Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 12213/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 820/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 02. April 2009 geändert. Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klä-gers auf Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 zu bescheiden. Im Übrigen wird die Berufung zu-rückgewiesen. Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beru-fungsverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Bescheidung seines Fortzahlungsan-trages auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 20. November 2006 für die Zeit ab 01. Dezember 2006.
Der Kläger hatte von Februar 2005 bis einschließlich November 2006 Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) von dem Beklagten bezogen.
Mit formlosem Schreiben vom 20. November 2006 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass hinsichtlich der ausstehenden Entscheidung über die Weitergewährung der Leistungen zur Si-cherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II keine Änderungen bei den anspruchsbegrün-denden Tatsachen anzuzeigen seien. Dies gelte insbesondere auch bezüglich der beantragten Kosten für Heizung. Unter dem 23. November 2006 sandte der Beklagte einen Form-Fortzahlungsantrag an den Kläger ab. Ein Rücklauf des ausgefüllten Formantrages war nicht zu verzeichnen.
Mit Bescheid vom 14. September 2007 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. Juni 2007 bis 31. Juli 2007 sowie ab dem 01. August 2007 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 zurück. Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Berlin, welche unter dem Aktenzeichen S 129 AS 10589/08 geführt wird. Mit Bescheid vom 28. März 2008 versagte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebens-unterhaltes für den Zeitraum vom 01. Dezember 2006 bis zum 31. Mai 2007. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2008 zurück. Die Bescheide waren Gegenstand des Verfahrens S 99 AS 21130/08 vor dem Sozialgericht Berlin, im Laufe dessen der Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2009 den Versa-gensbescheid vom 28. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2008 aufgehoben hat.
Mit Bescheid vom 03. September 2009 hat der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (inkl. Mehrbedarfe) iHv 345,- EUR monatlich für den Zeitraum vom 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 bewilligt. Zu den ungeklärten Punkten des Leis-tungsantrages hat der Beklagte den Kläger aufgefordert, Nachweise zur Höhe der Kosten für die Unterkunft einzureichen.
Am 01. Juni 2007 hatte der – seinerzeit rechtsanwaltlich vertretene – Kläger Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Berlin (SG) mit dem Antrag erhoben, den Beklagten ab dem 01. Dezember 2006 zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe (Regelsatz und Kosten der Unterkunft und Heizung) zu verpflichten. Er hat vorgetragen, die Weitergewährung der Leistungen könne vom Ausfüllen eines Formblattes nicht abhängig gemacht werden, der Beklagte könne aufgrund der Angaben in seinem Antrag vom 20. November 2006 eine Entscheidung treffen. Es bestünde zumindest ein Anspruch auf Bescheidung. Der Versagensbescheid vom 28. März 2008 erledige den vorliegenden Rechts-streit nicht, da das Begehren des Klägers auf eine Leistungsgewährung gerichtet sei. Gegen den Versagensbescheid könne er sich zulässig lediglich in Form der Anfechtungsklage zur Wehr setzen, wobei eine Leistungsverpflichtung des Beklagten nicht Gegenstand einer Verurteilung sein könne. Mit Gerichtsbescheid vom 02. April 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die ausdrücklich als Untätigkeitsklage erhobene Klage sei unzuläs-sig. Eine Untätigkeit des Beklagten läge nach der erfolgten Bescheidung seines Antrages vom 20. November 2006 am 28. März 2008 für die Zeit vom 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 nicht (mehr) vor. Der begehrten Leistungsverpflichtung stünde der Versagensbescheid entge-gen, wobei die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens sei. Ein Fall des § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liege auch nicht vor. Hin-sichtlich des folgenden Zeitraumes ab 01. Juli 2007 sei eine weitere Klage anhängig, wobei die Versagung über den 31. Mai 2007 nicht fortwirke.
Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil. Er trägt vor: Die Entscheidung nach § 66 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) sei eine verwaltungsverfahrensrecht-liche Entscheidung und keine Sachentscheidung. Die Versagensentscheidung vom 28. März 2008 sei überdies rechtswidrig, weshalb Untätigkeit bei dem Beklagten weiterhin gegeben sei, ein sachlicher Grund dafür nicht bestünde. Überdies habe sich das SG nicht mit der Versagens-entscheidung vom 28. März 2008 inhaltlich auseinandergesetzt. Selbst wenn der Kläger in dem Rechtsstreit um die Versagensentscheidung obsiegen würde, sei nicht zu erwarten, dass der Beklagte Leistungen gewähren würde.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. April 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Antrag vom 20. November 2006 sachlich zu bescheiden.
Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Anspruch des Klägers auf Be-scheidung seines Antrages vom 20. November 2006 hinsichtlich der Gewährung von Kosten für die Unterkunft und Heizung für die Zeit ab 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 anerkannt und beantragt im Übrigen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Leistungsakte des Beklagten, die Gerichtsakte des SG Berlin zum Verfahren S 99 AS 21130/08 und die Gerichtsakte dieses Verfahrens haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie nicht begründet und war zurückzuweisen.
Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemesse-ner Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die (Untätigkeits-)Klage nach § 88 Abs. 1 SGG nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsak-tes zulässig. § 88 Abs. 1 SGG setzt weiter voraus, dass es an einem zureichenden Grund dafür fehlt, dass der streitige Antrag in angemessener Frist noch nicht beschieden ist. Zunächst lag dieser zurei-chende Grund nicht vor, denn der Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, dass der Antrag nicht zu bescheiden sei, solange die ausgefüllten Formantragsformulare nicht eingegangen sind. Für den Leistungsantrag nach § 37 Abs. 1 SGB II ist eine bestimmte Form nicht vorgese-hen, einem wirksamen Antrag steht es daher nicht entgegen, wenn vorgegebene Vordrucke nicht verwendet werden (vgl BSGE 46, 218). Auch lässt sich die Untätigkeit des Beklagten nicht mit Rücksicht darauf rechtfertigen, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Antrag-stellung möglicherweise seinen Mitwirkungspflichten iS von §§ 60 ff SGB I nicht ausreichend nachgekommen ist. Sofern der Beklagte infolge unzureichender Angaben des Klägers an einer Sachentscheidung über den Leistungsanspruch gehindert war, hätte er – wie geschehen - nach § 66 SGB I vorgehen können und müssen, um einer Untätigkeitsklage des Klägers die Grundlage zu entziehen.
Die von dem Kläger vorliegend aufgeworfene Frage, ob er verpflichtet gewesen ist, die von dem Beklagten verwendeten Formantragsformulare auszufüllen, um seinen Leistungsanspruch zu verfolgen, wird im Rahmen der Untätigkeitsklage nicht geklärt. Zwar ließe sich das Vorlie-gen einer Mitwirkungspflichtverletzung des Klägers auch im Rahmen einer Untätigkeitsklage bei der Frage prüfen, ob für die Nichtbescheidung des Antrages ein zureichender Grund vor-liegt. Wegen der Möglichkeit einer Bescheiderteilung nach § 66 SGB I kann eine Mitwir-kungspflichtverletzung für sich genommen jedoch grundsätzlich noch kein zureichender Grund dafür sein, dass die Behörde einen Antrag unbeschieden gelassen hat. Sie ist lediglich insoweit beachtlich, als der Leistungsträger infolge der dadurch eingetretenen Verzögerungen auch bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise noch keinen Bescheid nach § 66 SGB I hätte erteilen kön-nen (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1994 - 13 RJ 17/94 – juris -).
Für eine gerichtliche Entscheidung über die Untätigkeitsklage ermangelt es hinsichtlich des Antrages vom 20. November 2006 und hier bezüglich der Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhaltes nach §§ 20 Abs. 1 und 2, 21 SGB II indes an einem Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Beklagte hat den Antrag vom 20. November 2006 insoweit bereits beschieden. Zwar hatte der Beklagte den das Verwaltungsverfahren (vgl. § 18 Sozialgesetzbuch – Sozialverwal-tungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X -) zunächst beendenden Versagungsbescheid vom 28. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2008 mit Be-scheid vom 16. Juli 2009 wieder aufgehoben, womit der Antrag vom 20. November 2006 wie-derum unbeschieden war. Er hat jedoch mit weiterem Bescheid vom 3. September 2009 dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (inkl. Mehrbedarfe) iHv 345,- EUR monatlich für den Zeitraum vom 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 bewilligt. Hin-sichtlich dieses Anspruchs kann die Rechtsstellung des Klägers durch eine gerichtliche Ent-scheidung nicht mehr verbessert werden, so dass sich das zulässig (nur) auf eine Bescheidung abzielende Klagebegehren erledigt hat. Auch wenn die Bewilligung lediglich vorläufig ergan-gen ist (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II iVm § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – SGB III -), entzieht sie der Untätigkeitsklage die Grundlage, da mit der Untätigkeitsklage auch die vorläufige Entscheidung über den Leistungsanspruch begehrt wer-den kann (vgl. Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 328 Rdnr 6).
