L 13 AS 5000/10 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 21 AS 1911/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 5000/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 16. Juli 2010 (S 21 AS 1911/09) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 16. Juli 2010 (S 21 AS 1911/09) ist statthaft (vgl. § 145 Abs. 1 SGG), sie ist jedoch nicht begründet.

Mit Urteil vom 16. Juli 2010 hat das SG die auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für ein Widerspruchsverfahren (§ 63 SGB X) gerichtete Klage über 309,40 Euro abgewiesen; das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 28. September 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. Oktober 2010 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung eingelegt.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG in der hier anwendbaren, ab 1. April 2008 geltenden Fassung bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Diese Regelung findet nur dann keine Anwendung, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dieser Wert wird vorliegend nicht erreicht; der Ausnahmetatbestand des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG liegt nicht vor. Denn entgegen dem Vorbringen in der Beschwerdebegründung, lediglich allgemein beantragt zu haben, die Beklagte zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Vorverfahrens zu verurteilen, hat die im Termin zur mündlichen Verhandlung anwesende Klägerin, vertreten durch ihre bevollmächtigte und ebenfalls im Termin anwesende Rechtsanwältin, ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2010 beantragt, "die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.03.2009 zu verurteilen, der Klägerin die im Widerspruchsverfahren gegen den Mahnbescheid vom 20.08.2008 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 309,40 Euro zu erstatten". Mit diesem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag - eine Berichtigung der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2010 ist von der Klägerin nicht beantragt worden - hat die Klägerin das geltend gemachte Begehren beziffert; ein Wert des Beschwerdegegenstandes von über 750,00 Euro wird somit nicht erreicht.

Da das SG die Berufung im Urteil nicht zugelassen hat, bedarf eine Berufung der Zulassung durch Beschluss des LSG (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG). Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor.

Die Klägerin macht in ihrer Beschwerde gelten, die erstinstanzliche Entscheidung beruhe auf der Annahme, dass auch dann, wenn ein Verwaltungsakt nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen sei, ein Fall eintreten könne, in dem die Hinzuziehung des Bevollmächtigten nicht erforderlich sei. Diese Annahme treffe nicht zu. Des Weiteren habe die Frage, ob es einen solchen Fall geben könne, grundsätzliche Bedeutung. Für den Fall, dass der Bürger ohne anwaltliche Hilfe Widerspruch einlegen könne, sei Mindestvoraussetzung dass er durch die Behörde zutreffend über den Rechtsbehelf, der ihm zur Verfügung steht, aufgeklärt worden sei. Bereits daran fehle es vorliegend.

Mit ihrem Vorbringen macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, die Entscheidung des SG verletze § 63 Abs. 2 SGB X. Mit diesem Vorbringen rügt die Klägerin zunächst die (aus ihrer Sicht) materielle Unrichtigkeit des Urteils des SG; hierauf kann die Nichtzulassungsbeschwerde jedoch nicht (mit Erfolg) gestützt werden. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn ihre Entscheidung über den Einzelfall hinaus dadurch an Bedeutung gewinnt, dass die Einheit und Entwicklung des Rechts gefördert wird oder dass für eine Anzahl ähnlich liegender Fälle eine Klärung erfolgt (ständige Rechtsprechung des BSG seit BSGE 2, 121, 132 zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 150 Nr. 1 SGG). Die Streitsache muss mit anderen Worten eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwerfen, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern; die entscheidungserhebliche Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und klärungsfähig sein (so Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 144 Rndr. 28; vgl. dort auch § 160 Rdnr. 6 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Eine (noch) klärungsbedürftige Rechtsfrage in diesem Sinn wirft die Streitsache nicht auf, denn in Rechtsprechung und Literatur ist geklärt, wann die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes im Sinne des § 63 Abs. 2 SGB X erforderlich ist (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Mai 2009 - 1 BvR 1517/08 - NZS 2010, 88-91 = juris; siehe auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2010 - L 5 KA 5688/09 juris; Bayerisches LSG, Urteil vom 12. Mai 2010 - L 16 AS 829/09 - juris).

Darüber hinaus liegt auch eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor. Eine solche Divergenz ist anzunehmen, wenn tragfähige abstrakte Rechtssätze, die einer Entscheidung des SG zugrunde liegen, mit denjenigen eines der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte nicht übereinstimmen. Das SG muss seiner Entscheidung also einen Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit der Rechtsprechung zuständigen Landessozialgerichts (hier: LSG Baden-Württemberg), des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts nicht übereinstimmt (vgl. hierzu Breitkreuz in Breitkreuz/ Fichte, SGG, § 144 Rdnr. 35; Leitherer, a.a.O., § 144 Rdnr. 30 sowie § 160 Rdnr. 13 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur Frage der Revisionszulassung). Einen allgemein gültigen Rechtssatz, der von der Rechtsprechung des LSG Baden-Württemberg, des BSG oder der anderen in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte hat das SG in seinem Urteil nicht aufgestellt. Vielmehr hat es festgestellt, dass im vorliegenden Verfahren die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nicht erforderlich war. Insoweit tritt das SG auch nicht in Divergenz zum Urteil des Bayerischen LSG (Urteil vom 12. Mai 2010 - L 16 AS 829/09 - juris Rdnr. 26), denn zunächst handelt es sich bei diesem Gericht nicht um das zuständige LSG im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG; im Übrigen hat das SG lediglich im Einzelfall festgestellt, dass die Hinzuziehung des Rechtsanwalts nicht erforderlich war und die Klägerin auch einer Forderung ihres Anwalts nicht ausgesetzt war. Damit liegt eine Divergenz im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG nicht vor.

Soweit die Klägerin vorbringt, das SG habe ihren Klageantrag unzutreffend wiedergegeben, und damit einen Verfahrensfehler rügen - und nicht lediglich im Rahmen der Frage nach der Höhe des Werts des Beschwerdegegenstandes Ausführungen machen - wollte, ist die Beschwerde ebenfalls unbegründet, denn ein Verfahrensfehler liegt nicht vor. Das SG hat den von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag seinem Urteil zugrunde gelegt. Dieser war von der in der mündlichen Verhandlung anwesenden Klägerin und deren ebenfalls dort anwesender Rechtsanwältin ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung so gestellt worden. Dass die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2010 falsch sei, wurde nicht vorgetragen. Da somit auch ein wesentlicher Mangel des gerichtlichen Verfahrens im Sinne des dritten Zulassungsgrundes nicht gegeben ist, war die Beschwerde des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 Abs. 1 SGG.

Diese Entscheidung ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).

Das angefochtene Urteil des SG wird hiermit rechtskräftig (vgl. § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).
Rechtskraft
Aus
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