L 5 KR 3674/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 2972/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3674/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.7.2010 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich auf die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme der dem Kläger für eine zahnprothetische Behandlung durch Dr. U. am 5.7.2010 entstandenen Kosten (Eigenanteil) in Höhe von 1.056,74 EUR richtet. Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt (offenbar) die Gewährung einer zahnprothetischen Versorgung sowie die Erstattung von Fahrkosten für Zahnbehandlungen und außerdem die Übernahme der Kosten für ein Gutachten über erbrachte Zahnbehandlungen zur Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses gegen den behandelnden Zahnarzt.

Der 1950 geborene Kläger, der Erwerbsminderungsrente bezieht (668,01 EUR/Monat) und bei der Beklagten (zuvor A.) gesetzlich krankenversichert ist (SG-Akte S 11 3379/07 S. 36), beschwerte sich (bereits) im Jahr 2007 bei der Beklagten über bei ihm durchgeführte Zahnbehandlungen (und über alle in O. niedergelassenen Vertragszahnärzte); er begehrte (u.a.) die Bestellung eines Gutachters zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen einen behandelnden Zahnarzt (u.a.) wegen gezogener Zähne. Vorausgegangen war eine beim Kläger vorgenommene Brückenversorgung, hinsichtlich der die seinerzeit noch zuständige A. von der behandelnden Zahnärztin nach Erstellung eines Gutachtens der zuständigen Kassenzahnärztlichen Vereinigung den Kassenanteil zurückgefordert und außerdem die Bereitschaft zur Beteiligung an den Kosten einer neuen Brücke im Rahmen der Festzuschussregelung erklärt hatte. Mit Schreiben/Bescheid vom 24.5.2007 bzw. Widerspruchsbescheid vom 30.7.2007 hatte es die Beklagte abgelehnt, den Kläger bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zu unterstützen. Die deswegen am 27.8.2007 beim Sozialgericht (SG) Reutlingen erhobene Klage wurde mit Gerichtsbescheid vom 23.10.2008 (- S 11 KR 3379/07 -) abgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) mit Urteil vom 4.3.2009 (- L 5 KR 5360/08 -) zurück. Die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das BSG mit Beschluss vom 25.5.2009 (- B 1 KR 47/09 B -) als unzulässig.

Im Jahr 2008 wurde dem Kläger in der (Vertrags-)Zahnarztpraxis Dres. A. u.a. eine Brücke eingegliedert. Nachdem der Kläger der Beklagten mitgeteilt hatte, er sei mit der Brückenversorgung nicht zufrieden, verzichtete Dr. A. auf Zahlungen der Krankenkasse und des Klägers; die Einwendungen des Klägers, den man nicht mehr behandeln wolle, seien nicht nachvollziehbar (Schreiben vom 29.9.2008).

Bereits mit Schreiben vom 26.9.2008 hatte der Kläger beantragt, die von Dr. A. angefertigte Zahnbrücke (rechts oben) begutachten zu lassen. Zur Begründung führte er aus, es lägen mehrere Fehler vor. Der Zahnarzt habe eine giftige Metallfüllung auf einem Zahn angebracht. Dies müsse untersucht werden.

In der Folge wurde der Antragsteller in der vertragszahnärztlichen Gemeinschaftspraxis Dres. H. und von Ch. behandelt. Von dort wurde der Beklagten ein Heil- und Kostenplan vom 27.1.2009 über eine prothetische Versorgung mit Gesamtkosten von 8.919,03 EUR (Festzuschuss 3.477,67 EUR, Eigenanteil des Kläger voraussichtlich 5.441,36 EUR) vorgelegt.

Mit (zwei) Schreiben vom 5.2.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie sei (grundsätzlich) bereit, hinsichtlich der Zahnersatzkosten den Höchstsatz zu übernehmen. Um dies zu ermöglichen, möge der Kläger das Bonusheft vorlegen, da sich der Zuschuss bei regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen stufenweise erhöhe. Dem Kläger wurde außerdem mitgeteilt, für Zahnersatzleistungen müssten im Regelfall Zuzahlungen entrichtet werden. Zur Vermeidung unzumutbarer Belastungen brauche der Eigenanteil aber unter bestimmten Voraussetzungen nicht in voller Höhe gezahlt zu werden. Der Kläger möge ggf. einen Befreiungsantrag auf dem dem Schreiben beigefügten Antragsformular stellen.

Mit (weiterem) Schreiben vom 5.2.2009 übersandte die Beklagte den Heil- und Kostenplan vom 27.1.2009 zur Begutachtung an die Kassenzahnärztliche Vereinigung K. Diese gab den Gutachtensauftrag mit Schreiben vom 24.2.2009 zurück; die Zahnarztpraxis Dres. H. und von Ch. habe schriftlich mitgeteilt, der Kläger wünsche keine weitere Behandlung.

In einem Aktenvermerk der Beklagten vom 10.3.2009 ist festgehalten, der Kläger bestehe auf der vollständigen Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenversicherung. Man habe ihn mehrfach über die maßgebliche Vorgehensweise aufgeklärt und auch einen Antrag nach § 55 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) wiederholt übersandt. Dr. H. lehne die Behandlung des Klägers ab, weil dieser quasi umsonst ohne Eigenbeteiligung behandelt werden wolle, was aber nicht möglich sei. Ergänzend heißt es im Aktenvermerk vom 3.4.2009, eine Rückfrage bei der Zahnarztpraxis Dres. H. und von Ch. habe ergeben, dass der Kläger eine Weiterbehandlung auch dort nicht wünsche.

Der Kläger führte vor dem 11. Senat des LSG weitere Verfahren (Verfahren L 11 KR 1221/09, L 11 KR 3835/09 und L 11 KR 3648/09 ER). In an das LSG gerichteten Schreiben vom 13.3.2009 und 16.3.2009 (SG Akte S 11 KR 2973/09 S. 3,12) führte er aus, Dr. H. habe einen Heil- und Kostenplan an die Beklagte ausgeschrieben. Diese habe eine Genehmigung nicht erteilt, obwohl er mehrfach telefonisch und schriftlich nachgefragt habe. Die Zähne seien vollkommen abgeschliffen. Er habe Schmerzen und könne nicht ohne Schmerzen essen, schlafen oder trinken und leide außerdem an weiteren chronischen Krankheiten. Dr. H. habe eine provisorische Schiene angebracht. Er begehre ein Gutachten wegen einer Beschädigung seiner Zähne infolge der Untätigkeit der Beklagten.

Mit Schriftsatz vom 20.5.2009 (SG-Akte S 11 KR 2973/09 S. 33) trug die Beklagte hierzu vor, dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass die Versorgung nicht ohne Eigenanteil erbracht werden könne. Eine Begutachtung sei nicht durchgeführt worden, nachdem die Praxis Dres H. und von Ch. mitgeteilt habe, der Kläger wünsche keine weitere Behandlung. Wenn der Kläger eine Entscheidung über die Bewilligung des Festzuschusses begehre, würden eine Begutachtung erneut in Auftrag gegeben und sodann die Festzuschüsse festgesetzt. Der Kläger reiche in kurzen Abständen Heil- und Kostenpläne unterschiedlicher Zahnärzten ein, ohne dass Behandlungen stattfänden.

Mit Beschluss vom 30.7.2009 (- B 1 KR 6/09 S -) verwarf das BSG eine Untätigkeitsbeschwerde des Klägers wegen des Verfahrens vor dem LSG mit dem Aktenzeichen L 11 KR 1221/09 als unzulässig.

Mit Beschluss vom 27.8.2009 (- L 11 KR 1221/09 -) trennte das LSG von dem Rechtsstreit (- L 11 KR 1221/09 -) den geltend gemachten Anspruch auf Entscheidung über die Bewilligung des Festzuschusses für den Heil- und Kostenplan vom 27.1.2009 zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung ab und führte das Verfahren insoweit unter dem Aktenzeichen L 11 KR 3835/09 fort. Außerdem erklärte sich das LSG in diesem Verfahren (L 11 KR 3835/09) und dem zugehörigen Antrag auf Prozesskostenhilfe sowie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes L 11 KR 3648/09 ER für instanziell unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht Reutlingen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger mit seiner am 13.3.2009 beim Sozialgericht erhobenen Klage den genannten Anspruch geltend gemacht habe.