Der Kläger kann mit der Untätigkeitsklage auch nicht erfolgreich ein Bescheidungsbegehren "in der Sache" geltend machen, da die Klage nach § 88 Abs. 1 SGG zulässig nur auf die bloße Bescheidung gerichtet sein kann (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 88 Rdnr 2 mwN).
Auch hat das SG zutreffend eine Auslegung der Klage als Verpflichtungsklage, die gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 SGG auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet wäre, nicht in Betracht gezogen. Eine auf Verurteilung des Beklagten zur Leistungsgewährung ab dem 01. Dezember 2006 gerichtete Klage wäre unzulässig gewesen. Denn das vor Erhebung der Ver-pflichtungsklage gemäß § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG durchzuführende Vorverfahren hatte nicht stattgefunden. Vielmehr fehlte es zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits an der Ertei-lung eines widerspruchsfähigen Bescheides. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger eine unzulässige Klage erheben wollte.
Soweit der Kläger mit seinem Antrag vom 20. November 2006 Leistungen für die Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II für die Zeit vom 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 beantragt hat, ist die Berufung hingegen begründet. Der Beklagte war entsprechend seines ab-gegebenen Teilanerkenntnisses zu verurteilen. Denn die Bestimmung des § 307 Zivilprozess-ordnung (ZPO) ist über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich an-wendbar. Ein ausdrücklich auf den Erlass eines Anerkenntnisurteils gerichteter Antrag des Klägers ist nicht erforderlich (vgl. BSG SozR 6580 Art 5 Nr. 4 S 10). Der Darstellung der Ent-scheidungsgründe bedarf es insoweit nicht (vgl. § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den teilweisen Erfolg des Klägers im Berufungsverfahren.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Bescheidung seines Fortzahlungsan-trages auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 20. November 2006 für die Zeit ab 01. Dezember 2006.
Der Kläger hatte von Februar 2005 bis einschließlich November 2006 Leistungen zur Siche-rung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – (SGB II) von dem Beklagten bezogen.
Mit formlosem Schreiben vom 20. November 2006 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass hinsichtlich der ausstehenden Entscheidung über die Weitergewährung der Leistungen zur Si-cherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II keine Änderungen bei den anspruchsbegrün-denden Tatsachen anzuzeigen seien. Dies gelte insbesondere auch bezüglich der beantragten Kosten für Heizung. Unter dem 23. November 2006 sandte der Beklagte einen Form-Fortzahlungsantrag an den Kläger ab. Ein Rücklauf des ausgefüllten Formantrages war nicht zu verzeichnen.
Mit Bescheid vom 14. September 2007 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01. Juni 2007 bis 31. Juli 2007 sowie ab dem 01. August 2007 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 2008 zurück. Dagegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Berlin, welche unter dem Aktenzeichen S 129 AS 10589/08 geführt wird. Mit Bescheid vom 28. März 2008 versagte der Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebens-unterhaltes für den Zeitraum vom 01. Dezember 2006 bis zum 31. Mai 2007. Den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2008 zurück. Die Bescheide waren Gegenstand des Verfahrens S 99 AS 21130/08 vor dem Sozialgericht Berlin, im Laufe dessen der Beklagte mit Bescheid vom 16. Juli 2009 den Versa-gensbescheid vom 28. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2008 aufgehoben hat.
Mit Bescheid vom 03. September 2009 hat der Beklagte dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (inkl. Mehrbedarfe) iHv 345,- EUR monatlich für den Zeitraum vom 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 bewilligt. Zu den ungeklärten Punkten des Leis-tungsantrages hat der Beklagte den Kläger aufgefordert, Nachweise zur Höhe der Kosten für die Unterkunft einzureichen.
Am 01. Juni 2007 hatte der – seinerzeit rechtsanwaltlich vertretene – Kläger Untätigkeitsklage zum Sozialgericht Berlin (SG) mit dem Antrag erhoben, den Beklagten ab dem 01. Dezember 2006 zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe (Regelsatz und Kosten der Unterkunft und Heizung) zu verpflichten. Er hat vorgetragen, die Weitergewährung der Leistungen könne vom Ausfüllen eines Formblattes nicht abhängig gemacht werden, der Beklagte könne aufgrund der Angaben in seinem Antrag vom 20. November 2006 eine Entscheidung treffen. Es bestünde zumindest ein Anspruch auf Bescheidung. Der Versagensbescheid vom 28. März 2008 erledige den vorliegenden Rechts-streit nicht, da das Begehren des Klägers auf eine Leistungsgewährung gerichtet sei. Gegen den Versagensbescheid könne er sich zulässig lediglich in Form der Anfechtungsklage zur Wehr setzen, wobei eine Leistungsverpflichtung des Beklagten nicht Gegenstand einer Verurteilung sein könne. Mit Gerichtsbescheid vom 02. April 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die ausdrücklich als Untätigkeitsklage erhobene Klage sei unzuläs-sig. Eine Untätigkeit des Beklagten läge nach der erfolgten Bescheidung seines Antrages vom 20. November 2006 am 28. März 2008 für die Zeit vom 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 nicht (mehr) vor. Der begehrten Leistungsverpflichtung stünde der Versagensbescheid entge-gen, wobei die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieses Bescheides nicht Gegenstand des hiesigen Verfahrens sei. Ein Fall des § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liege auch nicht vor. Hin-sichtlich des folgenden Zeitraumes ab 01. Juli 2007 sei eine weitere Klage anhängig, wobei die Versagung über den 31. Mai 2007 nicht fortwirke.
Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen dieses Urteil. Er trägt vor: Die Entscheidung nach § 66 Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – (SGB I) sei eine verwaltungsverfahrensrecht-liche Entscheidung und keine Sachentscheidung. Die Versagensentscheidung vom 28. März 2008 sei überdies rechtswidrig, weshalb Untätigkeit bei dem Beklagten weiterhin gegeben sei, ein sachlicher Grund dafür nicht bestünde. Überdies habe sich das SG nicht mit der Versagens-entscheidung vom 28. März 2008 inhaltlich auseinandergesetzt. Selbst wenn der Kläger in dem Rechtsstreit um die Versagensentscheidung obsiegen würde, sei nicht zu erwarten, dass der Beklagte Leistungen gewähren würde.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. April 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Antrag vom 20. November 2006 sachlich zu bescheiden.
Der Beklagte hat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Anspruch des Klägers auf Be-scheidung seines Antrages vom 20. November 2006 hinsichtlich der Gewährung von Kosten für die Unterkunft und Heizung für die Zeit ab 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 anerkannt und beantragt im Übrigen,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Leistungsakte des Beklagten, die Gerichtsakte des SG Berlin zum Verfahren S 99 AS 21130/08 und die Gerichtsakte dieses Verfahrens haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie nicht begründet und war zurückzuweisen.
Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes ohne zureichenden Grund in angemesse-ner Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die (Untätigkeits-)Klage nach § 88 Abs. 1 SGG nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsak-tes zulässig. § 88 Abs. 1 SGG setzt weiter voraus, dass es an einem zureichenden Grund dafür fehlt, dass der streitige Antrag in angemessener Frist noch nicht beschieden ist. Zunächst lag dieser zurei-chende Grund nicht vor, denn der Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, dass der Antrag nicht zu bescheiden sei, solange die ausgefüllten Formantragsformulare nicht eingegangen sind. Für den Leistungsantrag nach § 37 Abs. 1 SGB II ist eine bestimmte Form nicht vorgese-hen, einem wirksamen Antrag steht es daher nicht entgegen, wenn vorgegebene Vordrucke nicht verwendet werden (vgl BSGE 46, 218). Auch lässt sich die Untätigkeit des Beklagten nicht mit Rücksicht darauf rechtfertigen, dass der Kläger im Zusammenhang mit der Antrag-stellung möglicherweise seinen Mitwirkungspflichten iS von §§ 60 ff SGB I nicht ausreichend nachgekommen ist. Sofern der Beklagte infolge unzureichender Angaben des Klägers an einer Sachentscheidung über den Leistungsanspruch gehindert war, hätte er – wie geschehen - nach § 66 SGB I vorgehen können und müssen, um einer Untätigkeitsklage des Klägers die Grundlage zu entziehen.
Die von dem Kläger vorliegend aufgeworfene Frage, ob er verpflichtet gewesen ist, die von dem Beklagten verwendeten Formantragsformulare auszufüllen, um seinen Leistungsanspruch zu verfolgen, wird im Rahmen der Untätigkeitsklage nicht geklärt. Zwar ließe sich das Vorlie-gen einer Mitwirkungspflichtverletzung des Klägers auch im Rahmen einer Untätigkeitsklage bei der Frage prüfen, ob für die Nichtbescheidung des Antrages ein zureichender Grund vor-liegt. Wegen der Möglichkeit einer Bescheiderteilung nach § 66 SGB I kann eine Mitwir-kungspflichtverletzung für sich genommen jedoch grundsätzlich noch kein zureichender Grund dafür sein, dass die Behörde einen Antrag unbeschieden gelassen hat. Sie ist lediglich insoweit beachtlich, als der Leistungsträger infolge der dadurch eingetretenen Verzögerungen auch bei ordnungsgemäßer Verfahrensweise noch keinen Bescheid nach § 66 SGB I hätte erteilen kön-nen (vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1994 - 13 RJ 17/94 – juris -).
Für eine gerichtliche Entscheidung über die Untätigkeitsklage ermangelt es hinsichtlich des Antrages vom 20. November 2006 und hier bezüglich der Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhaltes nach §§ 20 Abs. 1 und 2, 21 SGB II indes an einem Rechtsschutzbedürfnis. Denn der Beklagte hat den Antrag vom 20. November 2006 insoweit bereits beschieden. Zwar hatte der Beklagte den das Verwaltungsverfahren (vgl. § 18 Sozialgesetzbuch – Sozialverwal-tungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X -) zunächst beendenden Versagungsbescheid vom 28. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2008 mit Be-scheid vom 16. Juli 2009 wieder aufgehoben, womit der Antrag vom 20. November 2006 wie-derum unbeschieden war. Er hat jedoch mit weiterem Bescheid vom 3. September 2009 dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (inkl. Mehrbedarfe) iHv 345,- EUR monatlich für den Zeitraum vom 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 bewilligt. Hin-sichtlich dieses Anspruchs kann die Rechtsstellung des Klägers durch eine gerichtliche Ent-scheidung nicht mehr verbessert werden, so dass sich das zulässig (nur) auf eine Bescheidung abzielende Klagebegehren erledigt hat. Auch wenn die Bewilligung lediglich vorläufig ergan-gen ist (vgl. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II iVm § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung – SGB III -), entzieht sie der Untätigkeitsklage die Grundlage, da mit der Untätigkeitsklage auch die vorläufige Entscheidung über den Leistungsanspruch begehrt wer-den kann (vgl. Niesel, SGB III, 4. Auflage, § 328 Rdnr 6).
Der Kläger kann mit der Untätigkeitsklage auch nicht erfolgreich ein Bescheidungsbegehren "in der Sache" geltend machen, da die Klage nach § 88 Abs. 1 SGG zulässig nur auf die bloße Bescheidung gerichtet sein kann (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 88 Rdnr 2 mwN).
Auch hat das SG zutreffend eine Auslegung der Klage als Verpflichtungsklage, die gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 SGG auf Verurteilung zum Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet wäre, nicht in Betracht gezogen. Eine auf Verurteilung des Beklagten zur Leistungsgewährung ab dem 01. Dezember 2006 gerichtete Klage wäre unzulässig gewesen. Denn das vor Erhebung der Ver-pflichtungsklage gemäß § 78 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG durchzuführende Vorverfahren hatte nicht stattgefunden. Vielmehr fehlte es zum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits an der Ertei-lung eines widerspruchsfähigen Bescheides. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger eine unzulässige Klage erheben wollte.
Soweit der Kläger mit seinem Antrag vom 20. November 2006 Leistungen für die Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 SGB II für die Zeit vom 01. Dezember 2006 bis 31. Mai 2007 beantragt hat, ist die Berufung hingegen begründet. Der Beklagte war entsprechend seines ab-gegebenen Teilanerkenntnisses zu verurteilen. Denn die Bestimmung des § 307 Zivilprozess-ordnung (ZPO) ist über § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich an-wendbar. Ein ausdrücklich auf den Erlass eines Anerkenntnisurteils gerichteter Antrag des Klägers ist nicht erforderlich (vgl. BSG SozR 6580 Art 5 Nr. 4 S 10). Der Darstellung der Ent-scheidungsgründe bedarf es insoweit nicht (vgl. § 313b Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den teilweisen Erfolg des Klägers im Berufungsverfahren.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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