L 19 AS 74/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 43 AS 226/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 74/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 37/11 B
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
NZB als unzulässig verworfen
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.10.2009 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die mit einer Rückforderung in Höhe von 4.283,51 EUR verbundene teilweise Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) im Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.11.2007.

Die 1951 geborene Klägerin ist ausgebildete Anwaltsgehilfin. Sie bezog nach ihrer letzten beruflichen Tätigkeit als Phonotypistin im Jahr 1984 Arbeitslosengeld, sodann Arbeitslosenhilfe sowie ab dem 01.11.1992 ergänzende Leistungen nach dem Wohngeldgesetz sowie nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Am 16.11.2004 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. In der Anlage "Zusatzblatt 1" zu diesem Antrag gab sie auf die Frage nach ihren Wohnverhältnissen die Vermieteradresse und die Bankverbindung des Vermieters an, nicht jedoch die Höhe der monatlich anfallenden Miete. Die Klägerin reichte einen Mietvertrag vom 26.03.1980 bezüglich der Anmietung einer 72 qm großen Wohnung zu einem Mietzins von 660,00 DM ein sowie einen Wohngeldbescheid, der als Berechnungsgrundlage eine zu berücksichtigende Miete von 307,34 EUR sowie eine Heizkostenvorauszahlung von 61,36 EUR mtl. ausweist.

Mit Bescheid vom 02.12.2004 wurden der Klägerin Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 368,70 EUR bewilligt.

Am 28.04.2005 beantragte die Klägerin "vorsorglich die Übernahme der Kosten der Betriebskostenabrechnung vom 21.04.2005". Die sich hieraus ergebende Nachzahlung von 236,97 EUR wurde bewilligt und die Leistungen für Unterkunft und Heizung wurden erhöht.

Hierfür bedankte sich die Klägerin mit Schreiben vom 18.05.2005. Sie habe wie schon in den vergangenen Jahren die Übernahme der nachzuentrichtenden Betriebskosten vorsorglich beantragt, weil sie der Meinung sei, dass die Angelegenheit verwirkt sei, der Eigentümer dies aber anders sehe und zurzeit noch offen sei, ob seitens der Eigentümer bei Gericht geklagt werde. Der überwiesene Nachzahlungsbetrag solle von der nächsten Zahlung an sie abgezogen werden.

In mehreren Folgeanträgen bestätigte die Klägerin jeweils unterschriftlich, Änderungen in ihren Verhältnissen seien nicht eingetreten. Auf Grundlage dieser Angaben wurden der Klägerin mit Folgebescheiden vom 10.05.2005, 09.11.2005 und 05.05.2006 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung monatlicher Kosten der Unterkunft von 478,61 EUR ab Mai 2005 bewilligt und ausgezahlt.

Am 04.05.2006 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, ihre Miete werde als unangemessen hoch angesehen und in tatsächlicher Höhe längstens bis zum 31.08.2006 als Unterkunftsbedarf anerkannt. Angemessen sei eine Miete von 288,00 EUR. Die Klägerin wurde zur Senkung ihrer Unterkunftskosten bzw. Suche einer kostenangemessenen Unterkunft aufgefordert.

Mit Bescheiden vom 04.08.2006, 28.11.2006 und 02.06.2007 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.09.2006 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der als angemessen angesehenen Kosten der Unterkunft einschließlich Heizung in Höhe von 384,50 EUR mtl.

Mit Schreiben vom 04.10.2007 fragte die Beklagte die Klägerin nach zwischenzeitlich unternommenen Versuchen zur Absenkung der Unterkunftskosten. Nach Abzug einer tatsächlichen Miete von 486,11 EUR mtl. verblieben ihr aufgrund der nur in abgesenkter Höhe bewilligten Unterkunftskosten 245,39 EUR zur Bestreitung des Lebensunterhalts. Dies sei nach menschlichem Ermessen nicht möglich, es stellten sich daher die Fragen, ob die Klägerin über weitere Einkünfte verfüge, finanzielle Unterstützung von Verwandten erhalte, einen Teil der Wohnung untervermietet habe oder der Vermieter zwischenzeitlich die Miete gesenkt habe. Mit Schreiben vom 11.10.2007 beantwortet die Klägerin alle vier gestellten Fragen negativ, gab an, sich von kargen, nur selten gewärmten Nahrungsmitteln zu ernähren sowie zahlreiche Schwierigkeiten bei der Beschaffung preiswerteren Wohnraumes zu haben.

