L 1 U 3553/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 U 108/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3553/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Juni 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).

Der 1964 geborene und in Frankreich wohnhafte Kläger ist seit 1994 bei der p. GmbH (Kunststoff verarbeitender Betrieb) tätig. Er arbeitet seit Juli 1995 in der Mischerei/Beschickungsbühne und muss bei dieser Tätigkeit Transportarbeiten erledigen, Gebinde befüllen und entleeren, Reinigungstätigkeiten verrichten, Materialzuführtrichter manuell mit Granulat befüllen, Hubwagen und Fahrstuhl bedienen sowie Quersitz- und Frontstapler fahren (Tätigkeitsauskunft des Arbeitgebers vom 6. März 2008). Nach Angabe des Klägers macht seine Tätigkeit als Staplerfahrer ca. 60% der Arbeitszeit aus.

Im November 2007 zeigte der Kläger das Vorliegen einer Berufskrankheit mit französischen Arztbriefen in Anlage an. Danach bestand seit Juli 2006 eine Epicondylitis rechts mit Nervenirritation (chronische Kompression). Der Kläger legte auch den Bericht über einen am 14. November 2007 erfolgten operativen Eingriff am rechten Ellbogen vor. Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen auf. Der Präventionsdienst führte in seinem Bericht vom 9. Mai 2008 nach einer Vor-Ort-Besichtigung u.a. aus, der Kläger müsse bei seiner Tätigkeit Containerware und Octabinen mit Hubwagen und Staplern bewegen. Bei der Glasleistenproduktion müsse Granulat von Hand zu gegeben werden. Das Material würde mit einem Eimer aus den Octabinen entnommen, ca. 6 Eimer je Stunde und pro Schicht 350 kg, im Jahr 2007 allerdings 12-15 Eimer je Stunde und 750 kg pro Schicht. Der Vorgang dauere je etwa 5 Minuten. Der Präventionsdienst kam zusammenfassend zum Schluss, dass aufgrund der relativ geringen Anzahl der belastenden Bewegungen in Abwechslung mit anderen Tätigkeiten mit anderem Belastungsprofil eine häufige Folge sich ständig wiederholender einseitiger Bewegungen nicht vorliege und daher die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliegen würden.

Nach Beteiligung des staatlichen Gewerbearztes (Stellungnahme vom 1. Juli 2008) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. August 2008 die Anerkennung von Sehnenscheidenbeschwerden als BK sowie die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Infolge der nur geringen Anzahl von belastenden Bewegungen und der zu bewegenden Lasten pro Bewegung und einer zudem bestehenden Abwechslung mit Tätigkeiten mit anderem Belastungsprofil liege keine häufige Folge sich ständig wiederholender einseitiger Bewegungen vor, so dass eine BK nach Nr. 2101 nicht zur Anerkennung komme.

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, seine Beschwerden hätten sich mittlerweile auf Schultern und Nacken ausgedehnt, was ebenfalls mit seiner Arbeitstätigkeit zusammen hänge. Beigefügt waren Arztbriefe, die von einer AC-Gelenksarthrose rechts mit Impingement der Supraspinatussehne (Kernspintomogramm vom 2. Juli 2008), einer intialen Discopathie C 6/7 im Sinne einer nicht raumfordernden medialen Protrusion bei unauffälligem Befund der Brustwirbelsäule (Kernspintomogramm vom 20. Mai 2008) berichteten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2008 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.

Dagegen hat der Kläger am 13. Januar 2009 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhoben und ausgeführt, die arbeitstechnischen Voraussetzungen seien völlig unzureichend ermittelt worden. Insbesondere sei die Tätigkeit als Staplerfahrer nicht in die Beurteilung eingeflossen. Bis 2004 wären die Fahrzeuge im Übrigen nicht mit einer Servolenkung ausgestattet gewesen. Darüber hinaus handle es sich bei den Eimern, mit denen Granulat nachgefüllt werde, um einfache Haushaltseimer ohne festen Griff, was eine enorme Kraftanstrengung im Unterarm provoziere. Auf Aufforderung des Gerichts hat der Präventionsdienst der Beklagten am 7. Juli 2009 eine umfassende Tätigkeitsbeschreibung und Bewertung der belastenden Tätigkeiten samt Fotodokumentation vorgelegt und die Auffassung vertreten, auch unter Berücksichtigung der vom Kläger geschilderten Arbeitsvorgänge lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vor. Der Kläger hat weiter daran festgehalten, dass insbesondere die Tätigkeit als Staplerfahrer die Anforderungen der BK Nr. 2101 der Anlage zur BKV erfülle.

