L 2 AS 49/10 B ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 283/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AS 49/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 2. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein mittlerweile beendetes vor dem Sozialgericht Halle (SG) geführtes einstweiliges Rechtsschutzverfahren, in dem sie und die weiteren Mitglieder ihrer Familie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Zahlung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) begehrten.

Die Antragstellerin lebt mit ihrem Mann und zwei gemeinsamen Kindern zusammen; die Familienmitglieder bezogen nach Aktenlage zumindest bis Ende Februar 2010 als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Unter Berücksichtigung des Einkommens aus einer Erwerbstätigkeit des Ehemanns der Antragstellerin in Höhe von monatlich netto 1.798,98 EUR bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und den anderen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 17. Dezember 2009 Leistungen für den Monat Dezember 2009 in einer Gesamthöhe von 217,40 EUR, für den Monat Januar 2010 in einer Gesamthöhe von 224,40 EUR und für den Monat Februar 2010 in einer Gesamthöhe von 253,40 EUR. Die unterschiedlichen Leistungshöhen beruhten auf der jeweils unterschiedlichen Höhe des dem jüngeren Sohn der Antragstellerin (der im Januar 2010 das sechste Lebensjahr vollendete) bewilligten Sozialgeldes. Bereits am 15. Dezember 2009 hatte die Antragsstellerin der Antragsgegnerin anlässlich einer Vorsprache mitgeteilt, das Arbeitsverhältnis ihres Ehemannes sei mit Wirkung zum 11. Dezember 2010 gekündigt worden und er werde aus diesem Arbeitsverhältnis letztmalig Anfang Januar 2010 das (anteilige) Entgelt für Dezember 2009 erhalten. Die Mitteilung fand bei der Erstellung des Bescheides vom 17. Dezember 2009 noch keine Berücksichtigung und Anfang Januar 2010 kam nur der bewilligte Betrag von 224,40 EUR zur Auszahlung. Am 11. Januar 2010 überreichte die Antragstellerin persönlich bei der Antragsgegnerin die Entgeldabrechnung ihres Ehemanns für Dezember 2009, wonach dieser nur noch netto 552,71 EUR verdient hatte.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14. Januar 2009 (abgesandt per Telefax) erhoben die Verfahrensbevollmächtigten der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für diese Widerspruch gegen den Leistungsbescheid vom 17. Dezember 2009 und führten aus: Der Ehemann der Antragstellerin werde am 1. Februar 2010 eine neue, unbefristete Arbeitsstelle annehmen. Das erste Entgeld werde aber erst im März 2010 zur Auszahlung kommen. Deshalb sei im Februar 2010 überhaupt kein Einkommen zu erwarten. Die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft seien auf Zahlungen in gesetzlicher Höhe angewiesen. Es werde "von Bearbeitung der Sache und Rückmeldung bis zum 18.01.2010, 12 Uhr" ausgegangen.

Die Antragstellerin und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft haben am 19. Januar 2010 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei SG mit dem Begehren gestellt, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihnen Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren und dabei für Januar 2010 nur ein geringeres Erwerbseinkommen und für Februar 2010 kein Erwerbseinkommen des Ehemanns der Antragstellerin anzurechnen. Zugleich haben sie beantragt, ihnen Prozesskostenhilfe für das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu bewilligen. Diesem Antrag war die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse der Antragstellerin beigefügt, wobei angegeben war, sie verfüge über ein Guthaben bei der B ...sparkasse N ... Ein Beleg über die Höhe des Guthabens ist in den Akten nicht zu finden. Nach den Angaben der Antragsgegnerin (wohl aufgrund von mit einem Weiterbewilligungsantrag vorgelegten Belegen) im Antragsverfahren war Anfang Januar 2010 auf dem Girokonto der Antragstellerin bzw. der Eheleute ein Guthaben von 1.064,00 EUR vorhanden.

Die Antragsgegnerin hat die ihr mitgeteilte Veränderung im Einkommen des Ehemanns der Antragstellerin im Monat Januar 2010 bzw. den Wegfall des Einkommens im Monat Februar 2010 mit Bescheid vom 21. Januar 2010 berücksichtigt und den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft für Januar 2010 nunmehr 954,48 EUR (statt 224,40 EUR) und für den Monat Februar 2010 1.304,95 EUR (statt 263,40 EUR) bewilligt. Daraufhin haben die Antragstellerin und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Schriftsatz vom 29. Januar 2010 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Das SG hat mit Beschluss vom 2. Februar 2010 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Dem Antrag habe von Anfang an das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt. Die im Schriftsatz vom 14. Januar 2009 gesetzte Frist sei zu kurz gewesen. Es wäre auch geboten gewesen, vor der Einreichung des einstweiligen Rechtsschutzantrags bei der Antragsgegnerin telefonisch nachzufragen und es wäre zuzumuten gewesen, zur Überbrückung auf das Guthaben auf dem Girokonto zurückzugreifen. Den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft hat das SG als unzulässig abgelehnt, weil für diese Personen keine Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt worden seien.

Gegen den ihr am 4. Februar 2010 zugestellten Beschluss hat nur die Antragstellerin am 9. Februar 2010 Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Sie habe mehrfach bei der Antragsgegnerin um Korrektur des Leistungsbescheides vom 17. Dezember 2009 nachgesucht, bevor beim SG der einstweilige Rechtsschutzantrag eingereicht worden sei. Die Antragsgegnerin habe auch auf das Schreiben vom 14. Januar 2010 nicht reagiert. Es habe von ihr nicht verlangt werden können, auf das Guthaben auf dem Girokonto zurückzugreifen. Der Bedarfsgemeinschaft habe insgesamt ein verwertungsgeschützter Freibetrag von 12.400,00 EUR zugestanden. Mit dem Geld auf dem Girokonto habe zudem der Lebensunterhalt der Familie bestritten werden müssen.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 2. Februar 2010 abzuändern und ihr für das erstinstanzliche Antragsverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt P ... zu bewilligen.

Weiter der näheren Einzelheiten wird Bezug auf die Gerichtsakten genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch der Antragstellerin auf Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Antragsverfahren wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 1 BvR 94/88 – NJW 1991, 413). Prozesskostenhilfe kommt dagegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R = SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Das Begehren der Antragstellerin im einstweiligen Rechtschutzverfahren war als Antrag auf Erlass einer Regelungsverfügung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auszulegen. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Hier kam allein eine Regelungsanordnung in Betracht. Die Anordnung kann erlassen werden, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber dem Antragsgegner besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung den Ausgang des Hauptsacheverfahrens (hier des Klageverfahrens) abwarten müsste und deswegen wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Maßgebend für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über den Antrag.

Hier fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Die Antragstellerin hatte nicht glaubhaft gemacht, ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung das Erleiden wesentlicher Nachteile befürchten zu müssen. Aufgrund der in der Sache wegen veränderter Umstände unzutreffenden Leistungsberechnung für den Monat Januar 2010 hatte die Antragsgegnerin der Antragstellerin und den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Anfang dieses Monats nur einen Betrag von 224,40 EUR überwiesen, obwohl zur Bedarfsdeckung ein Leistungsbetrag in Höhe von 954,48 EUR erforderlich gewesen wäre. Es lag somit bezogen auf den Monat Januar 2010 (zunächst) eine "Unterdeckung" von 730,08 EUR vor. Zur Abdeckung dieses Fehlbetrages war es der Antragstellerin und ihrer Familie zuzumuten, zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts auf das Guthaben auf ihrem Girokonto zurückzugreifen, was sie nach dem Vortrag in der Beschwerdeschrift letztlich auch getan haben. Es ist zutreffend, dass dieses Guthaben mangels anderer Vermögenswerte nach der Freibetragsregelung im § 12 Abs. 2 SGB II verwertungsgeschützt war. Die Antragstellerin und ihre Familie brauchten somit den Guthabensbetrag grundsätzlich nicht für ihren Lebensunterhalt einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung einsetzen. Hier war aber nach dem Sachverhalt nicht damit zu rechnen, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin und ihrer Familie auf Dauer bedarfsdeckende Leistungen versagen wollte. Die Antragsgegnerin hatte einen Anspruch der Antragstellerin und ihrer Familie auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der veränderten Einkommensverhältnisse nicht bestritten. Bei objektiver unvoreingenommener Betrachtung war mit einer antragsgemäßen Abänderung der Leistungsbewilligung und einer Nachzahlung durch die Antragsgegnerin zu rechnen. Im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin die genauen Einkommensverhältnisse für Januar 2010 erst am 11. Januar 2010 mitgeteilt hatte, war bei Einreichung des einstweiligen Rechtsschutzantrags am 19. Januar 2010 und auch in der Zeit bis zum Erlass des die veränderte Einkommenslage berücksichtigenden Änderungsbescheides vom 21. Januar 2010 noch keine Situation eingetreten, die ein weiteres Zuwarten unzumutbar machte. Insbesondere brauchte die Antragstellerin nicht befürchten, für den Monat Februar 2010 werde ebenfalls nur die Leistung in der mit Bescheid vom 17. Dezember 2010 bewilligten Höhe überwiesen werden. Auch angesichts des anwaltlichen Schreibens vom 14. Januar 2010 und des "Verstreichens" der dort gesetzten Frist musste die Antragstellerin nicht damit rechnen, mit ihrem in der Sache berechtigten Anliegen bei der Antragsgegnerin kein Gehör zu finden. Die in diesem Schreiben gesetzte Frist bis zum 18. Januar 2010 war zu kurz, um ernsthaft mit einer "fristwahrenden" Reaktion der Antragsgegnerin rechnen zu können. Die Antragsgegnerin ist der für eine Vielzahl von Hilfebedürftigen zuständige Leistungsträger. Gerade im Bereich des SGB II ist bei Neuanträgen und bei den immer wieder zahlreich auftretenden Änderungen während des laufenden Hilfebedarfs meist eine schnelle Bearbeitung erforderlich. Dass dabei oft aus Sicht der Betroffenen zu lange Bearbeitungszeiten und Notlagen auftreten, ist gerichtsbekannt. Die Antragsgegnerin ist aber nicht gehalten, einen Vorgang besonders schnell zu bearbeiten, weil Verfahrensbevollmächtigte eine besonders knappe Frist setzen. Der Antragsgegnerin war eine längere Bearbeitungsfrist einzuräumen. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Antragstellerin die Antragsgegnerin schon Mitte Dezember 2010 über die bevorstehende Änderung informiert hatte und am 11. Januar 2010 das im Januar 2010 zugeflossene bzw. zu erwartende Einkommen mitgeteilt hatte, hat die Antragsgegnerin mit dem Erlass des Änderungsbescheides vom 21. Januar 2010 noch im angemessenen zeitlichen Rahmen reagiert. Maßgeblich ist hierfür, dass die Antragsgegnerin - wie bereits ausgeführt - für die Bearbeitung einer Vielzahl eiliger Leistungsanträge zuständig ist und dass - wie ebenfalls bereits ausgeführt - im Monat Januar 2010 ohne Nachteile in einem zur Bedarfsdeckung ausreichenden Umfang von der Antragstellerin und ihrer Familie auf frei verfügbares Guthaben auf dem Girokonto zurückgegriffen werden konnte. Es wäre der Antragstellerin vor einer Anrufung des SG somit zumutbar gewesen, zumindest solange abzuwarten, bis auch für Anfang Februar 2010 nicht mehr mit einer Berücksichtigung der veränderten Einkommenslage zu rechnen gewesen wäre. Dies war unter Berücksichtigung aller Gesamtumstände bis zum Erlass des Änderungsbescheides vom 21. Januar 2010 noch nicht der Fall.

Kosten sind nicht zu erstatten (§ 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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