Zur Klärung hieraus entstandener Zweifel hinsichtlich der tatsächlichen Lebensverhältnisse der Klägerin beauftragte die Beklagte ihren Außendienst mit der Durchführung einer Wohnungsbesichtigung bei der Klägerin. Zu deren Ergebnis wird auf den Bericht vom 27.11.2007 Bezug genommen. Danach gab die Klägerin an, sie habe von sich aus die Miete auf ca. 300,00 EUR mtl. gemindert, hierdurch verblieben ihr ca. 370,00 EUR mtl. zum Leben.

Mit Schreiben vom 29.11.2007 hörte die Beklagte die Klägerin zur einer beabsichtigten Aufhebung und Rückforderung der für Kosten der Unterkunft erbrachten Leistungen im Zeitraum vom 01.01.2005 bis 30.11.2007 in Höhe von 4.295,06 EUR an.

Mit Bescheid vom 24.01.2008 hob die Beklagte die Bewilligungsbescheide vom 02.12.2004, 10.05.2005, 09.11.2005, 05.05.2006, 04.08.2006 und 28.11.2006 teilweise auf und forderte von der Klägerin die Erstattung von 4.295,06 EUR für den Zeitraum von Januar 2005 bis November 2007. Die Überzahlung in Höhe der Differenz zwischen den von der Beklagten tatsächlich geleisteten zu den von der Klägerin gemindert an den Vermieter gezahlten Kosten der Unterkunft beruhe auf vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemachten Angaben der Klägerin zu ihren Mietaufwendungen.

Ihren Widerspruch gegen diese Entscheidung begründete die Klägerin damit, im Zusammenhang mit dem Folgeantrag vom 11.04.2005 keine höheren Unterkunftskosten geltend gemacht und deshalb zumindest diesen Teil der Überzahlung nicht verursacht zu haben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Ihr sei bereits bei Antragstellung bewusst gewesen, dass sie die Miete nicht in voller Höhe an den Vermieter weiterleite. Von zumindest grober Fahrlässigkeit könne daher ausgegangen werden.

Zur Begründung der am 24.10.2008 zum Sozialgericht erhobenen Klage hat die Klägerin angegeben, der geminderte Anteil der Miete habe ihr als Nachteilsausgleich für die mangelhafte Mietsache zugestanden, jedenfalls sei ihr Vertrauen schutzwürdig und sie habe das nach Auffassung der Beklagten zu viel erhaltene Geld verbraucht.

Mit Schreiben vom 10.03.2009 hat die Beklagte den Rückforderungsbetrag um 11,55 EUR auf 4.283,51 EUR reduziert im Hinblick auf die zwischenzeitliche Angabe der Klägerin, sie habe an ihren Vermieter monatlich durchgehend 303,33 EUR gezahlt.

Mit Urteil vom 29.10.2009 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und den Bescheid vom 24.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2008 aufgehoben. Die Klägerin genieße schutzwürdiges Vertrauen. Auf die Begründung des Urteils wird Bezug genommen.

Gegen das am 13.11.2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 25.11.2009 eingelegte Berufung der Beklagten, mit der sie ihre Auffassung darlegt, die Klägerin sei zur Mitteilung der tatsächlich gezahlten Miete verpflichtet gewesen und habe dies nur in mindestens grob fahrlässiger Vernachlässigung der sie betreffenden Sorgfaltspflichten verkennen können.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.10.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließt sich der Begründung des angefochtenen Urteils an. In der mündlichen Verhandlung des Senats hat die Klägerin den Gesichtspunkt hervorgehoben, der auf der Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung beruhende Teil der Rückforderung ab Mai 2005 sei nicht von ihr zu verantworten, da sie die Übernahme der höheren Nebenkostenvorauszahlung nur "vorsorglich" beantragt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten der Beklagten und der Sozialhilfeakten der Stadt Düsseldorf Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.01.2008 idF des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2008 ist nach dem mit Schreiben vom 10.03.2009 abgegebenen Teilanerkenntnis der Beklagten rechtmäßig.

Zu Recht hat die Beklagte die Bewilligung von Unterkunftskosten an die Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 30.11.2007 in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlich geleisteten Unterkunftskosten und der monatlich von der Klägerin an ihren Vermieter abgeführten Unterkunftskosten aufgehoben und die Erstattung der Differenz von der Klägerin verlangt.

Die Rechtsgrundlage für die Teilaufhebung der den Bewilligungszeitraum von Januar 2005 bis November 2007 betreffenden Bewilligungsbescheide bilden §§ 45 Abs. 1, 2 S. 3 Nr. 2 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X), 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 2 des Sozialgesetzbuches Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III).

Nach § 45 Abs. 1, 2 S. 3 Nr. 2 SGB X ist ein begünstigender Verwaltungsakt, soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, sofern er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Bei den Bewilligungsbescheiden vom 02.12.2004, 10.05.2005, 05.05.2006, 04.08.2006, 28.11.2006 handelt es sich um die Klägerin begünstigende Verwaltungsakte.

Diese waren teilweise, nämlich hinsichtlich der über die von der Klägerin an ihren Vermieter gezahlten 303,33 EUR hinausgehenden Unterkunftskosten nach § 22 SGB II rechtswidrig, also in Höhe eines Betrages von 4.283,51 EUR, nämlich 65,37 EUR mtl. (368,70 EUR - 303,33 EUR) in der Zeit von Januar bis April 2005, 175,28 EUR mtl. (478,61 EUR - 303,33 EUR) in der Zeit von Mai 2005 bis August 2006 und 81,17 EUR mtl. (384,50 EUR - 303,33 EUR) in der Zeit von September 2006 bis November 2007. Mietaufwendungen können nur in Höhe der tatsächlichen Zahlungen berücksichtigungsfähige Unterkunftskosten nach § 22 SGB II sein (Urteil des BSG vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 24).

Der grundsätzlich ohne Ermessensausübung nach §§ 45 Abs. 1 SGB X, 40 Abs. 1 SGB II, 330 Abs. 2 SGB III vorzunehmenden Rücknahme der teilweise rechtswidrigen Verwaltungsakte steht schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin nicht entgegen.

Nach § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X kann sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Die Klägerin kann sich auf schutzwürdiges Vertrauen nicht berufen, weil sie die tatsächliche Höhe der von ihr an den Vermieter gezahlten Unterkunftskosten entgegen einer bestehenden gesetzlichen Verpflichtung nicht mitgeteilt hat. Hierbei trifft sie der Vorwurf (mindestens) grob fahrlässigen Verhaltens.

Nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Sozialgesetzbuches Erstes Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) hat, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistungen erheblich sind.

Bei der Höhe der tatsächlichen Unterkunftskosten handelt es sich nach Vorstehendem um leistungserhebliche Angaben, weil hiervon die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II abhängt.

Diese tatsächlichen Unterkunftskosten hat die Klägerin jedoch zu keinem Zeitpunkt vor dem 27.11.2007 in zutreffender Höhe angegeben. Vielmehr hat sie beim Erstantrag anstelle der Bezifferung ihrer tatsächlich geleisteten Miete einen Mietvertrag und einen Wohngeldbescheid mit der Berechnungsgrundlage der mietvertraglich geschuldeten Miete vorgelegt. Bei sämtlichen Folgeanträgen hat die Klägerin erklärt, leistungserhebliche Änderungen seien nicht eingetreten. Hierbei hat sich die Klägerin zur Überzeugung des Senats (mindestens) grob fahrlässig verhalten.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X) und schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht anstellt bzw. nicht beachtet, was in jedem Fall einleuchten muss (BSG Urteil vom 19.02.1986 - 7 RAr 55/84 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 22).

Zur Überzeugung des Senats konnte die Klägerin aufgrund ihrer Ausbildung zur Anwaltsgehilfin, ihrer im Akteninhalt ersichtlichen Einsichts- und Kritikfähigkeit und nach dem in der mündlichen Verhandlung am 22.11.2010 gewonnenen Eindruck erkennen, dass es für die Höhe der ihr zustehenden Leistungen auf die tatsächliche Höhe ihrer Unterkunftskosten und nicht auf die vertraglich geschuldete Miethöhe ankommt.

Die Klägerin ließ aber die Frage nach der Höhe der Miete im Rahmen sonst vollständig ausgefüllter Anträge unbeantwortet und suggerierte durch die unkommentierte Einreichung des Mietvertrags sowie eines Wohngeldbescheides auf Berechnungsgrundlage der mietvertraglich geschuldeten Zahlungen, ihr entstünden Unterkunftskosten in dieser Höhe.

Auf Grundlage der ihr mindestens halbjährlich zugehenden Bewilligungsbescheide, in denen die der Bewilligung zugrunde gelegten Unterkunftskosten ausgewiesen sind, musste die Klägerin auch jeweils erkennen, dass die Beklagte dem so geschaffenen Irrtum erlegen war. Sie unterließ jedoch weiterhin die Angabe der realen Unterkunftsaufwendungen.

Schon hiernach ist zur Überzeugung des Senats mindestens grobe Fahrlässigkeit auf Seiten der Klägerin festzustellen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts wird der Vorwurf, durch die fehlende, konkrete Angabe der Höhe der tatsächlich gezahlten Miete zumindest groß fahrlässig unrichtige Angaben gemacht zu haben, auch nicht dadurch abgeschwächt oder ausgeräumt, dass die Beklagte es unterlassen hat, die Ergänzung der unvollständigen Angaben im Erstantrag nachzufordern. Dieses Unterlassen hat die Klägerin nicht von ihrer Pflicht entbunden, im Erstantrag vollständige Angaben zu machen bzw. in den Folgeanträgen den Irrtum der Beklagten über die Höhe der von ihr tatsächlich gezahlten Miete durch die Angabe der tatsächlichen Verhältnisse zu berichtigen.

Einen Hinweis auf möglicherweise sogar vorsätzliches Verhalten der Klägerin findet sich in ihrer Reaktion auf die Anfrage der Beklagten vom 04.10.2007, in der u.a. nach einer vom Vermieter vorgenommenen Mietsenkung als möglicher Ursache für ein Auskommen der Klägerin mit den Leistungen nach dem SGB II unter Ansatz nur noch abgesenkter Unterkunftskosten gefragt worden war.

In ihrem Antwortschreiben vom 11.10.2007 beantwortete die Klägerin die gestellten Fragen unter Verwendung der von der Beklagten vorgegebenen Nummerierung und gab zur Frage der Mietsenkung an "Der Vermieter hat die Miete nicht gesenkt". Nach dem Ziel der Anfrage vom 04.10.2007, die finanziellen Verhältnisse der Klägerin zu ergründen, hätte es an dieser Stelle angestanden, den Umstand der Mietzahlung in geminderter Höhe zu offenbaren. Stattdessen beschränkte sich die Klägerin auf die vorstehenden Antworten. Sie berichtete von ihrer kargen Lebensführung, kritisierte empfundene politische Missstände und berichtete von zahlreichen Problemen, preiswerten Wohnraum zu finden. Erst am 27.11.2007 räumte sie im persönlichen Gespräch die vorgenommene Mietminderung ein.

Auch die Erklärungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 22.11.2010 konnten den Senat nicht von etwas anderem als dem Vorliegen mindestens grober Fahrlässigkeit überzeugen.

Ihr Erklärungsversuch, sie habe den Minderungsbetrag als Entschädigung für die geminderte Tauglichkeit der Unterkunft angesehen, ist schon im Ansatz abwegig. Zudem hat die Klägerin auch auf eingehendes Befragen des Senats keine auch nur in sich schlüssige Erklärung abgeben können, weshalb sie angenommen haben will, wegen teilweise Gebrauchsuntauglichkeit der Wohnung nicht nur berechtigt gewesen zu sein, die Mietzahlung an den Vermieter zu kürzen, sondern darüber hinaus noch eine aus Steuermitteln finanzierte "Entschädigung" von einem Sozialleistungsträger beanspruchen zu können. Auch das Vorbringen der Klägerin, sie habe hinsichtlich der erhöhten Betriebskostenforderung ab Mai 2005 zu erkennen gegeben, der von ihrem Vermieter erhobenen Forderung werde sie nicht entsprechen, verfängt nicht. Zwar wies die Klägerin gegenüber der Beklagten zweifach darauf hin, sie beantrage die Übernahme der weiteren Nebenkosten nur "vorsorglich". Auch erklärte sie, Zweifel an der Berechtigung dieser Forderung des Vermieters zu haben. Den wirklich entscheidungserheblichen Umstand, dass auch die weitere Forderung des Vermieters sie nicht bewogen hatte, mehr als 303,33 EUR an Kosten der Unterkunft inkl. Heizung an diesen zu zahlen, legte sie vor dem Hausbesuch am 27.11.2007 zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten offen. Der Senat wertet auch dieses Geschehen als einen Beleg dafür, dass es die Klägerin bewusst bei dem sich zu ihrem Vorteil auswirkenden Irrtum der Beklagten bewenden ließ.

Eine mittelbare Verursachung des Irrtums eines Leistungsträgers durch eine grob fahrlässige unvollständige Angabe entscheidungserheblicher Tatsachen i.S.v. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB I - vorliegend die Mietminderung und die Nichtzahlung der vom Vermieter geforderten erhöhten Nebenkostenvorauszahlung - reicht zur Erfüllung des Tatbestandes des § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X aus (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, § 45 Rn 38).

Die Klägerin ist nach § 24 SGB X angehört worden. Die Fristen des § 45 Abs. 4 SGB X sind gewahrt. Bei der Aufhebungsentscheidung nach §§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II, 330 Abs. 2 SGB III handelt es sich um eine gebundene Entscheidung.

Die Höhe der vorgenommenen Rückforderung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Erstattungsforderung nicht nach § 40 Abs. 2 S. 1 SGB II zu mindern, da ein Fall des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X vorliegt (§ 40 Abs. 2 S. 2 SGB II). Die Erstattungspflicht der Klägerin folgt aus § 50 Abs. 1 S. 1 SGB X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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