Das Sozialgericht führte den Rechtsstreit als Klageverfahren mit dem Aktenzeichen S 11 KR 2973/09 und als vorläufiges Rechtsschutzverfahren mit dem Aktenzeichen S 11 KR 2972/09 ER fort.

Der Kläger trug vor, er warte nur auf die Genehmigung der Beklagten für seine zahnprothetische Behandlung. Am 4.6.2009 habe ihn Dr. H. wegen Zahnschmerzen behandelt. Er beantrage eine sofortige Genehmigung von Zahnbehandlungen wegen Zahn- und Kieferschmerzen. Derzeit habe er überhaupt keinen Zahnarzt. Zuletzt habe ihn Dr. D. in D. wegen Zahnschmerzen behandelt. Im August 2009 habe man ihn an die Universitätsklinik T. verwiesen.

Auf Nachfrage des Sozialgerichts teilte Dr. H. (Zahnarztpraxis Dres. H. und von Ch.) unter dem 3.11.2009 und 23.2.2010 mit, ein Heil- und Kostenplan vom 19.1.2009 habe Kontrolle und Einschleifmaßnahmen an der Aufbissschiene betroffen. Diese Leistungen habe er am 19.1.2009 auch erbracht. Am 4.6.2009 habe er den Kläger letztmals wegen Schmerzen im linken Oberkiefer (Verdachtsdiagnose Periimplantitis in regio 26) untersucht. Die prothetische Versorgung aufgrund des Heil- und Kostenplans vom 27.1.2009 werde nicht durchgeführt, weil die klinische Situation nicht bekannt sei. Ergänzend wurde (mündlich) mitgeteilt, der Kläger habe eine Brücke gewünscht, Kassenleistung sei jedoch eine Klammer-Prothese. Im linken Quadranten seien ein Implantat und eine Lücke von vier Zähnen vorhanden. Man müsse gegebenenfalls eine Biss-Hebung, Beschleifung und Überkronung von Nachbarzähnen durchführen. Der Kläger meine, er müsse keinen Eigenanteil tragen, ihm sei vielmehr alles zu finanzieren. Die Kassenleistung reiche jedoch nicht aus. Der Kläger habe an seiner Auffassung festgehalten, deshalb sei die prothetische Behandlung nicht erfolgt (Aktenvermerk des SG vom 25.2.2010).

Mit (an das Sozialgericht gerichtetem) Schreiben vom 5.11.2009 beantragte der Kläger, die Beklagte zur Erstattung von Fahrkosten für zwei Fahrten zur Universitätsklinik T. (einmal Bahnfahrt: Kosten der Fahrkarte 20,60 EUR, einmal Fahrt mit dem PKW) zu verurteilen; dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 6.11.2009 ab. Außerdem begehrte der Kläger (erneut) die Bestellung eines Gutachters hinsichtlich der Behandlung durch Dr. A. auf Kosten der Beklagten. Schließlich mögen ihm Fahrkosten zu einem Kieferchirurgen in V.-Sch. gezahlt werden; hierfür wurde eine entsprechende Überweisung des Zahnarztes L. vom 6.11.2009 vorgelegt.

Die Beklagte trug ergänzend vor, eine Entscheidung bzgl. der Bewilligung eines Festzuschusses für den Heil- und Kostenplan vom 27.1.2009 sei bislang daran gescheitert, dass der Kläger bei den Zahnärzten Dres. H. und von Ch. keine weitere Behandlung wünsche. Daher sei der Heil- und Kostenplan von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung unbearbeitet zurückgesandt worden. Aus der Klageschrift vom 13.3.2009 ergebe sich das Begehren nach Fahrkostenerstattung nicht. Die Begutachtung im Zusammenhang mit dem Heil- und Kostenplan sei bisher daran gescheitert, dass der Kläger keinen Zahnarzt habe, bei dem er die Behandlung auch tatsächlich durchführen lassen wolle. Der Kläger möge sich zunächst einen Zahnarzt aussuchen, von dem er sich behandeln lassen wolle; sodann könnten ein neuer Heil- und Kostenplan erstellt und die Begutachtung durchgeführt werden.

Der Kläger trug abschließend vor, es sei nicht richtig, dass er keine weitere Behandlung bei Dr. H. wünsche und dieser ihn nicht behandeln wolle; er warte auf die Genehmigung der Beklagten. Es sei "eine Kriminalsache" anhängig zu machen, weil die Beklagte den Zahnarzt Dr. H. bedrängt habe, seine Zahnbehandlung abzulehnen. Auch bei einem anderen Zahnarzt habe die Beklagte gegen die Zahnbehandlung gewirkt. Den Hausarzt habe sie gedrängt, Falsches zu schreiben. Dr. A. habe ihn fehlerhaft behandelt. Die Beklagte habe einen Gutachter nicht bestimmt. Der Fehler in der Praxis Dr. A. habe weitere Gesundheitsstörungen nach sich gezogen. Ein vom Gericht beauftragter Gutachter solle den Zahnschaden begutachten. Außerdem müssten ihm Fahrkosten erstattet werden. Das Gericht solle Kosten für die Erstellung eines (Privat-)Gutachtens durch Prof. Dr. Dr. B., F., in Höhe von 1.190,00 EUR übernehmen. Jeder Zahnarzt müsse seine Behandlung zu Ende führen. Dr. A. habe bei ihm großen Schaden verursacht. Er finde keine Zahnärzte, die ihn behandeln würden. Die Behandlung müsse wegen Schmerzen und weiterem Gesundheitsschaden dringend aufgenommen werden.

Mit Beschluss vom 26.11.2009 (- S 11 KR 2972/09 ER -) lehnte das Sozialgericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers wies das LSG mit Beschluss vom 1.2.2010 (- L 11 KR 5939/09 ER-B -) zurück.

Mit Gerichtsbescheid vom 13.7.2010 (- S 11 KR 2973/09 -) wies das Sozialgericht, das mit Beschluss vom gleichen Tag auch Prozesskostenhilfeanträge des Klägers abgelehnt hatte, die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger begehre sinngemäß die eigenanteilsfreie Gewährung einer zahnprothetischen Behandlung, die Einholung eines Gutachtens zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen einen behandelnden Zahnarzt und die Erstattung von Fahrkosten. Hinsichtlich der eigenanteilsfreien Gewährung einer zahnprothetischen Versorgung sei die Klage zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger habe der Sache nach Untätigkeitsklage erhoben und diese als Anfechtungsklage fortgeführt (§ 88 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Die Beklagte habe am 10.3.2009 eine Versorgung ohne Eigenanteil (mündlich) abgelehnt wie im Schriftsatz vom 20.5.2009 im Verfahren L 11 KR 1221/09 näher dargelegt worden sei. Diese schriftsätzliche Äußerung werde als Ablehnungsentscheidung gewertet (vgl. Schroeder-Printzen, SGB X § 31 Anm. 24). Ein Widerspruchsverfahren sei entbehrlich, da dem Vorbringen der Beklagten zu entnehmen sei, dass ein Vorverfahren als gescheitert angesehen werden könne (vgl. Peters-Sautter-Wolff, SGG § 78 Anm. 4). Die Klage sei aber nicht begründet. Die Beklagte habe die eigenanteilsfreie Gewährung einer zahnprothetischen Versorgung und die Gewährung eines Festzuschusses mangels Heil- und Kostenplanes eines Vertragszahnarztes, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung beinhalte (§ 87 Abs. la SGB V), zu Recht abgelehnt. Der Leistungsanspruch nach § 55 Abs. 1 SGB V setze die Prüfung des entsprechenden Heil- und Kostenplans sowie die Genehmigung der zahnprothetischen Versorgung vor ihrer Durchführung voraus (vgl. BSG, Urt. v. 30.6.2009, - B 1 KR 19/08 R -).

Die Beklagte habe auch das Begutachtungsverfahren bezüglich des Heil- und Kostenplans der Zahnarztpraxis Dres. H. und von Ch. zu Recht nicht durchgeführt, nachdem man dort zur Behandlung des Klägers nicht mehr bereit sei. Entgegen den Behauptungen des Klägers gehe das aus den im Gerichtsverfahren erhobenen Auskünften hervor. Dr. H. habe bestätigt, dass eine Behandlung nicht zustande gekommen sei, weil es der Kläger abgelehnt habe, den Eigenanteil zu tragen. Da Dr. H. nicht mehr zur Behandlung des Klägers zur Verfügung stehe, könne auch der Heil- und Kostenplan vom 27.1.2009 nicht mehr Grundlage eines Anspruchs auf einen befundbezogenen Festzuschuss gem. § 55 SGB V sein. Bei unzumutbarer Belastung des Versicherten bestehe zwar ein Anspruch auf den doppelten Festzuschuss und damit auf eine vollständige Übernahme der Kosten der jeweiligen Regelversorgung. Das gelte für Personen mit geringen Einnahmen, und Bezieher von Sozialleistungen (§ 55 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB V). Der Anspruch richte sich jedoch - unzumutbare Belastung unterstellt - nur auf eine vollständige Übernahme der Kosten einer Regelversorgung und nicht auf die Übernahme der Kosten einer darüber hinausgehenden Versorgung. Dr. H. habe zum Heil- und Kostenplan vom 27.1.2009 mitgeteilt, der Kläger wünsche über die Kassenleistung hinaus eine Brücke, wofür aber ein Eigenanteil verbleibe. Eine Rechtsgrundlage für die gewünschte eigenanteilsfreie Versorgung gebe es nicht.

Hinsichtlich der Fahrkostenerstattung sei die Klage unzulässig. Die darin liegende Klageerweiterung, die nicht im Zusammenhang mit der zunächst erhobenen Klage stehe, werde nicht als sachdienlich angesehen (§ 99 Abs.1 SGG). Außerdem fehle es am Vorverfahren und es sei auch nicht ersichtlich, dass die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs vorliegen könnten.

Hinsichtlich der Kostenübernahme für die Erstellung eines Privatgutachtens zur Behandlung durch Dr. A. fehle es ebenfalls am Vorverfahren und an den rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs. Gem. § 66 SGB V könnten die Krankenkassen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen unterstützen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden seien und nicht nach § 116 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) auf die Krankenkassen übergingen. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Unterstützung durch Veranlassung einer Begutachtung lägen nicht vor. Der behandelnde Zahnarzt sei dem Kläger bekannt. Ihm komme es darauf an, dass die Beklagte für ihn Beweisführung und Kostenlast durch Einholung eines Gutachtens wegen eines von ihm geltend gemachten Behandlungsfehlers übernehme. Dies sei jedoch nicht Aufgabe der Beklagten. Sie solle nicht anstelle von Versicherten Ansprüche verfolgen, alles Notwendige ermitteln und letztlich auch noch die Kosten der Rechtsverfolgung übernehmen. Hierauf bestehe nach § 66 SGB V und dem zugrunde liegenden Gesetzeszweck kein Anspruch. Ein Schadensersatzanspruch sei gegebenenfalls vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen. Die Einholung eines Gutachtens gehe auf das Kostenrisiko des Klägers (vgl. Senatsurteil v. 4.3.2009, - L 5 KR 5360/08 -).

Auf den ihm am 21.7.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6.8.2010 Berufung eingelegt (Verfahren L 5 KR 3674/10). Zur Begründung bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen. Seine Klage sei voll begründet. Er habe eine sofortige Zahnbehandlung benötigt und sei in seiner Gesundheit schwer geschädigt worden. Auf den Heil- und Kostenplan vom Januar 2009 habe er keine Antwort bekommen.

