Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 2714/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der von der Transfergesellschaft gezahlte Zuschuss zum
Transferkurzarbeitergeld ist nicht als ohne den Arbeitsausfall
zeitgleich erzieltes fiktives Arbeitsentgelt gem. § 131 Abs. 3
Nr. 1 SGB III anzusehen.
Transferkurzarbeitergeld ist nicht als ohne den Arbeitsausfall
zeitgleich erzieltes fiktives Arbeitsentgelt gem. § 131 Abs. 3
Nr. 1 SGB III anzusehen.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids vom 13.4.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.5.2007 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld unter ausschließlicher Berücksichtigung des bei der Firma Xxx GmbH bezogenen Arbeitsentgelts in der Zeit vom 1.6.2005 bis 31.5.2006 zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klä-gers
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des dem Kläger ab dem 01.06.2007 bewilligten Arbeitslosengel-des.
Der 1951 geborene Kläger vereinbarte mit seiner Arbeitgeberin, der Xxx GmbH xxx, wegen Restrukturierung des Betriebes eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2006 (beitragspflichtiges Arbeitsentgelt vom 01.06.2005 bis 31.05.2006: 28.767,96 Euro, unterbrochen durch Bezug von Übergangsgeld vom 05.12.2005 bis 14.12.2005 und von Krankengeld vom 15.12.2005 bis 28.02.2006) mit gleichzeitiger, bis zum 31.05.2007 befristeter Übernahme in eine Transfergesellschaft xxx GmbH, im Folgenden: XXX), bei der er gemäß § 4 der Vereinbarung eine Zuzahlung zum Transferkurzarbeitergeld-Null auf der Basis von effektiv 80 % des bisherigen Netto-verdienstes bei der XXX iHv 2.572,68 Euro erhielt (beitragspflichtiges Arbeitsentgelt vom 01.06.2006 bis 31.05.2007: 26.127,15 Euro). Die Gewährung von Transferkurz-arbeitergeld für unkündbare Mitarbeiter der XXX, darunter auch der Kläger, war zwi-schen der Beklagten und der XXX streitig. Im November 2008 nahm die Beklagte ihre beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg anhängige Berufung (L 8 AL 1741/04, nach Ruhen und Wiederanrufung: L 8 AL 812/08) gegen ihre Verur-teilung, der XXX Transferkurzarbeitergeld u.a. für den Kläger zu zahlen (Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.02.2004 - S 2 AL 2789/02), zurück.
Mit Bescheid vom 13.04.2007 und Widerspruchsbescheid vom 10.5.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 01.06.2007 in Höhe von 37,42 Euro. In dem zu Gunsten des Klägers auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen vom 01.06.2005 bis 31.05.2007 habe der Kläger in 644 Tagen eine beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 54.895,47 Euro erzielt. Hieraus ergebe sich ein tägliches Bemes-sungsentgelt von 85,24 Euro.
Der Kläger hat am 30.05.2007 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Be-rechnung seines Arbeitslosengeldes habe auf der Grundlage des bei der XXX in der Zeit vom 01.06.2005 bis 31.05.2006 erzielten Arbeitsentgelts zu erfolgen. Gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III sei das Arbeitsentgelt einschließlich Einmalzahlungen zu Grunde zu legen, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsausfall beim ehemaligen Arbeit-nehmer und nicht bei der Transfergesellschaft erhalten hätte. An ihrer entsprechenden früheren Dienstanweisung halte die Beklagte ab dem 22.05.2006 nicht mehr fest. Die Änderung der Berechnungsmethode entbehre der Rechtsgrundlage, die Änderung der Verwaltungspraxis sei ohne Vorankündigung erfolgt. Seitens der Beklagten sei den Vertretern der XXX zugesichert worden, im Sinne des Vertrauensschutzes im Fall des Klägers die alte Weisungslage anzuwenden, weil die neue Weisungslage erst zum 22.06.2006 der XXX bekannt gegeben und daher nicht die Sozialplanverhandlungen bei der XXX eingeflossen sei. Diese Auskünfte habe die XXX an die betroffenen Arbeitnehmer weitergegeben. Die Beklagte könne sich daher nicht darauf berufen, über die Höhe des zu erwartenden Arbeitslosengeldes sei der Kläger nicht beraten worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2007 zu verurteilen, ihm Arbeitslosen-geld unter Berücksichtigung des bei der Firma Xxx GmbH bezogenen Arbeitsent-gelts im Zeitraum vom 01.06.2005 bis 31.05.2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wendet ein, auch wenn dem Kläger nachträglich Transferkurzarbeitergeld gewährt worden sei, bestehe nur dann ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld, wenn er vorher dahingehend beraten worden sei, dass in seinem Fall das spätere Arbeitslosengeld sich nach dem Arbeitsentgelt vor Eintritt in die Transfergesellschaft richte. Der Kläger habe selbst eingeräumt, dass er nicht entsprechend von der Be-klagten beraten worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwal-tungsakte und das Vorbringen der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 13.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld ab 01.06.2007 als bewilligt, weil bei der Berechnung nur das bei der XXX zuletzt erzielte, höhere Ar-beitsentgelt zu berücksichtigen ist.
Die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes bestimmt sich nach den §§ 129 ff SGB III in der zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns jeweils geltenden Fassung. Bei dem Kläger beträgt das Arbeitslosengeld gemäß § 129 Nr. 2 SGB III 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt). Das Leistungsentgelt berechnet sich aus dem Bruttoentgelt, das der Versicherte im so genannten Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Dieser umfasst die Entgeltabrechnungszeiträume in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des An-spruchs (§ 130 Abs. 1 SGB III). In diesen 52 Wochen muss Versicherungspflicht be-standen haben und die Entgeltabrechnungszeiträume müssen beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet worden sein. Bemessungsentgelt im Sinne des § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt.
Bei der Berechnung des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers ist die Beklagte von einem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraum ausgegangen. Hierzu wäre die Beklagte nur dann verpflichtet, wenn es mit Rücksicht auf das Entgelt, das der Kläger in Zeiten der Versicherungspflichtverhältnisse in den letzten zwei Jahren vor dem Ende des Bemessungszeitraums überwiegend erzielt hat, unbillig hart wäre, von dem Entgelt in dem Bemessungszeitraum auszugehen oder der Bemessungszeitraum Zeiten des Wehrdienstes oder des Zivildienstes umfasst (§ 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Das Vorliegen einer Härte in diesem Sinne ist durch einen Vergleich des im Bemessungszeitraum gemäß § 130 SGB III erzielten Entgelts (Regelbemes-sungsentgelt) mit dem in den letzten zwei Jahren vor dem Ende des Bemessungs-zeitraums überwiegend erzielten Entgelts festzustellen (vgl. grundlegend BSG SozR 3-4100 § 44 Nr. 11). Der Zwei-Jahres-Zeitraum läuft dabei kalendermäßig ausgehend vom Ende des Bemessungszeitraums ab. Das Entgelt ist nicht erst überwiegend erzielt, wenn das höhere Entgelt für mehr als die Hälfte des Zwei-Jahres-Zeitraums erzielt worden ist, es genügt vielmehr ein längerer Zeitraum als für die anderen in den zwei Jahren liegenden Versicherungspflichtverhältnisse. Ein solches, zu einer unbilligen Härte führendes Überwiegen des vom Kläger in der Zeit vom 01.06.2005 bis 31.05.2006 bei der XXX erzielten Arbeitsentgelts gegenüber den Bezügen bei der XXX in der Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2007 ist zweifelhaft. Die von der Beklagten errechnete Lohnsumme bei der XXX liegt weniger als 10 % unter dem Betrag bei der XXX; der Zeitraum bei der XXX wird überdies durch die Versicherungspflicht wegen Zahlung von Übergangsgeld bzw. Krankengeld unterbrochen. Zweifel bestehen auch dahingehend, ob es sich bei den Bezügen des Klägers bei der XXX überhaupt um Arbeitsentgelt handelt (s.u.).
Hierüber braucht aber nicht abschließend entschieden zu werden, weil nach Über-zeugung des Gerichts aus anderen Gründen für die Höhe des Arbeitslosengeldan-spruchs des Klägers nur das bei der XXX erzielte Arbeitsentgelt maßgeblich ist. Nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III ist für Zeiten, in denen der Arbeitslose u. a. Kurzarbeitergeld bezogen hat, das Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das der Arbeitslose ohne den Arbeitsausfall und ohne Mehrarbeit erzielt hätte. Die für das Kurzarbeitergeld geltenden Vorschriften finden nach § 216 b Abs. 10 SGB III für das Transferkurzarbeitergeld Anwendung und damit auch § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III; sein Wortlaut unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Formen des Kurzarbeitergeldes (Valgolio in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB III, Stand 6/09, Anm. 48a zu K § 131).
Die Voraussetzungen der besonderen Bemessung des Arbeitslosengeldes nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III sind erfüllt. Ausreichend ist, dass der Kläger (für die Zeit vom 01.06.2006 bis 31.05.2007 bei der XXX) Transferkurzarbeitergeld bezogen hat. Dies haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt, nachdem die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung dieser Leistung für den Kläger durch Beendigung des Berufungsverfahrens mit dem Az. L 8 AL 812/08 feststeht.
Als Rechtsfolge ist der Arbeitslosengeldberechnung - abweichend von der Auffassung der Beklagten - nicht der von der XXX gezahlte Betrag (iHv. 80 v.H. des früheren, bei der XXX erzielten Lohns) als zeitgleiches fiktives Arbeitsentgelt ohne den Arbeitsausfall zu Grunde zu legen, sondern der bei der XXX zuletzt erzielte Lohn in voller Höhe. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Zuschuss des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld - vorliegend nach § 4 der Vereinbarung vom 27.04.2006 - ebensowenig wie das Kurzarbeitergeld Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch darstellt, sondern es sich um eine Sozialleistung bzw. eine Entschädigung für ausgefallene Arbeitsleistung handelt (Valgolio, a.a.O., Anm. 48 zu K § 131). Die Beklagte kann daher nicht einwenden, ohne den Arbeitsausfall hätte der Kläger jedenfalls ein "Arbeitsentgelt" bei der Transfergesellschaft erzielt, das nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der XXX (§ 2 der Vereinbarung) und Begründung eines neuen Beschäftigungsverhältnisses (§ 3 der Vereinbarung) allein maßgeblich sei. Möglicherweise ist zwar ein Beschäftigungs¬verhältnis bei der XXX anzunehmen, obwohl gar keine Arbeitsleistung vereinbart worden ist. Denn trotz der Anordnung von Kurzarbeit Null stehen die Transferkurzarbeitergeld-Mitarbeiter bei der Beschäftigungsgesellschaft in einem regulären Beschäftigungsverhältnis, weil von dem Erfordernis, dass tatsächlich Arbeit verrichtet wird, im Hinblick auf den sozialen Schutzzweck der Sozialversicherung in Einzelfällen abgesehen werden kann (so zur Beitragspflicht nach § 150 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.10.2008 - L 17 U 274/07). Dies führt aber nicht zur Zahlung eines Arbeitsentgelts - die Beteiligten des dreiseitigen Vertrages haben in § 4 auch kein Arbeitsentgelt oder Lohn, sondern eine "Zuzahlung" zum Transferkurzarbeitergeld vereinbart - sondern allenfalls dazu, dass der einjährige Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält und damit nach § 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III der Bemessungszeitraum auf zwei Jahre zu erweitern ist. Dies führte wiederum zu dem Ergebnis, dass allein der bei der XXX erzielte Lohn zu berücksichtigen wäre.
Im Übrigen ist bei der durch § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III angeordneten hypothetischen Betrachtung, welches Arbeitsentgelt der Kläger ohne Arbeitsausfall erzielt hätte, nicht darauf abzustellen, welchen Lohn der Kläger bei der XXX tatsächlich erzielt hat, sondern unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung auf den Lohn, den er ohne Übergang in die Transfergesellschaft und infolgedessen ohne den Bezug von Transferkurzarbeitergeld erzielt hätte. Der Gesetzgeber hat mit § 131 Abs. 3 SGB III zum Ausdruck gebracht, dass trotz einer prinzipiell stärkeren Vergan-genheitsorientierung des Bemessungsrechts zumindest für die dort geregelten Son-derfälle ein Ausgleich für Einkünfte, die dem Arbeitslosen in Zukunft entgehen, ange-strebt wird (vgl. Valgolio in Hauck/Noftz, a.a.O., Anm. 9 zu K § 131). Ohne den allein durch den Arbeitsausfall bedingten Wechsel zur XXX hätte der Kläger auch nach dem 31.05.2006 nicht den - unter Einbeziehung der Sozialleistung berechneten und ausdrücklich so bezeichneten - Zuschuss zum Transferkurzarbeitergeld-Null in Höhe von 80 v.H. seines letzten Nettolohns erhalten, sondern den bei der XXX erzielten vollen Lohn. Dies wird dadurch bestätigt, dass - nach dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung - inzwischen wegen der geänderten Rechtsauffassung der Beklagten zu § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III regelmäßig ein Zuschuss von 100 v.H. von den Transfergesellschaften gezahlt wird, um das frühere Lohnniveau zu halten. Gründe für die Änderung ihrer Auslegung des § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III hat die Beklagte hingegen nicht vorgetragen.
Da der Kläger wie beantragt Anspruch auf Arbeitslosengeld auf der Grundlage des bei der XXX erzielten Arbeitsentgelts hat, ist auf sein Vorbringen zum Vertrauensschutz nicht weiter einzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Tatbestand:
Streitig ist die Höhe des dem Kläger ab dem 01.06.2007 bewilligten Arbeitslosengel-des.
Der 1951 geborene Kläger vereinbarte mit seiner Arbeitgeberin, der Xxx GmbH xxx, wegen Restrukturierung des Betriebes eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.05.2006 (beitragspflichtiges Arbeitsentgelt vom 01.06.2005 bis 31.05.2006: 28.767,96 Euro, unterbrochen durch Bezug von Übergangsgeld vom 05.12.2005 bis 14.12.2005 und von Krankengeld vom 15.12.2005 bis 28.02.2006) mit gleichzeitiger, bis zum 31.05.2007 befristeter Übernahme in eine Transfergesellschaft xxx GmbH, im Folgenden: XXX), bei der er gemäß § 4 der Vereinbarung eine Zuzahlung zum Transferkurzarbeitergeld-Null auf der Basis von effektiv 80 % des bisherigen Netto-verdienstes bei der XXX iHv 2.572,68 Euro erhielt (beitragspflichtiges Arbeitsentgelt vom 01.06.2006 bis 31.05.2007: 26.127,15 Euro). Die Gewährung von Transferkurz-arbeitergeld für unkündbare Mitarbeiter der XXX, darunter auch der Kläger, war zwi-schen der Beklagten und der XXX streitig. Im November 2008 nahm die Beklagte ihre beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg anhängige Berufung (L 8 AL 1741/04, nach Ruhen und Wiederanrufung: L 8 AL 812/08) gegen ihre Verur-teilung, der XXX Transferkurzarbeitergeld u.a. für den Kläger zu zahlen (Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12.02.2004 - S 2 AL 2789/02), zurück.
Mit Bescheid vom 13.04.2007 und Widerspruchsbescheid vom 10.5.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab 01.06.2007 in Höhe von 37,42 Euro. In dem zu Gunsten des Klägers auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmen vom 01.06.2005 bis 31.05.2007 habe der Kläger in 644 Tagen eine beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von 54.895,47 Euro erzielt. Hieraus ergebe sich ein tägliches Bemes-sungsentgelt von 85,24 Euro.
Der Kläger hat am 30.05.2007 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor, die Be-rechnung seines Arbeitslosengeldes habe auf der Grundlage des bei der XXX in der Zeit vom 01.06.2005 bis 31.05.2006 erzielten Arbeitsentgelts zu erfolgen. Gemäß § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III sei das Arbeitsentgelt einschließlich Einmalzahlungen zu Grunde zu legen, das der Arbeitnehmer ohne Arbeitsausfall beim ehemaligen Arbeit-nehmer und nicht bei der Transfergesellschaft erhalten hätte. An ihrer entsprechenden früheren Dienstanweisung halte die Beklagte ab dem 22.05.2006 nicht mehr fest. Die Änderung der Berechnungsmethode entbehre der Rechtsgrundlage, die Änderung der Verwaltungspraxis sei ohne Vorankündigung erfolgt. Seitens der Beklagten sei den Vertretern der XXX zugesichert worden, im Sinne des Vertrauensschutzes im Fall des Klägers die alte Weisungslage anzuwenden, weil die neue Weisungslage erst zum 22.06.2006 der XXX bekannt gegeben und daher nicht die Sozialplanverhandlungen bei der XXX eingeflossen sei. Diese Auskünfte habe die XXX an die betroffenen Arbeitnehmer weitergegeben. Die Beklagte könne sich daher nicht darauf berufen, über die Höhe des zu erwartenden Arbeitslosengeldes sei der Kläger nicht beraten worden.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2007 zu verurteilen, ihm Arbeitslosen-geld unter Berücksichtigung des bei der Firma Xxx GmbH bezogenen Arbeitsent-gelts im Zeitraum vom 01.06.2005 bis 31.05.2006 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wendet ein, auch wenn dem Kläger nachträglich Transferkurzarbeitergeld gewährt worden sei, bestehe nur dann ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld, wenn er vorher dahingehend beraten worden sei, dass in seinem Fall das spätere Arbeitslosengeld sich nach dem Arbeitsentgelt vor Eintritt in die Transfergesellschaft richte. Der Kläger habe selbst eingeräumt, dass er nicht entsprechend von der Be-klagten beraten worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwal-tungsakte und das Vorbringen der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 13.04.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.5.2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld ab 01.06.2007 als bewilligt, weil bei der Berechnung nur das bei der XXX zuletzt erzielte, höhere Ar-beitsentgelt zu berücksichtigen ist.
Die Höhe des dem Kläger zustehenden Arbeitslosengeldes bestimmt sich nach den §§ 129 ff SGB III in der zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns jeweils geltenden Fassung. Bei dem Kläger beträgt das Arbeitslosengeld gemäß § 129 Nr. 2 SGB III 60 % (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt). Das Leistungsentgelt berechnet sich aus dem Bruttoentgelt, das der Versicherte im so genannten Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Dieser umfasst die Entgeltabrechnungszeiträume in den letzten 52 Wochen vor der Entstehung des An-spruchs (§ 130 Abs. 1 SGB III). In diesen 52 Wochen muss Versicherungspflicht be-standen haben und die Entgeltabrechnungszeiträume müssen beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem Versicherungspflichtverhältnis vor der Entstehung des Anspruchs abgerechnet worden sein. Bemessungsentgelt im Sinne des § 132 Abs. 1 Satz 1 SGB III ist das im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Entgelt.
Bei der Berechnung des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers ist die Beklagte von einem auf zwei Jahre erweiterten Bemessungszeitraum ausgegangen. Hierzu wäre die Beklagte nur dann verpflichtet, wenn es mit Rücksicht auf das Entgelt, das der Kläger in Zeiten der Versicherungspflichtverhältnisse in den letzten zwei Jahren vor dem Ende des Bemessungszeitraums überwiegend erzielt hat, unbillig hart wäre, von dem Entgelt in dem Bemessungszeitraum auszugehen oder der Bemessungszeitraum Zeiten des Wehrdienstes oder des Zivildienstes umfasst (§ 130 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Das Vorliegen einer Härte in diesem Sinne ist durch einen Vergleich des im Bemessungszeitraum gemäß § 130 SGB III erzielten Entgelts (Regelbemes-sungsentgelt) mit dem in den letzten zwei Jahren vor dem Ende des Bemessungs-zeitraums überwiegend erzielten Entgelts festzustellen (vgl. grundlegend BSG SozR 3-4100 § 44 Nr. 11). Der Zwei-Jahres-Zeitraum läuft dabei kalendermäßig ausgehend vom Ende des Bemessungszeitraums ab. Das Entgelt ist nicht erst überwiegend erzielt, wenn das höhere Entgelt für mehr als die Hälfte des Zwei-Jahres-Zeitraums erzielt worden ist, es genügt vielmehr ein längerer Zeitraum als für die anderen in den zwei Jahren liegenden Versicherungspflichtverhältnisse. Ein solches, zu einer unbilligen Härte führendes Überwiegen des vom Kläger in der Zeit vom 01.06.2005 bis 31.05.2006 bei der XXX erzielten Arbeitsentgelts gegenüber den Bezügen bei der XXX in der Zeit vom 01.05.2006 bis 31.05.2007 ist zweifelhaft. Die von der Beklagten errechnete Lohnsumme bei der XXX liegt weniger als 10 % unter dem Betrag bei der XXX; der Zeitraum bei der XXX wird überdies durch die Versicherungspflicht wegen Zahlung von Übergangsgeld bzw. Krankengeld unterbrochen. Zweifel bestehen auch dahingehend, ob es sich bei den Bezügen des Klägers bei der XXX überhaupt um Arbeitsentgelt handelt (s.u.).
Hierüber braucht aber nicht abschließend entschieden zu werden, weil nach Über-zeugung des Gerichts aus anderen Gründen für die Höhe des Arbeitslosengeldan-spruchs des Klägers nur das bei der XXX erzielte Arbeitsentgelt maßgeblich ist. Nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III ist für Zeiten, in denen der Arbeitslose u. a. Kurzarbeitergeld bezogen hat, das Arbeitsentgelt zu Grunde zu legen, das der Arbeitslose ohne den Arbeitsausfall und ohne Mehrarbeit erzielt hätte. Die für das Kurzarbeitergeld geltenden Vorschriften finden nach § 216 b Abs. 10 SGB III für das Transferkurzarbeitergeld Anwendung und damit auch § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III; sein Wortlaut unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Formen des Kurzarbeitergeldes (Valgolio in Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch SGB III, Stand 6/09, Anm. 48a zu K § 131).
Die Voraussetzungen der besonderen Bemessung des Arbeitslosengeldes nach § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III sind erfüllt. Ausreichend ist, dass der Kläger (für die Zeit vom 01.06.2006 bis 31.05.2007 bei der XXX) Transferkurzarbeitergeld bezogen hat. Dies haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt, nachdem die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung dieser Leistung für den Kläger durch Beendigung des Berufungsverfahrens mit dem Az. L 8 AL 812/08 feststeht.
