L 11 R 1553/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 3431/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 1553/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung streitig.

Der 1963 in der Türkei geborene Kläger siedelte im Jahr 1979 in die Bundesrepublik Deutschland über. Nachdem er ab 1981 zunächst als Hilfsarbeiter in einer Autowerkstatt gearbeitet und anschließend eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker abgebrochen hatte, war er als Bauhelfer und ab 1987 als Lagerarbeiter - zuletzt als Lagerverwalter - beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Arbeitgeberkündigung zum 31. März 2002. Im Anschluss daran war er bis 2004 als Arbeiter in einem Ledergroßhandel tätig. Seit dem 1. Juni 2004 ist der Kläger arbeitslos. Er bezog zunächst Arbeitslosengeld und ab dem 24. September 2004 Krankengeld. Derzeit erhält der Kläger Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Nachdem im Juli 2004 beim Kläger Angina-pectoris Symptome auftraten, wurde im August 2004 eine Myocard-Revaskularisation (Bypass-Operation) durchgeführt. Im Anschluss daran nahm er vom 26. August bis 23. September 2004 an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in Bad H. teil. Facharzt für Innere Medizin Dr. T. gab im Entlassungsbericht vom 7. Oktober 2004 an, der Kläger könne unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts sechs Stunden und mehr täglich verrichten (Diagnosen: Zwei-Gefäßerkrankung, gemischte Hyperlipidämie, Reaktion auf schwere Belastung - nicht näher bezeichnet - und Epilepsie - nicht näher bezeichnet).

Am 22. November 2004 beantragte der Kläger bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Zur Begründung gab er an, er leide an "Herzinfarkt, Fußpilz, Fußprobleme nach Autounfall". Dieser Antrag blieb zunächst erfolglos (Bescheid vom 11. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. März 2005). In dem sich daran anschließenden Klageverfahren beim Sozialgericht Karlsruhe ([SG]; Az: S 12 R 1040/05) holte das Gericht - nach Befragung der behandelnden Ärzte - das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. L. vom 7. April 2006 sowie das nervenärztliche Zusatzgutachten des Dr. H. vom 30. Januar 2006 ein. Dr. H. gelangte zu der Einschätzung, dass bei dem Kläger eine Anpassungsstörung mit einer länger andauernden depressiven Reaktion nach Infarktereignis mit anschließender Bypass-Operation sowie eine somatoforme Schmerzstörung vorliege. Aufgrund des depressiv-ängstlichen Zustandsbildes könne der Kläger derzeit keine leichten bis mittelschweren Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben. Es handle sich jedoch um Einschränkungen vorübergehender Art, die einer psychotherapeutischen/psychologischen Behandlung zugänglich seien. Prof. Dr. L. bestätigte die genannten Gesundheitsstörungen und wies darauf hin, dass hinsichtlich der in unregelmäßigen Abständen auftretenden Schwindel- und Kollapserscheinungen kein sicherer Anhalt für ein epileptisches Geschehen bestehe. Der Kläger könne derzeit allenfalls leichte Arbeiten bis zu drei Stunden täglich verrichten. Die psychiatrisch bedingte Leistungsminderung könne etwa in einem halben bis einem Jahr durch eine adäquate Therapie wesentlich gebessert werden. Eine zeitlich begrenzte Rente solle jedoch vermieden werden, um nicht einer weiteren Chronifizierung des Krankheitsbildes Vorschub zu leisten. Nachdem vom Ärztlichen Dienst der Beklagten (Stellungnahme des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 17. Juli 2006) ein kombiniertes kardiologisches-psychotherapeutisches Heilverfahren empfohlen wurde, schlossen die Beteiligten vor dem SG am 27. Juli 2006 einen gerichtlichen Vergleich über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ausgehend von einem am 29. Juli 2004, dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, eingetretenen Leistungsfall ab dem 1. Februar 2005 bis zum Ablauf einer stationären Heilbehandlung. Aufgrund dessen nahm der Kläger vom 24. Oktober bis 28. November 2006 an einer stationären Rehabilitationsmaßnahme in Bad N. teil. Internist Prof. Dr. W. gab im Entlassungsbericht vom 29. November 2006 folgende Diagnosen an: Angst und depressive Reaktion gemischt, koronare Herzerkrankung (Zwei-Gefäßerkrankung), Hyperlipoproteinämie, arterielle Hypertonie, diffuse Arteriosklerose der Carotisstrohmbahn und Refluxösophagitis. Fahrradergometrisch habe der Kläger bis 125 Watt über eine Minute belastet werden können (ohne pektaginöse Symptomatik). Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Arbeitshaltung über sechs Stunden täglich verrichten. Zu vermeiden seien Zeitdruck, Akkord, Nachtdienst, häufiges Bücken sowie Heben und Tragen schwerer Lasten über 10 kg. In psychosomatischer Hinsicht sei der Kläger noch instabil und nur eingeschränkt psychisch belastbar. Bei körperlicher Anspannung käme es zu Einschränkungen des Konzentrations- und Reaktionsvermögens, so dass der Kläger arbeitsunfähig entlassen worden sei. Unter engmaschiger ambulanter psychiatrischer Behandlung sowie ambulanter Psychotherapie sei jedoch davon auszugehen, dass der Kläger in ca drei Monaten wieder arbeitsfähig sei.

Am 29. November 2006 stellte der Kläger einen Antrag auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung über den Wegfallmonat hinaus. Die Beklagte zog zunächst ärztliche Unterlagen aus dem vorangegangenen Verfahren bei und lehnte dann mit Bescheid vom 11. Januar 2007 den Antrag des Klägers mit der Begründung ab, nach den ärztlichen Feststellungen sei er noch in der Lage, mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein. Bei diesem Leistungsvermögen liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor.

Hiergegen erhob der Kläger am 26. Januar 2007 Widerspruch, mit dem er geltend machte, er sei am 28. November 2006 arbeitsunfähig entlassen worden. Eine ambulante psychiatrische Behandlung oder Psychotherapie sei bislang nicht durchgeführt worden. Der sozialmedizinische Dienst der Beklagten nahm sodann telefonisch Kontakt zum Hausarzt des Klägers, Herrn Dr. He., auf, der angegeben habe, mit dem Kläger seien zwar die Möglichkeiten einer ambulanten Psychotherapie besprochen worden, diese habe er jedoch abgelehnt und angegeben, lieber zum Rechtsanwalt zu gehen (Stellungnahme der Ärztin für Anästhesie Dr. Schw. vom 28. März 2007). Im Übrigen bestätigte Dr. Schw. die bisherige Leistungsbeurteilung. Gestützt hierauf wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, volle bzw teilweise Erwerbsminderung liege über den 30. November 2006 hinaus nicht vor, da der Kläger noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten wieder mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Rente wegen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme nicht in Betracht, da er nach dem 1. Januar 1961 geboren sei (Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2007).

Hiergegen hat der Kläger am 11. Juli 2007 Klage beim SG erhoben und vorgetragen, im Rahmen der stationären Reha-Maßnahme hätten sich neue Tatsachen ergeben, die die Weitergewährung der Rente wegen Erwerbsminderung über den im sozialgerichtlichen Vergleich festgestellten Zeitraum hinaus rechtfertigten. Er sei über das Ende der stationären Heilbehandlung hinaus arbeitsunfähig, was mit erwerbsgemindert gleichzusetzen sei. Ausweislich des Entlassungsberichts sei von einer Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach drei Monaten nur dann auszugehen, wenn eine engmaschige ambulante psychiatrische Behandlung erfolgreich durchgeführt worden sei. Dies sei jedoch nicht der Fall. Er befinde sich nach wie vor wegen seiner Herzerkrankung in ärztlicher Behandlung. Im Januar 2008 habe deshalb im Klinikum P. eine Herzkatheteruntersuchung stattgefunden. Zur weiteren Begründung hat der Kläger ua den Arztbrief des Radiologen Dr. Br. vom 25. Juli 2006, die Arztbriefe des Kardiologen Prof. Dr. Z. vom 1. März 2006 und vom 24. Januar 2008 mit dem Bericht über die Herzkathederuntersuchung, die Arztbriefe des Dr. K. vom 17. April und 17. Juli 2008 sowie den Arztbrief des Internisten Dr. J. vom 16. September 2008 vorgelegt.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen und die SG-Akte in dem Verfahren S 12 R 1040/05 sowie die Leistungsakte der Agentur für Arbeit P. beigezogen.

Die Kardiologin Dr. Br. hat mitgeteilt (Auskunft vom 18. Februar 2008), der Kläger sei zuletzt am 18. Dezember 2007 vorstellig geworden. Beim Belastungs-EKG habe der Kläger bis 100 Watt belastet werden können (Abbruch wegen Schwindelgefühl und thorakalem Druck bzw Brennen). Eine Koronarangiographie sei empfohlen worden (Befundbericht vom 18. Dezember 2007). Internist Dr. Bi. hat angegeben (Auskunft vom 18. Februar 2008), er habe den Kläger am 3. Februar 2005 das letzte Mal gesehen. Internist Dr. Bei. hat mitgeteilt (Auskunft vom 21. Februar 2008), er habe den Kläger im März 2005 im Rahmen einer Gastroskopie untersucht. Kardiologe Prof. Dr. Z. hat ausgeführt (Auskunft vom 19. Juni 2008), bei der Untersuchung im Januar 2008 hätten sich keine Pathologika gezeigt, insbesondere sei der Herz- und Lungenbefund klinisch unauffällig gewesen. Die Koronarangiographie im Januar 2008 habe einen weiterhin offenen LIMA-Bypass gezeigt. Trotz des Verschlusses der rechten Herzkranzartherie sei aber von einer ausreichend guten Durchblutungssituation auszugehen.

Die Beklagte hat die Stellungnahme des Internisten Dr. M. vom 18. Juli 2008 vorgelegt, wonach sich auf kardiologischem Fachgebiet keine quantitative Leistungseinschränkungen für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ableiten ließen. Die im Rahmen des Herzinfarktes aufgetretenen psychischen Veränderungen seien trotz intensiver Empfehlungen der Psychotherapeutischen Reha-Klinik und des behandelnden Hausarztes nicht durchgeführt worden. Eine solche Behandlung sei jedoch zumutbar. Hausarzt und die betreuende Kardiologin hätten ein deutliches Bestreben des Klägers nach Rente beschrieben, weshalb er eine empfohlene psychotherapeutische Behandlung auch ablehne.

Mit Gerichtsbescheid vom 23. Februar 2009 hat das SG nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei trotz der im Reha-Entlassungsbericht genannten somatischen Diagnosen noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen vollschichtig zu verrichten. Die kardiale Belastbarkeit des Klägers betrage 125 Watt ohne pektanginöse Symptomatik und Hinweise auf eine Durchblutungsstörung. Auch habe die Herzkatheteruntersuchung am 24. Januar 2008 einen klinisch unauffälligen Herz- und Lungenbefund mit ausreichend guter Durchblutungssituation gezeigt. Von einer Verschlechterung der kardialen Situation könne daher nicht ausgegangen werden. Daran ändere auch nichts die festgestellte Hyperlipoproteinämie, da der Kläger nach Einschätzung des Kardiologen Dr. K. mit der verordneten Medikation optimal behandelt sei. Hinsichtlich der Magenprobleme bestünden keine funktionellen Probleme. Der Umstand, dass der Kläger aus der stationären Heilbehandlung arbeitsunfähig entlassen worden sei, ändere an dem Ergebnis nichts. Denn die Arbeitsunfähigkeit sei nicht mit einer dauernden verminderten Erwerbsfähigkeit gleichzusetzen. Es könne dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger aufgrund der vorhandenen psychischen Probleme hätte behandeln lassen müssen. Denn von ihm seien im weiteren Verfahren keine Belege für anhaltende psychische Beschwerden vorgelegt worden. Aus den sachverständigen Zeugenaussagen und den vom Kläger vorgelegten Befundberichten gehe eine anhaltende und quantitativ leistungsmindernde psychische Störung nicht hervor.

Hiergegen richtet sich die am 23. März 2009 beim SG eingelegte Berufung zum Landessozialgericht (LSG). Zur Berufungsbegründung trägt der Kläger vor, er leide an einem chronischen Dauerschmerz seines Herzens sowie an psychischen Problemen. Sein Gesundheitszustand habe sich auch nach der Herzoperation nicht deutlich verbessert. Er leide jetzt schneller unter Stress, zumal die Herzgefäße noch immer nicht offen seien und dies zu Atemproblemen führe. Zur weiteren Begründung hat der Kläger die Aufstellung von Arbeitsunfähigkeitszeiten der "ARGE Job-Center Stadt P." vom 13. März 2009, den Arztbrief des Dr. K. vom 11. Juli 2008, den Arztbrief des Dr. J. vom 16. September 2008 und den Arztbrief des Prof. Dr. Z. vom 24. Januar 2008 vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung über den 30. November 2006 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Beweis erhoben durch Einholung des Gutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 1. September 2009 und durch Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen.

Dr. W. hat in seinem Gutachten ausgeführt, eine psychiatrisch-psychotherapeutische bzw eine medikamentöse antidepressive Behandlung finde nicht statt. Im Hinblick auf den Tagesablauf des Klägers hat Dr. W. festgehalten, der Kläger gehe des Öfteren in den drei bis vier Kilometer entfernt liegenden Garten des Sohnes und lege diese Strecke entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurück. Im Nahbereich benutze er auch seinen PKW. Mittags würde er in der Stadt rumlaufen und des Öfteren seinen Neffen besuchen. Abends bereite er das Abendessen zusammen mit seiner Ehefrau vor. Der Kläger leide an Angst und depressiven Störungen gemischt sowie an Anpassungs- und Somatisierungsstörungen. Arbeiten unter Schicht-, Akkord- und Nachtarbeitsbedingungen seien nicht mehr zumutbar. Gleiches gelte für Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen über 10 kg und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Zwar seien die Gedächtnisleistungen, die Konzentration und das Durchhaltevermögen und die kognitiven Fähigkeiten, wie Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, Flexibilität und Umstellungsfähigkeit massiv eingeschränkt. Inhaltliche Denkstörungen lägen jedoch nicht vor. Leichte Hilfsarbeiten mit qualitativen Einschränkungen seien aber durchaus noch möglich und seines Erachtens sogar therapeutisch sinnvoll. Der Kläger sei mithin noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich bei fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Eine nachhaltige Besserung der psychischen Symptomatik sei durch eine ambulante psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung durchaus möglich.

Dr. K. hat mitgeteilt (Auskunft vom 25. Januar 2010), die vom Kläger geklagten diffusen Beschwerden seien belastungsunabhängig. Bei der Untersuchung im April 2008 habe ein unauffälliger Herz-Lungen-Befund erhoben werden können. Nach gutem Zureden habe der Kläger auf dem Ergometer mit 120 Watt belastet werden können. Es bestehe mithin kein Nachweis einer Belasungs-Konorar-Insuffizienz. Das thorakale Schmerzsyndrom sein nicht kardial bedingt. Beim Kläger liege ein Rentenbegehren vor. Bei der letzten Untersuchung am 30. April 2009 habe Arbeitsfähigkeit bestanden. Dr. K. hat diesbezüglich den Arztbrief vom 30. April 2009 beigefügt, wonach der Kläger derzeit optimal behandelt werde und keine Arbeitsunfähigkeit bestehe. Allgemeinmediziner Dr. F. hat ausgeführt (Auskunft vom 14. April 2010), der Kläger sei zwei- bis dreimal pro Monat in Behandlung. Im Februar 2010 sei der Befund einer Ateriosklerose der Carotisstrohmbahn erhoben worden. Diesbezüglich hat Dr. F. den Arztbrief des Dr. J. vom 10. Februar 2010 vorgelegt, wonach sich aktuell kein Anhalt für eine relevante "PAVK" als Ursache der Beschwerdesymptomatik (jetzt: Raynaud-Phänomen der Finger bzw Zehen) ergebe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz, auf die beigezogene Akte S 12 R 1040/05 sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs 2 SGG mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist statthaft und zulässig, aber nicht begründet. Denn das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2007 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer vollen oder teilweisen Rente wegen Erwerbsminderung über den 30. November 2006 hinaus.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich für die Zeit bis 31. Dezember 2007 nach § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung und für die anschließende Zeit nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I, 554). Dies folgt aus § 300 Abs 1 SGB VI. Danach sind die Vorschriften des SGB VI von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Die (aufgehobenen) Bestimmungen der §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung finden keine Anwendung, da im vorliegenden Fall ein Rentenbeginn vor dem 1. Januar 2001 nicht in Betracht kommt (§ 302b Abs 1 SGB VI).

Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach diesen Maßstäben ist der Kläger, wie das SG zutreffend entschieden hat, unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den er verweisbar ist, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Dies hat auch die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweiserhebung bestätigt. Der Senat nimmt daher auf die Entscheidungsgründe des sorgfältig begründeten erstinstanzlichen Urteils Bezug, denen er sich in vollem Umfang anschließt; insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs 2 SGG ab.

Im Hinblick auf die Ermittlungen im Berufungsverfahren ist ergänzend auszuführen, dass diese bestätigt haben, dass der Kläger noch in der Lage ist, unter Beachtung bestimmter qualitativer Einschränkungen leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich mehr als sechs Stunden zu verrichten. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. W. Danach leidet der Kläger zwar an Angst und depressiven Störungen gemischt sowie an Anpassungs- und Somatisierungsstörungen. Diese Gesundheitsstörungen wirken sich jedoch auf die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers nur in qualitativer Hinsicht aus. Zu vermeiden sind Arbeiten unter Schicht-, Akkord- und Nachtarbeitsbedingungen sowie Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen über 10 kg sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Auch dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. W. Dieser hat zwar eine massive Einschränkung der Reproduktionsfähigkeit der Gedächtnisleistungen, der Konzentration, des Durchhaltevermögens, der kognitiven Fähigkeiten im Hinblick auf Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit, der Flexibilität und Umstellungsfähigkeit festgestellt. Dennoch konnte er bei seiner Untersuchung nur leichte formale, aber keine inhaltliche Denkstörungen feststellen. Trotz der genannten Einschränkungen hat Dr. W. den Kläger für in der Lage gehalten, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter Beachtung der genannten qualitativen Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Dabei hat er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass leichte Hilfsarbeiten sogar therapeutisch sinnvoll sind. Der Senat teilt die Leistungseinschätzung des Dr. W. vor dem Hintergrund der vollständig erhaltenen Tagesstruktur des Klägers. So geht der Kläger regelmäßig in den drei bis vier Kilometer entfernt gelegenen Garten seines Sohnes, wobei er die Wegstrecke entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegt. Nachmittags läuft er in der Stadt herum und trifft sich mit seinem Neffen. Diese Tagesgestaltung erklärt in nachvollziehbarer Weise die Einschätzung des Dr. W ... In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass nach seiner ständigen Rechtsprechung der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierten Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen wird (vgl Urteil vom 20. Juli 2010 - L 11 R 5140/09; Urteil vom 24. September 2009 - L 11 R 742/09). Gegen eine stärkere Ausprägung der auf nervenärztlichem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen spricht zudem, dass der Kläger - trotz mehrfacher Empfehlung (auch von seinen behandelnden Ärzten) - keine entsprechende Therapie durchführt und auch eine medikamentöse Therapie ablehnt. Das belegt aber, dass ein entsprechender Leidensdruck beim Kläger fehlt.

Eine Verschlimmerung der internistischen Gesundheitsstörungen ist weder durch die vom Kläger (bereits im Klageverfahren) vorgelegten Arztbriefe des Dr. J. (vom 16. September 2008), des Dr. K. (vom 11. Juli 2008), des Prof. Dr. Z. (vom 24. Januar 2008) noch aufgrund der Auskünfte des Dr. K. vom 24. Januar 2010 und des Dr. F. vom 14. April 2010 belegt. Im Gegenteil. Dr. K. hat in seiner Auskunft vom 25. Januar 2010 ausdrücklich angegeben, dass das Schmerzsyndrom des Klägers nicht kardial bedingt ist, er vielmehr arbeitsfähig ist und bis zu 120 Watt belastet werden konnte. Darüber hinaus hat Dr. K. auf das Rentenbegehren des Klägers hingewiesen und in seinem Arztbrief vom 30. April 2009 angegeben, dass der Kläger optimal behandelt wird. Auch aus der Auskunft des Dr. F. vom 14. April 2010 lässt sich keine Verschlimmerung des Gesundheitszustandes entnehmen. Dass der Kläger an einer Ateriosklerose der Carotisstrombahn leidet, ist seit längerem bekannt (vgl Entlassungsbericht des Prof. Dr. W. vom 29. November 2006). Dies führt aber nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Ein Grund für eine Intervention liegt zudem laut dem Arztbrief des Prof. Dr. Z.n vom 24. Januar 2008 nicht vor.

Der Kläger ist auch nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI), da er nach dem 1. Januar 1961 geboren ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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