Das SG hat bei Dr. J., Orthopäde, ein Gutachten in Auftrag gegeben. In dem Gutachten vom 9. November 2009 wird beschrieben, dass der Kläger bei der Untersuchung über einen Dauerschmerz im Nacken und Schmerzen in der rechten Schulter geklagt, den Zustand am rechten Ellbogen seit der operativen Behandlung vom 14. November 2007 und einer Rehabilitationsmaßnahme im April 2008 jedoch als weitgehend beschwerdefrei geschildert habe. Neben belastungsabhängigen Schulterschmerzen rechts mit Verdacht auf Impingementsymptomatik hat er am rechten ellenbogennahen Unterarm eine klinisch reizlose Narbe ohne neurologische Ausfälle, betreffend den Nervus radialis, beschrieben sowie eine freie Ellenbogenbeweglichkeit. Daneben bestehen geringe Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule ohne morphologisches Substrat. Weiter hat er ausgeführt, dass es beim Kläger 2006 zu einer Periostose gekommen sei, einer Erkrankung der Ansätze von Muskeln und Sehnen auf dem Knochen, wofür Überbeanspruchungs- und Abnutzungsvorgänge im Strecksehnengewebe ursächlich seien. Bei der vorbestandenen Epicondylitis humeri radialis handle es sich um eine entzündliche Erkrankung des Nebenhöckers am außenseitigen rechten Ellbogengelenk. Allerdings stünden der Anerkennung dieser Erkrankungen als BK die fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen entgegen. Darüber hinaus bestehe kein Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit. Die Beschwerden seien nach einmaliger Überlastung "bei einer Überschwemmung" aufgetreten und nach der OP weitgehend abgeklungen.

Mit Urteil vom 10. Juni 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung der Erkrankungen als BK fehlten. Schon die bei der Erwerbstätigkeit geforderten Bewegungsabläufe seien nicht für die Entstehung derartiger Beschwerden typisch; darüber hinaus liege keine mindestens 3stündige tägliche Einwirkungszeit vor.

Gegen das am 5. Juli 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 29. Juli 2010 Berufung eingelegt. Er trägt vor, dass er nach wie vor der Überzeugung sei, seine Tätigkeit, insbesondere die des Staplerfahrens, sei wesentlich ursächlich für die Beschwerden, ebenso das manuelle Beschicken der Extruder mit Kunststoffgranulat.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 10. Juni 2010 sowie den Bescheid vom 12. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Sehnenscheidenbeschwerden als Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Der Senat hat den Beteiligten mitgeteilt, es komme die Möglichkeit in Betracht, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zu dieser Verfahrensweise Stellung zu nehmen und sich mit diesem Vorgehen einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, nachdem die Beteiligten Gelegenheit erhalten hatten, sich hierzu zu äußern.

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht das Bestehen einer BK nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV abgelehnt und das SG die darauf gerichtete Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54, 55 SGG) abgewiesen.

Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 SGB VII).

Nach Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV können als BK anerkannt werden Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Das SG hat auf Seite 5 und 6 der Entscheidung ausführlich und mit zutreffender Begründung ausgeführt, welche Voraussetzungen eine Tätigkeit erfüllen muss, um überhaupt geeignet zu sein, eine solche Erkrankung hervorzurufen und weshalb bei dem Kläger unter umfassender Würdigung seiner betrieblichen Verrichtungen diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach eigener Prüfung auf diese Ausführungen und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nur ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass auch dann, wenn die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen unterstellt würde, die Anerkennung der BK nicht in Betracht kommen würde, da Dr. J. mit überzeugender Begründung den Zwang zur Unterlassung aller belastenden Tätigkeiten verneint hat. Der Kläger arbeitet nach wie vor im selben Unternehmen und übt die Tätigkeiten aus, die auch der Präventionsdienst seiner Beurteilung im SG-Verfahren zugrunde gelegt hat. Dies zeigt augenfällig nicht nur den fehlenden Unterlassungszwang, sondern auch auf, dass die vom Kläger verrichteten Tätigkeiten tatsächlich nicht die Anforderungen erfüllen, die die BK Nr. 2101 der Anlage 1 zur BKV verlangt. Denn der Kläger ist darüber hinaus nach eigenem Bekunden - bis auf einen Druckschmerz im Narbenbereich am Ellbogen - beschwerdefrei.

Die von ihm geschilderten Nacken- und Schulterschmerzen sind für die hier zur Beurteilung stehende BK ohne Belang.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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