Als Rechtsfolge ist der Arbeitslosengeldberechnung - abweichend von der Auffassung der Beklagten - nicht der von der XXX gezahlte Betrag (iHv. 80 v.H. des früheren, bei der XXX erzielten Lohns) als zeitgleiches fiktives Arbeitsentgelt ohne den Arbeitsausfall zu Grunde zu legen, sondern der bei der XXX zuletzt erzielte Lohn in voller Höhe. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Zuschuss des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld - vorliegend nach § 4 der Vereinbarung vom 27.04.2006 - ebensowenig wie das Kurzarbeitergeld Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Viertes Buch Sozialgesetzbuch darstellt, sondern es sich um eine Sozialleistung bzw. eine Entschädigung für ausgefallene Arbeitsleistung handelt (Valgolio, a.a.O., Anm. 48 zu K § 131). Die Beklagte kann daher nicht einwenden, ohne den Arbeitsausfall hätte der Kläger jedenfalls ein "Arbeitsentgelt" bei der Transfergesellschaft erzielt, das nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei der XXX (§ 2 der Vereinbarung) und Begründung eines neuen Beschäftigungsverhältnisses (§ 3 der Vereinbarung) allein maßgeblich sei. Möglicherweise ist zwar ein Beschäftigungs¬verhältnis bei der XXX anzunehmen, obwohl gar keine Arbeitsleistung vereinbart worden ist. Denn trotz der Anordnung von Kurzarbeit Null stehen die Transferkurzarbeitergeld-Mitarbeiter bei der Beschäftigungsgesellschaft in einem regulären Beschäftigungsverhältnis, weil von dem Erfordernis, dass tatsächlich Arbeit verrichtet wird, im Hinblick auf den sozialen Schutzzweck der Sozialversicherung in Einzelfällen abgesehen werden kann (so zur Beitragspflicht nach § 150 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 01.10.2008 - L 17 U 274/07). Dies führt aber nicht zur Zahlung eines Arbeitsentgelts - die Beteiligten des dreiseitigen Vertrages haben in § 4 auch kein Arbeitsentgelt oder Lohn, sondern eine "Zuzahlung" zum Transferkurzarbeitergeld vereinbart - sondern allenfalls dazu, dass der einjährige Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält und damit nach § 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III der Bemessungszeitraum auf zwei Jahre zu erweitern ist. Dies führte wiederum zu dem Ergebnis, dass allein der bei der XXX erzielte Lohn zu berücksichtigen wäre.
Im Übrigen ist bei der durch § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III angeordneten hypothetischen Betrachtung, welches Arbeitsentgelt der Kläger ohne Arbeitsausfall erzielt hätte, nicht darauf abzustellen, welchen Lohn der Kläger bei der XXX tatsächlich erzielt hat, sondern unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung auf den Lohn, den er ohne Übergang in die Transfergesellschaft und infolgedessen ohne den Bezug von Transferkurzarbeitergeld erzielt hätte. Der Gesetzgeber hat mit § 131 Abs. 3 SGB III zum Ausdruck gebracht, dass trotz einer prinzipiell stärkeren Vergan-genheitsorientierung des Bemessungsrechts zumindest für die dort geregelten Son-derfälle ein Ausgleich für Einkünfte, die dem Arbeitslosen in Zukunft entgehen, ange-strebt wird (vgl. Valgolio in Hauck/Noftz, a.a.O., Anm. 9 zu K § 131). Ohne den allein durch den Arbeitsausfall bedingten Wechsel zur XXX hätte der Kläger auch nach dem 31.05.2006 nicht den - unter Einbeziehung der Sozialleistung berechneten und ausdrücklich so bezeichneten - Zuschuss zum Transferkurzarbeitergeld-Null in Höhe von 80 v.H. seines letzten Nettolohns erhalten, sondern den bei der XXX erzielten vollen Lohn. Dies wird dadurch bestätigt, dass - nach dem Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung - inzwischen wegen der geänderten Rechtsauffassung der Beklagten zu § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III regelmäßig ein Zuschuss von 100 v.H. von den Transfergesellschaften gezahlt wird, um das frühere Lohnniveau zu halten. Gründe für die Änderung ihrer Auslegung des § 131 Abs. 3 Nr. 1 SGB III hat die Beklagte hingegen nicht vorgetragen.
Da der Kläger wie beantragt Anspruch auf Arbeitslosengeld auf der Grundlage des bei der XXX erzielten Arbeitsentgelts hat, ist auf sein Vorbringen zum Vertrauensschutz nicht weiter einzugehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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