Der Kläger hat eine Rechnung des Zahnarztes Dr. U. vom 5.7.2010 vorgelegt. Darin wird ihm für eine am 5.7.2010 vorgenommene Implantatversorgung regio 24 26 ein Betrag von 1.056,74 EUR in Rechnung gestellt. Außerdem ist ein von Dr. U. ausgestelltes Rezept vom 29.6.20 für Ibuprofen-Tabletten (Kosten 2 x 57 EUR) vorgelegt worden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 13.7.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kosten einer am 5.7.2010 durch Dr. U. durchgeführten zahnprothetischen Behandlung (Implantatversorgung regio 24, 26) in Höhe von 1.056,74 EUR (Rechnung vom 5.7.2010) sowie Fahrkosten für zwei Fahrten zu Zahnbehandlungen in der Universitätsklinik T. und eine Fahrt zu einem Kieferchirurgen in V.-Sch. zu erstatten und die Kosten einer Begutachtung der von Dr. A. durchgeführten Zahnbehandlung in Höhe von (mindestens) 1.190 EUR zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und die geltend gemachten Ansprüche für unbegründet.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats sowie die beigezogenen Akten des 11. Senats des LSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Berufung des Klägers ist gem. §§ 134, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst überwiegend zulässig. Unzulässig und deswegen gem. § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen ist die Berufung aber insoweit, als der Kläger offenbar die Verurteilung der Beklagten zur Übernahme von Kosten (Eigenanteil) begehrt, die ihm bei einer von Dr. U. am 5.7.2010 durchgeführten zahnprothetischen Behandlung entstanden sind (Rechnung des Dr. U. vom 5.7.2010 über einen Betrag von 1.056,74 EUR). Hierüber ist ein Verwaltungs-, insbesondere Widerspruchsverfahren ersichtlich nicht durchgeführt worden und hierüber hat das Sozialgericht im angefochtenen Gerichtsbescheid, der Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, auch nicht entschieden.

II. Die Berufung ist im Übrigen nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1.) Soweit der Kläger im sozialgerichtlichen Verfahren die Gewährung einer zahnprothetischen Versorgung (ohne Eigenbeteiligung an den Kosten - vgl. § 55 Abs. 2 SGB V) begehrt hat, ist die Klage zu Recht (auch) als unbegründet abgewiesen worden, weshalb auch die dagegen gerichtete Berufung des Klägers unbegründet ist. Ob die Klage außerdem unzulässig war (zur Notwendigkeit des Vorverfahrens als Prozessvoraussetzung etwa BSG, Urt. v. 5.9.2006, - B 2 U 8/05 R -; Urt. v. 3.3.2009, - B 4 AS 37/08 R -), mag dahin stehen. Zulässigkeitsmängel, die den Senat daran hindern würden, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen, stehen nicht in Rede.

Nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a SGB V umfasst die Krankenbehandlung die Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen. (Hier nicht bedeutsame) Einzelheiten zum Anspruch auf zahnärztliche Behandlung sind in § 28 Abs. 2 SGB V geregelt. Gem. § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte nach den Vorgaben in den Sätzen 2 bis 7 Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen (zahnärztliche und zahntechnische Leistungen) in den Fällen, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Nach § 87 Abs. 1a Satz 2 ff. SGB V ist – nach Maßgabe entsprechender, im Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) zu treffender Regelungen – notwendig, dass der Vertragszahnarzt vor Beginn der Behandlung einen kostenfreien Heil- und Kostenplan erstellt, der den Befund, die Regelversorgung und die tatsächlich geplante Versorgung auch in den Fällen des § 55 Abs. 4 und 5 SGB V nach Art, Umfang und Kosten beinhaltet (Satz 2). Im Heil- und Kostenplan sind Angaben zum Herstellungsort des Zahnersatzes zu machen (Satz 3). Der Heil- und Kostenplan ist von der Krankenkasse vor Beginn der Behandlung zu prüfen (Satz 4). Die Krankenkasse kann den Befund, die Versorgungsnotwendigkeit und die geplante Versorgung begutachten lassen (Satz 5). Bei bestehender Versorgungsnotwendigkeit bewilligt die Krankenkasse die Festzuschüsse gemäß § 55 Abs. 1 oder 2 SGB V entsprechend dem im Heil- und Kostenplan ausgewiesenen Befund (Satz 6). Nach Abschluss der Behandlung rechnet der Vertragszahnarzt die von der Krankenkasse bewilligten Festzuschüsse mit Ausnahme der Fälle des § 55 Abs. 5 SGB V mit der Kassenzahnärztlichen Vereinigung ab (Satz 7). Die Umsetzung dieser Vorgaben findet sich in der Anlage 3 zum BMV-Z. Leistungsvoraussetzung ist danach die Genehmigung der zahnprothetischen Versorgung vor ihrer Durchführung und nach Prüfung des entsprechenden Heil- und Kostenplans; die im 4. Kapitel des SGB V angesiedelten Vorschriften zum Genehmigungserfordernis regeln nicht nur die Beziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern, sondern gestalten auch das Leistungsrecht (vgl. i. e. BSG, Urt. v. 30.6.2009, - B 1 KR 19/08 R -).

