Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
148
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 148 AS 1401/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller monatlich Regelleistung in Höhe von 323,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 140,30 EUR für den Zeitraum vom 17. Januar 2011 bis einschließlich Mai 2011 (für Januar 2011 anteilig) zu gewähren. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner dem Antragsteller zu 4/5 zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Antragsteller ist ghanaischer Staatsangehöriger und mit einer Deutschen verheiratet, mit der er zwei Kinder hat. Ihm wurde im Jahr 2008 eine bis Januar 2011 gültige Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gem. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt. Nachdem sich der Antragsteller vom 29.9.2010 bis November 2010 in Strafhaft befand, ordnete das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LaBO) mit Verfügung vom 11.11.2010 die Ausweisung des Antragstellers an. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Im dortigen Erörterungstermin vom 2.12.2010 hat das LaBO die Vollziehbarkeit der Ausweisung mit sofortiger Wirkung bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache in 1. Instanz – längstens für 6 Monate – ausgesetzt. Der Aufenthaltstitel des Antragstellers lief am 16.1.2011 aus. Zwei Tage zuvor hat er einen Verlängerungsantrag gestellt, der noch nicht beschieden wurde. Der Antragsteller beantragte beim Antragsgegner am 9.12.2010 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 6.1.2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Zur Begründung führte er an, der Antragsteller sei als Leistungsberechtigter nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit Widerspruch vom 17.1.2011 und dem am gleichen Tag beim Sozialgericht Berlin gestellten Eilantrag. Er ist der Auffassung, die Aufenthaltserlaubnis sei nach wie vor wirksam. Denn es liege ein Fall von § 81 Abs. 4 AufenthG vor, wonach der abgelaufene Aufenthaltstitel fiktiv bis zur Entscheidung über den Verlängerungsantrag fortbestehe. Die Ausweisungsverfügung sei unbeachtlich, da sie für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung keine rechtlichen Wirkungen entfalte. Der Antragsteller wohnt nach Angaben seines Bevollmächtigten nach vorhergehendem Aufenthalt im Abschiebegewahrsam zwischenzeitlich wieder im Haushalt seiner Ehefrau und Kinder, welchen zuletzt vom Antragsgegner mit Bescheid vom 12.1.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bewilligt wurden. Die Kosten der Unterkunft belaufen sich auf 377,12 EUR Nettomiete, 114,05 EUR Betriebskostenvorschuss sowie 70,03 EUR Heizkostenvorschuss, insgesamt mithin auf 561,20 EUR (vgl. Bl. 740 der Leistungsakte). Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu bewilligen. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen. Er meint nach wie vor, der Antragsteller sei leistungsberechtigt nach dem AsylbLG. Mit Beschluss vom 1. Februar 2011 hat das Sozialgericht den Grundsicherungsträger zu dem Eilverfahren beigeladen, da er bei Ablehnung des Anspruchs gegen den Antragsgegner als leistungspflichtig in Betracht kommt. Der Beigeladene ist der Auffassung, der Antragsteller habe gegen ihn wegen des Fortbestehens des Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 AufenthG keinen Anspruch. Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behelfsakte des Antragsgegners Bezug genommen, deren Bl. 612-754 dem Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorgelegen haben.
II.
1.) Der zulässige, aber in zeitlicher Hinsicht und der Höhe nach unbeschränkte Antrag war zunächst dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller Sozialleistungen in Höhe der Regelleistung für Partner und eines Viertels der Kosten der Unterkunft für einen Zeitraum von ab Antragstellung bei der Behörde am 9.12.2010 bis einschließlich Mai 2011 begehrt. Denn vorliegend wurde das gerichtliche Eilverfahren parallel mit dem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 6.1.2011 eingeleitet. Fehlt es – wie hier – an einer zeitlichen Eingrenzung des Eilantrages ist daher maßgeblich das Rechtsschutzziel im Hauptsacheverfahren (hier: dem Widerspruchsverfahren beim Antragsgegner). Dort begehrt der Antragsteller offenkundig die Leistungsbewilligung ab Antragstellung vom 9.12.2010. Aus § 41 Abs. 1 S. 4 des 2. Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) ergibt sich, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende grundsätzlich für sechs Monate bewilligt werden sollen (Regelbewilligungszeitraum), wobei die Leistungsbewilligung praktisch regelmäßig nur für volle Kalendermonate (hier also: bis Mai 2011) erfolgt. Diese zeitliche Begrenzung ist parallel auch im gerichtlichen Eilverfahren maßgeblich. Denn hieraus folgt keine Benachteiligung für den Antragsteller. Vielmehr kann eine gerichtliche Eilentscheidung nicht mehr umfassen, als in der Hauptsache zugesprochen werden könnte. Zudem wirkt sich eine derartige Begrenzung des Streitzeitraums bei der Bestimmung der Kostenquote günstig für den Antragsteller aus, da andernfalls ein zeitlich unbegrenzter Antrag jedenfalls insoweit abzulehnen wäre, als damit Leistungen über den Regelbewilligungszeitraum hinaus erfasst sind. 2.) Der so verstandene Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach der Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird. Zum anderen muss eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten ist, den Ausgang eines Hauptverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). a) Gemessen an diesen Anforderungen ist vorliegend ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller steht Leistungsanspruch nach dem SGB II zusteht. Der Antragsteller unterliegt nicht dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II (dazu aa). Er ist bleibt trotz der Ausweisung rechtlich erwerbsfähig (dazu bb). Aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ergibt sich nicht, dass Ausländer ohne vollziehbare Ausreisepflicht vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen wären (dazu cc). Der Antragsteller erfüllt schließlich die übrigen Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II (dazu dd). aa) Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II sind solche Personen vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen, die nach § 1 des AsylbLG leistungsberechtigt sind. Nach § 1 Abs. 1 AsylbLG sind leistungsberechtigt nach diesem Gesetz Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die 1. eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz besitzen, 2. über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist, 3. wegen des Krieges in ihrem Heimatland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 24 des Aufenthaltsgesetzes oder die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1, Abs. 4a oder Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, 4. eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen, 5. vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, 6. Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne daß sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen, oder 7. einen Folgeantrag nach § 71 des Asylverfahrensgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylverfahrensgesetzes stellen. Vorliegend kommt allein eine Leistungsberechtigung des Antragstellers nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG in Betracht. Hierfür fehlt es jedoch an der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (vgl. § 58 Abs. 2 AufenthG). Diese wurde vom LaBO ausweislich des Verhandlungsprotokolls der Sitzung des Verwaltungsgerichts vom 2.12.2010 gerade vorübergehend – für bis zu 6 Monate – ausgesetzt. Der Wortlaut der Erklärung des LaBO ergibt, dass sich die Aussetzung nicht nur auf eine Abschiebungsandrohung bezog. Ausdrücklich wurde vielmehr die Vollziehbarkeit "des Bescheides vom 11.11.2010", also der Ausweisung selbst, ausgesetzt. Hierfür spricht auch die vom LaBo am 6.12.2010 ausgestellte Bescheinigung, wonach "die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht derzeit entfallen" sei (Bl. 717 der LA). Die sonstigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AsylbLG liegen nicht vor, insbesondere fehlt es am Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG bzw. eines Antrages nach dem Asylverfahrensgesetz. bb) Der Antragsteller bleibt trotz Ausweisung auch (rechtlich) erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II. Nach dessen Absatz 1 ist erwerbsfähig, wer nicht auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Aus § 8 Abs. 2 SGB II ergibt sich, dass Ausländer im Sinne von Absatz 1 nur erwerbstätig sein können, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Dies trifft auf den Antragsteller zu. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Antragsteller als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis besaß, die ihn zur Erwerbstätigkeit berechtigte, vgl. § 28 Abs. 5, § 4 Abs. 2 AufenthG. Diese ist jedoch bereits abgelaufen. Entgegen der Auffassung von Antragsteller und Beigeladenem ergibt sich die fiktive Verlängerung von Aufenthaltserlaubnis und Erwerbsberechtigung vorliegend auch nicht nach § 81 Abs. 4 AufenthG. Nach dieser Vorschrift gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn ein Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift betrifft dies indes nur solche Fälle, in denen das Aufenthaltsrecht aus dem ursprünglichen Aufenthaltstitel noch besteht. § 81 Abs. 4 AufenthG soll demjenigen, der bereits einen Aufenthaltstitel besitzt, für die Zeit zwischen Ablauf des Titels und dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens auf Erteilung eines neuen Titels den legalen Aufenthalt ermöglichen. Die hiermit geregelte Verlängerungsfiktion wirkt damit allein in zeitlicher Hinsicht. Ist der Betroffene zwischenzeitlich aus anderen Gründen außer dem Ablauf der befristeten Aufenthaltserlaubnis nicht mehr zum Aufenthalt berechtigt, heilt § 81 Abs. 4 AufenthG derartige Mängel nicht (vgl. Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 84 AufenthG Rn. 4, 5; § 51 Rn. 7). So liegt der Fall hier. Denn der Antragsteller ist mit Verfügung vom 11.11.2010 ausgewiesen worden. Die Ausweisung bewirkt die Verpflichtung des Antragstellers, aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, sein Aufenthalt ist mangels Aufenthaltsrecht gegenwärtig unrechtmäßig (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Daran ändert es auch nichts, dass die Vollziehung der Ausweisung vom LaBO am 2. Dezember 2010 befristet ausgesetzt wurde. Denn wie sich aus § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG ergibt, lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung (welche die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet) unberührt. Gleiches gilt für die freiwillige Einräumung der Vollzugsaussetzung durch die Behörde. Die Hemmung der Vollziehbarkeit hat auf die Wirksamkeit der Ausweisung also keinen Einfluss. Aus § 84 Abs. 2 S. 2 AufenthG ergibt sich jedoch, dass der Aufenthaltstitel für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit u.a. als fortbestehend gilt, solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Da das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffend die Ausweisung noch nicht abgeschlossen ist, kommt diesem nach § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG noch aufschiebende Wirkung zu. Der Antragsteller ist somit zur Ausübung einer Erwerbsbeschäftigung derzeit berechtigt. Die Streitfrage, ob ein (rechtlich) nicht erwerbsfähiger Ausländer, der Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft von Anspruchsberechtigten nach dem SGB II ist, einen Anspruch nach § 28 SGB II auf Sozialgeld besitzt (vgl. dazu Birk, in: LPK-SGB II, 3. Aufl., § 28 Rn. 6) kann damit vorliegend offen bleiben. cc) Nach Auffassung des Gerichts kann aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Ausländer nach dem SGB II nur dann leistungsberechtigt sind, wenn sie überhaupt ein (noch gültiges) Aufenthaltsrecht besitzen (a.A. Brühl/Schoch, in: LPK-SGB II, 3. Aufl., § 7 Rn. 26; offenbar auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.12.2007 – L 5 B 2037/07 AS ER, Rn. 14). Aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ergibt sich, dass solche Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II besitzen. Eine inhaltsgleiche Vorschrift findet sich in § 23 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz SGB XII. Diese Normen gehen auf die Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 229 vom 29. Juni 2007, S. 35, sog. Unionsbürgerrichtlinie) zurück, wonach ein Mitgliedsstaat nicht verpflichtet ist, einem Unionsbürger und seinen Familienangehörigen während der Zeit der Arbeitssuche Sozialhilfe zu gewähren. Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass dem bloßen Arbeitssuchenden zumutbar ist, seinen Lebensunterhalt im Mitgliedsstaat vollständig aus eigenen Mitteln zu bestreiten, da derartige Personen regelmäßig auch keinen Anspruch nach dem AsylbLG besitzen. Die typische Konstellation der Arbeitssuche trifft aber vorliegend ersichtlich nicht zu. Der Antragsteller besaß als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen ursprünglich einen Aufenthaltstitel aus familiären Gründen, der ihn auch zur Erwerbstätigkeit in Deutschland berechtigte. Dieser fiel nachträglich fort (s. bb). Sofern nach dem SGB II und dem SGB XII überhaupt ein bestehendes Aufenthaltsrecht vorausgesetzt würde, stünde der Antragsteller schlechter, als er stehen würde, wenn die Vollziehbarkeit der Ausweisung nicht ausgesetzt worden wäre. Denn in diesem Fall käme ihm ein Anspruch nach dem AsylbLG zu (s. aa). Die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Auslegung erscheint dem Gericht vor dem Hintergrund der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Verpflichtung, zumindest das physische Existenzminimums eines jeden (nicht nur eines aufenthaltsberechtigten) Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu gewährleisten, zweifelhaft. Aus einer Zusammenschau mit § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG ergibt sich nach Auffassung der Kammer vielmehr, dass ein Anspruch nach dem SGB II (bzw. SGB XII) dem Grunde nach gegeben ist, solange der betroffene Ausländer nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist. Denn soll der Sozialhilfebezug vermieden werden, so besteht gerade die Möglichkeit, gegenüber dem Betroffenen (vollziehbar) aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten (so auch Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 23 Rn. 54d; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 23. Juli 2008 – L 7 3031/08 ER B, Rn. 17; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 27. November 2008 – L 8 SO 173/08 ER, Rn. 16). dd) Der Antragssteller hat auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II glaubhaft gemacht. Insbesondere ist für das Gericht glaubhaft, dass der Antragsteller wieder bei seiner Ehefrau wohnt und damit einen Anspruch auch auf Kosten der Unterkunft und Heizung besitzt. Denn diese hatte sich schon nach der verwaltungsgerichtlichen Sitzungsmitschrift bereit erklärt, den Antragsteller wieder in die gemeinsame Ehewohnung aufzunehmen. Dem Antragsteller kommt damit ein Anspruch auf die Regelleistung für Partner nach § 20 Abs. 3 SGB II und eines Viertels der für die Unterkunft der Ehefrau anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung. b) Der Antragsteller hat schließlich auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, dass der Antragsteller über einzusetzendes Schonvermögen oder Einkommen verfügt; auch seine Frau und Kinder beziehen kein anrechenbares Einkommen. Damit droht konkret die Unterschreitung des Existenzminimums. c) Der Antrag hat jedoch insoweit keinen Erfolg, als Leistungen vor Antragstellung bei Gericht begehrt wurden (d.h. für die Zeit vom 9.12.2010 – 16.1.2011). Denn das gerichtliche Eilverfahren dient allein der Beseitigung noch bestehender Notlagen. Eine Befriedigung schon in der Vergangenheit liegenden Bedarfe kann damit regelmäßig nicht erreicht werden; ein ausnahmsweise zu berücksichtigendes besonderes Nachholbedürfnis ist hier weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Der Antragsgegner wird im Übrigen die Leistungsbewilligung für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzupassen haben (betreffend Regelleistung der Ehefrau und den bewilligten Anteilen an Kosten der Unterkunft und Heizung). d) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens, wobei die Quote entsprechend des Unterliegens in zeitlicher Hinsicht festzusetzen war.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Antragsteller ist ghanaischer Staatsangehöriger und mit einer Deutschen verheiratet, mit der er zwei Kinder hat. Ihm wurde im Jahr 2008 eine bis Januar 2011 gültige Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug gem. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt. Nachdem sich der Antragsteller vom 29.9.2010 bis November 2010 in Strafhaft befand, ordnete das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten (LaBO) mit Verfügung vom 11.11.2010 die Ausweisung des Antragstellers an. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Im dortigen Erörterungstermin vom 2.12.2010 hat das LaBO die Vollziehbarkeit der Ausweisung mit sofortiger Wirkung bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache in 1. Instanz – längstens für 6 Monate – ausgesetzt. Der Aufenthaltstitel des Antragstellers lief am 16.1.2011 aus. Zwei Tage zuvor hat er einen Verlängerungsantrag gestellt, der noch nicht beschieden wurde. Der Antragsteller beantragte beim Antragsgegner am 9.12.2010 Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 6.1.2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Zur Begründung führte er an, der Antragsteller sei als Leistungsberechtigter nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen. Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit Widerspruch vom 17.1.2011 und dem am gleichen Tag beim Sozialgericht Berlin gestellten Eilantrag. Er ist der Auffassung, die Aufenthaltserlaubnis sei nach wie vor wirksam. Denn es liege ein Fall von § 81 Abs. 4 AufenthG vor, wonach der abgelaufene Aufenthaltstitel fiktiv bis zur Entscheidung über den Verlängerungsantrag fortbestehe. Die Ausweisungsverfügung sei unbeachtlich, da sie für die Dauer der Aussetzung der Vollziehung keine rechtlichen Wirkungen entfalte. Der Antragsteller wohnt nach Angaben seines Bevollmächtigten nach vorhergehendem Aufenthalt im Abschiebegewahrsam zwischenzeitlich wieder im Haushalt seiner Ehefrau und Kinder, welchen zuletzt vom Antragsgegner mit Bescheid vom 12.1.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II bewilligt wurden. Die Kosten der Unterkunft belaufen sich auf 377,12 EUR Nettomiete, 114,05 EUR Betriebskostenvorschuss sowie 70,03 EUR Heizkostenvorschuss, insgesamt mithin auf 561,20 EUR (vgl. Bl. 740 der Leistungsakte). Der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zu bewilligen. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen. Er meint nach wie vor, der Antragsteller sei leistungsberechtigt nach dem AsylbLG. Mit Beschluss vom 1. Februar 2011 hat das Sozialgericht den Grundsicherungsträger zu dem Eilverfahren beigeladen, da er bei Ablehnung des Anspruchs gegen den Antragsgegner als leistungspflichtig in Betracht kommt. Der Beigeladene ist der Auffassung, der Antragsteller habe gegen ihn wegen des Fortbestehens des Aufenthaltstitels nach § 81 Abs. 4 AufenthG keinen Anspruch. Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Behelfsakte des Antragsgegners Bezug genommen, deren Bl. 612-754 dem Gericht im Zeitpunkt seiner Entscheidung vorgelegen haben.
II.
1.) Der zulässige, aber in zeitlicher Hinsicht und der Höhe nach unbeschränkte Antrag war zunächst dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller Sozialleistungen in Höhe der Regelleistung für Partner und eines Viertels der Kosten der Unterkunft für einen Zeitraum von ab Antragstellung bei der Behörde am 9.12.2010 bis einschließlich Mai 2011 begehrt. Denn vorliegend wurde das gerichtliche Eilverfahren parallel mit dem Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 6.1.2011 eingeleitet. Fehlt es – wie hier – an einer zeitlichen Eingrenzung des Eilantrages ist daher maßgeblich das Rechtsschutzziel im Hauptsacheverfahren (hier: dem Widerspruchsverfahren beim Antragsgegner). Dort begehrt der Antragsteller offenkundig die Leistungsbewilligung ab Antragstellung vom 9.12.2010. Aus § 41 Abs. 1 S. 4 des 2. Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) ergibt sich, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende grundsätzlich für sechs Monate bewilligt werden sollen (Regelbewilligungszeitraum), wobei die Leistungsbewilligung praktisch regelmäßig nur für volle Kalendermonate (hier also: bis Mai 2011) erfolgt. Diese zeitliche Begrenzung ist parallel auch im gerichtlichen Eilverfahren maßgeblich. Denn hieraus folgt keine Benachteiligung für den Antragsteller. Vielmehr kann eine gerichtliche Eilentscheidung nicht mehr umfassen, als in der Hauptsache zugesprochen werden könnte. Zudem wirkt sich eine derartige Begrenzung des Streitzeitraums bei der Bestimmung der Kostenquote günstig für den Antragsteller aus, da andernfalls ein zeitlich unbegrenzter Antrag jedenfalls insoweit abzulehnen wäre, als damit Leistungen über den Regelbewilligungszeitraum hinaus erfasst sind. 2.) Der so verstandene Antrag ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die Voraussetzungen für einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind. Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn nach der Prüfung der materiellen Rechtslage überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller mit seinem Begehren im hauptsächlichen Verwaltungs- oder Klageverfahren erfolgreich sein wird. Zum anderen muss eine gerichtliche Entscheidung deswegen dringend geboten sein, weil es dem Antragsteller wegen drohender schwerwiegender Nachteile nicht zuzumuten ist, den Ausgang eines Hauptverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). a) Gemessen an diesen Anforderungen ist vorliegend ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller steht Leistungsanspruch nach dem SGB II zusteht. Der Antragsteller unterliegt nicht dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II (dazu aa). Er ist bleibt trotz der Ausweisung rechtlich erwerbsfähig (dazu bb). Aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ergibt sich nicht, dass Ausländer ohne vollziehbare Ausreisepflicht vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgeschlossen wären (dazu cc). Der Antragsteller erfüllt schließlich die übrigen Leistungsvoraussetzungen nach dem SGB II (dazu dd). aa) Nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB II sind solche Personen vom Leistungsbezug nach dem SGB II ausgenommen, die nach § 1 des AsylbLG leistungsberechtigt sind. Nach § 1 Abs. 1 AsylbLG sind leistungsberechtigt nach diesem Gesetz Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die 1. eine Aufenthaltsgestattung nach dem Asylverfahrensgesetz besitzen, 2. über einen Flughafen einreisen wollen und denen die Einreise nicht oder noch nicht gestattet ist, 3. wegen des Krieges in ihrem Heimatland eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 oder § 24 des Aufenthaltsgesetzes oder die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1, Abs. 4a oder Abs. 5 des Aufenthaltsgesetzes besitzen, 4. eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes besitzen, 5. vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, 6. Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährige Kinder der in den Nummern 1 bis 5 genannten Personen sind, ohne daß sie selbst die dort genannten Voraussetzungen erfüllen, oder 7. einen Folgeantrag nach § 71 des Asylverfahrensgesetzes oder einen Zweitantrag nach § 71a des Asylverfahrensgesetzes stellen. Vorliegend kommt allein eine Leistungsberechtigung des Antragstellers nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG in Betracht. Hierfür fehlt es jedoch an der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht (vgl. § 58 Abs. 2 AufenthG). Diese wurde vom LaBO ausweislich des Verhandlungsprotokolls der Sitzung des Verwaltungsgerichts vom 2.12.2010 gerade vorübergehend – für bis zu 6 Monate – ausgesetzt. Der Wortlaut der Erklärung des LaBO ergibt, dass sich die Aussetzung nicht nur auf eine Abschiebungsandrohung bezog. Ausdrücklich wurde vielmehr die Vollziehbarkeit "des Bescheides vom 11.11.2010", also der Ausweisung selbst, ausgesetzt. Hierfür spricht auch die vom LaBo am 6.12.2010 ausgestellte Bescheinigung, wonach "die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht derzeit entfallen" sei (Bl. 717 der LA). Die sonstigen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 AsylbLG liegen nicht vor, insbesondere fehlt es am Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG bzw. eines Antrages nach dem Asylverfahrensgesetz. bb) Der Antragsteller bleibt trotz Ausweisung auch (rechtlich) erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II. Nach dessen Absatz 1 ist erwerbsfähig, wer nicht auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Aus § 8 Abs. 2 SGB II ergibt sich, dass Ausländer im Sinne von Absatz 1 nur erwerbstätig sein können, wenn ihnen die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte. Dies trifft auf den Antragsteller zu. Zunächst ist davon auszugehen, dass der Antragsteller als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen eine Aufenthaltserlaubnis besaß, die ihn zur Erwerbstätigkeit berechtigte, vgl. § 28 Abs. 5, § 4 Abs. 2 AufenthG. Diese ist jedoch bereits abgelaufen. Entgegen der Auffassung von Antragsteller und Beigeladenem ergibt sich die fiktive Verlängerung von Aufenthaltserlaubnis und Erwerbsberechtigung vorliegend auch nicht nach § 81 Abs. 4 AufenthG. Nach dieser Vorschrift gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn ein Ausländer die Verlängerung seines Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift betrifft dies indes nur solche Fälle, in denen das Aufenthaltsrecht aus dem ursprünglichen Aufenthaltstitel noch besteht. § 81 Abs. 4 AufenthG soll demjenigen, der bereits einen Aufenthaltstitel besitzt, für die Zeit zwischen Ablauf des Titels und dem Abschluss des Verwaltungsverfahrens auf Erteilung eines neuen Titels den legalen Aufenthalt ermöglichen. Die hiermit geregelte Verlängerungsfiktion wirkt damit allein in zeitlicher Hinsicht. Ist der Betroffene zwischenzeitlich aus anderen Gründen außer dem Ablauf der befristeten Aufenthaltserlaubnis nicht mehr zum Aufenthalt berechtigt, heilt § 81 Abs. 4 AufenthG derartige Mängel nicht (vgl. Dienelt, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., § 84 AufenthG Rn. 4, 5; § 51 Rn. 7). So liegt der Fall hier. Denn der Antragsteller ist mit Verfügung vom 11.11.2010 ausgewiesen worden. Die Ausweisung bewirkt die Verpflichtung des Antragstellers, aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auszureisen, sein Aufenthalt ist mangels Aufenthaltsrecht gegenwärtig unrechtmäßig (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Daran ändert es auch nichts, dass die Vollziehung der Ausweisung vom LaBO am 2. Dezember 2010 befristet ausgesetzt wurde. Denn wie sich aus § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG ergibt, lassen Widerspruch und Klage unbeschadet ihrer aufschiebenden Wirkung die Wirksamkeit der Ausweisung (welche die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts beendet) unberührt. Gleiches gilt für die freiwillige Einräumung der Vollzugsaussetzung durch die Behörde. Die Hemmung der Vollziehbarkeit hat auf die Wirksamkeit der Ausweisung also keinen Einfluss. Aus § 84 Abs. 2 S. 2 AufenthG ergibt sich jedoch, dass der Aufenthaltstitel für Zwecke der Aufnahme oder Ausübung einer Erwerbstätigkeit u.a. als fortbestehend gilt, solange der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat. Da das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffend die Ausweisung noch nicht abgeschlossen ist, kommt diesem nach § 84 Abs. 2 S. 1 AufenthG noch aufschiebende Wirkung zu. Der Antragsteller ist somit zur Ausübung einer Erwerbsbeschäftigung derzeit berechtigt. Die Streitfrage, ob ein (rechtlich) nicht erwerbsfähiger Ausländer, der Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft von Anspruchsberechtigten nach dem SGB II ist, einen Anspruch nach § 28 SGB II auf Sozialgeld besitzt (vgl. dazu Birk, in: LPK-SGB II, 3. Aufl., § 28 Rn. 6) kann damit vorliegend offen bleiben. cc) Nach Auffassung des Gerichts kann aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass Ausländer nach dem SGB II nur dann leistungsberechtigt sind, wenn sie überhaupt ein (noch gültiges) Aufenthaltsrecht besitzen (a.A. Brühl/Schoch, in: LPK-SGB II, 3. Aufl., § 7 Rn. 26; offenbar auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20.12.2007 – L 5 B 2037/07 AS ER, Rn. 14). Aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ergibt sich, dass solche Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, keinen Leistungsanspruch nach dem SGB II besitzen. Eine inhaltsgleiche Vorschrift findet sich in § 23 Abs. 3 S. 1, 2. Halbsatz SGB XII. Diese Normen gehen auf die Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 (ABl. L 229 vom 29. Juni 2007, S. 35, sog. Unionsbürgerrichtlinie) zurück, wonach ein Mitgliedsstaat nicht verpflichtet ist, einem Unionsbürger und seinen Familienangehörigen während der Zeit der Arbeitssuche Sozialhilfe zu gewähren. Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass dem bloßen Arbeitssuchenden zumutbar ist, seinen Lebensunterhalt im Mitgliedsstaat vollständig aus eigenen Mitteln zu bestreiten, da derartige Personen regelmäßig auch keinen Anspruch nach dem AsylbLG besitzen. Die typische Konstellation der Arbeitssuche trifft aber vorliegend ersichtlich nicht zu. Der Antragsteller besaß als Ehegatte einer deutschen Staatsangehörigen ursprünglich einen Aufenthaltstitel aus familiären Gründen, der ihn auch zur Erwerbstätigkeit in Deutschland berechtigte. Dieser fiel nachträglich fort (s. bb). Sofern nach dem SGB II und dem SGB XII überhaupt ein bestehendes Aufenthaltsrecht vorausgesetzt würde, stünde der Antragsteller schlechter, als er stehen würde, wenn die Vollziehbarkeit der Ausweisung nicht ausgesetzt worden wäre. Denn in diesem Fall käme ihm ein Anspruch nach dem AsylbLG zu (s. aa). Die Verfassungsmäßigkeit einer solchen Auslegung erscheint dem Gericht vor dem Hintergrund der aus Art. 1 Abs. 1 GG folgenden Verpflichtung, zumindest das physische Existenzminimums eines jeden (nicht nur eines aufenthaltsberechtigten) Menschen im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu gewährleisten, zweifelhaft. Aus einer Zusammenschau mit § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG ergibt sich nach Auffassung der Kammer vielmehr, dass ein Anspruch nach dem SGB II (bzw. SGB XII) dem Grunde nach gegeben ist, solange der betroffene Ausländer nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist. Denn soll der Sozialhilfebezug vermieden werden, so besteht gerade die Möglichkeit, gegenüber dem Betroffenen (vollziehbar) aufenthaltsbeendende Maßnahmen einzuleiten (so auch Schlette, in: Hauck/Noftz, SGB XII, § 23 Rn. 54d; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 23. Juli 2008 – L 7 3031/08 ER B, Rn. 17; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 27. November 2008 – L 8 SO 173/08 ER, Rn. 16). dd) Der Antragssteller hat auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II glaubhaft gemacht. Insbesondere ist für das Gericht glaubhaft, dass der Antragsteller wieder bei seiner Ehefrau wohnt und damit einen Anspruch auch auf Kosten der Unterkunft und Heizung besitzt. Denn diese hatte sich schon nach der verwaltungsgerichtlichen Sitzungsmitschrift bereit erklärt, den Antragsteller wieder in die gemeinsame Ehewohnung aufzunehmen. Dem Antragsteller kommt damit ein Anspruch auf die Regelleistung für Partner nach § 20 Abs. 3 SGB II und eines Viertels der für die Unterkunft der Ehefrau anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung. b) Der Antragsteller hat schließlich auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es ist nach Aktenlage nicht ersichtlich, dass der Antragsteller über einzusetzendes Schonvermögen oder Einkommen verfügt; auch seine Frau und Kinder beziehen kein anrechenbares Einkommen. Damit droht konkret die Unterschreitung des Existenzminimums. c) Der Antrag hat jedoch insoweit keinen Erfolg, als Leistungen vor Antragstellung bei Gericht begehrt wurden (d.h. für die Zeit vom 9.12.2010 – 16.1.2011). Denn das gerichtliche Eilverfahren dient allein der Beseitigung noch bestehender Notlagen. Eine Befriedigung schon in der Vergangenheit liegenden Bedarfe kann damit regelmäßig nicht erreicht werden; ein ausnahmsweise zu berücksichtigendes besonderes Nachholbedürfnis ist hier weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Der Antragsgegner wird im Übrigen die Leistungsbewilligung für die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft anzupassen haben (betreffend Regelleistung der Ehefrau und den bewilligten Anteilen an Kosten der Unterkunft und Heizung). d) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Sie berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens, wobei die Quote entsprechend des Unterliegens in zeitlicher Hinsicht festzusetzen war.
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