die monatlichen Konvergenzzuweisungen keine spezielle Regelung, so dass sie somit nur das rechtliche Schicksal der monatlichen Zuweisungen nach § 266 Abs. 6 Satz 2 SGB V teilen können. Sie sind somit ebenso wie die anderen Zuweisungen gegebenenfalls nach § 41 Abs. 4 Satz 3 RSAV an den Gesundheitsfonds zurückzuzahlen, wenn die nach § 41 Abs. 3 RSAV im Jahresausgleich ermittelten Zuweisungen unter den bisher erbrachten Zuweisungen liegen.

Die Argumentation der ASt, § 41 Abs. 1 Nr. 3 RSAV dürfe wegen der Formulierung "Erhöhung der Zuweisungen" nur zu einer Erhöhung der Zuweisung nach § 33c Abs. 2 RSAV führen, erfasse also nur die Fälle, in denen sich herausstelle, dass sich die bisherigen Zuweisungen nach § 272 SGB V als zu niedrig erwiesen, ist so fernliegend, dass sie nur vor dem Hintergrund des gewünschten Ergebnisses verständlich ist. § 41 Abs. 1 RSAV bestimmt lediglich, welche Zahlen für das Ausgleichsjahr neu zu ermitteln sind, nämlich die Werte für die standardisierten Leistungsausgaben (Nr. 1), die sonstigen Ausgaben (Nr. 2) und für die Konvergenzzuweisungen (Nr. 3). Da es durch Konvergenzzahlungen nur zu einer Erhöhung von Zuweisungen nach Nr. 1 und Nr. 2 kommen kann (§ 33c Abs. 2 Satz 1 RSAV), spricht das Gesetz in Nr. 3 von der Erhöhung der Zuweisungen. Zuweisungen in diesem Zusammenhang sind aber allein die Zuweisungen für standardisierte Leistungsausgaben und sonstige Ausgaben. Ob die Neuberechnung der Werte zu einem Ausgleichsanspruch oder einer Ausgleichsverpflichtung führt, wird aber nicht in § 41 Abs. 1 RSAV, sondern in dessen Abs. 4 geregelt, so dass aus der Formulierung in § 41 Abs. 1 Nr. 3 RSAV keine Schlussfolgerungen hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens von Ausgleichsverpflichtungen gezogen werden können. Auch wenn die Neuberechnung nach § 41 Abs. 3 RSAV nur für die Zuweisungen nach §§ 266 Abs. 2 S. 1, 270 SGB V gilt, kann daraus nicht geschlossen werden, dass dementsprechend auch eine Ausgleichsverpflichtung nach § 41 Abs. 4 S. 3 RSAV nicht die Anpassungsbeträge nach § 272 SGB V erfasse. Vielmehr ist die Neuberechnung der "normalen" Zuweisungen Voraussetzung für die Prüfung, ob eine Erhöhung dieser Zuweisungen vorzunehmen ist, so dass sich eine evtl. Ausgleichsverpflichtung nach Abs. 4 S. 3 auf die Zuweisungen insgesamt bezieht.

Diese Ausgleichsverpflichtung wäre nach § 41 Abs. 4 RSAV noch im Jahre 2010 in voller Höhe fällig gewesen. Lediglich aufgrund der durch die 22. RSAVÄndV eingeführte Regelung in Abs. 4a wird die Fälligkeit der Rückzahlung von Konvergenzmitteln auf das Jahr 2011 verschoben und auf zwölf monatliche Teilbeträge gestreckt. Sowohl in der Begründung des Entwurfs der Änderungsverordnung vom 22.09.2010 (BR-Drs. 578/10, 3) als auch im Änderungsantrag der Länder Bayern und Baden-Württemberg vom 03.11.2010 (BR-Drs. 578/1/10, 2) wird aber selbstverständlich davon ausgegangen, dass einzelne Krankenkassen mit hohen Rückforderungen wegen der Konvergenzzahlungen zu rechnen haben, mit anderen Worten: schon nach dem geltenden Recht begründet sind. § 41 Abs. 4a RSAV trifft also nur eine Sonderregelung für die Fälligkeit der Rückzahlungen von Konvergenzzahlungen (was dazu geführt hat, dass die ASt sogar im November 2010 noch rund 29 Millionen Euro erhalten hat, ihr also quasi ein unverzinsliches Darlehen gewährt wurde), schafft aber nicht erst die Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Zuweisungen. Schon von daher gehen Überlegungen der ASt. zur angeblich unzulässigen Rückwirkung des § 41 Abs. 4a RSAV ins Leere. Unabhängig davon läge angesichts der Tatsache, dass die am 11.11.2010 verkündete Vorschrift am 12.11.2010 in Kraft getreten ist (Art. 2 der 22. RSAVÄndG), also schon vor Erlass des angefochtenen Jahresausgleichsbescheids, nur ein Fall der tatbestandlichen Rückanknüpfung ("unechte Rückwirkung") vor, die hier schon deshalb verfassungsrechtlich zulässig wäre, weil für das Behaltendürfen von auf ungesicherter Datenbasis erlangten Zahlungen kein sachlicher Grund gegeben ist.

e) Im Übrigen sind auch die Ausführungen der Ast. zu dem vermeintlichen Vertrauensschutz ohne Substanz. Allen Akteuren war bei Einführung des Gesundheitsfonds und der Schaffung der - als lex Bayern apostrophierten (vgl. Schmehl, a.a.O., § 39 Fußnote 96) - Regelung des § 272 SGB V bekannt, dass die Höhe der länderspezifischen Belastungen mangels aktueller Daten nicht sicher abschätzbar war. Die Berechnung der Abschlagszahlungen für das Ausgleichsjahr 2009 erfolgte auf der Grundlage der Daten aus dem Jahre 2006 bzw. 2007. Nachdem im Herbst 2009 aktualisierte Daten vorlagen, hatte das BVA bereits am 17.11.2009 auf den Rückgang des Konvergenzvolumens hingewiesen und prognostiziert, dass im Jahresausgleich 2009 die errechnete Belastung für Bayern unter dem Schwellenwert von 100 Millionen Euro liegen werde. Da nach § 33a Abs. 1 Satz 3 RSAV für das monatliche Abschlagsverfahren die "alten" Daten zugrundezulegen waren, war die Aktualisierung der Daten nur für den Jahresausgleich relevant. Die ASt musste aber seit der Mitteilung des BVA davon ausgehen, dass es zu Rückzahlungen kommen werde. Die konkret drohende Ausgleichsverpflichtung konnte die ASt - wie sie selbst vorträgt - im April 2010 mit Hilfe eines vom BVA im Internet zur Verfügung gestellten Berechnungsvordrucks ermitteln, was sie auch zum Anlass der Erhebung der vorbeugenden Feststellungsklage genommen hat. Vor diesem Hintergrund ist schlechthin unverständlich, worauf sich ein Vertrauen der ASt auf ein Behaltendürfen der zu viel erhaltenen Konvergenzzahlungen stützen können sollte. Sie musste vielmehr angesichts ihrer offenkundig nicht tragfähigen rechtlichen Argumentation zum Vertrauensschutz spätestens seit April 2010 die Ausgleichsverpflichtung in ihre Finanzplanung einstellen.

f) Der angefochtene Ausgleichsbescheid ist hinsichtlich der Ausgleichsverpflichtung nach § 272 SGB V auch nicht aus sonstigen Gründen rechtswidrig. Soweit die ASt im Hauptsacheverfahren die bisher angefochtenen Grundlagenbescheide auch mit der Begründung angegriffen hat, diese seien schon mangels ordnungsgemäßer Anhörung und wegen ungenügender Begründung formell rechtswidrig, würde auch diese Begründung den Jahresausgleichsbescheid nicht in Frage stellen. Die Vorschriften des SGB X über das Verwaltungsverfahren, insbesondere die §§ 24, 35 SGB X finden im Rahmen des Risikostrukturausgleichs keine Anwendung. Die diesbezügliche Rechtsprechung des BSG zum "alten" Risikostrukturausgleich (SozR 4-2500 § 266 Nr. 1) beansprucht weiterhin uneingeschränkt Geltung. §§ 266, 267 SGB V und die RSAV treffen auch in den jetzigen Fassungen eigenständige, spezielle Regelungen (vgl. auch Schmehl, a.a.O., § 39 Rdn. 88). Es ist nicht ersichtlich, inwiefern allein wegen der ausschließlichen Finanzierung der Ausgaben der Kassen durch Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds sich nunmehr eine andere Beurteilung ergeben sollte.

Nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens verspricht somit die Klage gegen den Ausgleichsbescheid vom 16.11.2010 hinsichtlich der festgesetzten Ausgleichsverpflichtung aus § 272 SGB V keine Aussicht auf Erfolg, so dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Die ASt wendet sich gegen eine Ausgleichsverpflichtung in Höhe von rund 91 Millionen Euro; wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren nur ein Bruchteil von ¼ bis 1/3 dieses Wertes als Streitwert festgelegt, wird damit bereits der im sozialgerichtlichen Verfahren geltende maximale Streitwert von 2,5 Millionen Euro überschritten, so dass dieser Wert festzusetzen war.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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