Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 940/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4906/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 21.9.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Brustvergrößerungsoperation (Mammaaufbauplastik) beidseits.
Die 1991 geborene Klägerin ist bei der Beklagten familienversichert. Am 30.9.2008 beantragte sie (über ihre Mutter), die Gewährung einer (stationären) Brustvergrößerungsoperation bzw. die Übernahme der hierfür anfallenden Kosten. Zur Begründung legte sie das Attest des Dr. Sch. (Klinikum Sch. G.) vom 24.9.2008 vor. Darin ist ausgeführt, bei der 1,75 m großen, 75 kg schweren Klägerin bestehe eine tuburöse Malformation beider Mammae in mittlerer Ausprägung. Der kaudale Pol fehle weitgehend. Die Brustwarze zeige eine mittlere Ausprägung eines Areolaprolaps beidseits. Die Veränderung habe Krankheitswert und stelle eine Indikation zur plastischen Korrektur mit Implantaten beidseits dar.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. E., dem eine Fotodokumentation der Klägerin vorlag, führte im Aktengutachten vom 21.10.2008 aus, bei dem vorliegenden Befund handele es sich um eine Formveränderung der weiblichen Brust ohne Krankheitswert. Beschwerden oder Funktionseinschränkungen lägen nicht vor. Die Veränderung sei auch nicht entstellend; sie liege nicht an den Präsentationsflächen der Persönlichkeit. Begehrt werde ein kosmetischer Eingriff.
Mit Bescheid vom 27.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das Gutachten des MDK ab.
Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.2.2009 zurück. Die gesetzliche Krankenversicherung komme nicht für Eingriffe auf, mit denen ein im Normbereich liegender Körperzustand verändert werden solle; andernfalls müssten bei entsprechender psychischer Fixierung des Versicherten auch kostspielige Schönheitsoperationen finanziert werden. Leistungen würden nach der Rechtsprechung des BSG nur für unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzende Behandlungen gewährt. Werde lediglich das Aussehen des Versicherten und nicht zugleich auch eine Körperfunktion beeinträchtigt, bestehe Leistungspflicht nur bei entstellender Wirkung, die hier nicht vorliege. Psychische Erkrankungen rechtfertigten operative Eingriffe am gesunden Körper nicht (vgl. etwa BSG, Urt. v. 28.2.2008, - N 1 KR 19/07 R -). Die Klägerin begehre letztendlich eine primär kosmetisch ausgerichtete Operation, die nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre.
Am 16.3.2009 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm. Sie trug vor, die tuburöse Malformation ihrer Brüste sei für sie sehr belastend.
Die Klägerin legte einen Kostenvoranschlag der St.klinik, M., über voraussichtliche Kosten der Mammaaufbauplastik von 2.321,54 EUR vor. Der MDK hätte sie persönlich untersuchen und eine körperliche Gesamtbetrachtung vornehmen müssen. Die Heranziehung einer Fotodokumentation ihrer Brüste genüge zur Feststellung des Sachverhalts nicht.
Nachdem sich die Klägerin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatte, wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.9.2009 ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, SGG) aus, eine die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auslösende Krankheit setze einen regelwidrigen Körper- und/oder Geisteszustand voraus, der von der durch das Leitbild des gesunden Menschen geprägten Norm abweiche und behandlungsbedürftig sei; die bloße Benennung einer medizinischen Diagnose genüge nicht. Die Klägerin sei zwar mit ihrem körperlichen Zustand nicht zufrieden, jedoch nicht krank; die bei ihr (hinsichtlich der Brüste) vorliegende und aus der eingereichten Fotodokumentation ersichtliche Normvariante der Natur müsse nicht behandelt werden. Eingriffe an gesunden Körperorganen müsse die Krankenkasse nicht gewähren. Wenn die Klägerin ihren Körperzustand nicht akzeptieren könne, möge ggf. psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden.
Auf den ihr am 24.9.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23.10.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, Dr. Sch. habe der tuburösen Malformation ihrer Brüste Krankheitswert beigemessen und eine plastische Korrektur durch Implantate vorgeschlagen. Das Sozialgericht hätte hiervon ohne weitere Ermittlungen bzw. die Erhebung eines Gutachtens nicht abweichen dürfen. Bei ihr fehlten Brustanteile und Gewebe, die bei einem gesunden Menschen vorhanden wären.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 21.9.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.2.2009 zu verurteilen, ihr eine stationäre Mammaaufbauplastik beidseits mittels Implantaten zu gewähren bzw. die Kosten hierfür zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Nach den Erkenntnissen des MDK bestehe eine Formveränderung der Brust ohne Krankheitswert, die weder Beschwerden noch Funktionseinschränkungen verursache. Entstellende Wirkung liege ebenfalls nicht vor.
Die Klägerin hat weitere Arztunterlagen vorgelegt. In einer Bescheinigung der Frauenärztin Dr. A. vom 21.10.2009 ist ausgeführt, bei der Klägerin lägen rudimentäre, deutlich asymmetrisch und unterschiedlich entwickelte Mammae vor. Von der Brustfehlbildung "tuburöse Brustdeformität" spreche man, wenn Brustanteile und Anteile der umgebenden Gewebsstellen fehlten; das sei bei der Klägerin der Fall. Es liege eine Asymmetrie Grad III mit Ptosis Mammae, unilateral bei Hypoplasie der Gegenseite vor. Eine adäquate Korrektur gelinge nur durch eine plastische Operation durch Ausgleich und Aufbau der Mammae beidseits. Es liege eine Erkrankung im Sinne des Sozialgesetzbuchs vor und die Operation sei medizinisch indiziert. Dr. G. (O.-Klinikum A.) hat unter dem 28.10.2009 dargelegt, bei der Klägerin liege zusammenfassend eine ausgeprägte Mammahypoplasie (Brustumfang 87 cm) mit Fehlausbildung aller 4 Quadranten und Protrusio der Areola-Mamille vor. In dieser Situation halte er die operative Sanierung der inzwischen ausgewachsenen Klägerin für dringend indiziert, um eine ungestörte Partnerschafts- und Sexualentwicklung zu ermöglichen. Das therapeutische Konzept bestünde in einer Augmentation über Periareolärschnitt mit periareolärer Straffungsoperation.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG das Gutachten der Leitenden Oberärztin Dr. P. (O.-Klinikum, Brust Centrum, A.) vom 20.8.2010 erhoben.
Die Gutachterin hat die Klägerin untersucht und (u.a.) einen BMI von 24 (Körpergröße 1,80 m, Gewicht 77 kg), einen Unterbrustumfang von 82,5 cm und eine Brustbreite von 8,0 cm (Hüftumfang 97 cm, Taille 78,5 cm) festgestellt. Der Abstand zwischen Jugulum und NAK betrage rechts 21 cm, links 21,5 cm. Bei der Klägerin sei die Brustentwicklung abgeschlossen. Ein Hormonmangel liege nicht vor. Die Brustbasis sei zu klein. Bezüglich der Brustbasis habe der Sprung zwischen Stadium III und IV nicht stattgefunden. Der Nipple-Areola-Komplex (NAK) habe sich jedoch weiterentwickelt. Besonders in der Seitenaufnahme sei erkennbar, dass die Entwicklung des Brustdrüsengewebes in den unteren Quadranten nicht stattgefunden habe. Der Abstand zwischen NAK und Submammärfalte sei zu kurz. Der NAK-Komplex erscheine überentwickelt. Es bestehe eine Protrusion des Nipple-Warzenhof-Komplexes. Das Verhältnis von Nipple-Warzenhof-Komplex und Brustbasis sei zugunsten des Warzenhofkomplexes verschoben. Der Abstand zwischen Brustbein und medialem Brustansatz sei zu groß. Dies unterstreiche die zu kleine Brustbreite (Brustbasis).
Bei der Klägerin liege eine tuburöse Brustform als Anlagestörung vor (limitierte Brustbasis und überentwickelter NAK-Komplex); die Ursache hierfür sei nicht bekannt. Nachdem die Ausbildung der Brustdrüse abgeschlossen sei, werde sich an der tuburösen Brustform nichts mehr ändern. Das Brustvolumen rechts betrage im Wasserverdrängungstest 180 ml, links 200 ml bei rüsselartiger Anordnung bzw.Tendenz.
Bei einem Hüftumfang von 97 cm und einem Unterbrustumfang von 82,5 cm führe die tuburöse Brust mit einer Brustbreite von 8 cm nicht zu einem intakten Brustbild. Durch das fehlende Brustdrüsengewebe besonders in den unteren Quadranten sei die Auflagefläche der Brust auf dem Brustkorb zu klein. Der überentwickelte Nipple-Areola-Komplex unterstreiche dies noch.
Das äußere Erscheinungsbild belaste die Klägerin, da sichtbar sei, dass ihr Brustbild nicht zu dem Oberkörper passe. Um zu einem intakten Brustbild zu kommen, sei eine Augmentation mit einer Prothese beidseits erforderlich. Die Korrektur einer tuburösen Brust sei nur durch Implantation einer Prothese möglich. Die Submammärfalte müsse tiefer gesetzt werden, damit eine breitere Auflagefläche der Brust auf dem Brustkorb gebildet werde. Ebenfalls werde eine Projektion im kaudalen Bereich erzeugt. Die Protrusion des Nipple-Areola-Komplexes müsse abgeflacht werden. Durch die Verkleinerung des Abstandes zwischen Brustbein und medialem Brustansatz entstehe eine breitere Brustbasis. Es werde mehr Haut mobilisiert. Diese Haut müsse dann mit Volumen gefüllt werden, was nur mit einer Prothese möglich sei.
Zusammenfassend liege bei der Klägerin eine tuburöse Brust vor, die nur durch Augmentation mittels Prothese korrigiert werden könne, wodurch das intakte Brustbild hergestellt werde. Eine Operation sei zwingend erforderlich. Ob Silikonprothesen unter dem Brustdrüsengewebe ausreichten oder sogar ein Prothesenlager unter dem Brustmuskel geschaffen werden müsse, müsse intraoperativ endgültig geklärt werden. Die Operation sei mit den üblichen Risiken (Blutung, Infektion u.a.) verbunden. Möglicherweise könne die Retraktion des NAK-Komplexes erst mit einem zweiten Eingriff endgültig behoben werden.
In der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2011 war die Klägerin persönlich anwesend. Der Senat hat sich von deren äußerer Erscheinung (in Alltagskleidung) ein Bild gemacht. Außerdem wurden die dem Gutachten von Dr. P. beigefügte Fotodokumentation der Brüste der Klägerin (in unbekleidetem Zustand) sowie die entsprechende Fotodokumentation in den Verwaltungsakten in Augenschein genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine operative Brustvergrößerung (Mammaaufbauplastik) beidseits durch Implantate zu gewähren. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
I. Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent. Freilich stellt nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit eine Krankheit dar. Notwendig ist, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt. Psychische Krankheiten können die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ebenfalls begründen (zu alledem näher: Senatsurteile vom 12.12.2008, - L 5 KR 2638/07 -; vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 –, und vom 22.11.2006, - L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, insbesondere Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R – "Brustverkleinerung" und B 1 KR 3/03 R - "Brustvergrößerung").
Die begehrte Krankenbehandlung muss außerdem notwendig sein. Hierzu bestimmt die allgemeine Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergänzend und präzisierend, dass alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit auch Krankenbehandlungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
An der Notwendigkeit (wie der Zweckmäßigkeit) einer Krankenbehandlung i. S. d. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V fehlt es von vornherein, wenn ihre Wirksamkeit bzw. ihr therapeutischer Nutzen für die Erkennung oder Heilung der jeweiligen Krankheit oder für die Verhütung ihrer Verschlimmerung bzw. die Linderung der Krankheitsbeschwerden nicht festgestellt werden kann. Ausschlaggebend sind grundsätzlich die Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Setzt die Krankenbehandlung entgegen der Regel nicht unmittelbar an der Krankheit bzw. am erkrankten Organ selbst an, soll der Behandlungserfolg vielmehr mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R -; BSGE 85, 86). Im Hinblick darauf sind Operationen am gesunden Körper (wie hier: Brustoperationen) zur Behebung psychischer Störungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt, vor allem, weil die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (auch dazu näher Senatsurteile vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 –, und vom 22.11,2006, - L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSGE 90, 289).
II.
Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer operativen Brustvergrößerung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Bei der Klägerin liegt hinsichtlich der Brüste eine körperliche Anomalität, die als Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V einzustufen wäre, nicht vor; es bestehen weder eine körperliche Fehlfunktion noch (körperliche) Beschwerden, die durch die begehrte Brustvergrößerungsoperation zu behandeln wären (unten 1), noch wirkt die anatomische Abweichung entstellend (unten 2). Sollte die Klägerin infolge des Erscheinungsbilds der Brüste unter einer psychischen Erkrankung leiden, käme ggf. ein Anspruch auf psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlungen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht; die Korrektur des körperlichen Erscheinungsbilds durch einen operativen Eingriff an einem gesunden Organ muss die Krankenkasse jedoch nicht gewähren (unten 3).
1.) In organischer Hinsicht liegt bei der Klägerin eine tuburöse Malformation der Brüste beidseits vor. Dabei handelt es sich um eine Formveränderung der weiblichen Brust im Sinne einer Mammahypoplasie. Letztendlich fehlen Brustanteile und Anteile des umgebenden Gewebes. Das geht aus den vorliegenden Arztberichten und Gutachten hervor und ist unter den Beteiligten auch nicht streitig. Wie Dr. E. im MDK-Gutachten vom 21.10.2008 dargelegt hat, sind damit Funktionseinschränkungen des Brustorgans oder (körperliche) Beschwerden an diesem Organ aber nicht verbunden. Allein das äußere Erscheinungsbild der Brüste weicht, namentlich hinsichtlich der Größe, von den Normerwartungen ab. Anderes geht aus den von der Klägerin vorgelegten Arztberichten und dem auf ihren Antrag gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten von Dr. P. nicht hervor. Die Frauenärztin Dr. A. hat in ihrem Attest vom 21.10.2009 ebenfalls das äußere Erscheinungsbild der Brüste beschrieben und rudimentäre, deutlich asymmetrisch und unterschiedlich entwickelte Mammae konstatiert und hierauf gestützt die Diagnose einer tuburösen Brustdeformität gestellt. Ob dies als Erkrankung im Rechtssinne (des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V) einzustufen ist, ist keine Frage medizinischer Erkenntnis, sondern eine Rechtsfrage, über die im Streitfall die Gerichte unter Würdigung des medizinischen Sachverhalts zu entscheiden haben. Dr. G. hat im Arztbericht vom 28.10.2009 eine Mammahypoplasie diagnostiziert und die operative Sanierung (durch Brustvergrößerung) zur Ermöglichung einer ungestörten Partnerschafts- und Sexualentwicklung für notwendig erachtet. Organische Funktionseinschränkungen oder Beschwerden hat auch er nicht beschrieben, vielmehr auf mögliche psychische Beschwerden im Rahmen der Partnerschafts- und Sexualentwicklung verwiesen, die ihre Ursache wiederum (allein) in dem von den Normerwartungen abweichenden äußeren Erscheinungsbild der Brüste haben können. Schließlich hat Dr. P. in ihrem Gutachten vom 20.8.2010 ebenfalls das Erscheinungsbild der Brüste der Klägerin insbesondere durch die Angabe von Körpermaßen dargestellt und darauf gestützt eine tuburöse Brustform diagnostiziert, die sich im Rahmen natürlicher Wachstumsprozesse nicht mehr verändern werde. Organische Funktionseinschränkungen oder Beschwerden hat die Gutachterin demgegenüber nicht feststellen können, sondern nur ein "nicht intaktes Brustbild" konstatiert. Ihr Therapievorschlag besteht folgerichtig auch (nur) darin, ein "intaktes Brustbild" durch die Vergrößerung der Brüste mittels Implantaten (Prothesen) herbeizuführen.
Liegt damit im Hinblick auf organische Funktionsdefizite oder Beschwerden schon eine Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht vor, könnte auch ein entsprechender Behandlungsbedarf nicht festgestellt werden, da die in Rede stehende Behandlung - die Brustvergrößerung durch Implantation von Prothesen - der Klägerin auch im Erfolgsfall nur ein anderes Aussehen und keine natürlich gewachsenen funktionsgerechten Organe verschaffen würde. Behandlungsbedürftigkeit, die ihrerseits Behandlungsfähigkeit voraussetzt, läge damit selbst nicht vor, wenn mit der ausgeprägten Mammahypoplasie bzw. dem fehlenden (Brust-)Gewebe außer dem optischen Eindruck ein relevanter Funktionsmangel einherginge (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R -).
2.) Die bei der Klägerin vorliegende Brustdeformität wirkt nicht entstellend. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen. Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung z. B. das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert. Dagegen ist bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen worden (zu alledem BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R -). Das BSG hat namentlich eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust abgelehnt (BSGE 93, 252). Außerdem ist insoweit auf die Möglichkeit zur Verdeckung von Fehlbildungen im Alltag (etwa durch die Kleidung oder darunter zu tragende Prothesen) abgestellt worden (BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R - zu einer einseitigen Brustvergrößerungsoperation)
Im Hinblick darauf kann der Senat eine entstellende Wirkung durch Form und/oder zu geringer Größe der Brüste der Klägerin nicht feststellen. Die hierfür nach dem Gesagten maßgebliche Erheblichkeitsschwelle ist nicht überschritten. Der Senat stützt sich hierfür in erster Linie auf das Erscheinungsbild der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2011; außerdem hat er die bei den Akten befindlichen Fotodokumentationen der Brüste der Klägerin berücksichtigt. Eine derart erhebliche Auffälligkeit, wegen der die Klägerin ständig viele Blicke auf sich ziehen und zum Objekt besonderer Beachtung anderer würde, weswegen sie sich aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen drohte, liegt ersichtlich nicht vor. Die in Rede stehende körperliche Auffälligkeit ist keineswegs in einer solchen Ausprägung vorhanden, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf die Klägerin führt (vgl. dazu auch BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R -; ebenfalls zur Brustvergrößerung). Diese könnte außerdem für Abhilfe im Alltag durch entsprechende Kleidung bzw. Hilfsmittel, wie unter der Kleidung zu tragende Brustprothesen für den BH, sorgen, wenn sie ihr äußeres Erscheinungsbild im Hinblick auf die Erwartungshaltung Dritter verändern will (vgl. auch BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R - zu einem Fall der Brustasymmetrie). Schließlich ließe sich - so das BSG (Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R ) - die Annahme einer Entstellung in Fällen der vorliegenden Art mit dem Krankheitsbegriff auch deshalb kaum in Einklang bringen, wenn man die außerordentliche Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust berücksichtigt. Hiervon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung als Klägerin eine attraktive, apart wirkende junge Frau gesehen, deren Aussehen im Bereich der Brüste zwar nicht perfekt, aber - bei Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit - auch nicht weiter nachteilig wirkt. Der äußere Eindruck hat vielmehr in der Beratung des Senats die Frage aufgeworfen, ob die beantragte Operation aus kosmetischen Gründen überhaupt erforderlich ist. Diese Frage muss -weil nicht entscheidungserheblich - offengelassen werden. Jedenfalls liegt eine Entstellung im Sinne der Rechtsprechung des BSG rein tatsächlich nicht vor.
3.) Etwaige psychische Belastungen der Klägerin rechtfertigen einen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG können psychische Leiden einen Anspruch auf eine Operation zum Brustaufbau nicht begründen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R - m.w.N.; auch Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R -). Das BSG (a. a. O.) hat hierzu ausgeführt, dass die Krankenkassen weder nach dem SGB V noch von Verfassungs wegen gehalten sind, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. So hat das SGB V etwa Lebensmittel grundsätzlich dem Bereich der Eigenverantwortung der Versicherten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zugerechnet, mag hierfür auch den Versicherten krankheitsbedingt ein Mehraufwand entstehen. Das trägt der begrenzten Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung Rechnung, sich auf gezielte Maßnahmen der Krankheitsbekämpfung zu beschränken. Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der Krankenkassen (so BSG, a. a. O.).
Danach sind Operationen am - krankenversicherungsrechtlich gesehen - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, nicht als "Behandlung" i. S. d. § 27 Abs. 1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesen. Dies beruht in der Sache vor allem auf den Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose sowie darauf, dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken besonderer Rechtfertigung bedürfen. Denn damit wird nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden. Das gilt jedenfalls so lange, wie medizinische Kenntnisse zumindest Zweifel an der Erfolgsaussicht von Operationen zur Überwindung einer psychischen Krankheit begründen. Dass nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht mehr Zweifel im dargelegten Sinne bestehen, ist freilich nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht (BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R -).
Anderes folgt aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs. 1 GG) auch nicht im Hinblick auf Patientinnen, die sich im Rahmen einer Therapie von Brustkrebs einer Brustamputation unterziehen. Unabhängig von der Frage, wie weit insoweit der Anspruch auf Krankenbehandlung aus § 27 SGB V reicht, sind solche Patientinnen schon im Ansatz nicht mit weiblichen Versicherten vergleichbar, die eine angeborene Brustasymmetrie bzw. hier Brusthypoplasie haben. Während die an Krebs erkrankten Patientinnen unzweifelhaft Anspruch auf Krankenbehandlung haben, deren Reichweite sich nach § 27 SGB V bestimmt, kommt ein solcher Anspruch bei Patientinnen mit nicht entstellender Brustdeformität schon deshalb nicht in Betracht, weil sie im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt nicht an einer Krankheit leiden (BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R -).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Brustvergrößerungsoperation (Mammaaufbauplastik) beidseits.
Die 1991 geborene Klägerin ist bei der Beklagten familienversichert. Am 30.9.2008 beantragte sie (über ihre Mutter), die Gewährung einer (stationären) Brustvergrößerungsoperation bzw. die Übernahme der hierfür anfallenden Kosten. Zur Begründung legte sie das Attest des Dr. Sch. (Klinikum Sch. G.) vom 24.9.2008 vor. Darin ist ausgeführt, bei der 1,75 m großen, 75 kg schweren Klägerin bestehe eine tuburöse Malformation beider Mammae in mittlerer Ausprägung. Der kaudale Pol fehle weitgehend. Die Brustwarze zeige eine mittlere Ausprägung eines Areolaprolaps beidseits. Die Veränderung habe Krankheitswert und stelle eine Indikation zur plastischen Korrektur mit Implantaten beidseits dar.
Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. E., dem eine Fotodokumentation der Klägerin vorlag, führte im Aktengutachten vom 21.10.2008 aus, bei dem vorliegenden Befund handele es sich um eine Formveränderung der weiblichen Brust ohne Krankheitswert. Beschwerden oder Funktionseinschränkungen lägen nicht vor. Die Veränderung sei auch nicht entstellend; sie liege nicht an den Präsentationsflächen der Persönlichkeit. Begehrt werde ein kosmetischer Eingriff.
Mit Bescheid vom 27.10.2008 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das Gutachten des MDK ab.
Den dagegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.2.2009 zurück. Die gesetzliche Krankenversicherung komme nicht für Eingriffe auf, mit denen ein im Normbereich liegender Körperzustand verändert werden solle; andernfalls müssten bei entsprechender psychischer Fixierung des Versicherten auch kostspielige Schönheitsoperationen finanziert werden. Leistungen würden nach der Rechtsprechung des BSG nur für unmittelbar an der eigentlichen Krankheit ansetzende Behandlungen gewährt. Werde lediglich das Aussehen des Versicherten und nicht zugleich auch eine Körperfunktion beeinträchtigt, bestehe Leistungspflicht nur bei entstellender Wirkung, die hier nicht vorliege. Psychische Erkrankungen rechtfertigten operative Eingriffe am gesunden Körper nicht (vgl. etwa BSG, Urt. v. 28.2.2008, - N 1 KR 19/07 R -). Die Klägerin begehre letztendlich eine primär kosmetisch ausgerichtete Operation, die nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehöre.
Am 16.3.2009 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm. Sie trug vor, die tuburöse Malformation ihrer Brüste sei für sie sehr belastend.
Die Klägerin legte einen Kostenvoranschlag der St.klinik, M., über voraussichtliche Kosten der Mammaaufbauplastik von 2.321,54 EUR vor. Der MDK hätte sie persönlich untersuchen und eine körperliche Gesamtbetrachtung vornehmen müssen. Die Heranziehung einer Fotodokumentation ihrer Brüste genüge zur Feststellung des Sachverhalts nicht.
Nachdem sich die Klägerin mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatte, wies das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21.9.2009 ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz, SGG) aus, eine die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung auslösende Krankheit setze einen regelwidrigen Körper- und/oder Geisteszustand voraus, der von der durch das Leitbild des gesunden Menschen geprägten Norm abweiche und behandlungsbedürftig sei; die bloße Benennung einer medizinischen Diagnose genüge nicht. Die Klägerin sei zwar mit ihrem körperlichen Zustand nicht zufrieden, jedoch nicht krank; die bei ihr (hinsichtlich der Brüste) vorliegende und aus der eingereichten Fotodokumentation ersichtliche Normvariante der Natur müsse nicht behandelt werden. Eingriffe an gesunden Körperorganen müsse die Krankenkasse nicht gewähren. Wenn die Klägerin ihren Körperzustand nicht akzeptieren könne, möge ggf. psychotherapeutische Hilfe in Anspruch genommen werden.
Auf den ihr am 24.9.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23.10.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, Dr. Sch. habe der tuburösen Malformation ihrer Brüste Krankheitswert beigemessen und eine plastische Korrektur durch Implantate vorgeschlagen. Das Sozialgericht hätte hiervon ohne weitere Ermittlungen bzw. die Erhebung eines Gutachtens nicht abweichen dürfen. Bei ihr fehlten Brustanteile und Gewebe, die bei einem gesunden Menschen vorhanden wären.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 21.9.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.10.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.2.2009 zu verurteilen, ihr eine stationäre Mammaaufbauplastik beidseits mittels Implantaten zu gewähren bzw. die Kosten hierfür zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Nach den Erkenntnissen des MDK bestehe eine Formveränderung der Brust ohne Krankheitswert, die weder Beschwerden noch Funktionseinschränkungen verursache. Entstellende Wirkung liege ebenfalls nicht vor.
Die Klägerin hat weitere Arztunterlagen vorgelegt. In einer Bescheinigung der Frauenärztin Dr. A. vom 21.10.2009 ist ausgeführt, bei der Klägerin lägen rudimentäre, deutlich asymmetrisch und unterschiedlich entwickelte Mammae vor. Von der Brustfehlbildung "tuburöse Brustdeformität" spreche man, wenn Brustanteile und Anteile der umgebenden Gewebsstellen fehlten; das sei bei der Klägerin der Fall. Es liege eine Asymmetrie Grad III mit Ptosis Mammae, unilateral bei Hypoplasie der Gegenseite vor. Eine adäquate Korrektur gelinge nur durch eine plastische Operation durch Ausgleich und Aufbau der Mammae beidseits. Es liege eine Erkrankung im Sinne des Sozialgesetzbuchs vor und die Operation sei medizinisch indiziert. Dr. G. (O.-Klinikum A.) hat unter dem 28.10.2009 dargelegt, bei der Klägerin liege zusammenfassend eine ausgeprägte Mammahypoplasie (Brustumfang 87 cm) mit Fehlausbildung aller 4 Quadranten und Protrusio der Areola-Mamille vor. In dieser Situation halte er die operative Sanierung der inzwischen ausgewachsenen Klägerin für dringend indiziert, um eine ungestörte Partnerschafts- und Sexualentwicklung zu ermöglichen. Das therapeutische Konzept bestünde in einer Augmentation über Periareolärschnitt mit periareolärer Straffungsoperation.
Der Senat hat auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG das Gutachten der Leitenden Oberärztin Dr. P. (O.-Klinikum, Brust Centrum, A.) vom 20.8.2010 erhoben.
Die Gutachterin hat die Klägerin untersucht und (u.a.) einen BMI von 24 (Körpergröße 1,80 m, Gewicht 77 kg), einen Unterbrustumfang von 82,5 cm und eine Brustbreite von 8,0 cm (Hüftumfang 97 cm, Taille 78,5 cm) festgestellt. Der Abstand zwischen Jugulum und NAK betrage rechts 21 cm, links 21,5 cm. Bei der Klägerin sei die Brustentwicklung abgeschlossen. Ein Hormonmangel liege nicht vor. Die Brustbasis sei zu klein. Bezüglich der Brustbasis habe der Sprung zwischen Stadium III und IV nicht stattgefunden. Der Nipple-Areola-Komplex (NAK) habe sich jedoch weiterentwickelt. Besonders in der Seitenaufnahme sei erkennbar, dass die Entwicklung des Brustdrüsengewebes in den unteren Quadranten nicht stattgefunden habe. Der Abstand zwischen NAK und Submammärfalte sei zu kurz. Der NAK-Komplex erscheine überentwickelt. Es bestehe eine Protrusion des Nipple-Warzenhof-Komplexes. Das Verhältnis von Nipple-Warzenhof-Komplex und Brustbasis sei zugunsten des Warzenhofkomplexes verschoben. Der Abstand zwischen Brustbein und medialem Brustansatz sei zu groß. Dies unterstreiche die zu kleine Brustbreite (Brustbasis).
Bei der Klägerin liege eine tuburöse Brustform als Anlagestörung vor (limitierte Brustbasis und überentwickelter NAK-Komplex); die Ursache hierfür sei nicht bekannt. Nachdem die Ausbildung der Brustdrüse abgeschlossen sei, werde sich an der tuburösen Brustform nichts mehr ändern. Das Brustvolumen rechts betrage im Wasserverdrängungstest 180 ml, links 200 ml bei rüsselartiger Anordnung bzw.Tendenz.
Bei einem Hüftumfang von 97 cm und einem Unterbrustumfang von 82,5 cm führe die tuburöse Brust mit einer Brustbreite von 8 cm nicht zu einem intakten Brustbild. Durch das fehlende Brustdrüsengewebe besonders in den unteren Quadranten sei die Auflagefläche der Brust auf dem Brustkorb zu klein. Der überentwickelte Nipple-Areola-Komplex unterstreiche dies noch.
Das äußere Erscheinungsbild belaste die Klägerin, da sichtbar sei, dass ihr Brustbild nicht zu dem Oberkörper passe. Um zu einem intakten Brustbild zu kommen, sei eine Augmentation mit einer Prothese beidseits erforderlich. Die Korrektur einer tuburösen Brust sei nur durch Implantation einer Prothese möglich. Die Submammärfalte müsse tiefer gesetzt werden, damit eine breitere Auflagefläche der Brust auf dem Brustkorb gebildet werde. Ebenfalls werde eine Projektion im kaudalen Bereich erzeugt. Die Protrusion des Nipple-Areola-Komplexes müsse abgeflacht werden. Durch die Verkleinerung des Abstandes zwischen Brustbein und medialem Brustansatz entstehe eine breitere Brustbasis. Es werde mehr Haut mobilisiert. Diese Haut müsse dann mit Volumen gefüllt werden, was nur mit einer Prothese möglich sei.
Zusammenfassend liege bei der Klägerin eine tuburöse Brust vor, die nur durch Augmentation mittels Prothese korrigiert werden könne, wodurch das intakte Brustbild hergestellt werde. Eine Operation sei zwingend erforderlich. Ob Silikonprothesen unter dem Brustdrüsengewebe ausreichten oder sogar ein Prothesenlager unter dem Brustmuskel geschaffen werden müsse, müsse intraoperativ endgültig geklärt werden. Die Operation sei mit den üblichen Risiken (Blutung, Infektion u.a.) verbunden. Möglicherweise könne die Retraktion des NAK-Komplexes erst mit einem zweiten Eingriff endgültig behoben werden.
In der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2011 war die Klägerin persönlich anwesend. Der Senat hat sich von deren äußerer Erscheinung (in Alltagskleidung) ein Bild gemacht. Außerdem wurden die dem Gutachten von Dr. P. beigefügte Fotodokumentation der Brüste der Klägerin (in unbekleidetem Zustand) sowie die entsprechende Fotodokumentation in den Verwaltungsakten in Augenschein genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr eine operative Brustvergrößerung (Mammaaufbauplastik) beidseits durch Implantate zu gewähren. Die Klägerin hat darauf keinen Anspruch.
I. Rechtsgrundlage des Leistungsbegehrens der Klägerin ist § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 2 Abs. 2 SGB V), wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht; § 33 Abs. 1 SGB V bewirkt mit dem Abstellen auf eine Behinderung bzw. eine drohende Behinderung keine sachliche Änderung, setzt vielmehr nur einen anderen Akzent. Freilich stellt nicht jede körperliche Unregelmäßigkeit eine Krankheit dar. Notwendig ist, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder die anatomische Abweichung entstellend wirkt. Psychische Krankheiten können die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ebenfalls begründen (zu alledem näher: Senatsurteile vom 12.12.2008, - L 5 KR 2638/07 -; vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 –, und vom 22.11.2006, - L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, insbesondere Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R – "Brustverkleinerung" und B 1 KR 3/03 R - "Brustvergrößerung").
Die begehrte Krankenbehandlung muss außerdem notwendig sein. Hierzu bestimmt die allgemeine Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V ergänzend und präzisierend, dass alle Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, und damit auch Krankenbehandlungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 SGB V).
An der Notwendigkeit (wie der Zweckmäßigkeit) einer Krankenbehandlung i. S. d. §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 12 Abs. 1 SGB V fehlt es von vornherein, wenn ihre Wirksamkeit bzw. ihr therapeutischer Nutzen für die Erkennung oder Heilung der jeweiligen Krankheit oder für die Verhütung ihrer Verschlimmerung bzw. die Linderung der Krankheitsbeschwerden nicht festgestellt werden kann. Ausschlaggebend sind grundsätzlich die Maßstäbe der evidenzbasierten Medizin. Setzt die Krankenbehandlung entgegen der Regel nicht unmittelbar an der Krankheit bzw. am erkrankten Organ selbst an, soll der Behandlungserfolg vielmehr mittelbar durch einen Eingriff an einem an sich gesunden Organ erreicht werden, bedarf die Notwendigkeit der Krankenbehandlung einer besonderen Rechtfertigung im Rahmen einer umfassenden Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und den möglichen gesundheitlichen Schäden. In diese Abwägungsentscheidung sind auch Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit des Eingriffs und etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung einzubeziehen (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 9/04 R -; BSGE 85, 86). Im Hinblick darauf sind Operationen am gesunden Körper (wie hier: Brustoperationen) zur Behebung psychischer Störungen grundsätzlich nicht gerechtfertigt, vor allem, weil die psychischen Wirkungen körperlicher Veränderungen nicht hinreichend verlässlich zu prognostizieren sind (auch dazu näher Senatsurteile vom 5.4.2006, - L 5 KR 3888/05 –, und vom 22.11,2006, - L 5 KR 4488/05 – unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, etwa BSGE 90, 289).
II.
Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer operativen Brustvergrößerung als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Bei der Klägerin liegt hinsichtlich der Brüste eine körperliche Anomalität, die als Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V einzustufen wäre, nicht vor; es bestehen weder eine körperliche Fehlfunktion noch (körperliche) Beschwerden, die durch die begehrte Brustvergrößerungsoperation zu behandeln wären (unten 1), noch wirkt die anatomische Abweichung entstellend (unten 2). Sollte die Klägerin infolge des Erscheinungsbilds der Brüste unter einer psychischen Erkrankung leiden, käme ggf. ein Anspruch auf psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlungen als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in Betracht; die Korrektur des körperlichen Erscheinungsbilds durch einen operativen Eingriff an einem gesunden Organ muss die Krankenkasse jedoch nicht gewähren (unten 3).
1.) In organischer Hinsicht liegt bei der Klägerin eine tuburöse Malformation der Brüste beidseits vor. Dabei handelt es sich um eine Formveränderung der weiblichen Brust im Sinne einer Mammahypoplasie. Letztendlich fehlen Brustanteile und Anteile des umgebenden Gewebes. Das geht aus den vorliegenden Arztberichten und Gutachten hervor und ist unter den Beteiligten auch nicht streitig. Wie Dr. E. im MDK-Gutachten vom 21.10.2008 dargelegt hat, sind damit Funktionseinschränkungen des Brustorgans oder (körperliche) Beschwerden an diesem Organ aber nicht verbunden. Allein das äußere Erscheinungsbild der Brüste weicht, namentlich hinsichtlich der Größe, von den Normerwartungen ab. Anderes geht aus den von der Klägerin vorgelegten Arztberichten und dem auf ihren Antrag gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten von Dr. P. nicht hervor. Die Frauenärztin Dr. A. hat in ihrem Attest vom 21.10.2009 ebenfalls das äußere Erscheinungsbild der Brüste beschrieben und rudimentäre, deutlich asymmetrisch und unterschiedlich entwickelte Mammae konstatiert und hierauf gestützt die Diagnose einer tuburösen Brustdeformität gestellt. Ob dies als Erkrankung im Rechtssinne (des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V) einzustufen ist, ist keine Frage medizinischer Erkenntnis, sondern eine Rechtsfrage, über die im Streitfall die Gerichte unter Würdigung des medizinischen Sachverhalts zu entscheiden haben. Dr. G. hat im Arztbericht vom 28.10.2009 eine Mammahypoplasie diagnostiziert und die operative Sanierung (durch Brustvergrößerung) zur Ermöglichung einer ungestörten Partnerschafts- und Sexualentwicklung für notwendig erachtet. Organische Funktionseinschränkungen oder Beschwerden hat auch er nicht beschrieben, vielmehr auf mögliche psychische Beschwerden im Rahmen der Partnerschafts- und Sexualentwicklung verwiesen, die ihre Ursache wiederum (allein) in dem von den Normerwartungen abweichenden äußeren Erscheinungsbild der Brüste haben können. Schließlich hat Dr. P. in ihrem Gutachten vom 20.8.2010 ebenfalls das Erscheinungsbild der Brüste der Klägerin insbesondere durch die Angabe von Körpermaßen dargestellt und darauf gestützt eine tuburöse Brustform diagnostiziert, die sich im Rahmen natürlicher Wachstumsprozesse nicht mehr verändern werde. Organische Funktionseinschränkungen oder Beschwerden hat die Gutachterin demgegenüber nicht feststellen können, sondern nur ein "nicht intaktes Brustbild" konstatiert. Ihr Therapievorschlag besteht folgerichtig auch (nur) darin, ein "intaktes Brustbild" durch die Vergrößerung der Brüste mittels Implantaten (Prothesen) herbeizuführen.
Liegt damit im Hinblick auf organische Funktionsdefizite oder Beschwerden schon eine Krankheit i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht vor, könnte auch ein entsprechender Behandlungsbedarf nicht festgestellt werden, da die in Rede stehende Behandlung - die Brustvergrößerung durch Implantation von Prothesen - der Klägerin auch im Erfolgsfall nur ein anderes Aussehen und keine natürlich gewachsenen funktionsgerechten Organe verschaffen würde. Behandlungsbedürftigkeit, die ihrerseits Behandlungsfähigkeit voraussetzt, läge damit selbst nicht vor, wenn mit der ausgeprägten Mammahypoplasie bzw. dem fehlenden (Brust-)Gewebe außer dem optischen Eindruck ein relevanter Funktionsmangel einherginge (BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R -).
