Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 4409/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 2189/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 09.04.2010 wird abgeändert und Ziff. 2 des Tenors wie folgt gefasst: Die Atemwegserkrankung des Klägers wird als Berufskrankheit nach der Nr. 4302 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung festgestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Atemwegs- bzw. Lungenerkrankung als Berufskrankheit (BK) im Streit.
Der 1954 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Maschinenschlosser absolviert und ist seit 1972 fortlaufend bei der Firma I. S. KG in L. beschäftigt. Hierbei hat er früher unter anderem auch regelmäßig Waschmaschinen repariert bzw. gereinigt und dabei Kontakt mit Lösungsmitteln (u.a. Trichlormethan und Dichlormethan) gehabt.
Am 24.09.2004 zeigte die Werksärztin Dr. W. gegenüber der Beklagten an, dass beim Kläger Strukturveränderungen der Lunge in Form eines bullösen Emphysems vorlägen, welche beruflich bedingt sein könnten. In seiner Selbstauskunft vom 18.10.2004 gab der Kläger an, dass er seit Oktober 2002 starke Schmerzen und Atemnot in der Lunge verspüre. Er sei bei seinem Arbeitgeber mit der Instandhaltung von Waschmaschinen beschäftigt gewesen, wobei er Kontakt mit den Stoffen "Per" und "Tri", Zyanitsalzen und Asbest (in der Härterei) gehabt habe. Der Beklagten lag der Entlassungsbericht des Klinikums L. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 03.10. bis 19.10.2002 vor, in welchem als Diagnose ein Spontanpneumothorax bei Lungenspitzenemphysem mit Bullaruptur links im Ober- und Unterlappen links angegeben wurde. Am 11.10.2002 sei eine thoracoskopische Segmentresektion des linken Oberlappens sowie eine partielle Pleurektomie vorgenommen worden. Der Kläger sei mit komplikationsloser Wundheilung in die ambulante Nachbehandlung entlassen worden. In der Anamnese habe der Kläger einen Nikotinmissbrauch bis vor zwei Jahren angegeben.
Seit der Erkrankung des Klägers im Jahr 2002 ist dieser von seinem Arbeitgeber auf einen leichteren Arbeitsplatz versetzt worden, an welchem insbesondere keine Lösungsmittel mehr verwendet werden (vgl. Anamnese des Klägers Bl. 53 der SG-Akte und Stellungnahme der Betriebsärztin Bl. 111 der Verwaltungsakte).
Außerdem lag der Beklagten ein Befundbericht des behandelnden Lungenarztes Dr. P. vom 10.01.2003 vor, welcher zusätzlich eine chronische obstruktive Lungenerkrankung ("COPD" = englisch "chronic obstructive pulmonary disease" bzw "chronic obstructive lung disease" - "COLD") bei Nikotinkonsum von 20 "pack years" (py) bis 1999 angab (ein "py" entspricht dem Rauchen einer Packung Zigaretten/Tag über einen Zeitraum von einem Jahr). Zusätzlich zu den obengenannten Diagnosen ist in einem Befundbericht der Universitätsklinik Freiburg vom 06.05.2003 durch die Oberärztin Dr. L. eine arterielle Hypertonie sowie ein nach der durchgeführten Operation persistierender Pneumothorax festgestellt worden.
Am 26.11.2004 verfasste der Technische Präventionsbeauftragte der Beklagten Dipl.-Ing. P. eine umfassende Arbeitsplatzanamnese des Klägers, in welcher unter anderem eine Exposition gegenüber Dämpfen von Trichlorethylen und Tetrachlorethen in massivem Umfang bestätigt wurde. Die Grenzwerte für die Dämpfe dieser Lösungsmittel seien um ein Mehrfaches überschritten worden. Außerdem liege eine Asbest-Exposition von fünf bis acht "Faserjahren" vor. Zu den Lösungsmitteln habe teilweise auch Hautkontakt bestanden, wobei hiervon täglich eine halbe Stunde bis eine Stunde anzunehmen sei. Der Gesamtumfang der Arbeiten mit den genannten Lösungsmitteldämpfen habe zwischen 1978 und 1990 ein Drittel der Arbeitszeit und danach bis 2001 etwa die Hälfte hiervon betragen. Insgesamt sei von einer Exposition gegenüber Aerosolen und Dämpfen von Kühlschmiermitteln mit langjährigen Grenzwertüberschreitungen während etwa 1/3 der gesamten Arbeitszeit auszugehen.
Der Gutachter Prof. Dr. T. kam in seinem Gutachten vom 18.04.2005 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger als Hauptdiagnosen eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, ein Zustand nach Segmentteilresektion nach Pneumothorax sowie ein postoperatives thorakales Schmerzsyndrom vorliegen. Anhaltspunkte für das Vorliegen der BKen nach den Ziffern 4301, 4103 und 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten Verordnung (BKV) lägen nicht vor. Die beruflichen inhalativen Einwirkungen des Klägers könnten möglicherweise dessen Lungenerkrankung im Sinne einer BK nach der Ziffer 4302 der Anlage 1 zur BKV verursacht haben, jedoch seien am Arbeitsplatz des Klägers nicht die für eine genaue Aussage hierzu erforderlichen wiederholten spirometrischen Messungen vorgenommen worden. Ein Ursachenzusammenhang zwischen den inhalativen Einwirkungen (Phosgen, Schweißgase, Kühlschmierstoffe) und der COPD bzw. dem Lungenemphysem sei möglich. Aus arbeitsmedizinischer Sicht seien Maßnahmen nach § 3 BKV begründet, um eine berufsbedingte Verschlimmerung der COLD bzw. die Verursachung einer BK Ziff. 4302 zu verhindern.
Die Betriebsärztin Dr. W. legte anschließend am 13.12.2005 das Ergebnis der von Prof. Dr. T. angeregten spirometrischen Messungen am Arbeitsplatz des Klägers vor. Bei der körperlichen Untersuchung sei keine Verschlechterung festgestellt worden. Da kein Kontakt mehr mit den Stoffen bestehe, die für das Entstehen des Lungenemphysems verantwortlich gemacht würden, seien alle Einschränkungen auf den postoperativen Zustand zurückzuführen. Aus den erhobenen Befunden leitete Prof. Dr. T. am 07.06.2006 ab, dass sich eine relevante beruflich bedingte Atemwegsobstruktion nicht habe nachweisen lassen. Gegenüber den ohne eine vorherige berufliche Exposition erhobenen Befunden sei ein wesentlicher Unterschied nicht feststellbar. Allerdings sei unklar, ob bei den im Betrieb vorgenommenen Messungen eine Exposition stattgefunden habe und ob der Kläger Medikamente eingenommen habe. Mit Stellungnahme vom 07.07.2006 verneinte auch die staatliche Gewerbeärztin Dr. E. das Vorliegen einer BK nach der Ziff. 4302 der Anlage 1 zur BKV.
Mit Bescheid vom 14.08.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach der Ziff. 4301 bzw. 4302 mit der Begründung ab, dass die medizinischen Voraussetzungen hierfür nicht nachgewiesen seien. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer BK entgegen zu wirken.
Der Kläger legte am 28.08.2006 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren wurde eine Stellungnahme des behandelnden Lungenarztes Dr. P. vom 16.11.2006 vorgelegt, wonach dieser es aufgrund der langjährigen hoch konzentrierten Exposition von Lösungsmitteldämpfen mit Schleimhaut irritierender Wirkung für sehr wohl vorstellbar halte, dass das COPD des Klägers am Arbeitsplatz verursacht worden sei.
Am 15.01.2007 bekräftigte Prof. Dr. T. weiterhin seine ablehnende Haltung, hielt jedoch eine Expositionskarenz und die Durchführung von Maßnahmen nach § 3 BKV dringend für erforderlich. Auf die Nachfrage der Beklagten, ob wegen dieses Hinweises an der ablehnenden Auffassung zur Kausalität des COPD des Klägers festgehalten werde, erklärte Prof. Dr. T. mit weiterer gutachterlicher Stellungnahme vom 07.02.2007, dass die Frage der Kausalität im Rahmen der Untersuchung am 09./10.02.2005 nicht abschließend habe beurteilt werden können. Auch die nachfolgenden spirometrischen Messungen hätten hier keinen eindeutigen Nachweis erbracht. Die Frage nach der konkreten Gefahr der Entstehung einer BK Ziffer 4302 sei seiner Auffassung nach unabhängig von der Kausalitätsfrage zu beantworten. Die Empfehlung der Prüfung von Maßnahmen nach § 3 BKV beruhe auf den weiterhin vorhandenen Informationslücken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Hinweis auf die Ausführungen von Prof. Dr. T. als unbegründet zurück.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 14.08.2007 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat eine sachverständige Zeugenaussage von Dr. P. vom 25.09.2007 eingeholt, wonach dieser die berufliche Verursachung des COPD insbesondere aufgrund der kombinierten Exposition gegenüber verschiedenen Gasen für möglich hielt.
Im Auftrag des SG hat Prof. Dr. M.-Q. am 11.02.2008 ein weiteres Gutachten erstellt. Danach lägen beim Kläger ein COPD im Stadium III nach GOLD (Erstdiagnose Oktober 2002) bei kombinierter Ventilationsstörung, respiratorischer Partialinsuffizienz in Ruhe, Nachweis einer belastungsinduzierbaren Oxygenierungsstörung sowie ein Zustand nach Nikotinkonsum bei chronischen analgetikapflichtigen postoperativen Schmerzen im Bereich der linken unteren Thoraxapertur vor. Nach den Ausführungen des Technischen Aufsichtsdienstes habe eine massive Belastung gegenüber Trichlorethylen und Tetrachlorethen vorgelegen, bei der die Grenzwerte jahrelang um ein Mehrfaches überschritten worden seien. Als weitere berufliche Faktoren seien bei den von dem Kläger ausgeführten Schweißarbeiten Gase entstanden, zu denen auch noch bei UV-Strahlung das beim Schweißen entstehende Phosgen als weitere Noxe hinzuzurechnen sei. Damit seien erhebliche Expositionen gegenüber chemisch-irritativen bzw. toxischen Stoffen im Sinne einer BK Ziffer 4302 nachgewiesen. Der Zusammenhang der genannten Expositionen mit dem gehäuften Auftreten von chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen sei durch mehrere Untersuchungen belegt worden. Das Zusammentreffen mehrerer verschiedener inhalativer Arbeitsstoffe könne zudem zur Addition bzw. Potenzierung der Wirkungen an den Atemwegen führen. Es sei davon auszugehen, dass bei dem Kläger zunächst eine chronische Bronchitis und als Sekundärfolge ein Lungenemphysem aufgrund der beruflichen Belastungen entstanden sei, welche im Oktober 2002 in einem symptomatischen Pneumothorax kulminiert seien. Aus dem Zeitraum vor diesem Ereignis existierten weder lungenfunktionelle Befunde noch eine radiologische Bildgebung. Es sei allerdings häufig der Fall, dass bei obstruktiven Atemwegserkrankungen vom COPD-Typ Beschwerden erst bemerkt würden, wenn die Erkrankung schon weiter fort geschritten sei. Für eine andere BK als diejenige nach der Ziff. 4302 der BKV lägen keine Anhaltspunkte vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde mit 80 vom Hundert (v.H.) eingeschätzt.
Die Beklagte hat anschließend die Auffassung vertreten, dass ein COPD nicht unter die BK der Ziff. 4302 subsumiert werden könne, weil unter diese BK nur asthmatische Erkrankungen fielen (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 15/06 -). Außerdem hat die Beklagte Einwände dagegen erhoben, dass Prof. Dr. M.-Q. aufgrund der von ihm erhobenen Befunde den Nachweis der Kausalität als erbracht angenommen habe.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hierzu vom 15.02.2009 hat Prof. Dr. M.-Q. seine Auffassung bekräftigt. Insbesondere sei die chronisch obstruktive Lungenerkrankung/COPD unter die BK Ziff. 4302 zu subsumieren. Es liege auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der beruflichen Verursachung in dem Sinne vor, dass mehr für als gegen eine berufliche Verursachung spreche.
In einem weiteren Gutachten vom 29.10.2009 hat auch Prof. Dr. H. die Auffassung vertreten, dass eine BK nach der Ziff. 4302 der Anlage zur BKV vorliege. Die MdE betrage indes lediglich 40 v.H. Gegenüber den Ausführungen von Prof. Dr. M.-Q. hat sich das Gutachten von Prof. Herth unter anderem dadurch unterschieden, dass dieser zusätzlich zu dem COPD auch ein Asthma bronchiale diagnostiziert hat, welches eine teilreversible Komponente beinhalte. Die Genese des Asthma bronchiale sei im vorliegenden Fall als nicht allergisch anzusehen, da mehrfach durchgeführte Allergietestungen jeweils ohne pathologischen Befund geblieben seien. Der Gutachter unterstrich, dass die bei dem Kläger festgestellte Arbeitsplatzexposition unstreitig geeignet gewesen sei, eine obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Wegen der Länge und Intensität der Exposition, eines nur geringen Nikotinkonsums sowie fehlender anlagebedingte Erkrankungen sei in Übereinstimmung mit dem Vorgutachter von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer beruflich erworbenen Erkrankung im Sinne der BK Ziffer 4302 auszugehen. Die Erkrankung betreffe sowohl die unteren als auch die oberen Atemwege. In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 17.02.2010 hat auch Prof. Dr. H. seine Auffassung bekräftigt. Insbesondere sei der wiederholt von der Beklagten angeführte Nikotinkonsum nach Auffassung aller Gutachter als konkurrierende Ursache nur gering zu bewerten.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 09.04.2010 den Bescheid vom 14.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2007 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger unter Anerkennung seiner Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach der Ziffer 4302 der Anlage 1 zur BKV dem Grunde nach Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Zur Begründung hat sich das SG auf die im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten gestützt, welche im Wesentlichen übereinstimmten. Insbesondere das Gutachten von Prof. Dr. H. habe insoweit überzeugt, dass bei dem Kläger neben einem Lungenemphysem auch ein Asthma Bronchiale vorliege, welches ursachlich durch die Exposition gegenüber zahlreichen toxischen Stoffen am Arbeitsplatz hervorgerufen worden sei. Demgegenüber sei eine allergische Genese gegenüber der Erkrankung auszuschließen, und der Tabakmissbrauch des Klägers eher von untergeordneter Bedeutung.
Die Beklagte hat am 06.05.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Kausalität zwischen der Lungenerkrankung des Klägers und seiner beruflichen Exposition nicht in hinreichendem Umfang nachgewiesen sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 09.04.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Bevollmächtigten des Klägers halten den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Berufung Stellungnahmen des Prof. Dr. H ... vom 01.06.2010 und vom 23.09.2010 vorgelegt, in welchem dieser Zweifel an einem hinreichendem Nachweis der beruflichen Verursachung äußert. Hierzu ist eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Gutachters Prof. Dr. H. vom 31.10.2010 eingeholt worden, in welcher dieser die Schlussfolgerungen seines Gutachtens vom 26.10.2009 bekräftigt hat. Hierzu hat die Beklagte eine erneute kritische Stellungnahme des Prof. Dr. H ... vom 30.11.2010 vorgelegt.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags des Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist im Wesentlichen nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Das SG hat zutreffend festgestellt, dass die vom Kläger geltend gemachte BK vorliegt. Soweit das SG die Beklagte zur Leistung "dem Grunde nach" verurteilt hat, war dieser Teil des Urteilstenors aufzuheben, weil es sich insoweit um ein mangels vollstreckungsfähigen Inhalts unzulässiges Grundurteil handelt (st. Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; zuletzt BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R - unter Hinweis auf BSG vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R -; BSG vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R -, SGb 2007, 748).
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze der MdE zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII).
Für die Anerkennung einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG, Urteil vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R -).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die beim Kläger aufgetretene COPD als BK nach der Ziff. 4302 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Hierzu zählen nach dem Gesetzeswortlaut durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Als COPD bzw. chronische obstruktive Lungenerkrankung werden nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktionen bezeichnet, zu denen nach internationaler Konsenslage der wissenschaftlichen Gesellschaften die chronische obstruktive Bronchitis, das Lungenemphysem und deren Kombinationen gezählt werden. Das durch Infektexazerbationen ausgelöste intrinsische Asthma bronchiale ist regelhaft mit der COPD kombiniert und als selbständiges Krankheitsbild von der COPD häufig nicht abtrennbar. Die COPD ist funktionell durch eine exspiratorische Atemstrombegrenzung und strukturell durch eine fortschreitende Überblähung der distal der Bronchioli gelegenen Alveolarräume charakterisiert. Die Krankheitsbilder der COPD werden auch von der BK der Ziff. 4302 der Anlage 1 zur BKV erfasst (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 997, 1051, 1059; vgl. auch Merkblatt zur BK Nr. 4302 Obstruktive Atemwegserkrankungen, Bek. des BMA vom 10.7.1979 im Bundesarbeitsblatt 7/8/ 1979 S. 2). Der nunmehr in der BK Ziff. 4302 der Anlage 1 zur BKV verwendete Begriff ist weiter als der frühere Begriff des "Bronchialasthmas" (vgl. Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO) und erfasst nunmehr auch das COPD, wenngleich der Gesetzgeber mit der Änderung der Formulierung in erster Linie eine Neuformulierung des Unterlassungstatbestandes beabsichtigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 15/06 R - = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4302 Nr. 1 = UV-Recht Aktuell 2008, 149 = Breith. 2008, 782 = NZS 2008, 604; Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 1052 m.w.N.). Im Übrigen geht auch der Beratungsarzt der Beklagten Prof. Dr. H ... in seinen drei im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahmen davon aus, dass die COPD von der BK Ziff. 4302 erfasst wird.
Das Vorliegen einer ausreichenden Exposition und einer von der geltend gemachten BK erfassten Erkrankung sind beim Kläger zweifelsfrei gegeben. Die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen einer COPD und eines Asthma bronchiale sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch im Sinne einer wesentlichen Verursachung durch die berufliche Tätigkeit des Klägers hervorgerufen worden. Auch das Asthma bronchiale ist insoweit als BK-Folge anzusehen, weil mehrfach durchgeführte Allergietestungen jeweils ohne pathologischen Befund geblieben sind.
Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. H. und verzichtet insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf eine erneute Wiedergabe des den Beteiligten bekannten Gutachteninhalts. Zu Recht hat Prof. Dr. H. zunächst darauf hingewiesen, dass die Arbeitsplatzexposition des Klägers unstreitig geeignet gewesen ist, eine obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Da die Grenzwerte um ein Mehrfaches überschritten wurden und auch eine Kombination mehrerer Schadstoffe vorlag, war von der Expositionsseite von einer deutlich gesteigerten Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Atemwegserkrankung auszugehen. Überzeugend hat der Gutachter auch herausgestellt, dass wegen eines als gering zu veranschlagenden Nikotinkonsums von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer beruflich erworbenen Erkrankung im Sinne der BK Ziff. 4302 auszugehen ist. Anlagebedingte Erkrankungen, insbesondere ein Alpha-1-Antitrypsinmangel als alternative Verursachungsmöglichkeit, konnten von dem Gutachter ausdrücklich ausgeschlossen werden.
Damit befindet sich Prof. Dr. H. in weitgehender Übereinstimmung mit dem Vorgutachter Prof. Dr. M.-Q., dessen Ausführungen sich hauptsächlich insoweit unterscheiden, als letzterer kein Asthma bronchiale diagnostiziert und eine höhere MdE angenommen hat.
Die Kritik in den von Prof. Dr. H ... verfassten Stellungnahmen nach Aktenlage, welche die Beklagte im Berufungsverfahren vorgelegt hat, vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. In seiner ersten Stellungnahme vom 01.06.2010 stellt Prof. Dr. H ... maßgeblich darauf ab, dass das bullöse Emphysem des Klägers auch der "Sonderfall" eines anlagebedingten Vorschadens sein könne. Dem ist bereits entgegen zu halten, dass einschlägige Vorschäden des Klägers nicht bekannt sind.
Nach Einsicht in die Röntgenaufnahmen des Klägers hat Prof. Dr. H ... seine Kritik darauf ausgedehnt, dass beim Kläger kein symmetrisch ausgebildeter Lungenschaden vorliege, was für eine innere Schadenanlage spreche. Außerdem zeige der ermittelbare Lungenverlauf nicht die für die geltend gemachte BK typische Degression (Verschlechterung). Die bestehende bronchiale Hyperreaktivität habe den Verlauf der Lungenerkrankung von April 2003 bis März 2006 nicht verschlechtert. Insgesamt sei aufgrund dieser Feststellungen der kausale Zusammenhang als nicht nachgewiesen anzusehen.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. H. zu der Kritik von Prof. Dr. H ... an seinem Gutachten an. Es erscheint plausibel, dass in dem von Prof. Dr. H ... zugrundegelegten Verlaufszeitraum von April 2003 bis März 2006 keine wesentliche Verschlechterung zu beobachten ist, zumal am neuen Arbeitsplatz des Klägers nach dem Auftreten seiner Erkrankung keine Noxen mehr vorhanden waren. Lungenverlaufstests für die Zeit vor der Umsetzung weg von dem gefährdenden Arbeitsplatz liegen nicht vor. Auch erscheint es nicht angängig, von schwankenden Messwerten auf unzuverlässige Messwerte zu schließen, da schwankende Messwerte bei Asthmaerkrankungen häufig auftreten. Zu dem von Prof. Dr. H ... formulierten Einwand der fehlenden Symmetrie des Lungenschadens ist darauf hinzuweisen, dass beide Lungenflügel des Klägers erkrankt sind und weder aus dem Merkblatt zu der BK Ziff. 4302 noch aus der Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.) ersichtlich ist, dass insoweit eine (weitgehende) Symmetrie zu fordern ist.
Auch nach der dritten Stellungnahme des Prof. Dr. H ... (vom 30.11.2010), in welcher dieser im Wesentlichen seine bisherige Argumentation bekräftigt, hält der Senat daher die Argumentation der beiden vom SG gehörten Gutachter für schlüssig.
Schließlich hat auch Prof. Dr. T. in seinem zeitnah erstellten Verwaltungsgutachten die vorliegend streitige Kausalität für möglich und die Erbringung von präventiven Leistungen nach § 3 BKV sogar für erforderlich gehalten. Prof. Dr. T. hat ausdrücklich hervorgehoben, dass aus arbeitsmedizinischer Sicht Maßnahmen nach § 3 BKV begründet seien, um eine berufsbedingte Verschlimmerung der COPD bzw. die Verursachung einer BK 4302 zu verhindern. Sofern Prof. Dr. T. am 07.06.2006 mitgeteilt hat, dass sich eine relevante beruflich bedingte Atemwegsobstruktion nicht habe nachweisen lassen und dass gegenüber den ohne eine vorherige berufliche Exposition erhobenen Befunden ein wesentlicher Unterschied nicht feststellbar sei, hat er nicht berücksichtigt, dass die Betriebsärztin Dr. W. in ihrem Anschreiben vom 13.12.2005 darauf hingewiesen hat, dass die nachgeholten spirometrischen Messungen am Arbeitsplatz des Klägers zu einem Zeitpunkt erfolgten, als am Arbeitsplatz des Klägers keiner der für die Verursachung der BK verantwortlich gemachten Stoffe mehr anzutreffen war. Insofern wertet der Senat diese Messungen als Beleg dafür, dass anlagebedingte Erkrankungen oder eine besondere Empfindlichkeit des Klägers nicht Ursache für die während seiner früheren Tätigkeiten aufgetretenen Gesundheitsprobleme waren.
Auch wenn Prof. Dr. T. am 15.01.2007 die Auffassung vertreten hat, dass die Frage der Kausalität im Rahmen der Untersuchung am 09./10.02.2005 nicht abschließend habe beurteilt werden können und auch die nachfolgenden spirometrischen Messungen keinen eindeutigen Nachweis erbracht hätten, ist doch mit der Begründung durch die Gutachter Prof. Dr. H. und Prof. Dr. Q. eine berufliche Verursachung als überwiegend wahrscheinlich anzunehmen. Diese Auffassung ist auch von dem behandelnden Pulmologen Dr. P. vertreten worden, der ebenfalls darauf hingewiesen hat, dass aufgrund der Dauer und Höhe der Exposition und der Kombination von unterschiedlichen Noxen die Verursachung durch die Belastung am Arbeitsplatz wahrscheinlich sei.
Schließlich ist der auch für die Anerkennung der BK erforderliche Unterlassungszwang aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, gegeben. Der Zweck des bei einigen BK-Ziffern aufgeführten Unterlassungszwangs liegt darin, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern (Präventionsgedanke) und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten (vgl. u. a. BSGE 10, 286). Angesichts dessen ist es entscheidend, dass die wegen der berufsbedingten Erkrankung objektiv notwendige Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich verwirklicht ist. Ob der Zwang zum Unterlassen der bisherigen Tätigkeit medizinisch geboten war, d. h. deren Fortsetzung wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit aus medizinischer Sicht nicht verantwortet werden konnte, ist aus objektiver Sicht im Sinne einer nachträglichen Betrachtung festzustellen (BSGE 50, 187-190; vgl. Becker, Diss. "Unterlassungszwang bei Berufskrankheiten", Gießen 2003 S. 138).
Die gefährdenden Tätigkeiten sind durch die innerbetriebliche Umsetzung im Jahr 2002 aufgegeben worden. Insoweit kann bereits auf die dringende Mahnung von Prof. Dr. T. in seinen wiederholten Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren verwiesen werden. Die umfangreichen spirometrischen Nacherhebungen, bei denen sich keinerlei Auffälligkeiten gezeigt haben, belegen, dass am aktuellen Arbeitsplatz keine Gefährdung im Sinne der geltend gemachten BK mehr besteht. Der Kläger hat nach seiner innerbetrieblichen Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz nach Aussage der Werksärztin Dr. W. vom 13.12.2005 keinen Kontakt mehr mit den Stoffen, die für das Entstehen des Lungenemphysems verantwortlich gemacht werden.
Entgegen der Anregung der Beklagten hielt es der Senat nicht für erforderlich, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Der Hinweis auf die Möglichkeit, wegen der differierenden medizinischen Beurteilungen einen weiteren, "besonders versierten" Pulmologen anzuhören, greift nicht durch, weil alle bisher in das Verfahren involvierten Pulmologen nach Auffassung des Senats versierte Pulmologen sind, und weil mit wesentlichen neuen Erkenntnissen angesichts der Vielzahl vorliegender Stellungnahmen zu der im Jahr 2002 aufgetretenen Erkrankung nicht zu rechnen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Aufgrund des Vorliegens der geltend gemachten BK dürften auch Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sein. Dass der Tenor des angegriffenen Gerichtsbescheids insoweit abzuändern war, beruht allein auf seiner Unbestimmtheit und rechtfertigt kein Absehen von einer vollständigen Kostentragung durch die Beklagte.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Atemwegs- bzw. Lungenerkrankung als Berufskrankheit (BK) im Streit.
Der 1954 geborene Kläger hat eine Ausbildung zum Maschinenschlosser absolviert und ist seit 1972 fortlaufend bei der Firma I. S. KG in L. beschäftigt. Hierbei hat er früher unter anderem auch regelmäßig Waschmaschinen repariert bzw. gereinigt und dabei Kontakt mit Lösungsmitteln (u.a. Trichlormethan und Dichlormethan) gehabt.
Am 24.09.2004 zeigte die Werksärztin Dr. W. gegenüber der Beklagten an, dass beim Kläger Strukturveränderungen der Lunge in Form eines bullösen Emphysems vorlägen, welche beruflich bedingt sein könnten. In seiner Selbstauskunft vom 18.10.2004 gab der Kläger an, dass er seit Oktober 2002 starke Schmerzen und Atemnot in der Lunge verspüre. Er sei bei seinem Arbeitgeber mit der Instandhaltung von Waschmaschinen beschäftigt gewesen, wobei er Kontakt mit den Stoffen "Per" und "Tri", Zyanitsalzen und Asbest (in der Härterei) gehabt habe. Der Beklagten lag der Entlassungsbericht des Klinikums L. über einen stationären Aufenthalt des Klägers vom 03.10. bis 19.10.2002 vor, in welchem als Diagnose ein Spontanpneumothorax bei Lungenspitzenemphysem mit Bullaruptur links im Ober- und Unterlappen links angegeben wurde. Am 11.10.2002 sei eine thoracoskopische Segmentresektion des linken Oberlappens sowie eine partielle Pleurektomie vorgenommen worden. Der Kläger sei mit komplikationsloser Wundheilung in die ambulante Nachbehandlung entlassen worden. In der Anamnese habe der Kläger einen Nikotinmissbrauch bis vor zwei Jahren angegeben.
Seit der Erkrankung des Klägers im Jahr 2002 ist dieser von seinem Arbeitgeber auf einen leichteren Arbeitsplatz versetzt worden, an welchem insbesondere keine Lösungsmittel mehr verwendet werden (vgl. Anamnese des Klägers Bl. 53 der SG-Akte und Stellungnahme der Betriebsärztin Bl. 111 der Verwaltungsakte).
Außerdem lag der Beklagten ein Befundbericht des behandelnden Lungenarztes Dr. P. vom 10.01.2003 vor, welcher zusätzlich eine chronische obstruktive Lungenerkrankung ("COPD" = englisch "chronic obstructive pulmonary disease" bzw "chronic obstructive lung disease" - "COLD") bei Nikotinkonsum von 20 "pack years" (py) bis 1999 angab (ein "py" entspricht dem Rauchen einer Packung Zigaretten/Tag über einen Zeitraum von einem Jahr). Zusätzlich zu den obengenannten Diagnosen ist in einem Befundbericht der Universitätsklinik Freiburg vom 06.05.2003 durch die Oberärztin Dr. L. eine arterielle Hypertonie sowie ein nach der durchgeführten Operation persistierender Pneumothorax festgestellt worden.
Am 26.11.2004 verfasste der Technische Präventionsbeauftragte der Beklagten Dipl.-Ing. P. eine umfassende Arbeitsplatzanamnese des Klägers, in welcher unter anderem eine Exposition gegenüber Dämpfen von Trichlorethylen und Tetrachlorethen in massivem Umfang bestätigt wurde. Die Grenzwerte für die Dämpfe dieser Lösungsmittel seien um ein Mehrfaches überschritten worden. Außerdem liege eine Asbest-Exposition von fünf bis acht "Faserjahren" vor. Zu den Lösungsmitteln habe teilweise auch Hautkontakt bestanden, wobei hiervon täglich eine halbe Stunde bis eine Stunde anzunehmen sei. Der Gesamtumfang der Arbeiten mit den genannten Lösungsmitteldämpfen habe zwischen 1978 und 1990 ein Drittel der Arbeitszeit und danach bis 2001 etwa die Hälfte hiervon betragen. Insgesamt sei von einer Exposition gegenüber Aerosolen und Dämpfen von Kühlschmiermitteln mit langjährigen Grenzwertüberschreitungen während etwa 1/3 der gesamten Arbeitszeit auszugehen.
Der Gutachter Prof. Dr. T. kam in seinem Gutachten vom 18.04.2005 zu dem Ergebnis, dass beim Kläger als Hauptdiagnosen eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, ein Zustand nach Segmentteilresektion nach Pneumothorax sowie ein postoperatives thorakales Schmerzsyndrom vorliegen. Anhaltspunkte für das Vorliegen der BKen nach den Ziffern 4301, 4103 und 1302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten Verordnung (BKV) lägen nicht vor. Die beruflichen inhalativen Einwirkungen des Klägers könnten möglicherweise dessen Lungenerkrankung im Sinne einer BK nach der Ziffer 4302 der Anlage 1 zur BKV verursacht haben, jedoch seien am Arbeitsplatz des Klägers nicht die für eine genaue Aussage hierzu erforderlichen wiederholten spirometrischen Messungen vorgenommen worden. Ein Ursachenzusammenhang zwischen den inhalativen Einwirkungen (Phosgen, Schweißgase, Kühlschmierstoffe) und der COPD bzw. dem Lungenemphysem sei möglich. Aus arbeitsmedizinischer Sicht seien Maßnahmen nach § 3 BKV begründet, um eine berufsbedingte Verschlimmerung der COLD bzw. die Verursachung einer BK Ziff. 4302 zu verhindern.
Die Betriebsärztin Dr. W. legte anschließend am 13.12.2005 das Ergebnis der von Prof. Dr. T. angeregten spirometrischen Messungen am Arbeitsplatz des Klägers vor. Bei der körperlichen Untersuchung sei keine Verschlechterung festgestellt worden. Da kein Kontakt mehr mit den Stoffen bestehe, die für das Entstehen des Lungenemphysems verantwortlich gemacht würden, seien alle Einschränkungen auf den postoperativen Zustand zurückzuführen. Aus den erhobenen Befunden leitete Prof. Dr. T. am 07.06.2006 ab, dass sich eine relevante beruflich bedingte Atemwegsobstruktion nicht habe nachweisen lassen. Gegenüber den ohne eine vorherige berufliche Exposition erhobenen Befunden sei ein wesentlicher Unterschied nicht feststellbar. Allerdings sei unklar, ob bei den im Betrieb vorgenommenen Messungen eine Exposition stattgefunden habe und ob der Kläger Medikamente eingenommen habe. Mit Stellungnahme vom 07.07.2006 verneinte auch die staatliche Gewerbeärztin Dr. E. das Vorliegen einer BK nach der Ziff. 4302 der Anlage 1 zur BKV.
Mit Bescheid vom 14.08.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach der Ziff. 4301 bzw. 4302 mit der Begründung ab, dass die medizinischen Voraussetzungen hierfür nicht nachgewiesen seien. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer BK entgegen zu wirken.
Der Kläger legte am 28.08.2006 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren wurde eine Stellungnahme des behandelnden Lungenarztes Dr. P. vom 16.11.2006 vorgelegt, wonach dieser es aufgrund der langjährigen hoch konzentrierten Exposition von Lösungsmitteldämpfen mit Schleimhaut irritierender Wirkung für sehr wohl vorstellbar halte, dass das COPD des Klägers am Arbeitsplatz verursacht worden sei.
