L 20 AS 847/10 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 114 AS 22294/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 AS 847/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. März 2010wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt im Beschwerdeverfahren die Gewährung von Prozesskostenhilfe PKH für das vor dem Sozialgericht Berlin anhängige Klageverfahren zum Aktenzeichen S 114 AS 22294/08, mit dem sie die Verurteilung des Beklagten anstrebt, auch für die Zeit vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2008 die tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von 735,41 EUR zu übernehmen.

Die 1954 geborene Klägerin bewohnt allein stehend seit August 1992 bis 31. Oktober 2008 und auch darüber hinaus eine 3 ½ Zimmer große Wohnung in B.

Seit Januar 2005 erhält die Klägerin vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes, wobei der Beklagte zunächst - unter Abzug der Warmwasserpauschale - die tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von anfänglich 615,65 EUR bis 732,94 EUR im Oktober 2007 übernahm.

Mit Schreiben vom 14. März 2006 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass ihre tatsächlichen Kosten der Unterkunft den für einen 1-Personenhaushalt angemessenen Umfang in Höhe von 360,- EUR überstiegen. Sofern kein Ausnahmefall vorliege, müsste die Klägerin die derzeitigen Kosten der Unterkunft künftig senken, z.B. durch Umzug in eine neue, angemessene Wohnung. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft würden längstens noch für 6 Monate übernommen. Mit Schreiben vom 17. Januar 2007 informierte der Beklagte die Klägerin darüber, dass die Umzugsaufforderung bestehen bleibe, die Frist jedoch bis zum 31. Oktober 2007 verlängert werde.

Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheiden vom 7. und 16. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2008. Bei der Leistungsberechnung berücksichtigte der Beklagte Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 360,- EUR.

Im anschließenden Klageverfahren, mit der die Klägerin die Berechnungen ihres Arbeitslosengeldes II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 735,41 EUR begehrt, hat sie vorgetragen, sie sei in der Zeit vom 27. Dezember 2006 bis 1. Januar 2007, vom 17. bis 22. Januar 2007, vom 9. Februar bis 12. März 2007, vom 2. bis 10. April 2007, vom 10. bis 30. Mai 2007 sowie vom 6. bis 19. August 2007 arbeitsunfähig krank gewesen. In diesen Zeiten sei es ihr nicht möglich gewesen, sich um eine neue Wohnung zu kümmern. Auch in den Zeiten dazwischen habe sie ständig und ununterbrochen unter starken Rückenschmerzen gelitten, so dass eine Wohnungssuche nur eingeschränkt möglich gewesen sei. Darüber hinaus habe sie vom 20. März 2006 bis 12. Februar 2007 an einer ABM und vom 8. Oktober 2007 bis 28. März 2008 an einer Vollzeitmaßnahme "kaufmännische Fortbildung Büro" teilgenommen. Auch während dieser Maßnahmen habe sie sich nicht um eine neue Wohnung kümmern können. Sie lebe mit Dauerschmerzen und habe sich aufgrund des Druckes, der durch die Maßnahme und die Umzugsaufforderung entstanden sei, ab 24. April 2008 in psychologische Behandlung begeben müssen.

Für diesen Rechtstreit hat die Klägerin Prozesskostenhilfe beantragt. Den Antrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 22. März 2010 zurückgewiesen mit der Begründung, der Klägerin stünden Kosten der Unterkunft in Höhe einer abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete von 305,60 EUR zuzüglich Kosten der Heizung zu. Die Krankheit der Klägerin lasse die Möglichkeiten der Wohnungssuche oder eine Untervermietung nicht entfallen, ebenso wenig wie Fortbildungsmaßnahmen.

Zur Begründung der gegen diesen Beschluss erhobenen Beschwerde hat die Klägerin ausgeführt, sie bestreite nicht, das ihre tatsächlichen Unterkunftskosten im streitigen Zeitraum über den Kosten gelegen hätten, die nach der AV-Wohnen angemessen gewesen seien, die vorliegend unangemessenen tatsächlichen Kosten seien jedoch für ein weiteres Jahr bis zum 31. Oktober 2008 zu übernehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe - PKH - abgelehnt. Ein Anspruch auf PKH setzt nach § 73 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung - ZPO - u. a. voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Eine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO ist dann zu bejahen, wenn eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit besteht. Die bloße Möglichkeit eines Erfolges reicht nicht aus, es muss vielmehr eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit bestehen. Die Anforderungen daran dürfen jedoch nicht überspannt werden (BVerfG, Kammerbeschluss vom 30. Oktober 1991, 1 BvR 1486/91 - NJW 1992, 889). Eine Rechtsverfolgung ist dann hinreichend erfolgversprechend, wenn das Gericht nach vorläufiger summarischer Prüfung den Rechtsstandpunkt des Antragstellers unter Berücksichtigung des Vortrages des anderen Beteiligten zumindest für vertretbar und den Prozesserfolg für wahrscheinlich hält. Eine Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache erfolgt im Rahmen der Prüfung der Erfolgswahrscheinlichkeit im Prozesskostenhilfeverfahren nicht (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347). Bei der Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ist vom Antrag der klagenden Person auszugehen, der ggf. auszulegen ist.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze lässt sich nicht feststellen, dass die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg haben könnte. Die Beklagte dürfte im streitigen Zeitraum zu Recht die unangemessenen Kosten der Unterkunft nicht mehr übernommen haben.

