S 70 AL 2149/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
70
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 70 AL 2149/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit sich in der Hauptsache erledigt hat.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

3. Der Streitwert wird auf 500,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Feststellung der Erledigung der Hauptsache, nachdem zuvor die Korrektur einer von der Beklagten ausgestellten Arbeitsbescheinigung im Streit stand.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin wurde durch die Beklagte zum 15.04.2006 gekündigt. Die Klägerin meldete sich zum 01.05.2006 arbeitslos.

Mit dem Inhalt der von der Beklagten ausgestellten Arbeitsbescheinigung gem. § 312 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) war die Klägerin nicht einverstanden. Sie erhob daher, vertreten durch ihren ehemaligen Prozessbevollmächtigten, durch Schriftsatz vom 19.06.2006 Klage beim Sozialgericht Berlin und begehrte damit die Verurteilung der Beklagten zur Änderung der ausgestellten Arbeitsbescheinigung. Sie verlangte die Erklärung, dass es sich um eine betriebsbedingte Kündigung gemäß § 1a KSchG gehandelt habe, bei der eine Sozialauswahl vorgenommen worden sei (Anträge zu lit. a und b). Zudem beanstandete sie, dass das Arbeitsentgelt für April 2006 mit 425,00 EUR statt 2.550,00 EUR angegeben worden ist (Antrag zu lit. c).

Die Beteiligten führten zwei Prozesse vor dem Arbeitsgericht Berlin, die die Kündigung und die Höhe des der Klägerin noch zustehenden weiteren Arbeitsentgelts betrafen. Diese Verfahren wurden durch Prozessvergleiche vom 26.10.2006 und 04.05.2007 beendet. Entsprechend den Regelungen dieser Vergleiche erfolgte auch eine Abänderung der Arbeitsbescheinigung durch die Beklagte.

Durch Schriftsatz vom 22.03.2007 beantragte der ehemalige Bevollmächtigte der Klägerin zuletzt, dass das Arbeitsentgelt für April 2006 mit dem Betrag von 1.300,00 EUR zu bescheinigen ist. Die ursprünglichen Anträge zu litera a) und b) erklärte er für erledigt. Mit Schriftsatz vom 08.02.2011 hat die Klägerin persönlich den Rechtsstreit unter Hinweis auf den Vergleich vor dem Arbeitsgericht für erledigt erklärt. Die Beklagte hat dieser Erledigungserklärung widersprochen.

Die Klägerin beantragt, festzustellen, dass der Rechtsstreit sich in der Hauptsache erledigt hat.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen.

Sie widerspricht der Erledigungserklärung und meint, für eine solche Erklärung sei kein Raum, da die Klage vollumfänglich von Anfang an unbegründet gewesen sei.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die vorliegende Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Gerichtsakte des Arbeitsgericht Berlin (Az. 63 Ca /06) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

Die auf die Feststellung der Erledigung gerichtete Klage ist auch in diesem sozialgerichtlichen Verfahren zulässig, da es sich um ein gerichtskostenpflichtiges Verfahren gem. § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) handelt und somit die verwaltungsprozessrechtlichen Grundsätze zur einseitigen Erledigungserklärung gelten (vgl. BSG, Beschluss v. 29.12.2005, B 7a AL 192/05 B; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.10.2010, L 5 KA 352/09; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 125 Rn. 10). Die Zulässigkeit der Änderung des Klageantrags ergibt sich aus § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG, da in dem Feststellungsantrag eine Beschränkung des Klageantrags zu sehen ist, die nicht als Klageänderung zu werten ist (vgl. Keller, a. a. O.).

Die Klage ist begründet. Eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist eingetreten. Voraussetzung für diese Erledigung ist, dass der Kläger infolge eines nachträglich eingetretenen Ereignisses sein Klagebegehren nicht mehr mit Aussicht auf Erfolg weiterverfolgen kann, diesem vielmehr rechtlich oder tatsächlich die Grundlage entzogen ist (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.10.2010, L 5 KA 352/09, zitiert nach juris Rn. 32). Es muss eine Situation eingetreten sein, die eine Entscheidung über den Klaganspruch erübrigt oder ausschließt, namentlich weil das Rechtsschutzziel des Klägers bereits außerhalb des Prozesses erreicht worden ist oder nicht mehr erreicht werden kann.

Zuletzt hatte der ehemalige Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 22.03.2007 nur die Berichtigung bezüglich des Arbeitslohns im April 2006 beantragt (vgl. auch Schriftsatz vom 09.07.2006). Darin liegt eine Beschränkung des Klageantrags in der Hauptsache, die gem. § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG auch ohne Sachdienlichkeit - die hier aber ohne weiteres gegeben sein dürfte - oder Einwilligung des Beklagten zulässig ist. Dieser Antrag ist gegenstandlos geworden, nachdem sich die Beteiligten durch Vergleich vom 04.05.2007 (Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin im Verfahren 48 Ca /07) für April 2006 auf ein bestimmtes Arbeitsentgelt geeinigt und die Arbeitsbescheinigung anschließend am 06.06.2007 durch die Beklagte entsprechend geändert worden ist. Die Klägerin hatte also die zuletzt angestrebte Änderung bezüglich der Entgelthöhe im April 2006 erreicht. Es ist eine Erfüllung der Klageforderung der Klägerin eingetreten. Damit hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache insgesamt erledigt.

Entgegen der Ansicht der Beklagten steht der Feststellung der Erledigung in der Hauptsache nicht entgegen, dass die ursprüngliche Klage möglicherweise vollumfänglich unbegründet gewesen ist. Auch eine von Anfang an unzulässige oder unbegründete Klage kann sich in der Hauptsache erledigen (vgl. BVerwGE 73, 312, 313, Beschluss v. 25.11.1981; BVerwG, Urteil v. 31.10.1990, 4 C 7/88; Urteil v. 22.01.1993, NVwZ 1993, 979). Der gegenteiligen Rechtsprechung der Zivilgerichte (vgl. z. B. BGH, Urteil v. 05.05.1994, III ZR 98/93 m. w. N.) folgt die Kammer nicht. Denn der Begriff der Erledigung meint lediglich, dass das Klagebegehren des Klägers aufgrund einer Änderung der Sach- oder Rechtslage gegenstandslos geworden ist. Aufgrund des zulässigen Erledigungsfeststellungsantrags ist jedoch nur über die Frage der Erledigung zu entscheiden und nicht über die Erfolgsaussichten des ursprünglichen Klagebegehrens (BVerwG, Urteil v. 31.10.1990, 4 C 7/88). Ist eine Erledigung in der Hauptsache eingetreten, besteht jedenfalls im sozialgerichtlichen Klageverfahren regelmäßig kein schutzwürdiges Bedürfnis für eine Entscheidung über das ursprüngliche Klagebegehren (vgl. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG). Die von der Klägerin zuletzt begehrten Änderungen sind aufgrund der späteren Korrektur der Arbeitsbescheinigung durch die Beklagte gegenstandslos geworden. Der Rechtsstreit hat sich damit in der Hauptsache erledigt.

Mit dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist die Erledigung des Rechtsstreits allerdings ausnahmsweise aufgrund einer ursprünglichen Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Klage abzulehnen, wenn der Beklagte entsprechend § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bzw. § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG ein schutzwürdiges Interesse daran hat (BVerwG, Urteil v. 25.04.1989, 9 C 61/88, BVerwGE 82, 41; Urteil v. 31.10.1990, 4 C 7/88; Beschluss v. 29.07.2003, 1 B 291/02). Besteht ein berechtigtes Interesse des Beklagten entsprechend § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG bzw. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO, kann die Erledigung nur dann festgestellt werden, wenn die Klage im Zeitpunkt des Eintritts des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet war. Ein dem Feststellungsinteresse nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG vergleichbares Interesse der Beklagten ist hier jedoch weder behauptet worden noch sonst ersichtlich. Hier wendet die Beklagte lediglich ein, dass der Rechtsstreit sich aufgrund ursprünglicher Unbegründetheit nicht erledigt habe, ohne dass ein besonderes Rechtsschutzinteresse erkennbar ist.

Dass der Klägerin aufgrund des offenbar vor Klageerhebung eingeleiteten Verwaltungsverfahrens über die Arbeitslosengeldbewilligung ursprünglich das Rechtsschutzbedürfnis fehlte und die Klage somit unzulässig war (vgl. BSG, Urteil v. 12.12.1990, 11 RAr 43/88), kann demnach der Feststellung der Erledigung nicht entgegenstehen.

Im Übrigen ist die Ansicht der Beklagten, die Klage sei von Anfang an vollumfänglich unbegründet gewesen, offenbar unzutreffend. Denn sie hat selber dem ursprünglichen Klageantrag jedenfalls bezüglich der Angabe zur Entgelthöhe im April 2006 zum Teil entsprochen, so dass die Klage zumindest insoweit nicht unbegründet gewesen sein kann. Die Begründetheit der ursprünglichen Klage kann aber hier aus den genannten Gründen letztlich dahin stehen.

Nach alledem war der Feststellungsklage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beklagte hat infolge ihres Unterliegens die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang zu tragen. Eine Kostenentscheidung nach § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 161 Abs. 2 VwGO scheidet nach Überzeugung der Kammer aus (a. A. Leitherer in: in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 197a Rn. 25b). Denn zu entscheiden ist hier über ein nach wie vor streitig geführtes Klageverfahren, so dass die Regelung in § 197a Abs. 1 i. V. m. § 154 VwGO zur Anwendung kommt (ebenso: BVerwG, Urteil v. 25.04.1989, 9 C 61/88, zitiert nach juris Rn. 15; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 20.10.2010, L 5 KA 352/09, zitiert nach juris Rn. 35; vgl. auch BGH, Urteil v. 15.01.1982, V ZR 50/81). Da der Feststellungsantrag aber in vollem Umfang Erfolg hat, unterliegt die Beklagte und ist dementsprechend zur Kostenerstattung verpflichtet. Auf die Erfolgsaussichten der ursprünglichen Klage kommt es also auch insoweit nicht an.

Die Berufung gegen dieses Urteil ist nicht kraft Gesetzes zulässig, § 144 Abs. 1 SGG. Die Berufungssumme von über 750,00 Euro wird nicht erreicht. Hinsichtlich der Bestimmung des Werts des Berufungsgegenstands wird auf die nachstehenden Ausführungen zum Streitwert verwiesen, aus denen folgt, dass dieser Wert nicht über 500,00 EUR liegen kann. Es besteht auch kein Grund zur Zulassung der Berufung gem. § 144 Abs. 2 SGG.

Nach § 197a SGG i. V. n. § 63 Abs. 2 GKG hat das Gericht auch den Streitwert festzusetzen. Der festgesetzte Streitwert ergibt sich aus § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach ist vor den Sozialgerichten, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Ein Streitwert von 5000,00 EUR ist anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, § 52 Abs. 2 GKG.

Die Kammer hat bei der Streitwertbestimmung berücksichtigt, dass die ursprünglich begehrte Korrektur der Arbeitsbescheinigung Ähnlichkeiten zur zivilrechtlichen Klage auf Auskunftserteilung aufweist, da mithilfe der Arbeitsbescheinigung Ansprüche gegen die Arbeitsagentur geltend gemacht werden sollten (vgl. SG Hamburg, Urteil v. 27.04.2006, S 60 AL 2074/04; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 12.08.2010, L 8 AL 222/10 B, zitiert nach juris). Daher ist ein Bruchteil des Anspruchs als Streitwert anzusetzen. Zu würdigen ist hierbei weiter, dass das Arbeitslosengeld nur einen Bruchteil des Bruttoarbeitsentgelts ausmacht und im Arbeitsförderungsrecht weder die Arbeitsagentur noch das Sozialgericht an die Angaben in der Arbeitsbescheinigung gebunden sind. Es erscheint daher billig, 1/10 des streitigen Betrags der Streitwertfestsetzung zugrunde zu legen (ebenso: SG Hamburg, a. a. O.; LSG Berlin-Brandenburg, a. a. O.).

Hier stritten die Beteiligten nicht nur um die Angaben zum Arbeitsentgelt, sondern auch um Erklärungen zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (Art der Kündigung und vorangegangene Sozialauswahl). Insoweit kann daher nicht vom Wert der streitigen Angaben zum Arbeitsentgelt ausgegangen werden. Da ein wirtschaftlicher Wert für die übrigen Erklärungen, die im Streit standen, nicht zu ermitteln, ist hier von dem Auffangstreitwert von 5000,00 EUR auszugehen. Aus den o. g. Gründen sind hier allerdings nur 1/10 des mit 5000,00 EUR zu beziffernden Werts der ursprünglich begehrten Änderungen der Streitwertbestimmung zugrunde zulegen. Daraus folgt der oben festgesetzte Streitwert von 500,00 EUR.
Rechtskraft
Aus
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