Am 15.01.2007 bekräftigte Prof. Dr. T. weiterhin seine ablehnende Haltung, hielt jedoch eine Expositionskarenz und die Durchführung von Maßnahmen nach § 3 BKV dringend für erforderlich. Auf die Nachfrage der Beklagten, ob wegen dieses Hinweises an der ablehnenden Auffassung zur Kausalität des COPD des Klägers festgehalten werde, erklärte Prof. Dr. T. mit weiterer gutachterlicher Stellungnahme vom 07.02.2007, dass die Frage der Kausalität im Rahmen der Untersuchung am 09./10.02.2005 nicht abschließend habe beurteilt werden können. Auch die nachfolgenden spirometrischen Messungen hätten hier keinen eindeutigen Nachweis erbracht. Die Frage nach der konkreten Gefahr der Entstehung einer BK Ziffer 4302 sei seiner Auffassung nach unabhängig von der Kausalitätsfrage zu beantworten. Die Empfehlung der Prüfung von Maßnahmen nach § 3 BKV beruhe auf den weiterhin vorhandenen Informationslücken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2007 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Hinweis auf die Ausführungen von Prof. Dr. T. als unbegründet zurück.
Die Bevollmächtigten des Klägers haben am 14.08.2007 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Das SG hat eine sachverständige Zeugenaussage von Dr. P. vom 25.09.2007 eingeholt, wonach dieser die berufliche Verursachung des COPD insbesondere aufgrund der kombinierten Exposition gegenüber verschiedenen Gasen für möglich hielt.
Im Auftrag des SG hat Prof. Dr. M.-Q. am 11.02.2008 ein weiteres Gutachten erstellt. Danach lägen beim Kläger ein COPD im Stadium III nach GOLD (Erstdiagnose Oktober 2002) bei kombinierter Ventilationsstörung, respiratorischer Partialinsuffizienz in Ruhe, Nachweis einer belastungsinduzierbaren Oxygenierungsstörung sowie ein Zustand nach Nikotinkonsum bei chronischen analgetikapflichtigen postoperativen Schmerzen im Bereich der linken unteren Thoraxapertur vor. Nach den Ausführungen des Technischen Aufsichtsdienstes habe eine massive Belastung gegenüber Trichlorethylen und Tetrachlorethen vorgelegen, bei der die Grenzwerte jahrelang um ein Mehrfaches überschritten worden seien. Als weitere berufliche Faktoren seien bei den von dem Kläger ausgeführten Schweißarbeiten Gase entstanden, zu denen auch noch bei UV-Strahlung das beim Schweißen entstehende Phosgen als weitere Noxe hinzuzurechnen sei. Damit seien erhebliche Expositionen gegenüber chemisch-irritativen bzw. toxischen Stoffen im Sinne einer BK Ziffer 4302 nachgewiesen. Der Zusammenhang der genannten Expositionen mit dem gehäuften Auftreten von chronisch obstruktiven Atemwegserkrankungen sei durch mehrere Untersuchungen belegt worden. Das Zusammentreffen mehrerer verschiedener inhalativer Arbeitsstoffe könne zudem zur Addition bzw. Potenzierung der Wirkungen an den Atemwegen führen. Es sei davon auszugehen, dass bei dem Kläger zunächst eine chronische Bronchitis und als Sekundärfolge ein Lungenemphysem aufgrund der beruflichen Belastungen entstanden sei, welche im Oktober 2002 in einem symptomatischen Pneumothorax kulminiert seien. Aus dem Zeitraum vor diesem Ereignis existierten weder lungenfunktionelle Befunde noch eine radiologische Bildgebung. Es sei allerdings häufig der Fall, dass bei obstruktiven Atemwegserkrankungen vom COPD-Typ Beschwerden erst bemerkt würden, wenn die Erkrankung schon weiter fort geschritten sei. Für eine andere BK als diejenige nach der Ziff. 4302 der BKV lägen keine Anhaltspunkte vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde mit 80 vom Hundert (v.H.) eingeschätzt.
Die Beklagte hat anschließend die Auffassung vertreten, dass ein COPD nicht unter die BK der Ziff. 4302 subsumiert werden könne, weil unter diese BK nur asthmatische Erkrankungen fielen (mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 15/06 -). Außerdem hat die Beklagte Einwände dagegen erhoben, dass Prof. Dr. M.-Q. aufgrund der von ihm erhobenen Befunde den Nachweis der Kausalität als erbracht angenommen habe.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hierzu vom 15.02.2009 hat Prof. Dr. M.-Q. seine Auffassung bekräftigt. Insbesondere sei die chronisch obstruktive Lungenerkrankung/COPD unter die BK Ziff. 4302 zu subsumieren. Es liege auch eine hinreichende Wahrscheinlichkeit der beruflichen Verursachung in dem Sinne vor, dass mehr für als gegen eine berufliche Verursachung spreche.
In einem weiteren Gutachten vom 29.10.2009 hat auch Prof. Dr. H. die Auffassung vertreten, dass eine BK nach der Ziff. 4302 der Anlage zur BKV vorliege. Die MdE betrage indes lediglich 40 v.H. Gegenüber den Ausführungen von Prof. Dr. M.-Q. hat sich das Gutachten von Prof. Herth unter anderem dadurch unterschieden, dass dieser zusätzlich zu dem COPD auch ein Asthma bronchiale diagnostiziert hat, welches eine teilreversible Komponente beinhalte. Die Genese des Asthma bronchiale sei im vorliegenden Fall als nicht allergisch anzusehen, da mehrfach durchgeführte Allergietestungen jeweils ohne pathologischen Befund geblieben seien. Der Gutachter unterstrich, dass die bei dem Kläger festgestellte Arbeitsplatzexposition unstreitig geeignet gewesen sei, eine obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Wegen der Länge und Intensität der Exposition, eines nur geringen Nikotinkonsums sowie fehlender anlagebedingte Erkrankungen sei in Übereinstimmung mit dem Vorgutachter von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer beruflich erworbenen Erkrankung im Sinne der BK Ziffer 4302 auszugehen. Die Erkrankung betreffe sowohl die unteren als auch die oberen Atemwege. In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 17.02.2010 hat auch Prof. Dr. H. seine Auffassung bekräftigt. Insbesondere sei der wiederholt von der Beklagten angeführte Nikotinkonsum nach Auffassung aller Gutachter als konkurrierende Ursache nur gering zu bewerten.
Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 09.04.2010 den Bescheid vom 14.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2007 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger unter Anerkennung seiner Atemwegserkrankung als Berufskrankheit nach der Ziffer 4302 der Anlage 1 zur BKV dem Grunde nach Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Zur Begründung hat sich das SG auf die im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten gestützt, welche im Wesentlichen übereinstimmten. Insbesondere das Gutachten von Prof. Dr. H. habe insoweit überzeugt, dass bei dem Kläger neben einem Lungenemphysem auch ein Asthma Bronchiale vorliege, welches ursachlich durch die Exposition gegenüber zahlreichen toxischen Stoffen am Arbeitsplatz hervorgerufen worden sei. Demgegenüber sei eine allergische Genese gegenüber der Erkrankung auszuschließen, und der Tabakmissbrauch des Klägers eher von untergeordneter Bedeutung.
Die Beklagte hat am 06.05.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Kausalität zwischen der Lungenerkrankung des Klägers und seiner beruflichen Exposition nicht in hinreichendem Umfang nachgewiesen sei.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid vom 09.04.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Bevollmächtigten des Klägers halten den Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beklagte hat zur Begründung ihrer Berufung Stellungnahmen des Prof. Dr. H ... vom 01.06.2010 und vom 23.09.2010 vorgelegt, in welchem dieser Zweifel an einem hinreichendem Nachweis der beruflichen Verursachung äußert. Hierzu ist eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Gutachters Prof. Dr. H. vom 31.10.2010 eingeholt worden, in welcher dieser die Schlussfolgerungen seines Gutachtens vom 26.10.2009 bekräftigt hat. Hierzu hat die Beklagte eine erneute kritische Stellungnahme des Prof. Dr. H ... vom 30.11.2010 vorgelegt.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags des Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist im Wesentlichen nicht begründet. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Das SG hat zutreffend festgestellt, dass die vom Kläger geltend gemachte BK vorliegt. Soweit das SG die Beklagte zur Leistung "dem Grunde nach" verurteilt hat, war dieser Teil des Urteilstenors aufzuheben, weil es sich insoweit um ein mangels vollstreckungsfähigen Inhalts unzulässiges Grundurteil handelt (st. Rechtsprechung des BSG, vgl. BSG vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; zuletzt BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R - unter Hinweis auf BSG vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R -; BSG vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R -, SGb 2007, 748).
Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze der MdE zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII).
Für die Anerkennung einer BK ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Sowohl hinsichtlich der haftungsbegründenden als auch hinsichtlich der haftungsausfüllenden Kausalität genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit. Wahrscheinlich ist diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Möglichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286), d.h. es müssen die für einen ursächlichen Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112; BSG, Urteil vom 28.03.2003 B 2 U 33/03 R -).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die beim Kläger aufgetretene COPD als BK nach der Ziff. 4302 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Hierzu zählen nach dem Gesetzeswortlaut durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Als COPD bzw. chronische obstruktive Lungenerkrankung werden nicht vollständig reversible Atemwegsobstruktionen bezeichnet, zu denen nach internationaler Konsenslage der wissenschaftlichen Gesellschaften die chronische obstruktive Bronchitis, das Lungenemphysem und deren Kombinationen gezählt werden. Das durch Infektexazerbationen ausgelöste intrinsische Asthma bronchiale ist regelhaft mit der COPD kombiniert und als selbständiges Krankheitsbild von der COPD häufig nicht abtrennbar. Die COPD ist funktionell durch eine exspiratorische Atemstrombegrenzung und strukturell durch eine fortschreitende Überblähung der distal der Bronchioli gelegenen Alveolarräume charakterisiert. Die Krankheitsbilder der COPD werden auch von der BK der Ziff. 4302 der Anlage 1 zur BKV erfasst (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 997, 1051, 1059; vgl. auch Merkblatt zur BK Nr. 4302 Obstruktive Atemwegserkrankungen, Bek. des BMA vom 10.7.1979 im Bundesarbeitsblatt 7/8/ 1979 S. 2). Der nunmehr in der BK Ziff. 4302 der Anlage 1 zur BKV verwendete Begriff ist weiter als der frühere Begriff des "Bronchialasthmas" (vgl. Nr. 41 der Anlage 1 zur 7. BKVO) und erfasst nunmehr auch das COPD, wenngleich der Gesetzgeber mit der Änderung der Formulierung in erster Linie eine Neuformulierung des Unterlassungstatbestandes beabsichtigt hat (vgl. BSG, Urteil vom 30.10.2007 - B 2 U 15/06 R - = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4302 Nr. 1 = UV-Recht Aktuell 2008, 149 = Breith. 2008, 782 = NZS 2008, 604; Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 1052 m.w.N.). Im Übrigen geht auch der Beratungsarzt der Beklagten Prof. Dr. H ... in seinen drei im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahmen davon aus, dass die COPD von der BK Ziff. 4302 erfasst wird.
Das Vorliegen einer ausreichenden Exposition und einer von der geltend gemachten BK erfassten Erkrankung sind beim Kläger zweifelsfrei gegeben. Die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen einer COPD und eines Asthma bronchiale sind nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch im Sinne einer wesentlichen Verursachung durch die berufliche Tätigkeit des Klägers hervorgerufen worden. Auch das Asthma bronchiale ist insoweit als BK-Folge anzusehen, weil mehrfach durchgeführte Allergietestungen jeweils ohne pathologischen Befund geblieben sind.
Der Senat stützt sich insoweit insbesondere auf die schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. H. und verzichtet insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf eine erneute Wiedergabe des den Beteiligten bekannten Gutachteninhalts. Zu Recht hat Prof. Dr. H. zunächst darauf hingewiesen, dass die Arbeitsplatzexposition des Klägers unstreitig geeignet gewesen ist, eine obstruktive Atemwegserkrankung auszulösen. Da die Grenzwerte um ein Mehrfaches überschritten wurden und auch eine Kombination mehrerer Schadstoffe vorlag, war von der Expositionsseite von einer deutlich gesteigerten Wahrscheinlichkeit einer beruflichen Atemwegserkrankung auszugehen. Überzeugend hat der Gutachter auch herausgestellt, dass wegen eines als gering zu veranschlagenden Nikotinkonsums von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit einer beruflich erworbenen Erkrankung im Sinne der BK Ziff. 4302 auszugehen ist. Anlagebedingte Erkrankungen, insbesondere ein Alpha-1-Antitrypsinmangel als alternative Verursachungsmöglichkeit, konnten von dem Gutachter ausdrücklich ausgeschlossen werden.
Damit befindet sich Prof. Dr. H. in weitgehender Übereinstimmung mit dem Vorgutachter Prof. Dr. M.-Q., dessen Ausführungen sich hauptsächlich insoweit unterscheiden, als letzterer kein Asthma bronchiale diagnostiziert und eine höhere MdE angenommen hat.
Die Kritik in den von Prof. Dr. H ... verfassten Stellungnahmen nach Aktenlage, welche die Beklagte im Berufungsverfahren vorgelegt hat, vermag im Ergebnis nicht zu überzeugen. In seiner ersten Stellungnahme vom 01.06.2010 stellt Prof. Dr. H ... maßgeblich darauf ab, dass das bullöse Emphysem des Klägers auch der "Sonderfall" eines anlagebedingten Vorschadens sein könne. Dem ist bereits entgegen zu halten, dass einschlägige Vorschäden des Klägers nicht bekannt sind.