Solange ein Heil- und Kostenplan eines zur Durchführung der zahnprothetischen Behandlung bereiten Vertragszahnarztes nicht vorliegt und nicht genehmigt ist, kann der Kläger entsprechende Leistungen nach näherer Maßgabe des § 55 Abs. 1 ff. SGB V auch nicht erhalten. Der Heil- und Kostenplan des Dr. H. vom 27.1.2009 ist zu Recht nicht genehmigt worden. Das von der Beklagten eingeleitete Begutachtungsverfahren konnte nicht abgeschlossen werden, da Dr. H. zur weiteren Behandlung des Klägers nicht bereit war und die um Begutachtung gebetene Kassenzahnärztliche Vereinigung den Begutachtungsauftrag deswegen mit Schreiben vom 24.2.2009 zurückgab. Die Behauptung des Klägers, Dr. H. sei (doch) zur Durchführung der Behandlung bereit gewesen, ist durch die gegenteiligen Auskünfte der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (Schreiben vom 24.2.2009) und des Dr. H. selbst vom 10.3.2009 (Aktenvermerk der Beklagten), vom 3.11.2009 und 23.2.2009 (Schriftliche Auskünfte im sozialgerichtlichen Verfahren) bzw. 25.2.2010 (Aktenvermerk des Sozialgerichts) widerlegt. Davon abgesehen ist für den geltend gemachten Leistungsanspruch grundsätzlich nicht erheblich, aus welchen Gründen ein genehmigter Heil- und Kostenplan als Leistungsvoraussetzung nicht vorliegt.

Die Beklagte will dem Kläger ersichtlich die ihm gem. § 55 SGB V zustehenden Leistungen gewähren. Das setzt aber ein Mindestmaß an Kooperation mit der Krankenkasse und den behandelnden Vertragszahnärzten voraus. Da der Kläger dazu offenkundig nicht bereit ist bzw. war, konnte das eingangs beschriebene Verfahren der Leistungsgewährung jedenfalls in der Vergangenheit nicht durchgeführt werden. Im Übrigen beschränkt sich der Leistungsanspruch auf die vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nach näherer Maßgabe der § 55, 56 SGB V umfassten Leistungen. Sofern der Kläger eine darüber hinausgehende zahnprothetische Versorgung haben will, muss er diese selbst bezahlen und kann die Kosten hierfür nicht auf die Versichertengemeinschaft abwälzen.

2.) Hinsichtlich der Fahrkostenerstattung (Fahrten zur Universitätsklinik T. bzw. zu einem Kieferchirurgen in V.-Sch.) sind die Voraussetzungen des hierfür allein als Rechtsgrundlage in Betracht kommenden § 60 SGB V ersichtlich nicht erfüllt. Ein Kostenübernahmetatbestand (zur grundsätzlichen Geltung des Sachleistungsprinzips auch hinsichtlich der Fahrkosten etwa BSG, Urt. v. 28.7.2008, - B 1 KR 27/07 R -) des § 60 Abs. 2 SGB V oder des § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V i. V. m. den Bestimmungen der Krankentransport-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (v. 22.1.2004, BAnz. Nr. 18 S. 1342) liegt nicht vor; im Hinblick auf § 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V (Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung) fehlt es auch an der vorherigen Genehmigung der Beklagten. Hinsichtlich der Kostenübernahme für die Erstellung eines Privatgutachtens zur Behandlung durch Dr. A. fehlt es ebenfalls an den rechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs. Insoweit sei auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids (S. 8 des Entscheidungsabdrucks) und auf das (rechtskräftige) Senatsurteil vom 4.3.2009 (- L 5 KR 5360/08 -) Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG), das im Verfahren zwischen dem Kläger und der A. in gleicher Sache ergangen ist.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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