1. Das Sozialgericht hat im angefochtenen Beschluss ausführlich dargelegt, dass es sich bei den nunmehr vom Beklagten anerkannten und übernommenen Kosten (mindestens) um die angemessenen Kosten der Unterkunft gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II handelt. Dies wird auch von der Klägerin nicht bestritten. Den Ausführungen des Sozialgerichts schließt sich der Senat an. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist auch nicht mit der nötigen hinreichenden Erfolgsaussicht zu erwarten, dass der Klägerin aufgrund der Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 19. Oktober 2010 (Az: B 14 AS 50/10 R und B 14 AS 2/10 R, zitiert nach Terminbericht 58/10 unter www.bundessozialgericht.de) höhere angemessene Kosten der Unterkunft zustünden. Ob das Sozialgericht die dort genannten Vorgaben zutreffend umgesetzt hat, wofür einiges spricht, kann letztlich offen bleiben, da die Beklagte ohnehin höhere angemessene Kosten der Unterkunft gewährt, als das Sozialgericht mit seiner Berechnungsmethode ermittelt hat.

2. Die Klägerin kann einen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen - unverhältnismäßig hohen - Kosten der Unterkunft für einen weiteren Zeitraum bis Oktober 2008 auch nicht erfolgreich auf § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II stützen. Danach sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft - auch soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen - als Bedarf so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beklagte die in dieser Vorschrift genannte Regelfrist von einem halben Jahr um mehr als das Dreifache auf 19 Monate ausgedehnt hat, denn ausgehend von der Kostensenkungsaufforderung vom 14. März 2006 hat der Beklagte noch bis 31. Oktober 2007 die tatsächlichen unangemessenen Kosten übernommen.

Darüber hinaus ist nicht erkennbar, inwiefern die benannten Gründe wie Arbeitsunfähigkeit, starke Rückenschmerzen sowie die Teilnahme an einer ABM und der Fortbildungsmaßnahme die Klägerin über einen so langen Zeitraum an einer erfolgreichen Wohnungssuche gehindert haben sollten.

Die Arbeitsunfähigkeit scheidet als Hinderungsgrund schon deswegen aus, da keine durchgehende Krankschreibung für den gesamten Zeitraum erfolgte, so dass in jedem Fall außerhalb der Krankenzeiten Kostensenkungsbemühungen möglich gewesen wären. Die geltend gemachten Arbeitsunfähigkeitszeiten lagen darüber hinaus ausschließlich nach Ablauf der Regelschonfrist von sechs Monaten - vorliegend nach dem 30. September 2006, so dass diese nicht einmal geeignet sind, die Sechsmonatsfrist zu verlängern. Darüber hinaus ist nicht glaubhaft gemacht worden, dass die Arbeitsunfähigkeit schlechthin einer Wohnungssuche entgegenstand.

Auch soweit die Klägerin an einer ABM und der Vollzeitmaßnahme "kaufmännische Fortbildung Büro" teilnahm, ist nicht erkennbar, warum nicht außerhalb dieser Maßnahmen Kostensenkungsbemühungen möglich waren. Soweit die Klägerin in ihrem Widerspruch gegen die Umzugsaufforderung vom 14. März 2006 ausführt, dass ihr außerhalb der ABM nach 15.30 Uhr die für einen Umzug notwendigen Verrichtungen wie Inserate besorgen, Wohnungsbewerbungen, Wohnungsbesichtigungen, Angebote für Renovierung und Umzüge einholen, Auflösung bzw. Veräußerung von Gegenständen sowie Behördengänge in keinster Weise möglich seien, ist dies nicht nachvollziehbar. Möglich erscheinen zumindest erste Auswahl- und Bewerbungsbemühungen via Telefon, Post, Zeitung oder auch über das Internet, über das die Klägerin verfügt. Wohnungsbesichtigungen finden zudem üblicherweise abends oder am Wochenende statt. Behörden verfügen regelmäßig über einen sog. "Dienstleistungstag", so dass auch notwendige Behördengänge nach 15.30 Uhr möglich gewesen wären, selbst wenn eine Freistellung während der ABM nicht in Betracht gekommen wäre. Zudem nahm die Klägerin im Zeitraum 13. Februar bis 7. Oktober 2007 an keiner Maßnahme teil. Erfolgversprechende Kostensenkungsbemühungen sind jedoch weder dem Akteninhalt zu entnehmen noch glaubhaft gemacht worden.

Alle anderen Umstände wie Mietdauer und gesundheitliche Einschränkungen dürfte der Beklagte ausreichend berücksichtigt haben, in dem er die Regelschonfrist des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II um das dreifache verlängerte und der Klägerin für 19 Monate nach der Kostensenkungsaufforderung, insgesamt seit Januar 2005 für knapp 3 Jahre, die deutlich unangemessenen Kosten der Unterkunft gewährte. Es ist jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass auch unter Berücksichtigung der benannten Umstände die Einräumung einer Frist von 19 Monaten nicht ausreichen soll, um in B erfolgreich eine angemessene Wohnung zu erhalten. Eine nochmalige Verlängerung der Frist nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II dürfte nach alledem nicht in Betracht kommen, so dass dem Klageverfahren eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht zugesprochen werden kann.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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