Nach Einsicht in die Röntgenaufnahmen des Klägers hat Prof. Dr. H ... seine Kritik darauf ausgedehnt, dass beim Kläger kein symmetrisch ausgebildeter Lungenschaden vorliege, was für eine innere Schadenanlage spreche. Außerdem zeige der ermittelbare Lungenverlauf nicht die für die geltend gemachte BK typische Degression (Verschlechterung). Die bestehende bronchiale Hyperreaktivität habe den Verlauf der Lungenerkrankung von April 2003 bis März 2006 nicht verschlechtert. Insgesamt sei aufgrund dieser Feststellungen der kausale Zusammenhang als nicht nachgewiesen anzusehen.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. H. zu der Kritik von Prof. Dr. H ... an seinem Gutachten an. Es erscheint plausibel, dass in dem von Prof. Dr. H ... zugrundegelegten Verlaufszeitraum von April 2003 bis März 2006 keine wesentliche Verschlechterung zu beobachten ist, zumal am neuen Arbeitsplatz des Klägers nach dem Auftreten seiner Erkrankung keine Noxen mehr vorhanden waren. Lungenverlaufstests für die Zeit vor der Umsetzung weg von dem gefährdenden Arbeitsplatz liegen nicht vor. Auch erscheint es nicht angängig, von schwankenden Messwerten auf unzuverlässige Messwerte zu schließen, da schwankende Messwerte bei Asthmaerkrankungen häufig auftreten. Zu dem von Prof. Dr. H ... formulierten Einwand der fehlenden Symmetrie des Lungenschadens ist darauf hinzuweisen, dass beide Lungenflügel des Klägers erkrankt sind und weder aus dem Merkblatt zu der BK Ziff. 4302 noch aus der Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O.) ersichtlich ist, dass insoweit eine (weitgehende) Symmetrie zu fordern ist.
Auch nach der dritten Stellungnahme des Prof. Dr. H ... (vom 30.11.2010), in welcher dieser im Wesentlichen seine bisherige Argumentation bekräftigt, hält der Senat daher die Argumentation der beiden vom SG gehörten Gutachter für schlüssig.
Schließlich hat auch Prof. Dr. T. in seinem zeitnah erstellten Verwaltungsgutachten die vorliegend streitige Kausalität für möglich und die Erbringung von präventiven Leistungen nach § 3 BKV sogar für erforderlich gehalten. Prof. Dr. T. hat ausdrücklich hervorgehoben, dass aus arbeitsmedizinischer Sicht Maßnahmen nach § 3 BKV begründet seien, um eine berufsbedingte Verschlimmerung der COPD bzw. die Verursachung einer BK 4302 zu verhindern. Sofern Prof. Dr. T. am 07.06.2006 mitgeteilt hat, dass sich eine relevante beruflich bedingte Atemwegsobstruktion nicht habe nachweisen lassen und dass gegenüber den ohne eine vorherige berufliche Exposition erhobenen Befunden ein wesentlicher Unterschied nicht feststellbar sei, hat er nicht berücksichtigt, dass die Betriebsärztin Dr. W. in ihrem Anschreiben vom 13.12.2005 darauf hingewiesen hat, dass die nachgeholten spirometrischen Messungen am Arbeitsplatz des Klägers zu einem Zeitpunkt erfolgten, als am Arbeitsplatz des Klägers keiner der für die Verursachung der BK verantwortlich gemachten Stoffe mehr anzutreffen war. Insofern wertet der Senat diese Messungen als Beleg dafür, dass anlagebedingte Erkrankungen oder eine besondere Empfindlichkeit des Klägers nicht Ursache für die während seiner früheren Tätigkeiten aufgetretenen Gesundheitsprobleme waren.
Auch wenn Prof. Dr. T. am 15.01.2007 die Auffassung vertreten hat, dass die Frage der Kausalität im Rahmen der Untersuchung am 09./10.02.2005 nicht abschließend habe beurteilt werden können und auch die nachfolgenden spirometrischen Messungen keinen eindeutigen Nachweis erbracht hätten, ist doch mit der Begründung durch die Gutachter Prof. Dr. H. und Prof. Dr. Q. eine berufliche Verursachung als überwiegend wahrscheinlich anzunehmen. Diese Auffassung ist auch von dem behandelnden Pulmologen Dr. P. vertreten worden, der ebenfalls darauf hingewiesen hat, dass aufgrund der Dauer und Höhe der Exposition und der Kombination von unterschiedlichen Noxen die Verursachung durch die Belastung am Arbeitsplatz wahrscheinlich sei.
Schließlich ist der auch für die Anerkennung der BK erforderliche Unterlassungszwang aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, gegeben. Der Zweck des bei einigen BK-Ziffern aufgeführten Unterlassungszwangs liegt darin, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern (Präventionsgedanke) und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten (vgl. u. a. BSGE 10, 286). Angesichts dessen ist es entscheidend, dass die wegen der berufsbedingten Erkrankung objektiv notwendige Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich verwirklicht ist. Ob der Zwang zum Unterlassen der bisherigen Tätigkeit medizinisch geboten war, d. h. deren Fortsetzung wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit aus medizinischer Sicht nicht verantwortet werden konnte, ist aus objektiver Sicht im Sinne einer nachträglichen Betrachtung festzustellen (BSGE 50, 187-190; vgl. Becker, Diss. "Unterlassungszwang bei Berufskrankheiten", Gießen 2003 S. 138).
Die gefährdenden Tätigkeiten sind durch die innerbetriebliche Umsetzung im Jahr 2002 aufgegeben worden. Insoweit kann bereits auf die dringende Mahnung von Prof. Dr. T. in seinen wiederholten Stellungnahmen im Verwaltungsverfahren verwiesen werden. Die umfangreichen spirometrischen Nacherhebungen, bei denen sich keinerlei Auffälligkeiten gezeigt haben, belegen, dass am aktuellen Arbeitsplatz keine Gefährdung im Sinne der geltend gemachten BK mehr besteht. Der Kläger hat nach seiner innerbetrieblichen Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz nach Aussage der Werksärztin Dr. W. vom 13.12.2005 keinen Kontakt mehr mit den Stoffen, die für das Entstehen des Lungenemphysems verantwortlich gemacht werden.
Entgegen der Anregung der Beklagten hielt es der Senat nicht für erforderlich, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Der Hinweis auf die Möglichkeit, wegen der differierenden medizinischen Beurteilungen einen weiteren, "besonders versierten" Pulmologen anzuhören, greift nicht durch, weil alle bisher in das Verfahren involvierten Pulmologen nach Auffassung des Senats versierte Pulmologen sind, und weil mit wesentlichen neuen Erkenntnissen angesichts der Vielzahl vorliegender Stellungnahmen zu der im Jahr 2002 aufgetretenen Erkrankung nicht zu rechnen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Aufgrund des Vorliegens der geltend gemachten BK dürften auch Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sein. Dass der Tenor des angegriffenen Gerichtsbescheids insoweit abzuändern war, beruht allein auf seiner Unbestimmtheit und rechtfertigt kein Absehen von einer vollständigen Kostentragung durch die Beklagte.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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