2.) Die bei der Klägerin vorliegende Brustdeformität wirkt nicht entstellend. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist. Um eine Auffälligkeit eines solchen Ausmaßes zu erreichen, muss eine beachtliche Erheblichkeitsschwelle überschritten sein: Es genügt nicht allein ein markantes Gesicht oder generell die ungewöhnliche Ausgestaltung von Organen, etwa die Ausbildung eines sechsten Fingers an einer Hand. Vielmehr muss die körperliche Auffälligkeit in einer solchen Ausprägung vorhanden sein, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf den Betroffenen führt. Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass die Rechtsordnung im Interesse der Eingliederung behinderter Menschen fordert, dass Nichtbehinderte ihre Wahrnehmung von Behinderung korrigieren müssen. Die Rechtsprechung hat als Beispiele für eine Entstellung z. B. das Fehlen natürlichen Kopfhaares bei einer Frau oder eine Wangenatrophie oder Narben im Lippenbereich angenommen oder erörtert. Dagegen ist bei der Fehlanlage eines Hodens eines männlichen Versicherten eine Entstellung nicht einmal für erörterungswürdig angesehen worden (zu alledem BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R -). Das BSG hat namentlich eine Entstellung bei fehlender oder wenig ausgeprägter Brustanlage unter Berücksichtigung der außerordentlichen Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust abgelehnt (BSGE 93, 252). Außerdem ist insoweit auf die Möglichkeit zur Verdeckung von Fehlbildungen im Alltag (etwa durch die Kleidung oder darunter zu tragende Prothesen) abgestellt worden (BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R - zu einer einseitigen Brustvergrößerungsoperation)
Im Hinblick darauf kann der Senat eine entstellende Wirkung durch Form und/oder zu geringer Größe der Brüste der Klägerin nicht feststellen. Die hierfür nach dem Gesagten maßgebliche Erheblichkeitsschwelle ist nicht überschritten. Der Senat stützt sich hierfür in erster Linie auf das Erscheinungsbild der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 26.01.2011; außerdem hat er die bei den Akten befindlichen Fotodokumentationen der Brüste der Klägerin berücksichtigt. Eine derart erhebliche Auffälligkeit, wegen der die Klägerin ständig viele Blicke auf sich ziehen und zum Objekt besonderer Beachtung anderer würde, weswegen sie sich aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen drohte, liegt ersichtlich nicht vor. Die in Rede stehende körperliche Auffälligkeit ist keineswegs in einer solchen Ausprägung vorhanden, dass sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in alltäglichen Situationen quasi "im Vorbeigehen" bemerkbar macht und regelmäßig zur Fixierung des Interesses anderer auf die Klägerin führt (vgl. dazu auch BSG, Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R -; ebenfalls zur Brustvergrößerung). Diese könnte außerdem für Abhilfe im Alltag durch entsprechende Kleidung bzw. Hilfsmittel, wie unter der Kleidung zu tragende Brustprothesen für den BH, sorgen, wenn sie ihr äußeres Erscheinungsbild im Hinblick auf die Erwartungshaltung Dritter verändern will (vgl. auch BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R - zu einem Fall der Brustasymmetrie). Schließlich ließe sich - so das BSG (Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R ) - die Annahme einer Entstellung in Fällen der vorliegenden Art mit dem Krankheitsbegriff auch deshalb kaum in Einklang bringen, wenn man die außerordentliche Vielfalt in Form und Größe der weiblichen Brust berücksichtigt. Hiervon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung als Klägerin eine attraktive, apart wirkende junge Frau gesehen, deren Aussehen im Bereich der Brüste zwar nicht perfekt, aber - bei Gesamtbetrachtung der Persönlichkeit - auch nicht weiter nachteilig wirkt. Der äußere Eindruck hat vielmehr in der Beratung des Senats die Frage aufgeworfen, ob die beantragte Operation aus kosmetischen Gründen überhaupt erforderlich ist. Diese Frage muss -weil nicht entscheidungserheblich - offengelassen werden. Jedenfalls liegt eine Entstellung im Sinne der Rechtsprechung des BSG rein tatsächlich nicht vor.
3.) Etwaige psychische Belastungen der Klägerin rechtfertigen einen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG können psychische Leiden einen Anspruch auf eine Operation zum Brustaufbau nicht begründen (vgl. zuletzt BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R - m.w.N.; auch Urt. v. 19.10.2004, - B 1 KR 3/03 R -). Das BSG (a. a. O.) hat hierzu ausgeführt, dass die Krankenkassen weder nach dem SGB V noch von Verfassungs wegen gehalten sind, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. So hat das SGB V etwa Lebensmittel grundsätzlich dem Bereich der Eigenverantwortung der Versicherten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V) zugerechnet, mag hierfür auch den Versicherten krankheitsbedingt ein Mehraufwand entstehen. Das trägt der begrenzten Aufgabenstellung der gesetzlichen Krankenversicherung Rechnung, sich auf gezielte Maßnahmen der Krankheitsbekämpfung zu beschränken. Selbst wenn ein Versicherter hochgradig akute Suizidgefahr geltend macht, kann er regelmäßig lediglich eine spezifische Behandlung etwa mit den Mitteln der Psychiatrie beanspruchen, nicht aber Leistungen außerhalb des Leistungskatalogs der Krankenkassen (so BSG, a. a. O.).
Danach sind Operationen am - krankenversicherungsrechtlich gesehen - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, nicht als "Behandlung" i. S. d. § 27 Abs. 1 SGB V zu werten, sondern vielmehr der Eigenverantwortung der Versicherten zugewiesen. Dies beruht in der Sache vor allem auf den Schwierigkeiten einer Vorhersage der psychischen Wirkungen von körperlichen Veränderungen und der deshalb grundsätzlich unsicheren Erfolgsprognose sowie darauf, dass Eingriffe in den gesunden Körper zur mittelbaren Beeinflussung eines psychischen Leidens mit Rücksicht auf die damit verbundenen Risiken besonderer Rechtfertigung bedürfen. Denn damit wird nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern es soll nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits erreicht werden. Das gilt jedenfalls so lange, wie medizinische Kenntnisse zumindest Zweifel an der Erfolgsaussicht von Operationen zur Überwindung einer psychischen Krankheit begründen. Dass nach dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht mehr Zweifel im dargelegten Sinne bestehen, ist freilich nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht (BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R -).
Anderes folgt aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs. 1 GG) auch nicht im Hinblick auf Patientinnen, die sich im Rahmen einer Therapie von Brustkrebs einer Brustamputation unterziehen. Unabhängig von der Frage, wie weit insoweit der Anspruch auf Krankenbehandlung aus § 27 SGB V reicht, sind solche Patientinnen schon im Ansatz nicht mit weiblichen Versicherten vergleichbar, die eine angeborene Brustasymmetrie bzw. hier Brusthypoplasie haben. Während die an Krebs erkrankten Patientinnen unzweifelhaft Anspruch auf Krankenbehandlung haben, deren Reichweite sich nach § 27 SGB V bestimmt, kommt ein solcher Anspruch bei Patientinnen mit nicht entstellender Brustdeformität schon deshalb nicht in Betracht, weil sie im Sinne des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung überhaupt nicht an einer Krankheit leiden (BSG, Urt. v. 28.2.2008, - B 1 KR 19/07 R -).
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung der Klägerin erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved