Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 5 KR 158/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine Gastric-Banding-Operation zu übernehmen.
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin leidet seit vielen Jahren an einem deutlichen Übergewicht. Der Body-Maß-Index (BMI) liegt bei ihr bei 44,16 kg/m² Körperoberfläche.
Im August 2005 leitete der die Klägerin behandelnde Facharzt für Innere Medizin Dr. B bei der Beklagten ein Verfahren zur Übernahme der Kosten für eine Gastric-Banding-Operation ein, weitere ambulante oder stationäre Therapiemaßnahmen seien zur Reduzierung des Körpergewichts nicht aussichtsreich.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, der unter Berücksichtigung verschiedener ärztlicher Befunde am 26.09.2005 zu dem Ergebnis kam, dass eine Magenband-Operation nicht angezeigt sei. Zunächst sei eine langfristig angelegte ambulante Ernährungsberatung, ggf. begleitet durch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme erforderlich. Im Übrigen sei angesichts der psychischen Probleme der Versicherten eine begleitende Psychotherapie anzuraten.
Der behandelnde Arzt Dr. B wurde ebenso wie die Klägerin über das Ergebnis der Begutachtung informiert.
Die Klägerin wandte sich daraufhin im April 2006 an Prof. Dr. K, Chefarzt der Chirurgischen Klinik des G-Hospital C, der mit seiner an Dr. B gerichteten Stellungnahme darauf hinwies, der MDK habe in seiner Stellungnahme den Sachverhalt nicht zutreffend bewertet. Das Gewicht der Klägerin nehme unaufhaltsam zu, inzwischen sei ein Schlafapnoesyndrom und eine Hypertonie hinzugetreten. Im Übrigen seien viele andere Versicherte bereits erfolgreich mit einem Magenband behandelt worden. Nach erneuter Einschaltung des Medizinischen Dienstes, der bei seiner Einschätzung des Sachverhalts blieb, begab sich die Klägerin zu Prof. Dr. X in ambulante ärztliche Behandlung. Der ärztliche Direktor der U-X-Klinik kam im Rahmen einer ambulanten Vorstellung am 24.05.2006 zu dem Ergebnis, dass im Mittelpunkt der Problematik der Klägerin eine Essstörung im Sinne eines Binge-Eating-Syndroms stehe. Die Durchführung einer Psychotherapie sei nicht erfolgversprechend,
da die Klägerin äußerst ungünstige Voraussetzungen hierfür habe, was die Introspektion und die Kontrolle von Verhaltensweisen betreffe.
Die Beklagte schaltete erneut den Medizinischen Dienst ein, der eine weitere Stellung-nahme nach Aktenlage am 19.06.2006 abgab, und erteilte sodann am 21.06.2006 den angefochteten Bescheid, mit dem der Antrag auf Gewährung einer Magenband-Operation abgelehnt wurde. Es sei weiterhin zu empfehlen, das Essverhalten durch verschiedene konsequente und lang anhaltende Therapien zu beeinflussen. Wegen der angeratenen psychotherapeutischen Behandlung fügte die Beklagte eine Liste der in der Nähe des Wohnortes der Klägerin tätigen Psychotherapeuten bei.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, den sie im Wesentlichen mit den von Prof. Dr. X aufgeführten Argumenten begründete.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2006 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Wegen der unterschiedlichen Ursachen von Übergewicht sei es von Nöten, ein breit angelegtes, langfristiges Therapiekonzept zu fordern. Die alleinige Operation am Magen sei insoweit nicht zielführend, das Essverhalten müsse vorrangig durch weitere konsequent durchgeführte Therapien beeinflusst werden, bevor über die Bewilligung einer operativen Maßnahme im Sinne des Begehrens der Klägerin entschieden werden könne.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 28.09.2006 erhobene Klage, mit der die Klägerin weiterhin die Kostenübernahme für die begehrte Operation verlangt. Zur Begründung führt sie aus, sie habe schon häufiger versucht, mit viel Bewegung Kalorien abzubauen und zu diesem Zweck zahlreiche Diäten durchgeführt. Auch medikamentöse Maßnahmen seien erfolglos geblieben. Da sie inzwischen unter verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide, sei die Magenband-Operation die einzige Möglichkeit, um ihre Leiden zu lindern. Dies belegten auch die im Verwaltungsverfahren eingereichten Berichte der sie behandelnden Ärzte.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2006 zu verurteilen, die Kosten für die Implantation eines Magenbandes zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid vom 21.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2006 entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden. Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Neue entscheidungsrechtlich relevante Gesichtspunkte seien nicht vorgetragen worden.
Das Gericht hat zunächst Befund- und Behandlungsberichte von dem Orthopäden Dr. N, dem Internisten Dr. B, dem Neurologen Dr. L, der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 und der Psychotherapeutin Dr. L2 beigezogen. Auf Inhalt und Ergebnisse der Berichte wird Bezug genommen. Nach Durchführung eines Erörterungstermines hat das Gericht den Entlassungsbericht der Reha-Maßnahme vom 01.11.2003 bis 20.12.2003 in der H-klinik, einer psychosomatischen Fachklinik in H, angefordert. In dem daraufhin anberaumten Verhandlungstermin hat die Klägerin einen Bericht der psychologischen Psychotherapeutin Dr. L2 vom 26.10.2007 vorlegegt, in dem diese ausführt, eine nachhaltige Änderung der Essgewohnheiten mit daraus resultierender Gewichtsreduktion sei im Rahmen der verhaltenstherapeutischen Behandlung nicht einmal ansatzweise erreicht worden. Vor diesem Hintergrund müsse der Magenband-Eingriff als ultima ratio empfohlen werden. Postoperativ solle die Klägerin verhaltenstherapeutisch behandelt werden, um die dann erfolgende Veränderung der Essgewohnheiten mit Gewichtsreduktion zu unter-stützen und zu stabililsieren.
Das Gericht hat daraufhin die Entscheidung des Rechtsstreits vertagt und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Fachärztin für Chirurgie Dr. E-W. Auf Inhalt und Ergebnisse des am 06.12.2007 erstatteten Gutachtens wird verwiesen.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. X eingeholt. Auch insoweit wird auf die Ergebnisse des am 09.04.2008 erstatteten Gutachtens Bezug genommen. Das Gericht hat unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. X die von Amts wegen beauftragte Sachverständige Dr. E-W erneut zur ergänzenden Stellungnahme aufgefordert. Auf die Stellungnahme vom 01.08.2008 wird gleichfalls verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 21.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2006 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn der Bescheid ist rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer operativen Magenverkleinerung als Sachleistung.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1, 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Die bei der Klägerin bestehende Adipositas hat Krankheitswert. Insoweit besteht in der Medizin Einigkeit darüber, dass bei starkem Übergewicht (BMI mehr als 30 kg/m² Körperoberfläche) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen besteht (BSGE 90,289 ff.).
Im Grundsatz kann die chirurgische Therapie der Adipositas eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung sein. Insbesondere steht nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.02.2003 (Az. B 1 KR 1/02 R, www.bundessozialgericht.de) fest, dass dieser therapeutische Ansatz nicht deshalb verworfen werden darf, weil die Maßnahme noch nicht ausreichend erprobt ist oder weil es keine definierten Behandlungs-standards und keine ausreichenden Erkenntnisse über die langfristigen Erfolge einer derartigen Behandlung gibt. Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass § 137 c SGB V im Gegensatz zu der für die ambulante vertragsärztliche Versorgung geltende Vorschrift des § 135 SGB V keinen Erlaubnisvorbehalt beinhaltet. Grundsätzlich kann daher im Krankenhaus auch ein neuartiges Verfahren ohne eine vorherige Zulassung durchgeführt werden, solange der Ausschuss "Krankenhaus" diese Verfahrensweise nicht ausgeschlossen hat.
Allerdings setzt die chirurgische Therapie der Adipositas voraus, dass die Maßnahme notwendig ist und die besonderen Indikationen für eine solche Therapie gegeben sind.
Eine vollstationäre chirurgische Behandlung kommt daher nur dann in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätetische Therapie, Bewegungs-therapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V ist und nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen hierfür gegeben sind.
Dabei sind die Leitlinien der Fachgesellschaften (Evidenzbasierte Leitlinie zur Chirurgischen Therapie der extremen Adipositas, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas - Deutsche Adipositas Gesellschaft-) zu berücksichtigen. Danach sollen adipositaschirurgische Maßnahmen bei Patienten in Betracht gezogen werden, die einen BMI von mehr als 35 kg/m² mit schwerwiegenden Begleiterkrankungen oder einen BMI von mehr als 40 kg/m² aufweisen und bei denen konservative Behandlungsmaßnahmen nachweislich nicht erfolgreich waren. Bei den konservativen Maßnahmen handelt es sich um Therapieprogramme unter stationären Bedingungen, Rehabilitationsmaßnahmen (ambulant und/oder stationär), Selbsthilfe-gruppen (z.B. Weightwatchers) oder eigenverantwortliche Diätmaßnahmen unter ärztlicher Kontrolle. Neben den reinen gewichtsreduzierenden Maßnahmen soll auch Bewegungs-therapie nachgewiesen werden. Kontraindikationen für adipositaschirurgische Maßnahmen bestehen nach den Leitlinien bei Abhängigkeit von Drogen und Alkohol, bei konsumierenden und immundefizitären Erkrankungen. Vorbehalte bestehen darüber hinaus auch bei schweren Depressionen, Psychosen und Essstörungen (Bulimie, Binge-Eating-Syndrom). In solchen Fällen sollte die Entscheidung in enger Kooperation mit einem Psychotherapeuten oder Psychosomatiker erfolgen.
Die Klägerin leidet unter einem BMI von über 40 kg/m². Begleiterkrankungen liegen insoweit vor, als sich bereits ein Bluthochdruckleiden entwickelt hat. Nach den Ausführungen des Orthopäden Dr. N in seinem Befundbericht vom 21.12.2006 besteht bei der Klägerin darüber hinaus ein rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit Betonung der Lendenwirbelsäule, wobei neurologische Ausfälle bislang nicht festgestelllt worden sind. Nach Rücksprache mit der Klägerin teilte der Orthopäde mit weiterem Schreiben vom 22.12.2006 mit, die Klägerin leide darüber hinaus über Schmerzen in beiden Kniegelenken und den Unterschenkeln, die vorrangig auf die Körperbelastung durch die Adipositas zurückzuführen sind.
Im Rahmen der Begutachtung hat die Sachverständige Dr. E-W schwerwiegende Beeinträchtigungen im Bereich der Kniegelenke nicht feststellen können. Für die Kammer ist zwar nachvollziehbar, dass auf Grund des massiven Übergewichts bereits Auswirkungen im Bereich der unteren Extremitäten auftreten können, diese haben sich allerdings noch nicht so massiv gezeigt, dass spezielle orthopädische Behandlungen erforderlich gewesen wären.
Als weitere Begleiterkrankung ist gleichfalls die nächtliche Atemstörung zu nennen. Allerdings ist die Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht auf eine technische Atemunterstützung angewiesen, so dass eine schwerwiegende Gesundheitsbe-einträchtigung, die mit Konsequenzen für das Herz-Kreislauf-System verbunden wäre, noch nicht vorliegt.
Vor dem Hintergrund dieser Erkrankungen bestätigt die Sachverständige die dringende Erforderlichkeit einer konsequenten Ernährungsumstellung mit entsprechender Gewichtsreduktion.
Eine chirurgische Behandlung ist allerdings im Falle der Klägerin deshalb nicht erforderlich, weil das zuvor durchzuführende Basisprogramm bislang nicht befolgt worden ist.
Wie die Klägerin im Rahmen der Anamneseerhebung selbst angegeben hat, ist sie zwar berufstätig und fährt auch mit dem Fahrrad zur Arbeit und geht spazieren. Dennoch ist eine Bewegungstherapie, die einen Umfang von 5 Stunden täglich zusätzlicher Bewegung erfordern würde, nicht durchgeführt worden. Ebenso wenig hat die Klägerin in der Vergangenheit ihre Ernährung langfristig und konsequent umgestellt. Nach wie vor leidet sie unter den zwei- bis dreimal pro Woche auftretenden Essattacken, denen sie aus eigener Kraft nicht entgegentreten kann.
In Übereinstimmung mit der Sachverständigen geht auch die Kammer davon aus, dass bei der Klägerin eine erkennbare Motivation für eine dauerhafte Umstellung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten nicht vorhanden ist. Vielmehr strebt die Klägerin eine schnelle Gewichtsreduktion an, um die Menge der Nahrung gewissermaßen von außen zu reduzieren. Die Sachverständige führt hierzu jedoch nachvollziehbar aus, dass der Effekt einer Operation ohne die entsprechende Motivationslage des Versicherten nicht nachhaltig ist.
Die Klägerin hat bislang auch nicht konsequent eine psychotherapeutische Behandlung durchgeführt.
Zwar hat Frau Dr. L2 in ihrer Stellungnahme vom 26.10.2007 die geforderte Ultima-Ratio-Situation bestätigt, allerdings wurde dieser Schluss nach Auffassung der Kammer nur oberflächlich und in Unkenntnis der sozialmedizinischen Situation gezogen. Zunächst ist anzumerken, dass die therapeutischen Möglichkeiten bereits deshalb noch nicht ausgeschöpft erscheinen, weil das bewilligte Stundenkontingent noch nicht in Anspruch genommen wurde. Zutreffend weist die Sachverständige daher darauf hin, dass im Rahmen einer verhaltenstherapeutischen Behandlung auf die Motivationslage der Klägerin Einfluss genommen werden müsste, um die Einsicht in die Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung der Lebens- und Essgewohnheiten zu erreichen.
Bedenkt man darüber hinaus, dass die Klägerin im Jahre 2001 im Rahmen einer sechsmonatigen Ernährungsumstellung, die durch eine Ernährungsberatung des Hausarztes begleitet wurde, eine erhebliche Gewichtsreduktion von bis zu 15 kg erzielen konnte, so lässt sich erkennen, dass ein konservatives Programm bei der Klägerin durchaus erfolgversprechend sein kann, wenn sie die erforderliche Motivation hierfür dauerhaft mitbringt.
Nach Auffassung der Kammer kann die Klägerin sich nicht darauf berufen, sie habe Schwierigkeiten bei der Umstellung ihrer Lebensweise bzw. ihrem Essverhalten. Dies allein kann nämlich nicht ausschlaggebend für den geltend gemachten Anspruch sein. Insoweit obliegen der Klägerin Mitwirkungspflichten, um den Erfolg einer Behandlung herbeizuführen. Hierzu gehört nach Auffassung der Kammer auch, dass die Voraus-setzungen für die Indikation einer chirurgischen Therapie der Adipositas nicht bloß als formale Anforderung gesehen werden, die es gilt zu durchlaufen. Vielmehr gebietet gerade auch die Schutzfunktion des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung Maßnahmen, deren theapeutischer Erfolg vor dem Hintergrund anderweitiger Störungen jedenfalls bedenklich erscheinen, dann nicht zulasten der GKV zu bewilligen, wenn zuvor nicht erkennbar wird, dass der Versicherte das Basisprogramm mit einem gewissen Maß an Selbstdisziplin verfolgt hat. Die Kammer weist ausdrücklich darauf hin, dass an diese Voraussetzung keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden können. Geht der Versicherte allerdings davon aus, das Basisprogramm lediglich in einzelnen Schritten "abhaken" zu müssen, um die Indikation für eine chirurgische Therapie zu erhalten, so geht er in dieser Annahme fehl. Auch das BSG hat in der o.g. Entscheidung angeführt, dass die Indikationsstellung eine sorgfältige Abwägung voraussetzt. Dabei ist entgegen der Auffassung der Klägerin, die offensichtlich meint, alle erforderlichen Schritte zwischenzeitlich unternommen zu haben, auch die Motivationslage und die nach außen dokumentierte nachhaltige Bereitschaft mit einzubeziehen, die Ess- und Lebensgewohnheiten auch langfristig umzustellen.
Den Einschätzungen von Prof. Dr. X in seinem Gutachten vom 09.04.2008 vermochte die Kammer gerade auch vor dem Hintergrund der Motivationslage der Klägerin hingegen nicht zu folgen. Zu der Frage der Ernährungsumstellung führt Prof. Dr. X lediglich aus, das die Klägerin Vorliebe für Deftiges habe und gerne energiereiches Obst esse, während Gemüse und Hülsenfrüchte nicht auf ihrer Speiseliste stünden. Die vermehrte körperliche Aktivität, die nach den Leitlinien gefordert wird, hält der Sachverständige für die Kammer wenig nachvollziehbar für nicht zumutbar wegen der bestehenden Verschleißer-scheinungen im Bereich der Wirbelsäule. Die Beschwerden im Bereich der Hüft-, Knie- und den Fußgelenke verhinderten sämtliche Gehsportarten wie Walking und Joggen. Bedenkt man jedoch, dass eine fachärztliche orthopädische Behandlung im Hinblick auf die Hüft- und Kniegelenksleiden in der Vergangenheit noch nicht notwendig geworden ist, so dürften körperliche Belastungen, die mit einem mäßigen körperlichen Bewegungs-training verbunden sind, noch möglich sein. Der Sachverständige gibt auch keine Begründung dafür ab, warum aus hygienischen Gründen der Besuch eines Schwimm-bades nicht möglich ist. Es ist zwar richtig, dass die Klägerin unter einem Exanthem im Bereich des Beines leidet, mit der entsprechenden Pflege und ärztlichen Behandlung, die sie bisher noch nicht ergriffen hat, könnte sicherlich eine Linderung insoweit erreicht werden. Prof. Dr. X stellt bei der Klägerin ebenfalls eine Essstörung fest und bezeichnet diese als psychische Krankheit. Für die Kammer ist der Schluss, den der Sachverständige zieht, diese Krankheit sei mit den Mitteln der Psychotherapie nicht behandelbar, nicht nachvollziehbar.
Zutreffend weist Dr. E-W in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 01.08.2008 darauf hin, dass es sich als sehr problematisch darstellt, eine psychische Erkrankung, die dem freien Willen nicht mehr zugänglich ist, mit chirurgischen Mitteln zu behandeln. Bedenkt man, dass auch das Bundessozialgericht in anderen Verfahren, in denen es um chirurgische Korrekturen ging, die zumindest auch psychische Begleiter-scheinungen mit sich gebracht haben, immer darauf hingewiesen hat, dass die psychische Erkrankung grundsätzlich mit den Mitteln der Psychiatrie zu behandeln ist (vgl. BSGE 93, 252), so widerspräche es den Grundsätzen des § 12 SGB V, im Falle der Adipositas-chirurgie Ausnahmen ohne die bereits beschriebene Abwägung zuzulassen.
Die Sachverständige Dr. E-W hat ihr Gutachten nach eingehender Befragung und Untersuchung der Klägerin erstellt und die Beweisfragen unter Berücksichtigung des Standes der medizinischen Wissenschaft beantwortet. Die Leitlinien der Deutschen Adipositasgesellschaft (Stand 2005) wurden angemessen in die Diskussion einbezogen, so dass sie zu einem für die Kammer gut nachvollziehbarem Ergebnis gelangt ist. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Berücksichtigung der Mitwirkungspflichten des Versicherten im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung von maßgebender Bedeutung ist. Dieser Aspekt unterscheidet das Gutachten der von Amts wegen tätig gewordenen Sachverständigen von dem Gutachten von Prof. Dr. X, der der Klägerin die Selbstdisziplin, sich einer bestimmten basistherapeutischen Behandlung konsequent zu unterziehen, nicht abverlangt.
Insoweit vermochte die Kammer der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. X nicht zu folgen.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruft auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten für eine Gastric-Banding-Operation zu übernehmen.
Die am 00.00.1969 geborene Klägerin leidet seit vielen Jahren an einem deutlichen Übergewicht. Der Body-Maß-Index (BMI) liegt bei ihr bei 44,16 kg/m² Körperoberfläche.
Im August 2005 leitete der die Klägerin behandelnde Facharzt für Innere Medizin Dr. B bei der Beklagten ein Verfahren zur Übernahme der Kosten für eine Gastric-Banding-Operation ein, weitere ambulante oder stationäre Therapiemaßnahmen seien zur Reduzierung des Körpergewichts nicht aussichtsreich.
Die Beklagte schaltete den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein, der unter Berücksichtigung verschiedener ärztlicher Befunde am 26.09.2005 zu dem Ergebnis kam, dass eine Magenband-Operation nicht angezeigt sei. Zunächst sei eine langfristig angelegte ambulante Ernährungsberatung, ggf. begleitet durch eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme erforderlich. Im Übrigen sei angesichts der psychischen Probleme der Versicherten eine begleitende Psychotherapie anzuraten.
Der behandelnde Arzt Dr. B wurde ebenso wie die Klägerin über das Ergebnis der Begutachtung informiert.
Die Klägerin wandte sich daraufhin im April 2006 an Prof. Dr. K, Chefarzt der Chirurgischen Klinik des G-Hospital C, der mit seiner an Dr. B gerichteten Stellungnahme darauf hinwies, der MDK habe in seiner Stellungnahme den Sachverhalt nicht zutreffend bewertet. Das Gewicht der Klägerin nehme unaufhaltsam zu, inzwischen sei ein Schlafapnoesyndrom und eine Hypertonie hinzugetreten. Im Übrigen seien viele andere Versicherte bereits erfolgreich mit einem Magenband behandelt worden. Nach erneuter Einschaltung des Medizinischen Dienstes, der bei seiner Einschätzung des Sachverhalts blieb, begab sich die Klägerin zu Prof. Dr. X in ambulante ärztliche Behandlung. Der ärztliche Direktor der U-X-Klinik kam im Rahmen einer ambulanten Vorstellung am 24.05.2006 zu dem Ergebnis, dass im Mittelpunkt der Problematik der Klägerin eine Essstörung im Sinne eines Binge-Eating-Syndroms stehe. Die Durchführung einer Psychotherapie sei nicht erfolgversprechend,
da die Klägerin äußerst ungünstige Voraussetzungen hierfür habe, was die Introspektion und die Kontrolle von Verhaltensweisen betreffe.
Die Beklagte schaltete erneut den Medizinischen Dienst ein, der eine weitere Stellung-nahme nach Aktenlage am 19.06.2006 abgab, und erteilte sodann am 21.06.2006 den angefochteten Bescheid, mit dem der Antrag auf Gewährung einer Magenband-Operation abgelehnt wurde. Es sei weiterhin zu empfehlen, das Essverhalten durch verschiedene konsequente und lang anhaltende Therapien zu beeinflussen. Wegen der angeratenen psychotherapeutischen Behandlung fügte die Beklagte eine Liste der in der Nähe des Wohnortes der Klägerin tätigen Psychotherapeuten bei.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, den sie im Wesentlichen mit den von Prof. Dr. X aufgeführten Argumenten begründete.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2006 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Wegen der unterschiedlichen Ursachen von Übergewicht sei es von Nöten, ein breit angelegtes, langfristiges Therapiekonzept zu fordern. Die alleinige Operation am Magen sei insoweit nicht zielführend, das Essverhalten müsse vorrangig durch weitere konsequent durchgeführte Therapien beeinflusst werden, bevor über die Bewilligung einer operativen Maßnahme im Sinne des Begehrens der Klägerin entschieden werden könne.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 28.09.2006 erhobene Klage, mit der die Klägerin weiterhin die Kostenübernahme für die begehrte Operation verlangt. Zur Begründung führt sie aus, sie habe schon häufiger versucht, mit viel Bewegung Kalorien abzubauen und zu diesem Zweck zahlreiche Diäten durchgeführt. Auch medikamentöse Maßnahmen seien erfolglos geblieben. Da sie inzwischen unter verschiedenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide, sei die Magenband-Operation die einzige Möglichkeit, um ihre Leiden zu lindern. Dies belegten auch die im Verwaltungsverfahren eingereichten Berichte der sie behandelnden Ärzte.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2006 zu verurteilen, die Kosten für die Implantation eines Magenbandes zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der angefochtene Bescheid vom 21.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2006 entspreche der Sach- und Rechtslage und sei daher nicht zu beanstanden. Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Neue entscheidungsrechtlich relevante Gesichtspunkte seien nicht vorgetragen worden.
Das Gericht hat zunächst Befund- und Behandlungsberichte von dem Orthopäden Dr. N, dem Internisten Dr. B, dem Neurologen Dr. L, der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. L1 und der Psychotherapeutin Dr. L2 beigezogen. Auf Inhalt und Ergebnisse der Berichte wird Bezug genommen. Nach Durchführung eines Erörterungstermines hat das Gericht den Entlassungsbericht der Reha-Maßnahme vom 01.11.2003 bis 20.12.2003 in der H-klinik, einer psychosomatischen Fachklinik in H, angefordert. In dem daraufhin anberaumten Verhandlungstermin hat die Klägerin einen Bericht der psychologischen Psychotherapeutin Dr. L2 vom 26.10.2007 vorlegegt, in dem diese ausführt, eine nachhaltige Änderung der Essgewohnheiten mit daraus resultierender Gewichtsreduktion sei im Rahmen der verhaltenstherapeutischen Behandlung nicht einmal ansatzweise erreicht worden. Vor diesem Hintergrund müsse der Magenband-Eingriff als ultima ratio empfohlen werden. Postoperativ solle die Klägerin verhaltenstherapeutisch behandelt werden, um die dann erfolgende Veränderung der Essgewohnheiten mit Gewichtsreduktion zu unter-stützen und zu stabililsieren.
Das Gericht hat daraufhin die Entscheidung des Rechtsstreits vertagt und Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens der Fachärztin für Chirurgie Dr. E-W. Auf Inhalt und Ergebnisse des am 06.12.2007 erstatteten Gutachtens wird verwiesen.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. X eingeholt. Auch insoweit wird auf die Ergebnisse des am 09.04.2008 erstatteten Gutachtens Bezug genommen. Das Gericht hat unter Berücksichtigung des Gutachtens von Prof. Dr. X die von Amts wegen beauftragte Sachverständige Dr. E-W erneut zur ergänzenden Stellungnahme aufgefordert. Auf die Stellungnahme vom 01.08.2008 wird gleichfalls verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten im Sach- und Streitstand nimmt die Kammer Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 21.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2006 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn der Bescheid ist rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer operativen Magenverkleinerung als Sachleistung.
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1, 5. Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Die bei der Klägerin bestehende Adipositas hat Krankheitswert. Insoweit besteht in der Medizin Einigkeit darüber, dass bei starkem Übergewicht (BMI mehr als 30 kg/m² Körperoberfläche) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen besteht (BSGE 90,289 ff.).
Im Grundsatz kann die chirurgische Therapie der Adipositas eine Leistung der Gesetzlichen Krankenversicherung sein. Insbesondere steht nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.02.2003 (Az. B 1 KR 1/02 R, www.bundessozialgericht.de) fest, dass dieser therapeutische Ansatz nicht deshalb verworfen werden darf, weil die Maßnahme noch nicht ausreichend erprobt ist oder weil es keine definierten Behandlungs-standards und keine ausreichenden Erkenntnisse über die langfristigen Erfolge einer derartigen Behandlung gibt. Insoweit ist nämlich darauf hinzuweisen, dass § 137 c SGB V im Gegensatz zu der für die ambulante vertragsärztliche Versorgung geltende Vorschrift des § 135 SGB V keinen Erlaubnisvorbehalt beinhaltet. Grundsätzlich kann daher im Krankenhaus auch ein neuartiges Verfahren ohne eine vorherige Zulassung durchgeführt werden, solange der Ausschuss "Krankenhaus" diese Verfahrensweise nicht ausgeschlossen hat.
Allerdings setzt die chirurgische Therapie der Adipositas voraus, dass die Maßnahme notwendig ist und die besonderen Indikationen für eine solche Therapie gegeben sind.
Eine vollstationäre chirurgische Behandlung kommt daher nur dann in Betracht, wenn sie unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätetische Therapie, Bewegungs-therapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V ist und nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion aus medizinischer Sicht die Voraussetzungen hierfür gegeben sind.
Dabei sind die Leitlinien der Fachgesellschaften (Evidenzbasierte Leitlinie zur Chirurgischen Therapie der extremen Adipositas, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas - Deutsche Adipositas Gesellschaft-) zu berücksichtigen. Danach sollen adipositaschirurgische Maßnahmen bei Patienten in Betracht gezogen werden, die einen BMI von mehr als 35 kg/m² mit schwerwiegenden Begleiterkrankungen oder einen BMI von mehr als 40 kg/m² aufweisen und bei denen konservative Behandlungsmaßnahmen nachweislich nicht erfolgreich waren. Bei den konservativen Maßnahmen handelt es sich um Therapieprogramme unter stationären Bedingungen, Rehabilitationsmaßnahmen (ambulant und/oder stationär), Selbsthilfe-gruppen (z.B. Weightwatchers) oder eigenverantwortliche Diätmaßnahmen unter ärztlicher Kontrolle. Neben den reinen gewichtsreduzierenden Maßnahmen soll auch Bewegungs-therapie nachgewiesen werden. Kontraindikationen für adipositaschirurgische Maßnahmen bestehen nach den Leitlinien bei Abhängigkeit von Drogen und Alkohol, bei konsumierenden und immundefizitären Erkrankungen. Vorbehalte bestehen darüber hinaus auch bei schweren Depressionen, Psychosen und Essstörungen (Bulimie, Binge-Eating-Syndrom). In solchen Fällen sollte die Entscheidung in enger Kooperation mit einem Psychotherapeuten oder Psychosomatiker erfolgen.
Die Klägerin leidet unter einem BMI von über 40 kg/m². Begleiterkrankungen liegen insoweit vor, als sich bereits ein Bluthochdruckleiden entwickelt hat. Nach den Ausführungen des Orthopäden Dr. N in seinem Befundbericht vom 21.12.2006 besteht bei der Klägerin darüber hinaus ein rezidivierendes Wirbelsäulensyndrom mit Betonung der Lendenwirbelsäule, wobei neurologische Ausfälle bislang nicht festgestelllt worden sind. Nach Rücksprache mit der Klägerin teilte der Orthopäde mit weiterem Schreiben vom 22.12.2006 mit, die Klägerin leide darüber hinaus über Schmerzen in beiden Kniegelenken und den Unterschenkeln, die vorrangig auf die Körperbelastung durch die Adipositas zurückzuführen sind.
Im Rahmen der Begutachtung hat die Sachverständige Dr. E-W schwerwiegende Beeinträchtigungen im Bereich der Kniegelenke nicht feststellen können. Für die Kammer ist zwar nachvollziehbar, dass auf Grund des massiven Übergewichts bereits Auswirkungen im Bereich der unteren Extremitäten auftreten können, diese haben sich allerdings noch nicht so massiv gezeigt, dass spezielle orthopädische Behandlungen erforderlich gewesen wären.
Als weitere Begleiterkrankung ist gleichfalls die nächtliche Atemstörung zu nennen. Allerdings ist die Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht auf eine technische Atemunterstützung angewiesen, so dass eine schwerwiegende Gesundheitsbe-einträchtigung, die mit Konsequenzen für das Herz-Kreislauf-System verbunden wäre, noch nicht vorliegt.
Vor dem Hintergrund dieser Erkrankungen bestätigt die Sachverständige die dringende Erforderlichkeit einer konsequenten Ernährungsumstellung mit entsprechender Gewichtsreduktion.
Eine chirurgische Behandlung ist allerdings im Falle der Klägerin deshalb nicht erforderlich, weil das zuvor durchzuführende Basisprogramm bislang nicht befolgt worden ist.
Wie die Klägerin im Rahmen der Anamneseerhebung selbst angegeben hat, ist sie zwar berufstätig und fährt auch mit dem Fahrrad zur Arbeit und geht spazieren. Dennoch ist eine Bewegungstherapie, die einen Umfang von 5 Stunden täglich zusätzlicher Bewegung erfordern würde, nicht durchgeführt worden. Ebenso wenig hat die Klägerin in der Vergangenheit ihre Ernährung langfristig und konsequent umgestellt. Nach wie vor leidet sie unter den zwei- bis dreimal pro Woche auftretenden Essattacken, denen sie aus eigener Kraft nicht entgegentreten kann.
In Übereinstimmung mit der Sachverständigen geht auch die Kammer davon aus, dass bei der Klägerin eine erkennbare Motivation für eine dauerhafte Umstellung der Ernährungs- und Lebensgewohnheiten nicht vorhanden ist. Vielmehr strebt die Klägerin eine schnelle Gewichtsreduktion an, um die Menge der Nahrung gewissermaßen von außen zu reduzieren. Die Sachverständige führt hierzu jedoch nachvollziehbar aus, dass der Effekt einer Operation ohne die entsprechende Motivationslage des Versicherten nicht nachhaltig ist.
Die Klägerin hat bislang auch nicht konsequent eine psychotherapeutische Behandlung durchgeführt.
Zwar hat Frau Dr. L2 in ihrer Stellungnahme vom 26.10.2007 die geforderte Ultima-Ratio-Situation bestätigt, allerdings wurde dieser Schluss nach Auffassung der Kammer nur oberflächlich und in Unkenntnis der sozialmedizinischen Situation gezogen. Zunächst ist anzumerken, dass die therapeutischen Möglichkeiten bereits deshalb noch nicht ausgeschöpft erscheinen, weil das bewilligte Stundenkontingent noch nicht in Anspruch genommen wurde. Zutreffend weist die Sachverständige daher darauf hin, dass im Rahmen einer verhaltenstherapeutischen Behandlung auf die Motivationslage der Klägerin Einfluss genommen werden müsste, um die Einsicht in die Notwendigkeit einer grundlegenden Veränderung der Lebens- und Essgewohnheiten zu erreichen.
Bedenkt man darüber hinaus, dass die Klägerin im Jahre 2001 im Rahmen einer sechsmonatigen Ernährungsumstellung, die durch eine Ernährungsberatung des Hausarztes begleitet wurde, eine erhebliche Gewichtsreduktion von bis zu 15 kg erzielen konnte, so lässt sich erkennen, dass ein konservatives Programm bei der Klägerin durchaus erfolgversprechend sein kann, wenn sie die erforderliche Motivation hierfür dauerhaft mitbringt.
Nach Auffassung der Kammer kann die Klägerin sich nicht darauf berufen, sie habe Schwierigkeiten bei der Umstellung ihrer Lebensweise bzw. ihrem Essverhalten. Dies allein kann nämlich nicht ausschlaggebend für den geltend gemachten Anspruch sein. Insoweit obliegen der Klägerin Mitwirkungspflichten, um den Erfolg einer Behandlung herbeizuführen. Hierzu gehört nach Auffassung der Kammer auch, dass die Voraus-setzungen für die Indikation einer chirurgischen Therapie der Adipositas nicht bloß als formale Anforderung gesehen werden, die es gilt zu durchlaufen. Vielmehr gebietet gerade auch die Schutzfunktion des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung Maßnahmen, deren theapeutischer Erfolg vor dem Hintergrund anderweitiger Störungen jedenfalls bedenklich erscheinen, dann nicht zulasten der GKV zu bewilligen, wenn zuvor nicht erkennbar wird, dass der Versicherte das Basisprogramm mit einem gewissen Maß an Selbstdisziplin verfolgt hat. Die Kammer weist ausdrücklich darauf hin, dass an diese Voraussetzung keine übersteigerten Anforderungen gestellt werden können. Geht der Versicherte allerdings davon aus, das Basisprogramm lediglich in einzelnen Schritten "abhaken" zu müssen, um die Indikation für eine chirurgische Therapie zu erhalten, so geht er in dieser Annahme fehl. Auch das BSG hat in der o.g. Entscheidung angeführt, dass die Indikationsstellung eine sorgfältige Abwägung voraussetzt. Dabei ist entgegen der Auffassung der Klägerin, die offensichtlich meint, alle erforderlichen Schritte zwischenzeitlich unternommen zu haben, auch die Motivationslage und die nach außen dokumentierte nachhaltige Bereitschaft mit einzubeziehen, die Ess- und Lebensgewohnheiten auch langfristig umzustellen.
Den Einschätzungen von Prof. Dr. X in seinem Gutachten vom 09.04.2008 vermochte die Kammer gerade auch vor dem Hintergrund der Motivationslage der Klägerin hingegen nicht zu folgen. Zu der Frage der Ernährungsumstellung führt Prof. Dr. X lediglich aus, das die Klägerin Vorliebe für Deftiges habe und gerne energiereiches Obst esse, während Gemüse und Hülsenfrüchte nicht auf ihrer Speiseliste stünden. Die vermehrte körperliche Aktivität, die nach den Leitlinien gefordert wird, hält der Sachverständige für die Kammer wenig nachvollziehbar für nicht zumutbar wegen der bestehenden Verschleißer-scheinungen im Bereich der Wirbelsäule. Die Beschwerden im Bereich der Hüft-, Knie- und den Fußgelenke verhinderten sämtliche Gehsportarten wie Walking und Joggen. Bedenkt man jedoch, dass eine fachärztliche orthopädische Behandlung im Hinblick auf die Hüft- und Kniegelenksleiden in der Vergangenheit noch nicht notwendig geworden ist, so dürften körperliche Belastungen, die mit einem mäßigen körperlichen Bewegungs-training verbunden sind, noch möglich sein. Der Sachverständige gibt auch keine Begründung dafür ab, warum aus hygienischen Gründen der Besuch eines Schwimm-bades nicht möglich ist. Es ist zwar richtig, dass die Klägerin unter einem Exanthem im Bereich des Beines leidet, mit der entsprechenden Pflege und ärztlichen Behandlung, die sie bisher noch nicht ergriffen hat, könnte sicherlich eine Linderung insoweit erreicht werden. Prof. Dr. X stellt bei der Klägerin ebenfalls eine Essstörung fest und bezeichnet diese als psychische Krankheit. Für die Kammer ist der Schluss, den der Sachverständige zieht, diese Krankheit sei mit den Mitteln der Psychotherapie nicht behandelbar, nicht nachvollziehbar.
Zutreffend weist Dr. E-W in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 01.08.2008 darauf hin, dass es sich als sehr problematisch darstellt, eine psychische Erkrankung, die dem freien Willen nicht mehr zugänglich ist, mit chirurgischen Mitteln zu behandeln. Bedenkt man, dass auch das Bundessozialgericht in anderen Verfahren, in denen es um chirurgische Korrekturen ging, die zumindest auch psychische Begleiter-scheinungen mit sich gebracht haben, immer darauf hingewiesen hat, dass die psychische Erkrankung grundsätzlich mit den Mitteln der Psychiatrie zu behandeln ist (vgl. BSGE 93, 252), so widerspräche es den Grundsätzen des § 12 SGB V, im Falle der Adipositas-chirurgie Ausnahmen ohne die bereits beschriebene Abwägung zuzulassen.
Die Sachverständige Dr. E-W hat ihr Gutachten nach eingehender Befragung und Untersuchung der Klägerin erstellt und die Beweisfragen unter Berücksichtigung des Standes der medizinischen Wissenschaft beantwortet. Die Leitlinien der Deutschen Adipositasgesellschaft (Stand 2005) wurden angemessen in die Diskussion einbezogen, so dass sie zu einem für die Kammer gut nachvollziehbarem Ergebnis gelangt ist. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass die Berücksichtigung der Mitwirkungspflichten des Versicherten im Bereich der Gesetzlichen Krankenversicherung von maßgebender Bedeutung ist. Dieser Aspekt unterscheidet das Gutachten der von Amts wegen tätig gewordenen Sachverständigen von dem Gutachten von Prof. Dr. X, der der Klägerin die Selbstdisziplin, sich einer bestimmten basistherapeutischen Behandlung konsequent zu unterziehen, nicht abverlangt.
Insoweit vermochte die Kammer der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. X nicht zu folgen.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruft auf §§ 183, 193 SGG.
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