L 9 U 3312/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 4469/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3312/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Umstritten ist die Feststellung von Unfallfolgen.

Die 1947 geborene Kläger, die seit 1. August 1978 als angestellte Lehrerin beschäftigt war, hatte bereits am 29. Januar 2002 eine Verletzung am linken Knie erlitten, als sie mit dem Rad in eine Schülerin gefahren und gestürzt war und sich dabei bei feststehendem Unterschenkel das rechte Knie nach außen verdreht hatte. Gemäß dem Bericht des damals behandelnden Chirurgen G. an die Beklagte hatte dieser eine Distorsion des rechten Kniegelenks bei anfänglichem Verdacht auf Außenmeniskusläsion diagnostiziert und war die Behandlung am 8. Februar 2002 mit Arbeitsfähigkeit ab 11. Februar 2002 abgeschlossen worden. Der röntgenologische Befund vom 30. Januar 2002 hatte unauffällige knöcherne Strukturen und eine etwas verstärkte Sklerosierung am medialen Tibiaplateau als Ausdruck der Degeneration gezeigt.

Am 23. März 2007 verdrehte sich die Klägerin bei ihrer beruflichen Tätigkeit erneut das rechte Kniegelenk. Gemäß den vom Chirurgen G. mitgeteilten Angaben der Klägerin vom Unfalltag verdrehte sich diese beim Austreten aus dem Lehrerzimmer bei feststehendem rechtem Unterschenkel (US) den Oberschenkel (OS) nach außen und verspürte dabei einen "Riss im Kniegelenk", verbunden mit starken Schmerzen. Die Klägerin selbst gab in der Unfallanzeige unter dem 27. März 2007 an, sie habe beim Hinaustreten aus dem Lehrerzimmer das rechte Bein fest aufgestellt gehabt, mit der rechten Hand die Tür geöffnet und bei feststehendem Fuß den Oberkörper sowie Hüfte und OS nach rechts gedreht, sowie darauf einen "Riss" und einen heftigen Schmerz im rechten Knie mit Unfähigkeit aufzutreten verspürt. In ihrer weiteren Schilderung vom 15. April 2007 gab die Klägerin auf ausdrückliche Befragung an, sie habe bei dem Ereignis die Lehrerzimmertür geöffnet, dabei den rechten Fuß belastet, während sie mit dem Oberkörper einschließlich OS eine Drehung nach rechts vollführt habe. Der Fuß sei stehen geblieben und sie habe einen stechenden Schmerz im Knie verspürt. Der Boden sei trocken und gefließt gewesen, ohne Unebenheiten. Der Fuß bzw. US sei bei dem Unfall nicht blockiert gewesen und sie sei im Kniegelenk nach außen umgeknickt. Auf die, näher begründete, Ablehnung durch die Beklagte, die von einem normalen Gehvorgang ausging, gab die Klägerin am 23. Juli 2007 an, sie sei bei dem Ereignis in Eile gewesen und habe mit der rechten Hand mit Schwung die Türe geöffnet. Sie sei durch den Schwung der schweren Tür mitgezogen worden. Ihr gesamtes Gewicht habe sich auf dem nahe der Tür stehenden rechten Fuß befunden. Sie habe Schuhe mit Kreppsohle getragen, die am Boden gehaftet seien. Da sie die Tür mit Schwung nach innen geöffnet und den Türgriff fest in der Hand gehalten habe, sei ihr Oberkörper und OS mit dem Türschwung ruckartig "nach rechts gerissen" worden. Das "Gewicht der Tür, der Türschwung, die Verlagerung ihres Gesamtgewichtes auf dem rechten Standbein und der haftenden Sohle ihres Schuhes" hätten dazu geführt, dass sie einen Korbhenkelriss erlitten habe.

Bei der Erstuntersuchung am Unfalltag fanden sich gemäß dem Durchgangsarztbericht des Chirurgen G. eine regelhafte Kniegelenksachse rechts mit deutlichem Streckdefizit von 30°, eine leichte Weichteil- und Kapselschwellung ohne Erguss, ein freies mediales und laterales Kompartiment ohne Anhalt für eine Meniskopathie, eine leichte Lockerung der Außenbandführung, eine Beugung bis 110° sowie eine positive Schublade bei hängendem Kniegelenk. Die Röntgenuntersuchung erbrachte keine knöchernen Verletzungszeichen. Die Diagnose des Chirurgen G. lautete Verdacht auf Kreuzbandruptur rechts und im weiteren Verdacht auf Außenmeniskusläsion im rechten Kniegelenk. Das von ihm veranlasste MRT vom 29. März 2007 ergab gemäß dem Bericht des Radiologen Dr. E. am Innenmeniskus einen Längsriss. Der freie Rand des Innenmeniskus war korbhenkelartig zur Eminentia interkondylaris hin umgeschlagen und erklärte die bestehende Blockade, der Außenmeniskus erschien intakt, das vordere Kreuzband war nicht mehr als kontinuierliche Struktur erkennbar und zeigte in seinem Verlauf narbige Veränderungen, der Gelenkknorpel war normal hoch und es fand sich ein Gelenkerguss (DD Hämarthros) und es bestand ein Weichteilhämatom. Die Seitenbänder waren intakt. Diagnostisch ging Dr. E. von einer alten vorderen Kreuzbandruptur, einem frischen umgeschlagenen Korbhenkelriss des Innenmeniskus, sowie einer Verletzung der Gelenkkapsel aus. Ferner äußerte er einen Verdacht auf Hämarthros und Weichteilhämatom.

Am 5. April 2007 erfolgte eine Arthroskopie des rechten Kniegelenks durch den Facharzt für Orthopädie N ... Dieser führte eine Innenmeniskus-Korbhenkelresektion durch. Auf den Operationsbericht vom 5. April 2007 wird verwiesen. Die Untersuchung des bei dem Eingriff entnommenen Materials ergab gemäß dem Bericht des Pathologen Dr. K. vom 12. April 2007 ein in Randzonen fragmentiertes, aufgefasertes, wechselnd zellreiches, teilweise auch basophil tingiertes Faserknorpelgewebe mit wechselnd dichtliegenden Chondrocyten und kleinen Spaltbildungen neben Fibrin und Blut mit spärlich eingelagerten neutrophilen Granulocyten. Die Diagnose lautete aufgefasertes gering degenerativ verändertes Innenmeniskusgewebe rechts neben einem fibrinösen Exsudat als Hinweis auf ein frisches Trauma bei klinisch angegebenem Korbhenkelriss. Am 21. Mai 2007 diagnostizierte der Orthopäde N. einen persistierenden Reizzustand des rechten Kniegelenks nach arthroskopischer Operation bei eingeklemmtem Innenmeniskus-Korbhenkelriss rechts. Arbeitsfähigkeit bestehe ab 30. April 2007. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigender Höhe werde nicht verbleiben.

Der Beratungsarzt der Beklagten, der Chirurg Dr. Sch., gelangte am 21. Mai 2007 unter Berücksichtigung der Unfallschilderung und der Befunde zum Ergebnis, bei dem Ereignis handle es sich um einen geplanten freiwilligen Ablauf, der der Belastbarkeit des Kniegelenks entspreche. Der Innenmeniskusschaden sei Folge einer chronischen vorderen Instabilität nach alter vorderer Kreuzbandverletzung. Bei dem Ereignis habe es sich um eine alltägliche Bewegung, die mit anderen ähnlichen Bewegungen austauschbar sei und zur Manifestation des Korbhenkelschadens geführt habe, gehandelt.

Hierauf lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen auf Grund des "Versicherungsfalles vom 23.03.2007" mit Bescheid vom 6. Juni 2007 ab, da unter Berücksichtigung der Angaben kein Unfallereignis im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung vorgelegen habe.

Den Widerspruch der Klägerin, zu dem diese am 23. Juli 2007 das Ereignis wie oben ausgeführt schilderte, wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten - nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des Dr. Sch. vom 20. September 2007 (auch wenn nach der Schilderung im Widerspruchsverfahren der Unfallbegriff bejaht werde, ändere sich an der medizinischen Beurteilung nichts, der alte Kreuzbandschaden und der Korbhenkelriss seien nicht Folge des Ereignisses, die Manifestation des Korbhenkelrisses wäre auch bei vielen anderen Gelegenheiten des täglichen Lebens, wie z. B. das Aufstehen aus der Hocke, erfolgt; es handle sich um die typische Konstellation einer chronischen vorderen Instabilität mit Sekundärschaden am Meniskus) - mit Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2007 zurück. Der Unfallbegriff der gesetzlichen Unfallversicherung sei zwar erfüllt, doch sei es durch dieses Unfallereignis maximal zu einer Zerrung des Kniegelenks gekommen.

Darauf hat die Klägerin am 21. November 2007 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, mit dem Begehren, die Beklagte zu verpflichten, den Unfall vom 23. März 2007 als Versicherungsfall und einen Anspruch auf Leistungen auf Grund dieses Versicherungsfalles anzuerkennen. Sowohl der Kreuzbandriss als auch der Innenmeniskus-Korbhenkelriss rechts seien auf dieses Ereignis zurückzuführen. Es handle sich nicht ausschließlich um degenerative Veränderungen. Bei dem Innenmeniskus-Korbhenkelriss handle es sich um einen Sekundärschaden und nicht um einen Primärschaden auf Grund des Unfallereignisses vom 23. März 2007. Die Verletzungen aus dem Unfall vom 29. Januar 2002 seien verheilt gewesen. Eine Instabilität im rechten Knie habe zum Zeitpunkt des Unfalls vom 23. März 2007 nicht bestanden. Bei diesem habe es sich nicht um ein alltägliches Ereignis gehandelt und es sei nicht nur unwesentliche Ursache, im Sinne einer Gelegenheitsursache, für den eingetretenen Körperschaden gewesen.

Das SG hat das Vorerkrankungsverzeichnis der DAK, in dem eine Arbeitsunfähigkeit vom 30. Januar bis 8. Februar 2002 (wegen "Binnenschädigung des Kniegelenkes, internal derangement, sonstige Meniskusschädigungen") dokumentiert ist, beigezogen sowie den Orthopäden N. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat angegeben, der Chirurg G., der nicht mehr in der Praxis sei und sich im Ausland aufhalte, habe die Klägerin vom 30. Januar bis 8. Februar 2002 sowie 23. bis 30. März 2007 wegen Beschwerden am rechten Kniegelenk behandelt. Im Jahr 2002 habe der Chirurg G. am rechten Kniegelenk eine geringe Weichteilschwellung suprapatellar rechts bei medialem freiem Kompartiment, einen Druckschmerz über dem äußeren Gelenkspalt, einen geringgradigen Kniegelenkserguss, eine Beweglichkeit 0/0/120° mit Schmerzen beim endgradigen Beugen, einen Hyperextensionsschmerz, ein leichtes Federn des Außenbandes und ein positives Außenmeniskuszeichen festgestellt. Die Röntgenuntersuchung habe am rechten Kniegelenk einen knöchern unauffälligen Befund und eine Sklerosierung des medialen Tibiaplateaus ergeben. Damals habe ein Verdacht auf Außenmeniskusläsion des rechten Kniegelenks bestanden. Ferner hat der Zeuge die im Jahr 2007 erhobenen Befunde mitgeteilt und weitere ärztliche Äußerungen beigefügt.

Das SG hat von Amts wegen ein Sachverständigengutachten der Orthopädin Dr. K. vom 21. Oktober 2008 und ein weiteres Sachverständigengutachten auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. W. vom 22. April 2009 eingeholt.

Dr. K. ist zum Ergebnis gelangt, es bestünden eine Lockerung des vorderen Kreuzbandes rechts und ein geringer Reizzustand des rechten Kniegelenks bei gut verheiltem Gelenkstatus nach arthroskopischer Innenmeniskusteilresektion sowie - radiologisch - ein Verdacht auf Knorpelverschleiß im inneren Gelenkkompartiment und hinter der Kniescheibe rechts sowie ein Verdacht auf Knorpelschaden hinter der Kniescheibe links. Die Klägerin habe sich bei dem Ereignis vom 23. März 2007 bei feststehendem rechtem Bein das rechte Kniegelenk verdreht. Es sei zu einem Korbhenkelriss des Innenmeniskus rechts gekommen, der arthroskopisch reseziert sei. Die Ablehnung der Beklagten sei korrekt und entspreche der derzeitigen Lehrmeinung. Die Drehung auf dem Standbein, auch eine schnelle Drehung auf dem Standbein, sei nicht geeignet, einen gesunden Meniskus zum Zerreißen zu bringen. Lediglich ein vorgeschädigter, durch Verschleiß und Aufbrauch und Umbau des Knorpels veränderter Meniskus könne durch eine Drehung zum Zerreißen und Auffasern gebracht werden. Der histologische Befund vom 12. April 2007 habe gering degenerativ verändertes Innenmeniskusgewebe rechts ergeben und die Arthroskopie habe einen Knorpelschaden im inneren Gelenkkompartiment gezeigt. Im Allgemeinen gingen Knorpelschäden am Knorpelüberzug des OS und Schienbeins einher mit Knorpelschäden des Meniskus. Eine weitere Komponente als Ursache des Meniskusschadens könne auch die Instabilität des rechten Kniegelenks sein, hervorgerufen durch eine schon länger bestehende Lockerung des vorderen Kreuzbandes. Ob sich die Klägerin bei dem Unfall vom 29. Januar 2002 eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes zugezogen habe, sei nach den vorliegenden Befunden nicht sicher zu beantworten. Eine Ruptur des Kreuzbandes bei dem damaligen Unfall sei nicht sicher auszuschließen. Die Gesundheitsstörung am rechten Kniegelenk sei nicht auf das Unfallereignis vom 23. März 2007 zurückzuführen. Das Ereignis sei als Gelegenheitsursache für die mit ihm aufgetretenen Schäden zu sehen. Folgen des Ereignisses vom 23. Februar 2007 lägen nicht mehr vor und der Meniskusriss sei als geheilt zu betrachten. Eine unfallbedingte MdE bestehe nicht.

Dr. W. ist zum Ergebnis gelangt, es bestünden ein Zustand nach Innenmeniskus-Korbhenkelresektion bei Innenmeniskus-Korbhenkelriss des rechten Kniegelenks und eine geringe Instabilität des rechten Kniegelenks bei älterem vorderen Kreuzbandriss. Der Korbhenkelriss sei auf das Ereignis vom 23. März 2007 zurückzuführen, doch sei es zu ihm nur gekommen, weil ein älterer vorderer Kreuzbandriss vorgelegen habe. Dieser habe zu einer vermehrten Drehfähigkeit des rechten Kniegelenks geführt, die bei dem beschriebenen Ereignis bei feststehendem US und verdrehtem OS und Oberkörper zu einem vermehrten Spiel des rechten Kniegelenks habe führen können und damit auch einen histologisch nur gering degenerativ veränderten Innenmeniskus habe schädigen können. Nur der Vorschaden, nämlich die vorbestehende Instabilität des rechten Kniegelenks nach älterem Kreuzbandriss, habe zu der Verletzung führen können. Ob der Kreuzbandschaden im Rahmen des Unfalles vom Jahr 2002 entstanden sei, sei allerdings nicht nachweisbar. Arbeitsunfähigkeit habe bis 27. April 2007 bestanden. Selbst wenn die festgestellten Gesundheitsstörungen Folge eines Unfalles wären, wäre der Grad der MdE unter 10 vH einzuschätzen. Ohne Insuffizienz des vorderen Kreuzbandes des rechten Kniegelenks wäre es bei dem vorliegenden Fall nach biomechanischen und anatomischen Wissen zu keinem Korbhenkelriss des Innenmeniskus gekommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe zwar zum Zeitpunkt des Ereignisses unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden und es habe nach deren Angaben auch ein ungeplanter und unkoordinierter Bewegungsablauf vorgelegen mit einer Einwirkung durch ein äußeres Ereignis, doch sei dies nicht wesentliche Ursache der Verletzungen der Klägerin. Wie dem Gutachten der Dr. K. zu entnehmen, habe bereits vor dem Ereignis ein Kreuzbandriss vorgelegen und sei der Ablauf des Ereignisses nicht geeignet gewesen, einen gesunden Meniskus zum Zerreißen zu bringen. Es sei auch von einem vorbestehenden leichten Verschleiß im inneren Gelenkkompartiment einschließlich Meniskusverschleiß auszugehen, der zusammen mit einer Lockerung des vorderen Kreuzbandes zu dem Schaden am Innenmeniskus geführt habe. Dies habe im Ergebnis auch das auf Antrag der Klägerin eingeholte Gutachten des Dr. W. bestätigt. Die wesentliche Ursache des Korbhenkelrisses am rechten Innenmeniskus sei damit nicht das Ereignis vom 23. März 2007 sondern die Vorschädigung am rechten Kniegelenk.

Gegen den am 26. Juni 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 22. Juli 2009 Berufung eingelegt. Soweit der Vorfall vom 23. März 2007 nicht alleinige oder wesentliche Ursache der Verletzung gewesen sei, weil sie bereits vorgeschädigt gewesen sei, seien die Vorschädigung und das Ereignis vom 23. März 2007 in der Addition wesentliche Ursache des Korbhenkelrisses am rechten Innenmeniskus. Die Vorschädigung stamme ebenfalls aus einem Arbeitsunfall, der sich am 29. Januar 2002 ereignet habe, bei dem sie sich das Knie verdreht habe. Dies habe zum Abriss des vorderen Kreuzbandes geführt. Diese Vorschädigung habe dann am 23. März 2007 zum Korbhenkelriss am rechten Innenmeniskus geführt. Soweit die Verletzung vom 29. Januar 2002 lediglich als eine Außenmeniskusläsion rechts diagnostiziert worden sei, sei dies unzutreffend gewesen. Tatsächlich habe sie sich damals den erst später festgestellten Kreuzbandriss zugezogen. Selbst wenn sie sich 2002 lediglich eine Außenmeniskusläsion am rechten Knie zugezogen hätte, habe diese mit dem Ereignis vom 23. März 2007 als rechtlich wesentliche Ursache zu dem Korbhenkelriss am rechten Innenmeniskus geführt.

Die Klägerin beantragt zum Teil sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. Juni 2009 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 6. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2007 abzuändern und festzustellen, dass der am 29. Januar 2002 erlittene Kreuzbandriss am rechten Knie und der am 23. März 2007 erlittene Korbhenkelriss am rechten Knie Folge eines Arbeitsunfalls sind, hilfsweise festzustellen, dass die Läsion am rechten Knie bei dem Ereignis vom 29. Januar 2002 rechtlich wesentliche Ursache des Korbhenkelrisses vom 23. März 2007 ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin habe am 29. Januar 2002 lediglich eine Kniegelenksdistorsion erlitten. Es sei nicht möglich, den von ihr als am 29. Januar 2002 erlitten unterstellten Kreuzbandriss am rechten Knie als Arbeitsunfall anzuerkennen. Insofern sei es auch nicht möglich, den am 23. März 2007 erlittenen Korbhenkelriss am rechten Knie als Arbeitsunfallfolge anzuerkennen. Im Übrigen könne eine bloße Läsion am rechten Kniegelenk bei dem Ereignis vom 29. Januar 2002 nicht rechtlich wesentliche Ursache des Korbhenkelabrisses beim Ereignis vom 23. März 2007 sein. Nach den vorliegenden Gutachten sei das Ereignis vom 23. März 2007 auch nicht geeignet gewesen, einen Innenmeniskus-Korbhenkelabriss hervorzurufen. Es müsse hier eine Vorschädigung, wie z. B. die nun erkannte vordere Kreuzbandruptur, bestanden haben. Diese sei nicht ursächlich auf das Ereignis vom 29. Januar 2002 rückführbar. Im Übrigen habe sie im Widerspruchsverfahren das Vorliegen eines Arbeitsunfalles anerkannt, als Unfallfolge jedoch nur eine Zerrung des rechten Kniegelenks, welche keine Behandlungsbedürftigkeit und auch keine Arbeitsunfähigkeit nach sich gezogen habe. Damit sei mit dem Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2007 ein Arbeitsunfall anerkannt, mit einer Primärschädigung in Form einer Zerrung des rechten Kniegelenks. Der Innenmeniskusschaden sowie der Kreuzbandabriss seien nicht Unfallfolge.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass zulässiger Streitgegenstand nur der Regelungsinhalt des angefochtenen Bescheids und des Widerspruchsbescheids sei, nicht jedoch die Feststellung von Unfallfolgen bzgl. des Ereignisses vom 29. Januar 2002.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die den gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren die Feststellung eines Kreuzbandrisses als Folge des Arbeitsunfalles vom 29. Januar 2002 erstrebt, ist ihr Begehren unzulässig. Bezüglich der - erstmals im Berufungsverfahren - begehrten Feststellung von Folgen des Unfalls vom 29. Januar 2002 handelt es sich um eine Klageerweiterung, die bereits deshalb unzulässig ist, weil eine entsprechende zulässig anfechtbare Verwaltungsentscheidung nicht vorliegt. Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte nicht über Folgen des Unfalls vom 29. Januar 2002 entschieden, sondern lediglich über den Unfall vom 23. März 2007.

Soweit die Klägerin sinngemäß die Feststellung von Gesundheitsstörungen als Folgen des Unfalles vom 23. März 2007, der als solcher von der Beklagten - wie auch dem Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2007 zu entnehmen - anerkannt ist, beantragt, ist ihr Begehren als Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zulässig. Danach kann mit der Klage die Feststellung begehrt werden, ob eine Gesundheitsstörung oder der Tod die Folge eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit oder einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ist, wenn der Kläger bzw. die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Dieses Rechtsschutzinteresse liegt hier vor, denn neben möglichen aus der Feststellung ableitbaren Leistungsansprüchen besteht auch wegen etwaiger Folgeschäden ein berechtigtes Interesse an einer Feststellung von vorliegenden Unfallfolgen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19. Januar 1989, L 7 U 1249/87 in Breithaupt 1989, 554).

Voraussetzung für die Anerkennung bzw. Feststellung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).

Gemessen daran sind weitere Folgen des Unfalles vom 23. März 2007 nicht festzustellen. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend ausgeführt, dass die geltend gemachten Gesundheitsstörungen nicht Folgen des Arbeitsunfalles vom 23. März 2007 sind. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass die Klägerin weder einen Anspruch auf Feststellung eines Kreuzbandrisses am rechten Kniegelenk noch auf Feststellung eines Korbhenkelrisses am rechten Knie bzw. Meniskus als Folge des Arbeitsunfalles vom 23. März 2007, dessen Folgen allein zulässiger Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, hat.

Bezüglich des Kreuzbandrisses ergibt sich dies bereits aus dem eigenen und insofern unschlüssigen Vorbringen der Klägerin. Wie sie selbst angibt, hat sie den Riss des vorderen rechten Kreuzbandes bereits bei dem Ereignis vom 29. Januar 2002 erlitten. Damit scheidet diese Verletzung als Folge des streitgegenständlichen Unfalles vom 23. März 2007 aus, weil die Schädigung bereits vor diesem Ereignis vorgelegen hat. Dies ergibt sich für den Senat auch schlüssig aus den vorliegenden Befunden, insbesondere dem Ergebnis des MRT vom 29. März 2007, das sechs Tage nach dem Unfall eine "alte" vordere Kreuzbandruptur ergeben hat (Bericht Dr. E. vom 29. März 2007). Dass es sich hierbei um einen schon vor dem Unfall vom 23. März 2007 vorgelegenen Schaden gehandelt hat, ergibt sich im Übrigen auch aus den weiteren vorliegenden gutachterlichen Äußerungen, weswegen der Senat keine Zweifel hat, dass diese Schädigung schon vor dem Unfall vom 23. März 2007 bestand. Wann genau es zur Ruptur des rechten vorderen Kreuzbandes gekommen ist, insbesondere ob diese bei dem Ereignis vom 29. Januar 2002 eingetreten ist, ist anhand der vorliegenden ärztlichen Äußerungen und Dokumentationen nicht feststellbar. Dies kann jedoch auch dahin stehen, da zulässiger Streitgegenstand allein die Feststellung von Folgen des Unfalles vom 23. März 2007 ist.

Im Übrigen hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf Feststellung des Innenmeniskus-Korbhenkelrisses rechts als Folge des Unfalles vom 23. März 2007. Wie sowohl Dr. Sch. als auch Dr. K. schlüssig und überzeugend dargelegt haben, ist wesentliche Ursache des Innenmeniskus-Korbhenkelrisses rechts die bestehende Vorschädigung in Form einer Läsion des vorderen Kreuzbandes rechts und der damit verbundenen Instabilität sowie auch der festgestellte leichte Verschleiß im inneren Gelenkkompartiment einschließlich Meniskusverschleiß im Bereich des rechten Kniegelenks. Auf Grund dieser Vorschädigung hätte es auch bei jeder alltäglichen Bewegung (z. B. Aufstehen aus der Hocke) zu dem Innenmeniskus-Korbhenkelriss kommen können, sodass der von der Klägerin - erst im Widerspruchsverfahren - geschilderte Unfallhergang nicht als wesentliche Ursache für diese Schädigung angesehen werden kann. Dem hat sich im Ergebnis auch der auf Antrag der Klägerin gehörte Sachverständige Dr. W. angeschlossen.

Wesentliche und damit alleinige Ursache des Korbhenkelrisses des rechten Innenmeniskus im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist der auf Grund der erhobenen Befunde nachgewiesene Vorschaden, insbesondere der durch das MRT belegte "ältere" Kreuzbandschaden im rechten Kniegelenk mit narbigen Veränderungen des nicht mehr als kontinuierliche Struktur erkennbaren vorderen Kreuzbandes und der damit einhergehende Verschleiß im inneren Gelenkkompartiment (auch wenn dieser vor dem angeschuldigten Ereignis noch keine Beschwerden verursachte).

Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Feststellung weiterer Unfallfolgen, weswegen der Senat die Berufung zurückweist. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved